273. Der Schäfertanz in Markgrönningen129.

[280] In Markgrönningen hauste ein reicher Graf, der viel Land und zahlreiche Viehheerden besaß. Da geschah es einst, daß einer seiner treuesten Schäfer, Namens Bartholomäus,[280] von den andern Hirten arg verleumdet wurde: Er verkaufe heimlicherweise die fettesten Schafe an benachbarte Fleischer und verwende das Geld zu schöner Kleidung; so raunten die Hirten dem Grafen in's Ohr. Die Wahrheit war nun freilich, daß der Verleumdete stets nett und sauber gekleidet war; allein seine Kleider schaffte er sich von dem ehrlich verdienten und ehrlich ersparten Jahrlohn an, während die andern Schäfer ihren Lohn verpraßten. Der Graf wollte sich selber überzeugen, was an der Hirten Rede Wahres sei. Er verkleidete sich als Fleischer und erschien, für Jedermann gänzlich unkenntlich, eines Tages bei dem Schäfer, der heimlicherweise die Schafe verkaufen sollte, auf dem Felde. Er sparte keineswegs das süße Gift der Ueberredung, um den treuen Schäfer zu bewegen, gegen blanke Silberstücke ihm einige fette Hämmel aus der zahlreichen Heerde zu überlassen. Allein so hoch der Fleischer auch den Preis steigerte, der Hirte verschloß sein Ohr der Stimme der Verführung und erklärte fest und entschieden, daß er ohne Wissen und Willen seines Herrn, des Grafen, auch nicht eine Flocke Wolle von der Schafheerde abgeben würde. Als Versprechungen nichts halfen, nahm der Fleischer seine Zuflucht zu Drohungen; aber der treue Schäfer ließ sich dadurch nicht schrecken und machte Miene, das Eigenthum seines Herrn bis auf's Aeußerste zu vertheidigen.

Jezt entlarvte sich der Herzog und gab sich zu erkennen und sprach zu Bartholomäus: »Dieweil ich dich als treuen Knecht erfunden habe, soll der Tag deines Namens geehrt werden bis in die spätesten Zeiten.« Und als der Bartholomäustag erschien, wurde das Fest gehalten130.

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»In dieser Stadt pflegen auf Bartholomäi die Schäffer, die im gantzen Land zusammen kommen, einen Tanz zu halten und mit Spiel und Fahnen in die Kirche zu ziehen, allwo ihnen eine Predigt gehalten wird und auf dem Rathauß ihre Privilegien verlesen werden. Dahero der Markt, auf Bartholomäi fallend, der Schäffer-Markt genennet wird.« Rechenmeister S. 191. Ausführliche Beschreibung des Schäfertanzes in Glöcklers Land und Leute II. S. 325 ff.; in Hackländers »Ueber Land und Meer«, I. Jahrg.

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Schäfer-Ordnung vom 21. Aug. 1651. Reyscher XIII. 103 ff.:

Erstlich. Und demnach Uns für das erste gnädig bekannt, daß die Schäfer dieses Unsers Hertzogthums, von Alters her, diese Freyheit gehabt, jährlichen auf den Feyertag Bartholomäi in Unserer Stadt Marggrönningen, zusammen zu kommen, daselbsten ihnen von gemeiner Stadt wegen, mit Haltung Trommeln und Pfeiffen, ein Hammel, den Mägden aber etlich Ehlen Barchet zu verlaufen, und ein Seckel zu vertantzen verehrt, und nachmal ein freyer Tantz auf offentlicher Gassen zu halten erlaubt, darbey auch von der Stadt wegen, dem Herkommen gemäß zu einem angedencken, den ältesten Meistern, noch ein Dutzet Nessel, etlich gegeben werden; Als lassen Wir bey dieser der Stadt und der Schäfer altem Herkommen auch ferner habenden Freyheiten es annoch allerdings in Gnaden bewenden.

Zweytens. Wollen aber für das andere, daß alle und jede Schäfer, so auf den Tag Bartholomäi zu Grönningen anlangen, nachdeme sie zeitlich kommen die Vor-und Nachmittags-Predig besuchen, und nicht darzwischen in Wirths- oder andern Häusern, bey Trincken oder Spielen sitzen, dann welcher also betretten werden sollte, der solle gleichbalden dem Heiligen oder Armen-Kasten zur Straf erlegen, sieben Schilling. Damit nun

Drittens. Ein jeder die Predig anhören und nicht etwann zwischen der Predig er erst kommen, zumahlen die Verlesung der Ordnung versäumen möge; So wollen Wir, daß diejenige Schäfer, die den Schäfer-Tag besuchen werden, sich also befördern thun, damit sie zu Grönningen, wenigst einmal in die Kirchen kommen, dann gleich nach gehaltener Mittag-Predig ihnen diese Ordnung auf offentlichem Marckt vor und abgelesen werden solle, welcher nun also die Predig, und Verlesung der Ordnung versaumen wird, der solle dem Heiligen oder Armen-Kasten fünff Schilling und in die Laden, den Meistern auch fünff Schilling zur Straf erlegen. Wann dann

Viertens. Die Predigen vorüber, mögen sie Schäfer, sobald die Obrigkeit günstig eingewilligt, ihrer Frey und Gewohnheit nach in ihrem Hammel-Laufen und Tantzen fürfahren, Vogt, Burgermeister und Gericht um den Fahnen und Hammel, durch die vier Obrist-und älteste Meister, neben dem Stadth-Schäfer, welcher jeder Zeiten altem Herkommen gemäß ein Ober-Meister zu seyn berechtiget, ersuchen, nach verrichtetem Actu aber den Fahnen der Burgermeister in sein gewahrsamen, auf das Rathhauß in guter Ordnung, samt allen alt- und jungen Meistern, auch Knechten, liefern, und vor die empfangene Verehrung und erlangte Freyheiten gnädigster Herrschafft, gemeiner Stadt unterthänig und dienstliche Dancksagung thun lassen, bei welchem Actu dann wie auch vor und nach in Wirthshäusern, und sonsten sie sich aller Bescheidenheit befleissen, insonderheit auch vor Schlag-Händeln, sich hüten sollen, sonsten Wir die Uebertreter nach gestaltsame ihres Verbrechens abstrafen zu lassen, gedenken. Und damit

Fünfftens. Die Schäfern wissen mögen, wann bei solch ihrer Zusammenkunfft beywesend unsers Vogts oder wer sonsten von Obrigkeits wegen darzu geordnet, zu pariren und zu gehorsamen haben; So wollen Wir ihnen hiemit Endres Brodbeck, Stadt-Schäfern zu Gröningen, Georg Spendlern von Albershausen, Göppinger Amts, Jacob Renfflin von Cantstatt, Hannß Klingen von Dürrmentz, Maulbronner-Amts zu Ober-Meistern bestimmt und gesezt haben und so unter ihnen einer oder der ander mit Tod abgehen sollte, sollen neben dem Magistrat zu Grönningen, die übrige vier, ihrem Belieben nach einen andern zu erwählen und zu ihnen zu ziehen befugt seyn, gestalten dann diese jezt und künfftige Zeit verordnete Meistern sich jedes Jahrs auf den Schäfer-Tag bey dem Fahnen zu Grönningen einstellen, auch bey den sondersangestellten Verhör-Tagen, bey ohnnachläßiger Straf eines Guldens den Meistern in die Laden erlegen, ohne Erlaubnuß und genugsam habende Entschädigung nicht ausbleiben solle. Was zum

Sechsten. Diese jezt benannte Obermeistern das gantze Jahr hindurch nicht allein von ihren Knechten, ohngebührliches und so dieses unserer verfaßten Ordnung zuwider liefe, strafwürdiger oder auch sonsten von andern benachbarten Meistern und Knechten, gesehen oder glaubwürdiges gehört, das sollen sie auf obbestimmten Tag Bartholomäi bey ihren tragenden Pflichten, damit Uns sie zugethan einander zu eröffnen und anzuzeigen schuldig seyn und solches neben andern Klagden mehr auf hernach bestimmten Tag (worunter die gantze Schäfer-Versammlung, auch Knecht und Jungen, Händel verstanden) zu erörtern und zu rechtfertigen schuldig seyn, bey Straf gnädigster Herrschafft einen kleinen Frevel, gemeiner Stadt Ein und den Meistern in die Laden ein Gulden zu erlegen. Damit aber die Obrigkeit zuforderst: dann sie die Meistere fürs

Siebende. Am Tag Bartholomäi als dem Schäfer-Tag, von andern um ein oder anderer Ursach willen, nicht ererst auf den Abend, überloffen werden, wie gemeiniglich geschieht, wann man reverenter voll und toll ist, so wollen Wir, daß auf solchen Tag, jeder was er zu klagen und anzubringen, vor dem Vogt, und zweyen Burgermeistern beywesend der obvermeldten fünff Meistern bey Zeiten und ehe er sich überweint, gebührend fürtragen und ihres Bescheids erwarten solle, bey obgesezter Straf.

Quelle:
Birlinger, Anton: Sitten und Gebräuche. Freiburg im Breisgau 1862, S. 280-281.
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