Nicolai's Reise, ein Lied

[98] nach der bekannten Melodie: Es waren einmal drei Schneider gewest etc.


Herr Nicolai macht den Schluß, o je,

Als ein berühmter Kritikus, o je,

Es reiste sich mit Extrapost

Im Sommer so, wie bei dem Frost.

Au weh, au weh, au weh!


Ungleich bequemer sicherlich, o je,

Als wenn den ganzen Tag man sich, o je,

Auf dem Postwagen nicht sehr wohl

Bald rütteln, schütteln lassen soll.

Au weh, au weh, au weh!


D'rauf setzt er ohne allen Lohn, o je,

Sich in's Pirutsch mit seinem Sohn, o je

Und reiset so Feld über Zwerg,

Von Leipzig hin nach Wittenberg.

Au weh, au weh, au weh!
[98]

Hier trinkt er Kukuk, nicht gar gut, o je,

Mit seinem Sohne wohlgemuth, o je,

Und find't! als alles ausgeleert,

Es wäre nicht den Kukuk werth,

Au weh, au weh, au weh!


Vom Leipz'ger Rastrum schweigt er still, o je,

Und trinkts, wenn's niemand saufen will, o je,

Daselbst zu einer jeden Frist,

Weil's sein gewohnter Löschtrunk ist.

Au weh, au weh, au weh!


Nun sieht er staunend Naumburg's Dom,

Erwähnt die Bischöfe in Rom; au weh!

Besucht in Jena Groß und Klein,

Und läßt hier sieben Wunder sein.

Au weh, au weh, au weh!


Ein Donnerwetter macht ihn naß, o je,

Darüber staunt er freilich baß, au weh!

Gelangt in den Thüringer Wald;

Darüber wird ihm eisekalt.

Au weh, au weh, au weh!


Nun läßt er sich in Judenbach, o je,

Forellen schmecken ganz gemach; o je!

Doch Koburgs späte Nachtmusik

Stört ihn in seinem ganzen Glück.

Au weh, au weh, au weh!


Der Wegemesser bricht entzwei; au weh!

D'rum lernet, was ein Hemmschuh sei, o je!

Im Kloster Banz ist Placidus

Der einz'ge Mann nach seinem Fuß,

Au weh, au weh, au weh!


Hierauf reist unser tapf'rer Held, o je,

Von Bamberg weg nach Pommersfeld, o je,

Beweist, daß Utz ein Dichter sey,

Und lernt uns kennen Huhn und Ey.

Au weh, au weh, au weh!
[99]

Das Fette liebt Herr Nicol nicht, o je,

Er ist auf's Mag're abgericht. Au weh!

Und liebt den Staub und dürren Sand;

D'rum reist er in sein Vaterland.

Au weh, au weh, au weh!


Zu Nürnberg, einer grossen Stadt, o je

Wo jene Katz ein'n Kragen hat, o je,

So wie ein Rathsherr wohlgemuth,

Gefiel es ihm vortrefflich gut.

Au weh, au weh, au weh!


Doch droht er ihr mit allem Plack, o je,

Ihn ärgert der erwünschte Sack, au weh!

Der über jenes Kunststück hängt,

Und hätte ihn so gern verdrängt.

Au weh, au weh, au weh!


Er ruft sogar den Tacitus, o je,

Und ist ein rechter Skoptikus; au weh!

Die steinernen Figuren auch

Bestimmet er zu besser'm Brauch.

Au weh, au weh, au weh!


In Wien verstund er sich so sein, o je,

Und gut auf Ratzerstorfer Wein, o je,

Und trank der ganzen Welt zum Tort;

Und reiste endlich d'rüber fort.

Au weh, au weh, au weh!


Herr Nicol schickt auf Reisen sich; o je,

Denn das versteht er meisterlich, o je!

Nur brav Pränumeranten her!

Er schreibet euch gewißlich mehr.

Au weh, au weh, au weh!

Quelle:
Aloys Blumauer: Sämmtliche Gedichte. München 1830, S. 98-100.
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