Erste Scene

[63] Gemach in der kaiserlichen Pfalz. Eine Lampe hängt von der Decke herab, das Gemach schwach beleuchtend.

Als aufgezogen wird, hört man aus der Ferne ein frommes Lied von mehreren Stimmen singen, aber sehr schwach.


SONNENBERG allein, liegt in einem Lehnstuhl und schläft. Er ist im Nachtkleide und spricht träumend. Mein holdes Röschen! – bist Du's wahr und wahrhaftig, die vor mir steht? Er breitet die Arme aus, erwacht von der raschen Bewegung, springt auf, und sieht erstaunt um sich. Wo bin ich? Wo war ich? Ein Traum das Alles? Und welch ein Traum? Sah ich nicht das liebliche Röschen vor mir stehen, und breitete sie die Arme nicht aus, und tausend Stimmen jubelten um uns her? Ach, da vernahm ich wohl den Sang, mit dem der fromme Kaiser sich jede Nacht vor dem Schlafengehen ergötzt, und der spielte neckend herüber in meinen Traum, und schuf das seltsame Bild. Der Gesang verstummt. So – jetzt wird mir schon viel[63] nüchterner zu Muthe. Was doch ein Traum vermag. Ist mir nicht die Brust erfüllt mit einem Sehnen nach – Was stocke ich? warum es mir verbergen? Nach dir, du holdes Unschuldsbild, nach dir, mein süßes Röslein. – O trügest du so viele Ahnen im Stammbaum, als Liebesblicke im Auge, wie ganz könnt' ich mich dann dem Zug des Herzens überlassen.


Quelle:
Charlotte Birch-Pfeiffer: Pfeffer-Rösel oder Die Frankfurter Messe im Jahr 1297. Wien 1833, S. 63-64.
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