Erste Geschichte

[591] Wolfhart leiht von Gasparruolo Geld und wird mit dessen Frau einig, für die gleiche Summe bei ihr zu schlafen. Er gibt es ihr und sagt in ihrer Gegenwart zu Gasparruolo, daß er ihr's gegeben hat, und sie muß einräumen, daß es wahr ist.


Da es dem Himmel einmal gefallen hat, daß ich am heutigen Tag mit meiner Erzählung den Anfang machen soll, so schicke ich mich denn darein. Darum, ihr liebreichen Damen, beliebt es mir, euch, denen nun schon so viele Possen vorgetragen wurden, welche den Männern von Frauen gespielt wurden, einen Streich zu erzählen, der einer Frau von einem Manne gespielt[591] ward. Doch tue ich es nicht, um ihn deshalb zu tadeln oder zu behaupten, daß der Frau nicht ganz recht geschehen sei, sondern im Gegenteil, um den Mann zu loben und die Frau zu tadeln und um euch zu zeigen, daß auch die Männer die anzuführen wissen, die ihnen allzusehr vertrauen, wie sie von denen betrogen werden, denen sie blindlings Glauben schenken; weshalb denn eigentlich das, was ich vortragen will, nicht ein Possen, sondern ein wohlverdienter Lohn zu nennen wäre.

Wir wissen, daß jede Frau durchaus ehrbar sein und ihre Keuschheit wie ihr Leben hüten, auch aus keinem Grunde diese zu beflecken sich gestatten soll, was sich bei der Schwachheit unserer Natur freilich nicht so vollständig beobachten läßt, wie es sein sollte. Dennoch behaupte ich, daß diejenige des Feuers würdig ist, welche sich um Geldes willen dazu verleiten läßt. Die Frau aber, welche aus Liebe, deren allmächtige Gewalt sie erkennt, dahin gelangt, verdient von jedem nicht zu strengen Richter Vergebung, wie uns vor einigen Tagen Filostrato am Beispiel der Madonna Filippa aus Prato zeigte.

Es lebte also einst in Mailand ein Deutscher im Kriegsdienst, der Gulfardo oder Wolfhart hieß, ein tapferer Mann und denen, in deren Dienst er stand, sehr ergeben und treu war, was bei den Deutschen selten der Fall zu sein pflegt. Weil dieser alles, was er borgte, genauestens wiedererstattete, so hätte er genug Handelsleute gefunden, die ihm für geringen Vorteil jede beliebige Geldsumme vorgestreckt hätten.

Dieser Mann widmete nun, während er in Mailand weilte, seine Liebe einer schönen Frau, welche Donna Ambruogia hieß und die Gattin eines reichen Kaufmanns war, der sich Gasparruolo Cagastraccio nannte und ein naher Bekannter und Freund von ihm war. Indes er sie mit aller Vorsicht liebte, ohne daß ihr Mann oder sonst jemand etwas davon gewahr ward, schickte er eines Tages zu ihr und ließ sie bitten, ihn mit ihrer Gegenliebe zu beglücken, indem er seinerseits bereit sei, alles zu tun, was sie ihm geböte. Nach vielem Hin- und Herreden kam die Frau zu dem Schluß, daß sie geneigt wäre, zu tun, was Wolfhart begehrte, jedoch unter zwei Bedingungen: erstens dürfe er es nie jemand offenbaren, zweitens müsse er ihr, da er ein reicher Mann sei, zweihundert Goldgulden geben, die sie gerade[592] für einen bestimmten Zweck brauche; so wäre sie dann immer bereit, sich seinen Wünschen zu fügen.

Als Wolfhart diesen Beweis ihres Geizes vernahm, erzürnte ihn ihre niedere Gesinnung, und seine Liebe für sie, die er bisher für eine edle Frau gehalten, verwandelte sich nahezu in Haß. Nun sann er darauf, sie zu überlisten, und ließ ihr daher antworten, er sei gern bereit, dies wie alles andere zu tun, was in seinen Kräften stehe. Daher möge sie nur schicken und ihm sagen lassen, wann er zu ihr kommen solle. Er wolle ihr dann das Geld bringen, und niemand solle von dieser Sache wissen, einer von seinen Kameraden ausgenommen, dem er völlig vertrauen könne und der bei allem, was er tue, sein Begleiter sei. Als die Frau, oder vielmehr das schlechte Weib, dies hörte, war sie zufrieden und ließ ihm zurücksagen, ihr Mann Gasparruolo müsse in einigen Tagen Geschäfte halber bis nach Genua reisen. Sie lasse es ihn dann wissen und schicke zu ihm.

Nun ging Wolfhart, als es ihm an der Zeit schien, zu Gasparruolo und sagte zu ihm: »Ich stehe im Begriff, ein Geschäft abzuschließen, zu dem ich zweihundert Goldgulden nötig habe. Diese möchte ich von dir zum selben Zinssatz leihen, wie du mir andere Summen zu leihen pflegtest.« »Gern«, antwortete Gasparruolo und zählte ihm sogleich das Geld auf.

Wenige Tage darauf reiste der Kaufmann wirklich nach Genua ab, wie die Frau verheißen hatte. Sie schickte deshalb zu Wolfhart mit der Botschaft, daß er zu ihr kommen und die zweihundert Goldgulden mitbringen möchte. Wolfhart nahm seinen Gefährten mit sich, ging zu dem Hause der Frau, und da sie ihn schon erwartete, war das erste, was er tat, daß er ihr in Gegenwart seines Kameraden die zweihundert Goldgulden in die Hand gab, indem er also zu ihr sprach: »Madonna, nehmt hier dieses Geld und übergebt es Eurem Mann, sobald er zurückgekehrt sein wird.« Die Frau nahm sie und wurde nicht gewahr, aus welchem Grunde Wolfhart so sprach; vielmehr glaubte sie, er täte es, damit sein Gefährte nicht bemerke, daß dies der Kaufpreis für sie selbst sei. Darum sprach sie: »Ich will es gern tun; doch zuvor will ich sehen, wieviel es sind.« Und nachdem sie die Münzen auf einen Tisch geschüttet und gefunden hatte, daß es zweihundert waren, legte sie, innerlich[593] sehr zufrieden, diese beiseite und kehrte zu Wolfhart zurück, den sie in ihre Kammer führte und dort nicht nur eine Nacht, sondern viele andere Nächte, bis ihr Mann von Genua zurückkehrte, mit ihrem Leibe zufriedenstellte.

Als Gasparruolo endlich von Genua heimkehrte, begab sich Wolfhart, der es so abgepaßt hatte, daß jener mit seiner Frau zusammen war, sogleich zu ihm und sprach in ihrer Gegenwart: »Das Geld, Gasparruolo, die zweihundert Goldgulden nämlich, die du mir neulich geliehen hast, haben mir nicht dienen können, weil ich das Geschäft, zu dem sie gedacht waren, nicht zu Ende bringen konnte. Ich habe sie darum sogleich deiner Frau gebracht und sie ihr zurückgegeben. Tilge deshalb meine Schuld.« Gasparruolo wandte sich zu der Frau und fragte, ob sie die Gulden empfangen habe. Diese, die den Zeugen mit anwesend sah, konnte nicht leugnen und sprach: »Allerdings habe ich sie empfangen, ich habe nur noch nicht daran gedacht, es dir zu sagen.« Nun sprach Gasparruolo: »Ich bin zufrieden, Wolfhart. Geht mit Gott, und Eure Rechnung will ich schon richtig machen.«

Wolfhart ging, und das überlistete Weib lieferte ihrem Mann den schmachvollen Preis ihrer Schande aus, nachdem ihr verschlagener Liebhaber so ohne Kosten die habsüchtige Schöne genossen hatte.

Quelle:
Boccaccio, Giovanni: Das Dekameron. München 1964, S. 591-594.
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