425. Sage über die Wirthin von Hochdorf.

[274] Schriftlich von Hochdorf.


Vor Zeiten lebte in dem Flecken Hochdorf, im Oberamtsbezirk Horb, eine Wirthin, die oftmals den Wunsch äußerte: »Wenn ich nur am besten kochen und tanzen könnte.« Der Teufel hörte auch hievon und versprach der Wirthin, ihren Wunsch in Erfüllung gehen zu lassen, wenn sie sich ihm mit ihrem Blute verschreibe. Die unbedachtsame Frau war blind genug, dem Teufel ihre Unterschrift zu geben. Ihr lange[274] gehegter Wunsch ging richtig in Erfüllung, sie konnte am besten kochen und tanzen. Allein auch die Jahre, nach welchen sie der Teufel in seine Gewalt bekommen sollte, waren ihrem Ende nahe. Da wurde der Wirthin gewaltig bang, und weil sie doch lieber bei den Ihrigen auf der Erde sein mochte, als bei dem Teufel in der Hölle herumtanzen und dessen Herd zurichten, so schickte sie nach dem damals durch seine Frömmigkeit berühmten Geistlichen Joh. Paul in Horb, damit sie dieser von dem Teufel erlösen sollte. Der Geistliche kam zur bestimmten Stunde, und auch der Teufel stellte sich ein. Nun begann Joh. Paul einen Proceß mit demselben zu führen. Der Teufel hatte einen ganzen Haufen Akten mitgebracht, unter denen sich auch die Unterschrift der Wirthin befand, und hatte dieselben auf den Tisch gelegt. Wäre nun Joh. Paul nicht rein von Sünden gewesen, so hätte er keine Gewalt über den bösen Feind gehabt; denn dieser war ganz rasend vor Zorn und warf dem frommen Priester vor, daß er doch auch einmal eine Rübe, einen Pfahl und seiner Mutter einen Zwirnfaden gestohlen habe. Dieser aber widerlegte den Teufel, indem er sagte, daß er diese Diebstähle wieder gut gemacht habe. – Und wie der Teufel am rasendsten that, legte Joh. Paul seine mitgebrachte Stola auf dessen Schriften, womit sie dann in seine Gewalt kamen. Da sich der Teufel seines Opfers beraubt sah, bat er sich nur noch Eines aus, nämlich, daß er durch die Wand hindurchfahren dürfe. Es wurde ihm gestattet, und mit fürchterlichem Gebrüll durchbrach er die Mauer dergestalt, daß man bis auf den heutigen Tag das Loch hat nicht zumauern können236.

236

Variante bei E. Meier, Sg. S. 166. Nr. 186.

Quelle:
Anton Birlinger/ M. R. Buck: Sagen, Märchen und Aberglauben. Freiburg im Breisgau 1861, S. 274-275.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Sagen, Märchen, Volksaberglauben
Sagen, Märchen, Volksaberglauben