Zweite Scene

[81] Thorwärtel. Nollingen.


THORWÄRTEL. Seid Ihr da, Herr Ritter? Gott sei Dank!

NOLLINGEN. Unvorsicht'ger! Wie kannst Du's wagen, mich hier zu suchen?

THORWÄRTEL. Euer mächtiger Name machte mir überall Bahn, ich mußte Euch finden, denn meine Botschaft läßt sich keinen Augenblick verzögern. Eurem Befehle zufolge ließ ich Zwei, die mir die Losung brachten, passiren diese Nacht.

NOLLINGEN. Zwei? – Nur Ralph wußte die Losung.[81]

THORWÄRTEL. Ja, mir kam's auch seltsam vor; aber es steht mir nicht zu, über Eure Befehle zu grübeln. Ungefähr zwei Uhr mochte es seyn, da wurde von Außen Einlaß begehrt; ich wollte nicht d'ran, weil ich sehr müde war, doch plötzlich rief mir eine Stimme zu: In des Kaisers Namen öffne, oder ich klage dich morgen als Hochverräther an. – Ich lief, was ich laufen konnte, und da ich aufmachte, eilten zwei Männer athemlos an mir vorüber. Der Eine entkam mir, den Andern hielt ich am Arm fest, und rief: Mit Verlaub, wer seid Ihr denn, daß Ihr so keck Einlaß fordert? der aber blitzte mich mit zornigen Augen an, und fuhr auf mich ein: Habt Ihr etwa Lust, den kaiserlichen Leibjunker von Sonnenberg aufzuhalten? – Ich erkannte ihn sogleich; war's doch derselbe, der dem Ralph die Kopfwunde beibrachte auf der Messe – und ließ ihn gehen.

NOLLINGEN. Der Sonnenberg? Das klingt fürwahr sehr seltsam.

THORWÄRTEL. O! noch ist's nicht Alles. Kaum lag ich wieder auf dem Ohr, so klopfte es noch heftiger als vorher außerhalb der Stadt. Ich sprang zur Lucke, und frug, was es gäbe? Da hielt unten ein Mann auf einem schwarzen Hengst, und wetten wollt' ich, es war der Gerhard von Mainz in eigner Person. Lupus in fabula,[82] rief er mit unterdrückter Stimme; sage Deinem Gönner, die Dokumente wären dem betrunkenen Strichauer mit List entwendet, und befänden sich wahrscheinlich wieder in der Stadt; wir hätten ihn zum Botenlohn an der nächsten Eiche aufgehängt! Damit sprengte er von dannen.

NOLLINGEN entsetzt. Was sagst Du? Wär' es möglich? Nun, dann bin ich ein Mann des Todes? – Wärens die Pergamente allein, so lachte ich der Gefahr; doch mein eigner Brief verdirbt mich. Fluch über den, der mich die Schreibekunst erlernen ließ, sie spinnt mir das Todesnetz. – Jetzt begreife ich, warum der Kaiser mich so früh – Weh' mir, ich bin verloren.


Quelle:
Charlotte Birch-Pfeiffer: Pfeffer-Rösel oder Die Frankfurter Messe im Jahr 1297. Wien 1833, S. 81-83.
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