17.

[200] Wenn wir frey von ernsthaften Geschäften und großen Leidenschaften sind: so werden wir durch lächerliche Gegenstände, auf eine sehr angenehme Art unterhalten. Das Vergnügen, mit welchem wir die Spötter aus allen Nationen, und aus allen Zeiten, vom Aristophanes an, bis zum witzigen Epigrammatisten herab, lesen, beweist[200] diesen Satz, – wenn er sonst eines Beweises bedarf. Und das Vergnügen, das wir an der Laune finden, gründet sich auch eines Theils hierauf.

Aber das Lachen vermag noch mehr, als vergnügen; wenigstens, wenn wir einem Manne glauben dürfen, der den ganzen Werth des Lächerlichen, und die Natur desselben, scheint gekannt zu haben. Sterne sagt: I am firmly persuaded, that every time a man smiles – but much more so, when he laughs, it adds something to this fragment of life53. Auch Voltaire spricht beynahe so. –

Im wirklichen Leben wird der ungestüme, verdrüßliche böse, – so gar der zornige Mann, wenn seine Leidenschaft nicht auf dem höchsten Grade steht – sehr oft durch den Witz der Frau, die ihm Anlaß zum Lachen verschaft, in den gefälligen, nachgebenden, lustigen Ehegatten verwandelt. Eine solche rauhe ungestüme Gemüthsart, so viel Reiz sie oft auch für ihren Eigenthümer haben mag, ist doch, besonders bey einem sonst lebhaften Temperamente, das irgend ein wenig eitel ist, – lange so einnehmend und verführerisch nicht, als die Beschäftigung durchs Lachen über andre, Vergleichungen,[201] zu unserm Vortheil, mit ihnen anzustellen. –

Vielleicht gewährt das Lachen noch einen andern Nutzen, wenn der Dichter Recht hat, der irgendwo, und mit sehr vieler Wahrscheinlichkeit sagt, daß der Lacher oft richtiger und wahrer die Gegenstände sieht und beurtheilt, als der ernsthafte, finstre Weise.

Und wenn das Lachen null all' diese Vorzüge verschafft: so können wir mit Recht, – wenigstens wünschen, daß der Dichter unsrer Fähigkeit zu lachen, Unterhaltung verschaffe; – und mehr noch, daß er ihre Ausbildung befördere.

Auch keine Bedenklichkeit wird sich der Dichter machen dürfen, uns mit lächerlichen Gegenständen zu unterhalten. Unser Lachen setzt die Person in unsrer Achtung nicht herunter, wenn es nicht ein Spaßmacher von Handwerk ist. Und das Hohngelächter kann nicht erregt werden, als durch Gegenstände, die es verdienen. Nur auf eine Art kann vielleicht das Lachen schädlich werden; wenn uns der Dichter nämlich übers Laster lachen lassen wollte. Lachen öfnet das Herz; es führt eine Art von Vertraulichkeit herbey; und diese könnte dann zu unsrer Verführerinn wer den. –

Das Lachen selbst mag in uns entstehen, aus Gründen, wie es, in der unten angeführten[202] Schrift54, Des Touches, Fontenelle, oder Montesquiou wollen; – die Gegenstände, die es erwecken, mögen die Beschaffenheiten haben müssen, wie es55 Aristoteles, Cicero, Quintilian, Batteux, Gerard, oder Home verlangen: mir sey es genug, über die nöthigen Eigenschaften der lächerlichen Gegenstände, eine Stelle aus den Mendelsohnschen Schriften herzusetzen, die eine so vollständige Erklärung des Lächerlichen enthält, als man sie bedarf. »Das Lachen, sagt der Philosoph, gründet sich auf einen Kontrast zwischen einer Vollkommenheit und Unvollkommenheit. Nur daß[203] dieser Kontrast von keiner Wichtigkeit seyn, und uns nicht sehr nahe angehen muß, wenn er lächerlich seyn soll. Die Thorheiten der Menschen, die wichtige Folgen haben, erregen mitleidige Zähren; die aber ohne Gefahr sind, machen sie bloß lächerlich. Man nennet einen solchen Kontrast eine Ungereimtheit, und sagt daher, ein jedes Lächerliche setzt eine Ungereimtheit zum voraus. Ein jeder Mangel der Uebereinstimmung zwischen Mittel und Absicht, Ursache und Wirkung zwischen dem Charakter eines Menschen und seinem Betragen, zwischen den Gedanken und der Art, wie sie ausgegedrückt werden; überhaupt ein jeder Gegensatz des Großen, Ehrwürdigen, Prächtigen und Vielbedeutenden, neben dem Geringschätzigen, Verächtlichen und Kleinen, dessen Folgen uns in keine Verlegenheit setzen, ist lächerlich.«

Wenn ich etwas zu dieser Beschreibung des Lächerlichen hinzu setzen darf, so ists die Bemerkung, daß, wenn sich dieser Kontrast nur zwischen zufällig verbundenen Dingen findet, er nicht Lachen erregt. Der Affe in dem Egyptischen Tempel erweckt, auf den ersten Anblick, gewiß Gelächter, aber ein reisender Minister oder Fürst, den man in einer elenden Dorfschenke antrift, wo er abgestiegen ist, um zu frühstücken, wird nicht belacht. – Ein Philosoph, mit der Denkungsart und denen Sitten,[204] die wir an ihm voraus setzen, – nicht etwann ein so genannter französischer Philosoph – macht einen so großen Absatz mit der Denkungsart und den Sitten der gewöhnlichen Hofleute, daß, wenn er seinen Aufenthalt ein für allemal an einem Hofe aufschlagen, und diesen als seine Heymath und seinen eigentlichen Wohnplatz ansehen wollte, er gewiß lächerlich werden würde; aber Plato, der sich eine Zeitlang am Hofe des Dionys aufhält, erweckt kein Gelächter; – auch nicht, wenn wir nichts von seinen eigentlichen Absichten bey dieser Reise wüßten, und auch nichts sonst, als wahre Hofschranzen, dort sähen.

Die Gestalten, unter denen das Lächerliche erscheinen, die Wendungen, durch welche der Leser zum Lachen bewegt werden kann, sind sehr mannichfaltig. In verschiedenen critischen Schriften ist hierüber so viel gesagt worden, daß ich mit Recht die Leser an diese verweisen möchte. Auch über den Unterschied des Lächerlichen und Belachenswerthen werden sie im Home Genugthuung finden. Aber noch besser wirds für sie seyn, wenn sie die feinen Spötter selbst, einen Aristophanes, Horaz, Lucian, Cervantes, Buttler, Swift, Fielding, Arbuthnot, Moliere, Fontaine, Voltaire, Rabener, Wieland, und viel andre mehr, (zu welchen auch die guten Epigrammatisten gehören,)[205] fleißig lesen, studieren, und, mit gehörigen Anwendungen nutzen wollen.

53

Life and Opinions of Tristram Shandy. Dedicat. to Mr. Pitt.

54

Traité des causes physiques et morales du rire, relativement à l'art de l'exciter. à Amsterdam chez M.M. Rey 1768. ein französisch Schriftchen, das nicht unter die ganz schlechten gehört.

55

Aristoteles: Das Lächerliche ist ein Fehler und Uebelstand, der aber mit keinem Schmerze, oder gar mit dem Untergange der Person, welche ihn an sich hat, verbunden ist. Dichtk. 5ten Kap. – Cicero: Locus et regio ridiculi turpitudine, et deformitate quadam continetur. – Quintilian: Neque enim acute tantum ac venuste, sed stulte, iracunde, timide dicta aut facta ridentur: ideoque anceps eius rei ratio est, quod a derisu non procul abest risus. Habet enim, vt Cicero dicit, sedem in deformitate aliqua et turpitudine: quae cum in aliis demonstrantur, urbanitas, cum in ipsum dicentem recidunt, stultitia vocantur. Inst. Lib. VI. 3. p. 284. Ed. Gesn. – Raml. Batteux. 2. B. 350. – Gerard über den Geschmack. S. 68 u.f. Breßl. Uebers. – Home, 7tes, 10tes, 12tes Kap.

Quelle:
Friedrich von Blanckenburg: Versuch über den Roman, Leipzig und Liegnitz 1774. , S. 200-206.
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