618. Das wunderbare Kreuz in Maria Kirchheim.

[389] Mündlich.


Eine halbe Stunde von Kirchheim im Ries ist Oberdorf am Flüßchen Sechtach. Einstmal ackerte ein Bauer von Oberdorf in der Nähe des Ufers, da sah er ein Kreuz herunterschwimmen. Rannte sogleich vom Pfluge dem Wasser zu, und es glückte ihm, des Kreuzes habhaft zu werden. Er lud es auf seinen Wagen, spannte seine zwei Stiere[389] voran und ließ sie laufen, wohin sie wollten; da wo sie stehen bleiben, sollte das Kreuz aufgerichtet werden. Die Thiere liefen die Sechtach aufwärts und immer aufwärts bis auf die Straße, wo es nach Ellwangen und Maria Kirchheim geht. Sie schlugen stracks den Weg nach dem leztern Orte hin ein. In Kirchheim angekommen, hielten sie vor der Kirchthüre und thaten keinen Zug weiter, bis man ihnen die Pforte öffnete. Sie zogen Wagen und Kreuz hinein und hielten vor dem jezt sogenannten Kreuzaltar. Hierin sah man eine höhere Weisung und pflanzte alsbald das Kreuz auf, das von dort an in der ganzen Umgegend als Wunderzeichen galt, weit und breit bekannt war und es noch ist. Es befindet sich heute noch am nämlichen Orte, wo es seit alten Zeiten gestanden, ist ganz im altmodischen Styl gearbeitet aus gewöhnlichem Holze. Die Kreuzesbalken ziert eine Menge Schnitzwerk, gar zierlich ineinander geschlungen, ehrwürdig aussehend. Der Gekreuzigte selber hatte einst seine kostbare Krone von eitel Gold; man meinte, Schweden hätten sie mitgenommen. Auf der Brust ist ein Kreuzlein, mit Edelsteinen gefaßt. Vom Kloster wurde das Wunderkreuz in viel tausend Abbildungen vertheilt317.

317

J.V. Zingerle S. 371. Ein auf dem Wasser daherschwimmendes St. Leonhardsbild a.a.O. S. 372. Nr. 647.

Quelle:
Anton Birlinger/ M. R. Buck: Sagen, Märchen und Aberglauben. Freiburg im Breisgau 1861, S. 389-390.
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