Siebente Scene

[14] Emma. Julius.


JULIUS will ihm nach. Frecher Bursche – ich breche Dir den Hals!

EMMA faßt seinen Arm. O laß den Gecken, Julius, ich habe Dir so Schweres zu sagen!

JULIUS. Was hast Du mit dem Calikot, mit dem Musterreiter?

EMMA. Nachher sollst Du Alles wissen, aber jetzt höre! Ich erwarte Dich ja schon seit einer Stunde mit Herzensangst, und die Mutter muß jeden Augenblick zurück sein! Der Onkel hat geschrieben, ich weiß nicht was, aber die Mutter sagte, sie werde Dir eine Frage vorlegen, Sieht vor sich nieder. und wenn Du darauf nicht antworten könntest – so solltest Du keinen Fuß mehr über die Schwelle setzen!

JULIUS sehr frappirt. So? Nun ich kann es mir denken; die Mutter wird uns trennen wollen; sie weiß, daß ich rechtliche Absichten habe, aber ich bin noch nicht Herr meines Willens, ich bedarf der Zeit – und ihr geht Alles zu langsam! Emma, wenn die Mutter uns scheidet, wirst Du das ertragen?

EMMA desperat. Ich muß wohl! Was soll ich als gehorsames Kind gegen die Mutter anfangen? Aber ich lege mich hin und sterbe, Schluchzend. denn überleben werd ich's gewiß nicht!

JULIUS bitter. Ueberleben wirst Du's wohl! Hast Dich vielleicht schon um einen Tröster umgesehen – der fade Bursche, der so vertraulich mit Dir that –[14]

EMMA wischt sich rasch die Thränen ab und sieht ihn groß an. Pfui, wie abscheulich! Sprich's nicht aus, so schlecht denkst Du nicht von mir, das machst Du Dir im Unmuth nur selbst weiß. Der Mensch hatte sichtlich Auftrag, mich über die gnädige Frau auszulocken, und wollte wissen, ob ein gewisser Baron Gleisenburg, der sie oft besucht, ihr Liebhaber ist.

JULIUS auffahrend. Gleisenburg? Baron Gleisenburg? Emma, Du lügst!

EMMA ganz empört. Aber Julius! wie kommst Du mir vor? Ich habe in meinem Leben nicht gelogen, ich verachte alle Lügner.

JULIUS verdutzt. Nun nun, nicht so rasch; es giebt Nothlügen, die sehr verzeihlich sind – und Du könntest –

EMMA sehr eifrig. Nein, man muß niemals lügen, auch nicht in der Noth, das ist immer schlecht, das hat mir Vater und Mutter oft schlagend bewiesen und meine Eltern sind rechtschaffene Leute!

JULIUS besänftigend. Nun ja, ja, ich weiß das, ich habe allen Respekt vor Deiner Alten, die ist wahrhaftig streng genug! Fuhr sie mich an, als sie mich zum ersten Mal bei Dir unter dem Fenster erwischte, weißt Du?

EMMA. Ob ich's weiß! es war den Tag, als der Onkel mit dem Herrn Geheimerath abreiste, ich dachte, die Mutter hätte zu viel zu thun und wagte es, Dir die Hand aus dem Fenster zu reichen – Herr Gott, wie erschrak ich, als sie plötzlich hinter mir stand, und zu Dir hinaus rief: »Wer ist der Herr, ist er ein Bürgerlicher oder ist er von Adel?«

JULIUS etwas verlegen. Ja, ich erschrak, auch ich will's nicht leugnen, denn Deine Mutter hat ein Paar Augen und einen Ton, decidirt wie ein General! Ich sagte: »Warum wollen Sie das wissen, Madame?« – »Weil ich Sie herein kommen lasse, wenn Sie ein Bürgerlicher, und hinaus werfe, wenn Sie ein Vornehmer sind!« rief sie, und schlug mir das Fenster vor der Nase zu.[15]

EMMA. Ich war halb todt vor Schreck, und dachte, Alles sei verloren – bis Du ganz plötzlich die Thür aufrissest und herein kamst. »Warum lassen Sie den Bürger herein und den Adligen nicht? sagtest Du keck zur Mutter, und dabei sahst Du so pfiffig, so lieb und herzig drein, daß ich Dir hätte gleich um den Hals fallen mögen! Da meinte die Mutter: »Weil der Bürgerliche Sie schlägt die Augen nieder. ehrliche Absichten auf mein Kind haben darf, der Vornehme aber nicht!« – Da sagtest Du: »Aber ich bin bürgerlich: heiße Julius Krabbe, und bin der ehrliche Sohn eines ehrlichen Gewürzkrämers in der Provinz.« Da lachte die Mutter, und sagte: »Das ist gut, da können Sie jeden Sonntag ein Stündchen hier einsprechen, aber die Fensterpromenaden verbitte ich mir!« Sie fällt ihm um den Hals. Ach, wie selig war ich da, Du lieber ehrlicher Julius Krabbe Du!

JULIUS mit dem einen Arm sie umschlingend, mit dem andern sich hinter dem Ohr kratzend. Du süßes Herz, lobe mich nur nicht gar zu sehr, wer weiß, ob ich's verdiene – sage mir lieber – was ist's mit dem Herrn Baron Gleisenburg?

EMMA. Ei, das ist ein recht hübscher artiger junger Mann, fast gekleidet wie Du – der seit einiger Zeit viel zur gnädigen Frau hinauf kommt, Heimlich. ich glaube selbst, daß sie ihn ein Bischen lieb hat, denn sie wird immer roth, wenn er eintritt.

JULIUS seine Wuth kaum verbergend. Aber zum Wetter, Kind, warum sagst Du mir das jetzt erst?

EMMA sieht ihn verdutzt an. Ja – lieber Gott – wir sehen uns ja so selten, und dann haben wir uns so viel zu erzählen; ich dachte auch gar nicht, daß Du die Frau von Schönhelm kennst – und – Plötzlich von einem Gedanken ergriffen. Höre, in die ist alle Welt verliebt, in mich Niemand als DuHeftig. was geht Dich die gnädige Frau in der Bell- Etage an?

JULIUS. Sie? Gar nichts; aber ihr Liebhaber

EMMA. So! der geht Dich noch weniger an, verstehst Du mich?[16]

JULIUS stampft. Aber ich will ihn sehen, den Unverschämten!

EMMA erschrocken. Gott bewahre, so habe ich Dich ja noch nie gesehen!


Quelle:
Charlotte Birch-Pfeiffer: Vatersorgen. Berlin 1849, S. 14-17.
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