Dreizehnte Scene

[23] Vorige. Eweline. Emma.


EWELINE sehr elegant zum Ausgehen gekleidet, im Eintreten. Nun schnell, Kind, Hut und Tuch, in zehn Minuten sind wir zurück! Die Herren erblickend, frappirt zu Julius Krabbe. Ha! Sie hier, Herr Baron?

EMMA. Ih Herr Je, der Herr bei uns?

JULIUS KRABBE leise zu Julius. Das ist sie! Laut, auf sie zugehend. Meine gnädige Frau, Sie hier?

EWELINE anmuthig und heiter. Ich habe einen Gang, von dem die Tante nichts wissen darf, denn es gilt, eine Tapisserie für sie auszusuchen, da soll denn der allerliebste Geschmack der kleinen Emma mich unterstützen. Sie sieht, daß Emma und Julius leise zusammen sprechen, befremdet. Wer ist dieser Herr?[23]

JULIUS KRABBE verwirrt. Es ist mein Freund, den ich zufällig durch das Fenster sah – und deshalb hier eintrat –

JULIUS näher kommend. Ich bin wohl gezwungen, mich der gnädigen Frau selbst vorzustellen, da Du es nicht übernimmst. Sich gentil verbeugend. Ich heiße Julius Krabbe und –

EWELINE sehr freundlich. Ihr bester Freund, Herr Baron, von dem Sie mir so viel erzählt? Ihr anderes Ich?

JULIUS KRABBE noch verwirrter. Ja wohl – derselbe – allerdings – man kann sagen –

JULIUS trocken. Daß wir gegenseitig buchstäblich unser anderes Ich sind – das ist die reine Wahrheit!

EWELINE. O eine solche Freundschaft ist rührend! Sich sehr verbindlich verbeugend. Herr Krabbe, ich freue mich Ihrer Bekanntschaft und hoffe, der Herr Baron werde Sie bei uns einführen!

JULIUS KRABBE wie oben. Oh, Sie sind zu gütig!

JULIUS sarkastisch. Sie kommen den Wünschen meines Freundes zuvor, nicht wahr, liebster Gleisenburg?

JULIUS KRABBE pikirt. Gewiß, lieber Krabbe! Leise zu Ewelinen. Eweline, ich muß Sie allein sprechen!


Diese ganze Scene muß so rasch als möglich gespielt werden.


EMMA leise zu Julius. Nein, höre Du, das ist mir selbst zu viel![24]

EWELINE zu Julius Krabbe. Ich wünsche das selbst, denn ich habe Ihnen Wichtiges zu sagen!

EMMA wie oben. Das leide ich nicht, da hinauf darfst Du nicht!

JULIUS KRABBE zu Eweline. Wichtiges? Sie erschrecken mich!


Eweline spricht leise mit ihm fort.


JULIUS leise zu Emma. Närrchen, siehst Du denn nicht, daß die Zwei eben so gu einig sind wie wir?

JULIUS KRABBE erschrocken. Verheirathen?

EWELINE. Die Tante besteht darauf – ich muß mich entscheiden!

JULIUS KRABBE. Wenn das geschieht – so schieße ich mir eine Kugel durch den Kopf!

EWELINE froh. Aber wenn Sie so denken, so können Sie mich ja von all meinen faden Freiern retten?

EMMA leise. Du, die haben's nothwendig!

JULIUS sie bei der Hand fassend. Sieh mir in die Augen, statt da hinüber! Sie sprechen leise fort.

JULIUS KRABBE der sie verwundert anstarrt. Retten? Ich könnte das? Ja, wenn Sie mich liebten wie ich Sie!

EWELINE mit niedergeschlagenen Augen. Wissen Sie denn, daß ich Sie nicht liebe?

JULIUS KRABBE. Ach mein Gott, wäre es möglich! Welch ein Glück – dann könnten Sie mir auch verzeihen!

EWELINE verwundert. Was hätte ich Ihnen zu verzeihen?

JULIUS KRABBE. Wenn Sie wüßten – wenn ich Sie nur einmal allein sprechen könnte –[25]

EWELINE lächelnd. Die Tante ist diesen Abend beim Präsidenten, Noch leiser. ich werde gegen neun Uhr eine halbe Stunde für Sie allein sein; kommen Sie durch den Garten-Corridor, ich bin im grünen Zimmer!

JULIUS KRABBE ihre Hand an die Lippen drückend. Oh, dies Glück wird mich wahnsinnig machen! Sie sprechen leise fort.

EMMA zu Julius. Du, sieh einmal, wie graciös er ihr die Hand küßt! Man merkt es doch gleich, wenn's etwas Rechtes ist; da ist Alles so fein, so nobel – der kann den Baron nicht verleugnen!

JULIUS lächelnd. Meinst Du? Soll ich auch so nobel werden?

EMMA. Ih Gott bewahre! Du bist grade recht, wie sich's für mich schickt; sei Du nur ehrlich, das Noble wollen wir den Vornehmen lassen.

EWELINE zu Emma. Aber, Kind, komm doch, ich darf nicht so lange fortbleiben, sonst merkt es die Tante!

EMMA. Ach, bitte um Entschuldigung! Zu Julius. Herr Krabbe ist wohl so gut, der Mutter zu sagen, wo ich geblieben! Sie läuft links ab und kommt sogleich mit Hut und Mantille wieder.

JULIUS KRABBE. Gern!

EWELINE lächelnd. Entschuldigen Sie, daß ich Ihnen das hübsche Kind entführe, sie ist in Sachen des Geschmacks meine unentbehrliche Rathgeberin, und in zehn Minuten sind wir zurück. Zu Julius Krabbe. Herr Baron, auf Wiedersehen! Sehr liebenswürdig sich gegen Julius verbeugend. Vergessen Sie ja nicht, uns mit Herrn Krabbe näher bekannt zu machen! Mit Emma rechts ab, die hinter ihrem Rücken Julius freundlich zunickt. Beide ab.

JULIUS KRABBE der sie bis zur Thür begleitete. Nun, Julius, was sagst Du?[26]

JULIUS. Daß sie charmant ist und bis über die Ohren in Dich verliebt, daß mir aber meine Emma besser gefällt!

JULIUS KRABBE lebhaft. Das hoffe ich auch! Die Kleine ist allerliebst, aber eine Frau für mich wäre das nicht.

JULIUS lächelnd. Grade deshalb ist's eine für mich! Du mußt unter den Pantoffel kommen, ich unter den Pantoffel bringen – Du bedarfst der Leitung, ich will selbst leiten! Unsere Hälften sind wie für uns geschaffen!

JULIUS KRABBE. Das war ein heißer Augenblick! Aber ich weiß jetzt, daß ich der glücklichste Mensch auf Erden bin. Diesen Abend gestehe ich ihr Alles, denn länger darf der Betrug nicht dauern! Es klingelt.

JULIUS rasch. Das ist die Alte; jetzt drücke Dich, mein Junge, und genire mich nicht, denn die darf von unserer Freundschaft nichts wissen. Adieu, Herr Baron!

JULIUS KRABBE an seinem Hals. Adieu, liebenswürdigster Herr Krabbe! Verdammter Name, Eweline Rosa Krabbe! Er schlägt sich vor den Kopf. Ach, ich fürchte, sie wird sich nie zu dieser Dissonanz entschließen! Adieu! Im Abrennen wirft er Frau Klammer, die eben rechts eintritt, beinah um, sehr höflich. Bitte Tausendmal um Entschuldigung! Ab.


Quelle:
Charlotte Birch-Pfeiffer: Vatersorgen. Berlin 1849, S. 23-27.
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