7. Die drei Fräulein in Reutlingen.

[7] Mündlich.


Zu einem Gerber in der Altvorstadt Reutlingen, unweit vom See, seien vor Alters drei wunderschöne blondlockige Fräulein gekommen, ganz alterthümlich angezogen. Sie stellten sich vom ersten Tag nach Martini allabendlich bis zum Fastnachtsonntag ein. Um 8 Uhr etwa kamen sie vom Ursulenberg her, Schlag 10 Uhr brachen sie wieder auf gen Pfullingen ihrem Berge zu. Sprachen niemals ein sterbig Wörtlein, wenn sie kamen und wenn sie gingen. Hatten wunderschöne silberne Kunkeln, silberne Wirtel und silberne Spindeln; mit dem schönsten Flachs waren die Kunkeln angelegt. So trieben sie ihren Besuch viele Jahre fort. Anfangs hatten die Leute Angst, nach und nach gewöhnte man sich an die seltsamen drei Spinnerinnen und es fiel nicht mehr auf.

Mal, es war auch in der Lichtkarz, brach Einer ihr Faden schnell; eben so schnell sagte sie:


pfî, pfatz, der pfâd işt brochs.


Die Zweite sagte:


Håt ett der pfâ pfâder gssit

Wenn dsr pfi pfizzsr konnt,

Sollişt ett pfi pfazzs.


Die Dritte sagte:


Und du pfî pfätscht.


Alle Drei brachen eiligst auf und kamen von selbigem Augenblicke an niemals mehr wieder5.

5

Vgl. Meier S. 12. Nr. 3.

Quelle:
Anton Birlinger/ M. R. Buck: Sagen, Märchen und Aberglauben. Freiburg im Breisgau 1861, S. 7-8.
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