Vierte Scene

[107] Vorige. Leibdiener. Später Amalgundis. Heinrich von Praunheim. Jutta.


LEIBDIENER. Es nahen Eurer Majestät erhabene Nichte, nebst mehreren Andern.

KAISER. Schon da? Nur immer näher?


Amalgundis vom Schultheiß geführt. Jutta von einem Leibjunker geleitet. Alle festlich geschmückt. Hinter ihnen prächtig gekleidete Diener, welche jedoch außerhalb der Thüre bleiben.


KAISER galant. Seid uns willkommen, holde Jungfrau'n, als[107] Zierde unsers Festes. – Wir grüßen Euch, Stadtschultheiß. Die Zeit des Banketts ist schnell herangerückt, und zögern wir noch wenige Minuten, so rechnet's uns nicht zu, ein dringendes Geschäft hält uns zurück.

AMALGUNDIS schüchtern. Mein kaiserlicher Ohm ist stets gequält mit Sorgen. Soll denn kein Tag Euch frei und ohne Drang lästiger Geschäfte entschwinden, selbst der heutige nicht?

KAISER. Nein, mein Kind! so wohl soll es Deinem Ohm nie werden! Doch sieh, wie hast Du köstlich Dich geschmückt? Auch Ihr, Fräulein Jutta, prangt, uns zu Ehren, in selt'ner Pracht. Wie? Ein Myrthenzweig schlingt sich durch die Diamanten Eures Hauptschmuckes? Gütig. Sollten wirs errathen, was dieß verkündet?

SCHULTHEISS. Mit Eurer Erlaubniß, mein allergnädigster Herr, wünsche ich diesen Tag zu nutzen, um die Verlobung meiner Tochter mit dem edlen Günther von Nollingen öffentlich kund zu thun.

KAISER erheitert. Was sagt Ihr? Ihr überrascht uns angenehm, und erhöht die Freuden dieses Tages. Wir denken[108] selbst nach der Tafel dieß fröhliche Geschäft zu übernehmen.

AMALGUNDIS. Die Stirne meines erhabenen Oheims klärt sich auf; nun darf ich es wohl wagen, ein schüchtern Wort für einen Armen zu sprechen, der ganz vergessen scheint. Dem Kaiser näher tretend, und schmeichelnd seine Hand fassend. Schont des Junkers von Sonnenberg, mein güt'ger Kaiser! Seid mild und gnädig gegen ihn. Er ist nicht schuldig, kann kein Verbrecher seyn.

KAISER entzieht ihr finster seine Hand. Was fällt Dir ein, Amalgundis? Was kümmert Dich die Sache eines Hochverräthers? Du mischest Dich in eine Angelegenheit, die Dir fremd.

AMALGUNDIS lebhaft. Das ist sie nicht, mein kaiserlicher Ohm. O nimmermehr könnt Ihr so niedrig von Eurer nächsten Verwandten denken, daß Ihr das Schicksal eines Mannes fremd seyn könnte, der sie vor sich'rer Schmach und schwerer Unbill errettet. Nein, mein Kaiser, und müßt' ich selbst das Unglück tragen, Euren Unwillen zu erregen, ich darf nicht schweigen. Die Stadt ist von dem schrecklichen Ruf erfüllt, morgen solle der Aermste durch den Strang enden. Schaudert. Mein kaiserlicher Herr! gönnt ihm nur einmal noch die Gnade Eures[109] milden Anblicks. Ihr müßt Euch überzeugen, daß so kein Hochverräther aussehen kann. Diese freie Stirn trägt nicht das Brandmal des schändlichsten Verbrechens, dieses offene Auge, das sich nicht senkt, selbst seinem Kaiser gegenüber, ist der Bürge einer reinen Seele. Sinkt plötzlich dem Kaiser zu Füßen. Hier auf ihren Knieen fleht Amalgundis zu Euch, mein theurer Kaiser, seht den Unglücklichen noch einmal, ehe Ihr ihn verdammt.

KAISER bewegt. Amalgundis, steh' auf! –


Quelle:
Charlotte Birch-Pfeiffer: Pfeffer-Rösel oder Die Frankfurter Messe im Jahr 1297. Wien 1833, S. 107-110.
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