Zweite Scene

[64] Bandini in einem Mantel gehüllt. Sonnenberg.


BANDINI vorsichtig auftretend, sieht sich um. Seid Ihr allein, Junker!

SONNENBERG nach dem Schwert fahrend. Was soll's?

BANDINI näher tretend. Nicht so rasch, Junker! Laßt das Schwert in der Scheide. Zwar ist mein Sinn nicht friedlich, noch mein Geschäft, doch habt Ihr gegen mich den Ernst nicht nöthig.

SONNENBERG. Ihr seid's, Meister Antonio Bandini? Was wollt Ihr mir? Was sucht Ihr bei einbrechender Nacht in der Kaiserpfalz? Und wie kommt Ihr herein?[64]

BANDINI. Frank und frei, als gehörte ich zu den kaiserlichen Leibdienern. Hier nur in den Gängen schlich ich mit einiger Vorsicht umher, bis ich Euch fand.

SONNENBERG. Und was sucht Ihr, Meister?

BANDINI feierlich. Festen Jugendmuth und Selbstbeherrschung, Kraft und ein ritterliches Schwert, dieß Alles in Euch, und habe es gefunden, wenn Ihr Euerm Kaiser zugethan mit Leib und Leben, und offne Augen für das Unrecht habt.

SONNENBERG. Daß ich dem Kaiser eigen bin mit Blut und Leben, das weiß der Herr, der mein Herz durchschaut. Doch – was soll das Alles?

BANDINI sieht sich um. Kann uns des Kaisers Majestät hier hören?

SONNENBERG. Nicht doch, er schläft im dritten Zimmer von hier.

BANDINI. Nun, Junker, habt Ihr Zeit und Lust; so will ich Euch ein Histörchen erzählen, dessen Gleichen Euch wohl kaum im Ohr geklungen.[65]

SONNENBERG. Seltsamer Mensch! Eure Augen sprühen Blitze, Eure Glieder zittern – sprecht, wenn es Euch beruhigen kann.

BANDINI feierlich. Beruhigen? mich? – Wo findet glühende Rache Ruhe, denn im Blut? Noch ist's nicht zur Beruhigung Zeit, doch Euch erheben zu der Stimmung, die Euch noth, das wird meine Mähr, und ich denke, sie soll ihren Zweck sicher nicht verfehlen. – Nicht immer war ich Handelsmann wie jetzt, und zog als Antonio Bandini auf den Märkten umher. Mein Name ist Vilardi, mein Vater war ein Arzt zu Salerno, und ich erlernte seine edle Wissenschaft. Da ich vernahm, daß in Deutschland diese edle Kunst noch in der Wiege liege, ein unmündig Kind, begab ich mich auf den Weg, zum Nutz und Frommen der Menschheit, und zog von Stadt zu Stadt, Gold und Ehre in Fülle erwerbend. So führte mich mein böser Engel vor 6 Jahren nach Mainz, wo gerade der weltberühmte Dichter Frauenlob mit dem Tode rang. Ich heilte ihn, und bald strömte Reich und Arm mir zu, und mein Ruf stieg im Munde des tollen Pöbels riesenhaft. Bald war ich nicht der Arzt Vilardi mehr, nein! der Neid der ergrimmten Doctoren leitete die Stimmung des Volks, ich war ein Schwarzkünstler, mit dem bösen Geist verbündet. Eines Abends kehr' ich, entschlossen, Mainz zu verlassen, nach meiner Wohnung zurück, und finde[66] mein Haus in Flammen, den Pöbel beschäftigt, sich in meine Reichthümer zu theilen, und der Ruf: »Heraus mit dem Hexenmeister, verbrennt ihn,« erschütterte rings um mich die Luft. Ralph Strichauer, des Nollingen Waffenmeister, schien der Anführer des Tumults. Schnell gefaßt, wende ich mich zur Flucht nach einer dunklen Straße, ein Haufe Bewaffneter tritt mir entgegen, ruft: Im Namen Gerhards von Mainz, Ihr seid unser Gefangener,« und schleppt mich nach seinem Pallast. Der Scheiterhaufen war mir gewiß, da ich in seine Gewalt gegeben.

SONNENBERG. Armer Mann! weiter! weiter!

BANDINI. Man riß mich in Eile fort, die Treppe hinan, und stieß mich in ein prächtig verziertes Gemach. Hier änderte sich plötzlich die Scene. – Ein Ritter trat mir mit freundlichem Anstande entgegen, bot mir an, mich niederzulassen, und versicherte, gleich würde der erhabene Herr selbst vor mir stehen. Darauf verließ er mich durch eine Tapetenthüre, und von den seltsamsten Gefühlen bestürmt, blieb ich allein. Es dauerte lange, Niemand erschien. Ich gehe endlich zu jener Tapetenthüre, sie öffnet sich geräuschlos, ich trete in ein dunkles Gemach; aus einer nur angelehnten Thüre strahlt mir Licht entgegen, ich vernehme eine starke männliche Stimme, schleiche hinzu, und – denkt Euch meinen Zustand, als ich den fürchterlichen Gerhard[67] von Mainz erblicke, aus dessen falschen Schlangenaugen höllische Freude blitzt, der sich eben vertraulich zu dem Ritter hinüberbeugt, welcher mich vorhin verließ, also sprechend: Du meinst also, Nollingen? –

SONNENBERG. Nollingen?

BANDINI ohne sich stören zu lassen. »Du meinst also, Nollingen, daß dieß der rechte Mann sey, uns den vergifteten Ring zu schaffen, den du dem treuherzigen Kaiser aufzuschwatzen gedenkst?« worauf der Andere erwiederte: »Sicherlich, mein erhabener Freund! er allein kann uns das treffliche Arcanum bereiten, das langsam sterben macht, und so jeden Verdacht vernichtet; er ist ein Schwarzkünstler, und wird uns dienen um sichern Lohn.« »Wohlan – sprach der gräßliche Gerhard mit einem Satanslächeln; so laß uns denn versuchen, mein treuer Nollingen, was unsre Ueberredungskunst vermag.«

SONNENBERG. Unerhört! – Schändlich! – Weiter, weiter!

BANDINI. Ich hatte genug gehört, schlich leise wieder zurück, und nach wenig Minuten stand Gerhard von Mainz vor mir, neben ihm Nollingen, des Kaisers Günstling. – Mit gleisnerischen Worten machte er mir den[68] Vorschlag, mir alle verlorne Habe zu ersetzen, wenn ich ihm den vergifteten Ring liefern würde. – Mein Entschluß war gefaßt. »Ich verstehe mich nicht auf solche Kunst, erhabener Herr,« entgegnete ich dem Gerhard, dessen Miene sich plötzlich wandelte, – und würde sie, auch wenn ich sie verstünde, zu Eurem Zwecke nie mißbrauchen. – »Er sträubt sich – lächelte höhnisch Nollingen – Ihr seht, erhabener Freund, daß hier eingreifendere Maßregeln nöthig.« – Gerhard maß mit großen Schritten das Gemach, sah mich mit den stechenden Tiegeraugen durchbohrend an, und nickte plötzlich bejahend mit dem Kopf. – Ralph Strichauer, der getreue Helfershelfer des Gestrengen, trat ein mit vier Henkersknechten – man schleppte mich hinab in die Folterkammer, Gerhard allein blieb zurück. Als die eiserne Thür hinter uns zufiel, fragte mich Nollingen mit einer höflichen Verbeugung und einem Teufelslächeln: Wie gefällt's Euch hier, mein verehrter Herr Doctor? betrachtet Euch einmal die niedlichen Instrumente, mit denen wir Euch zu kitzeln denken. Werdet Ihr den Ring fertigen? Nein, sprach ich kalt. – Man schraubte mich auf den Martertisch. Nein, war der einzige Laut, der sich bei den Qualen mir entpreßte, die mir der hämische Satan mit hohnlächelnder Miene bereiten ließ. – Ich hatte keinen Gedanken in meiner Höllenpein, als den der Rache, der mich aufrecht hielt. Plötzlich tönte eine ferne Glocke in das Martergewölbe herab. »Das läutet zur Abendtafel,« sprach Günther von Nollingen. »Kommt, meine Freunde! laßt uns den müden Leib mit Speis und Trank[69] erquicken; dem starrköpfigen Gelehrten hier, wird ein kurzes Stündchen Nachdenken in seiner bequemen Lage von großem Nutzen seyn; auch kann er sich stärken zum dritten Grade, der seiner wartet.« Mit einem lauten Gelächter entfernte sich die Mörderrotte. Drauf klirrten die Riegel, und ich blieb allein zurück, schmachvoll mit eisernen Schrauben auf dem Martertisch befestigt. Eine dunkel flammende Fackel zeigte mir die Schreckenswerkzeuge an den Wänden umher, mein Geist bebte zurück vor der Hilflosigkeit, mit der ich der Rache meiner Feinde preisgegeben war. Meine Seele riß sich empor aus den Krallen der Verzweiflung, und erhob sich zu dem Herrn. Ein brünstiges Gebet entrang sich meiner Brust: »Du wirst mich nicht rettungslos verderben lassen in den Händen dieser Teufel, Du wirst mich retten, Barmherziger, dessen Auge wacht!« rief ich mit der letzten Kraft meines schwindenden Lebens. Da tönte ein seltsam schrillender Laut durch das Gewölbe, die Schraube, welche meinen rechten Arm hielt, war gesprungen; ich machte mich los von der Marterbank, und in wenig Augenblicken stand ich frei in der gräßlichen Kammer. Meine Kraft kehrte wieder mit dem Bewußtseyn: Der Ewige hat dich nicht verlassen! – Ich riß die Fackel von der Wand, durchforschte das Gewölbe, und siehe, zu meinen Füßen zeigt sich eine Thüre. Nicht achtend meiner Schmerzen, öffne ich sie, steige einige Stufen hinab, und finde einen langen, schmalen Gang, der mich in unendlichen Krümmungen abwärts führt. Nicht lange währt's, so höre ich in der Ferne die Stimmen meiner[70] Verfolger, meine Kraft will mich verlassen, da – o großer Gott! da weht mich frische Nachtluft an, – meine brennenden Füße netzt kühles Wasser, – die Sterne des Himmels blicken auf mich nieder, ich stehe am Ufer des Rheins, werfe mich in einen Kahn, und Gottes Schild deckt mich, ich bin gerettet!

SONNENBERG. Gelobt sei Gott! Mein armer Meister! Doch was ward aus Euch?

BANDINI. Ich entsagte auf ewig der Kunst, die mich in's Verderben riß, und ward, unter fremdem Namen, als Falkenhändler reich.

SONNENBERG. Und der Bösewicht?

BANDINI. Lebte fort in Wonne und in Freude, täuscht den besten Herrn mit höllischer List, und spinnt jeden Morgen neuen Verrath.

SONNENBERG außer sich. Doch jetzt ist's aus mit ihm, seine Stunde hat geschlagen! Dir soll Rache werden, armer Gemarterter, und dem Kaiser Licht; ich will das Ungeheuer ihm aus dem Busen reißen, das sein bestes Herzblut saugt, und sollte ich nicht länger leben.[71]

BANDINI kalt. Wie wollt Ihr das? Wo sind Beweise? Denkt Ihr, der Leibjunker Sonnenberg werde ohne diese Glauben finden gegen den geprüften Jugendfreund der Majestät?

SONNENBERG stampft mit dem Fuße. Verwünscht, daß Du die Wahrheit sprichst.


Es schlägt Zwölf.


BANDINI horcht. Da schlägt es Mitternacht, das ist die Stunde; jetzt, muthiger Junker, jetzt gilts! Fürchtet Ihr das Wetter nicht, das drohend den Himmel umhüllt, wollt Ihr Beweise, die den Verräther unrettbar verderben? Wollt Ihr Eurem Herrn vielleicht das Leben retten, so folgt mir, und überlaßt Euch meiner Leitung.

SONNENBERG. Ob ich will? Mensch, kannst Du zaubern?

BANDINI. Das nicht. Doch der böse Geist des Nollingen schläft diese Nacht. Laßt uns die Stunde nutzen, verstreicht sie, so ist Alles verloren. Folgt mir, Junker!


Ferner Donner.


SONNENBERG. Aber wohin?[72]

BANDINI. Wo der Verrath gesponnen wird.

SONNENBERG. Doch – wie kann ich? Es ist mein erster Dienst, darf ich das Vorgemach verlassen, den Kaiser unbehütet wissen?


Der Donner wird stärker.


BANDINI. Den Kaiser schützen seine treuen Nassauer, auch steht er in Gottes Hand; dort droht ihm ein schwerer Schlag. Eure Pflicht ist's, ihn hier zu verlassen, um ihm dort zum Retter zu werden. Er rafft einen weißen Mantel auf, den er mitgebracht, und wirft ihn dem Junker über. In einer Stunde sind wir zurück, und Ihr habt ein großes Werk verrichtet. – Vorwärts, junger Held! es gilt des Kaisers Leben! –

SONNENBERG. Nun denn, mit Gott! – Ist's Unrecht, was ich jetzt wage, so that ich's doch nur zu meines Kaisers Ehre.

BANDINI ihn forziehend. Und Gottes gnäd'ge Huld, die mich errettete von der Marterbank, wird uns jetzt schützend leiten. Die[73] Rache reift, und Nollingens Gestirn soll diese Nacht für immerdar erbleichen.


Beide ab, man hört von Außen die Thüre verschließen; wiederholter Donner.


Quelle:
Charlotte Birch-Pfeiffer: Pfeffer-Rösel oder Die Frankfurter Messe im Jahr 1297. Wien 1833, S. 64-74.
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