Zwölfte Scene

[21] Julius. Julius Krabbe.


JULIUS KRABBE der wie versteinert dastand, stemmt den Arm in die Seite, gravitätisch. Julius – Du führst hier meinen Namen?

JULIUS mit Mühe das Lachen verbeißend, legt die Hand auf die Brust, wehmüthig. Aber zu keinem Schelmenstück – ich will sie heirathen!

JULIUS KRABBE. Schöne Wirthschaft! Pfui der Schande! – Das also sind die geheimen Geschäfte, wozu ich Dich nicht begleiten durfte? Die alte Försterin willst Du heirathen?

JULIUS. Warum nicht gar! Ihre schöne junge Tochter!

JULIUS KRABBE wirft die Mütze in die Höhe und dreht sich laut lachend auf dem Absatz herum. Ha, ha, ha! Göttlich! Jetzt sind wir quitt, Herr Bruder! Ich borgte Deinen Namen, Du den meinen – prächtig! ha, ha, ha! – das sind am Ende gar Deine demokratischen Umtriebe?

JULIUS lachend. So ziemlich! Du begreifst doch, daß ich, wenn ich den Vater weich machen will – ihm erst einen tüchtigen Schreck einjagen muß.

JULIUS KRABBE. Aha, deshalb wird der arme Magister so geängstigt!

JULIUS. Und hier in der Bell-Etage ist wohl der Klub, den Du zum Wohl der Arbeiter gebildet?

JULIUS KRABBE verlegen. Nun, wenn eben das grade nicht – aber –

JULIUS. Aber so viel ist gewiß, daß wir Republikaner von ganz gleicher Sorte sind! Prächtig, auf Ehre! Er fällt ihm um den Hals. Ha, ha, ha! Junge, verdirb mir den Spaß nicht!

JULIUS KRABBE eben so. Bruderherz, mache mich nicht unglücklich – mein Waizen blüht![21]

JULIUS. Der meine ist schon bald zur Erndte reif! Mit einer komischen Verbeugung. Herr Baron von Gleisenburg, ich gratulire zu Ihrem Waizen; Sie sind ein Erz-Spitzbube!

JULIUS KRABBE eben so. Herr Julius Krabbe, viel Glück zu Ihrer Erndte – Sie sind ein Bösewicht!

JULIUS plötzlich ernsthaft. Nein, ich bin ehrlich, und hoffe, Du bist es auch – wenn ich auch nicht begreife, wie Du zu meinem Namen kommst und es mir verbergen konntest.

JULIUS KRABBE. Wie ich dazu komme, weiß ich selbst nicht recht; jedenfalls wirst Du mir zugestehen, daß in jetziger Zeit mehr Muth dazu gehört, sich in einen Baron als in einen Gewürzkrämer zu verwandeln! Ich sah meine reizende Eweline in einer Gesellschaft, wo Du und ich zu sammen waren, erinnerst Du Dich? Anfang März bei dem Geheimerath Hörmann; sie schien mich vor Allen zu beachten; wir tanzten zusammen, ich drückte ihr die Hand, sie erröthete, ich seufzte, sie lächelte – kurz, wir fühlten, daß wir uns nicht gleichgültig waren. Ich machte eine ganze Woche Fensterparade, sie war jederzeit bei ihren Hyacinthen und nickte mir freundlich zu. Eines Abends, im Ballet, treffe ich in der Loge mit ihr und der alten Tante zusammen. Die Tante nennt mich einmal um's andere »Herr Baron«; mir wird angst und bange – und ich erwiedere nichts. Endlich rücke ich mit dem Wunsche näher, einen Besuch machen zu dürfen. Die Alte näselt: »O Herr Baron, der Geheimerath Hörmann hat uns schon gesagt, daß Ihr Vater, der Herr Baron von Gleisenburg, ein charmanter Cavalier vom ältesten Adel ist; solchen Besuchen ist unser Salon stets geöffnet!« – »Sehen Sie keine Bürgerliche bei sich?« fragte ich mit zugeschnürter Kehle. Näselnd. »Niemals, wie können Sie das von uns denken, kommen Sie immer, Sie haben keine schlechte Gesellschaft zu fürchten!« – Mit diesem Bescheid – und einem flehenden Blick Ewelinens verließ ich die Loge. Ich sah gleich, daß hier durch irgend einen Irrthum eine Verwechselung der Person statt fand, aber – ich liebte! Ich gehe seit vier Wochen aus und ein, und noch nie ward mir[22] Gelegenheit, der Geliebten zu entdecken, daß ich nicht Du bin. Leihe mir Deinen Namen nur noch so lange, bis ich weiß, ob meine Hoffnung gegründet ist, ob ich geliebt bin! Liebt sie mich – dann verzeiht sie auch!

JULIUS. Mir scheint, wir sind Beide gleich strafbar und gleich glücklich. Ich kam grade so zu Deinem Namen, wie Du zu dem meinen, der Schreck jagte mir ihn auf die Lippen – und nun habe ich ihn einmal.

JULIUS KRABBE. Aber daß wir in demselben Hause lieben und uns nicht eher sahen, ist mir unbegreiflich!

JULIUS. Das macht, Du gingst als Baron zum Vorderhaus ein, ich, als Herr Krabbe, schmachtete allabendlich höchst bescheiden im Garten, der sich an das Hinterhaus schließt, und in's Haus selbst komme ich erst seit drei Wochen, und nur des Sonntags.


Quelle:
Charlotte Birch-Pfeiffer: Vatersorgen. Berlin 1849, S. 21-23.
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