§ 13. Haus Würtemberg.

[32] Nachdem Würtemberg den größten Theil des ehemaligen schwäbischen Reichskreises in sich vereiniget hat, und die gegenwärtige Sammlung innerhalb seiner Gränzen bleibt, erscheint es geboten, über dessen ältere Geschichte mit einigen Worten sich zu verbreiten.

Vorausgeschickt muß werden, daß schon bei seinem Auftreten das Reichsland mit Feinden aller Art in Nähe und Ferne zu kämpfen hatte. Es war ein Kampf um Sein und Nichtsein, der sich bis an die Schwelle des achtzehnten Jahrhunderts heraufzieht. Machte es der Fall des Hohenstaufischen Kaiserhauses und die Auflösung des schwäbischen Herzogthums überhaupt möglich, daß eine reichsunmittelbare Grafschaft, ein Herzogthum, ein Königreich Würtemberg entstand, so fand es an den Habsburgern, an Städten und Ritterschaft mißgünstige Nachbarn, welche jeden Augenblick mit List und Gewalt darauf ausgingen, die Freiheit des wehrhaften Ländchens im Keime zu ersticken, dessen anwachsende Macht zu erdrücken. Die höchste Gefahr drohte von Habsburg, welches in seinem Vorderösterreich schon[32] einen ansehnlichen Theil Schwabens besaß und fünf Jahrhunderte hindurch mit Beharrlichkeit Alles aufbot, um durch Würtemberg seine Hausmacht im Südwesten Deutschlands zu er weitern, das eingeschlossene Bayern wäre dann von selbst zugefallen. Zweimal sah sich Oesterreich am Ziele der Wünsche: 1520 ward das ganze Herzogthum von Kaiser Karl V. erobert; er ließ es seinem Bruder Ferdinand huldigen. Wieder im dreißigjährigen Kriege, nach der Nördlinger-Schlacht, gewann es Ferdinand II. für seinen Sohn. Aber eine eigene Vorsehung waltete von je über dem Lande. Wenn alle Hoffnung geschwunden, tritt ein unvorgesehenes Ereigniß ein und bringt Rettung.

Zwei Aufgaben hat sich das Fürstengeschlecht der Würtemberger gesetzt und in der langen Reihe der Glieder ist auch nicht eines, welches den überlieferten Grundsätzen untreu geworden wäre, die Hausmacht nämlich zu vergrößern, im Unglücke den Muth nicht zu verlieren. Die Mehrung des Erblandes geschah zumeist durch Kauf und selbst jene Fürsten, welche durch Pracht und Aufwand oder Unglück an leeren Kassen litten, wußten eines solchen Zuwachses sich zu versichern. Während Habsburg durch glückliche Heirathen ein Land um das andere gewann – felix Austria nube – kam auf diesem Wege nur die Grafschaft Mümpelgard an Würtemberg. Eroberungen waren weniger zu machen, als es im Kampfe meist nur galt, den erworbenen Besitzstand zu vertheidigen und zu erhalten. Dafür gelang, was nicht dem Erfolg der Waffen, staatsmännischer Klugheit der Fürsten. Diese selbst waren ächt ritterlichen Sinnes, mannhaft, muthig, tapfer. Oft standen Kaiser und Reich mit Uebermacht gegen sie, nicht selten verfielen sie der Reichsacht, mußten auch vor dem eindringenden Feinde flüchtig das Land verlassen, aber von jedem Falle erhoben sie sich und keiner starb auf fremdem Boden. Nur dieser Beharrlichkeit,[33] welche nicht verzweifelt, verdankte es das Land, daß es mehr und mehr vergrößert als Glied des deutschen Bundes besteht, während andere Reichsländer ihre Selbstständigkeit verloren oder von ehedem weiten Gränzen auf enge zurückgeführt sind. Ihre Klugheit erwiesen die Würtemberger auch darin, daß sie – eine kurze Zeit abgerechnet – keine Theilung des Erblandes zuließen und damit all jene unseligen Folgen vermieden, welche beispielsweise das Haus Wittelsbach, in viele Linien zerspalten, heimgesucht. In der bei weitem großen Mehrzahl müssen die Fürsten Würtembergs als vortreffliche Herrscher gelten. Es war daher auch vom Guten, daß viele derselben ein hohes Alter erreichten. Von acht Fürsten allein reicht die Regierungszeit über vier Jahrhunderte hinaus. In glücklicher Fügung traf es sich endlich noch, daß besonders in früherer Zeit regelmäßig auf einen kriegerischen Landesherrn ein friedliebender folgte und dem erschöpften Lande Erholung gönnte.

Es muß also um so mehr hervorgehoben werden, daß Würtemberg die unbestrittene Schöpfung seines Herrscherhauses ist und daß, wenn glückliche oder rettende Ereignisse von Außen in Mitte kamen, die Fürsten eben jene Eigenschaften gleichsam als Erbgut besaßen, welche zum Ergreifen und Benützen der Gelegenheit erste Bedingung sein mußten.

Im Jahre 1090 wird zuerst ein Konrad von Würtemberg und Beutelsbach genannt. Die Deutung des Namens Würtemberg ist schwierig, vielfach versucht, noch nicht gefunden.

Ulrich I. mit dem Daumen 1246-1265 eröffnet die eigentliche Reihe der Grafen von Würtemberg; er legte den Grund zur Hausmacht durch friedliche Vergrößerung seines Besitzes.

Sein Sohn Eberhard I. 1265-1325 zeichnete sich selbst durch seinen Wahlspruch: Gottes Freund, aller Welt Feind. Sechzig Jahre lang lag er mit Allen ringsum in Fehde, oft[34] Sieger, oft besiegt und hart bedrängt. Kühnen, unbeugsamen Sinnes vereitelte er die Wiederherstellung des schwäbischen Herzogthums nach dem Falle der Hohenstaufen für immer und rettete so die Reichsunmittelbarkeit seiner Nachfolger. Das ist Sieges genug. Darum heißt er mit Recht der Erlauchte.

Sein Enkel Eberhard II. 1344-1392 glich ganz dem Großvater. Das schuf ihm den Zunamen des Greiners. Er hatte es besonders mit den Städten zu thun und dem Ritterbunde der Martinsvögel oder Schlegler; denn beide fühlten, daß sie zu fürchten hatten. Ein ganzer Mann war Eberhard, ein wahrer Recke. In der Schlacht gegen die Städter bei Döffingen, im Jahr 1388, war ihm der einzige Sohn Ulrich, unter den Ersten vordringend, gefallen; da wichen die Seinen; er aber gebot ihnen vorwärts mit dem Heldenworte: »Mein Sohn ist wie ein anderer Mann.« Als nach dem Siege der gebeugte Vater auf dem Schlachtfelde neben der Leiche des lieben Kindes saß, ward ihm die Kunde, daß ihm ein Enkel geboren sei. Da rief er getröstet aus: »Gelobt sei Gott, Fink hat wieder Samen.«

Dieser Enkel wurde als Eberhard III. 1392-1417 sein Nachfolger. Er heißt der Milde ob seiner Friedfertigkeit, aber auch der Salomo seiner Zeit. Keiner that es ihm an Pracht zuvor; seinen Hofstaat bildeten sechs Fürsten, acht Grafen, fünf Freiherren und siebenzig Edelleute. Doch war er auch ein kühner Degen und brach den Bund der Martinsvögel 1395.

Warum sollten an solchen Beispielen nicht auch Frauen sich entzünden? Henriette, Erbgräfin von Mümpelgard, Gemahlin des frühverstorbenen Eberhard IV. 1417-1419, zog als Vormünderin ihrer Kinder selbst gegen den streitsüchtigen Grafen von Hohenzollern zu Felde. Das Weib nahm den Ritter gefangen und hielt ihn zur Strafe vier Jahre lang zu Mümpelgard in einem Thurme verwahrt.[35]

Die Grafen Eberhard machen ein herrliches Fürstenbild. Dem Namen mußte ein besonderer Stern hold sein. Drum strahlen sie auch gleich Sternen in der Geschichte. Der fünfte dieses Namens, auch Eberhard im Bart geheißen, schließt die Reihe der Grafen, welche er Alle überragt, um auf die Stufe der Herzoge zu steigen. Ein Fürst des Friedens war er Freund der Wissenschaft und stiftete die Universität Tübingen 1477. Als Freund des Volkes führte er landständische Verfassung durch, und für den Bestand des Landes sorgte er durch Einführung des Rechtes der Erstgeburt. Er ist der Fürst, welcher, wie keiner, in unheimlicher Zeit, sich rühmen durfte, daß er in dem Schoße jedes seiner Unterthanen sicher ruhen könne. Nur Anerkennung seiner vortrefflichen Eigenschaften und Verdienste war es, daß Kaiser Max I. ihn 1495 zum Herzoge von Würtemberg, erhob. Achtzig Jahre alt schloß bald darauf der neue Herzog die müden Augen. Als einige Jahre später der Kaiser sein Grab heimsuchte, des treuen Freundes, brach er in die Worte aus: »Hier ruht ein Fürst, klug und tugendhaft wie keiner im Reiche.« Mit ihm schließt auch das Mittelalter, und eine neue Zeit beginnt.[36]


Quelle:
Birlinger, Anton: Sitten und Gebräuche. Freiburg im Breisgau 1862.
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