Siebente Geschichte

[439] Theodor verliebt sich in Violante, die Tochter des Messer Amerigo, seines Herrn, schwängert sie und wird deshalb zum Strange verurteilt. Während er mit Geißelhieben zur Hinrichtung geführt wird, erkennt und befreit ihn sein Vater, und er vermählt sich mit Violante.


Als die Damen, die mit Bangigkeit erwartet hatten, ob die beiden Liebenden verbrannt würden oder nicht, vernahmen, daß sie gerettet wurden, dankten sie Gott dafür und freuten sich alle. Die Königin aber übertrug, als die Geschichte zu Ende war, Lauretta die Pflicht weiterzuerzählen, und diese begann fröhlichen Mutes also:

Schöne Damen, zu der Zeit, als der gute König Wilhelm Sizilien beherrschte, wohnte auf jener Insel ein Edelmann,[439] namens Amerigo Abate von Trapani, der unter andern zeitlichen Gütern auch mit Kindern reichlich gesegnet war. Weil er nun deshalb einer zahlreichen Dienerschaft bedurfte, kaufte er, als eines Tages genuesische Korsaren auf ihren Galeeren aus der Levante zurückkamen, wo sie, an den Küsten Armeniens kreuzend, viele Kinder gefangen hatten, einige von diesen, die er für Türken hielt.

Unter ihnen befand sich aber ein Knabe namens Theodor, der sich, während alle übrigen Hirtenkinder zu sein schienen, durch ein vornehmeres und adliges Aussehen von ihnen unterschied. Als dieser mit der Zeit älter wurde, wuchs er, obgleich er für einen Knecht galt, mit des Messers Amerigo Kindern im Hause auf und nahm dabei, mehr von seiner inneren Natur geleitet als von der Lage, in welche der Zufall ihn versetzt, ein so gefälliges Betragen und so gute Sitten an, daß Messer Amerigo ihn wegen des Wohlgefallens, das er an ihm fand, aus der Knechtschaft freiließ. Dann ließ er ihn, in der Annahme, daß er ein Türke sei, auf den Namen Pietro taufen, machte ihn zu seinem Haushofmeister und vertraute ihm in allen Stücken.

Während aber die übrigen Kinder des Messer Amerigo heranwuchsen, kam auch eine seiner Töchter, die Violante genannt ward und ein gar schönes und zierliches Mädchen war, zur Reife, und da der Vater eine Weile zögerte, sie zu verheiraten, wollte der Zufall, daß sie sich in Pietro verliebte. So sehr sie ihn aber auch liebte und so hohe Meinung sie von seinen Sitten und seiner Tapferkeit hegte, scheute sie sich dennoch, ihm ihre Neigung zu offenbaren.

Indes, binnen kurzem tat Amor es an ihrer Stelle. Denn nachdem auch Pietro sie einige Male aufmerksam betrachtet hatte, verliebte er sich so in sie, daß er sich unglücklich fühlte, solange er nicht mit ihr zusammen war. Auch er aber fürchtete sich, daß irgend jemand diese Liebe, die er selbst für eine unerlaubte hielt, gewahr werde. Das Mädchen jedoch erriet, weil es ihn liebhatte, bald seine Gesinnung, und um ihm Mut zu machen, zeigte es sich, wie es auch wirklich war, über seine Aufmerksamkeiten ausnehmend erfreut. Dennoch währte es lange Zeit, daß sie beide, so großes Verlangen sie auch danach[440] trugen, sich nicht getrauten, das mindeste über ihre Neigung zueinander zu sagen. Endlich wußte der Zufall, während sich beide, in den gleichen Liebesflammen entbrannt, verzehrten, als wenn er alle Umstände absichtlich zu diesem Zwecke herbeigeführt hätte, Mittel und Wege zu finden, durch welche sie über die scheue Furcht, die sie befangen machte, hinwegkamen.

Messer Amerigo hatte, kaum eine Meile von der Stadt entfernt, eine gar schöne Besitzung, welche seine Gattin mit ihrer Tochter und mit anderen Damen oft zur Erholung zu besuchen pflegte. Eines Tages nun, als sie den Pietro mitgenommen hatten und dort verweilten, traf es sich, wie wir es häufig im Sommer geschehen sehen, daß der Himmel sich plötzlich mit finsteren Wolken umzog. Um von dem Unwetter nicht dort draußen überfallen zu werden, machte die Dame sich mit ihrer Gesellschaft, so rasch sie nur konnte, auf den Rückweg nach Trapani. Pietro und das Mädchen aber überholten, weil sie beide jung waren, die Mutter und die anderen Gefährtinnen, die bei ihr blieben, um vieles, und vielleicht war es ebensowohl die Liebe als die Furcht vor dem Gewitter, welche ihre Schritte beflügelte.

Schon waren die beiden jungen Leute der übrigen Gesellschaft so weit voraus, daß sie kaum mehr gesehen werden konnten, als es so heftig zu donnern und ein so dichter und schwerer Hagel zu fallen begann, daß die Dame mit ihrer Begleitung nur eben noch imstande war, sich in ein Bauernhaus zu flüchten. Pietro und das Mädchen aber suchten, weil sie in der Eile keinen andern Zufluchtsort finden konnten, Schutz in einem alten und fast ganz verfallenen Hause, das von niemand mehr bewohnt wurde. Das Dach dieses Hauses war so beschädigt, daß nur ein kleiner Teil davon noch vorhanden war und die beiden jungen Leute, die sich unter diesen Rest flüchteten, durch die Enge des geschützten Raumes einander zu berühren genötigt waren.

So nahe Berührung ermutigte die Liebenden, sich ihre liebevollen Wünsche zu gestehen, und Pietro begann zuerst: »Wollte nur Gott, daß dieser Hagel nie ein Ende nähme, wenn ich, solange er dauert, so wie jetzt bleiben dürfte.« »Ach, das wäre[441] ich wohl auch zufrieden«, sagte darauf das Mädchen, und von solchen Reden gingen sie dazu über, einander bei der Hand zu nehmen und zu drücken, dann umarmten und küßten sie sich, und derweil hagelte es noch immer fort. Um aber nicht alle Einzelheiten zu erzählen, sage ich nur: das Wetter heiterte sich nicht eher auf, als bis sie einander die höchsten Freuden der Liebe gelehrt und sich auch schon verabredet hatten, wie sie sich in Zukunft miteinander erfreuen wollten.

Nachdem sich das schlechte Wetter verzogen hatte, warteten die beiden jungen Leute am Eingang der Stadt, bis wohin sie nicht mehr weit hatten, die Mutter ab und gingen mit ihr nach Hause. Hier kamen sie später unter wohlgetroffenen Vorsichtsmaßregeln und zu ihrer großen Lust mehr als einmal ganz im Verborgenen zusammen, und so geschah es am Ende, daß das Mädchen schwanger wurde. Das war nun beiden Teilen freilich alles andere als lieb, weshalb sie es denn auch nicht an allerhand Mitteln fehlen ließen, damit Violante gegen die Ordnung der Natur ihrer Leibesfrucht ledig werde; doch alles blieb umsonst. Da glaubte sich nun Pietro seines Lebens nicht mehr sicher und sagte zu seiner Geliebten, daß er zu fliehen gedenke. Sie aber antwortete ihm: »Wenn du mich verläßt, werde ich mir ein Leid antun.« Pietro war dem Mädchen von ganzer Seele gut und sagte: »Liebes Herz, wie kannst du nur wollen, daß ich bleiben soll? Deine Schwangerschaft wird unseren Fehltritt ans Licht bringen. Du erhältst dann wohl leichter Vergebung, ich Armer aber werde zugleich für deine und meine Schuld die Buße tragen müssen.« Das Mädchen erwiderte: »Pietro, mein Vergehen wird freilich an den Tag kommen. Das deinige aber, verlasse dich darauf, soll gewiß niemand erfahren, dem du es nicht selbst sagst.« »Wohlan denn«, entgegnete Pietro, »weil du mir das gelobst, so will ich bleiben. Denke mir aber an dieses Versprechen.«

Obgleich das arme Mädchen seinen Zustand verborgen gehalten hatte, solange es nur immer möglich gewesen war, fühlte es am Ende selbst, daß das Anschwellen des Leibes fernere Heimlichkeit unmöglich machte, und gestand eines Tages unter tausend Tränen und Bitten um Erbarmen der Mutter den Zustand, in dem es sich befand. Die Mutter kannte sich kaum vor[442] Zorn und verlangte mit den härtesten Worten, daß sie ihr gestehen solle, wie alles sich zugetragen. Um indes ihrem Pietro keine Ungelegenheiten zu bereiten, erfand sich das Mädchen eine Fabel, die es der guten Dame statt der Wahrheit aufband. Diese glaubte auch wirklich, was ihr erzählt wurde, und schickte die Tochter, um ihren Fehltritt geheimzuhalten, fort auf eines ihrer Güter.

Als nun aber die Zeit der Niederkunft herangekommen war und die Wöchnerin eben in den Wehen schrie, traf es sich, daß in einem Augenblick, wo die Mutter sich dessen am wenigsten versah, Messer Amerigo, der dieses Landhaus bis dahin fast noch niemals besucht hatte, bei der Heimkehr vom Vogelstellen an dem Zimmer vorüberritt, wo seine Tochter kreißend lag, und voll Erstaunen über ihr Geschrei plötzlich eintrat, um nach der Ursache zu fragen. Als die Mutter sich so von ihrem Gatten überrascht sah, erhob sie sich betroffen und erzählte ihm, was sich mit ihrer Tochter zugetragen. Messer Amerigo aber antwortete, minder leichtgläubig als seine Frau es gewesen war, es könne nicht an dem sein, daß das Mädchen nicht wissen sollte, von wem es schwanger sei. Er verlange durchaus die Wahrheit zu wissen, aufrichtiges Bekenntnis sei das einzige Mittel zur Verzeihung. Ohne das könne sie sicher sein, daß sie ohne Barmherzigkeit sterben müsse. Zwar gab die Mutter sich alle Mühe, ihrem Mann die Fabel, die sie ihm erzählt hatte, einzureden, doch half ihr das zu nichts. Vielmehr stürzte er im höchsten Zorn mit bloßem Degen über das Mädchen her, welches, während ihn die Mutter noch mit Worten hingehalten, von einem Knaben entbunden worden war, und rief: »Gestehe, wer des Kindes Vater ist, oder stirb auf der Stelle!« Da machte die Todesfurcht Violante wortbrüchig gegen ihren Pietro, und sie bekannte alles, was zwischen ihm und ihr vorgefallen war.

Der Ritter geriet bei diesem Bericht in so unmäßige Wut, daß er sich kaum enthalten konnte, die Tochter umzubringen. Als er ihr aber alles gesagt hatte, was der Zorn ihm eingab, ritt er eilig nach Trapani zurück und verklagte den Pietro bei Messer Currado, dem königlichen Hauptmann, wegen des Schimpfes, den jener ihm angetan. Der Hauptmann ließ Pietro,[443] der auf nichts dergleichen gefaßt war, alsbald gefangennehmen und brachte ihn auf der Folter schnell zum völligen Geständnis, worauf er nach wenigen Tagen verurteilt ward, erst durch die ganze Stadt gepeitscht und dann gehängt zu werden.

Damit nun dieselbe Stunde dem Leben der beiden Liebenden und dem ihres Kindes ein Ende mache, mischte Messer Amerigo, dessen Zorn durch das Todesurteil, das er dem Pietro bereitet, noch nicht abgekühlt war, Gift und Wein in einem Becher zusammen. Dann gab er ihn nebst einem blanken Dolch und mit folgenden Worten einem seiner Diener: »Gehe mit diesen Dingen zu Violante und sage ihr in meinem Namen, sie solle sich schnell zu einer von diesen beiden Todesarten, Dolch oder Gift, entschließen. Widrigenfalls ließe ich sie, wie sie es verdient hat, angesichts aller Einwohner unserer Stadt verbrennen. Wenn du das besorgt hast, nimm den Knaben, den sie vor wenigen Tagen zur Welt gebracht, schleudere ihn mit dem Schädel an die Wand und wirf ihn dann den Hunden zum Fraße vor.« Diesen grausamen Befehl des lieblosen Vaters nahm der Diener nicht eben mit milderer Gesinnung entgegen und machte sich auf den Weg.

Während inzwischen der zum Tode verurteilte Pietro zum Galgen gepeitscht wurde, kam er, weil die Henkersknechte an der Spitze des Zuges ihn so führten, zufällig an einem Gasthaus vorbei, in welchem drei Edelleute aus Armenien wohnten. Es waren nämlich diese drei vom König von Armenien als Gesandte nach Rom geschickt worden, um mit dem Papst wegen eines neu zu unternehmenden Kreuzzuges wichtige Angelegenheiten zu verhandeln. Jetzt aber hatten sie sich einige Tage in Trapani aufgehalten, um sich auszuruhen und zu stärken, und waren von den vornehmeren Einwohnern der Stadt, besonders aber von Messer Amerigo, auf das ehrenvollste aufgenommen und bewirtet worden.

Als nun die drei Edelleute den Zug vorübergehen hörten, in dem Pietro gebracht ward, traten sie ans Fenster, um zuzusehen. Pietro war vom Gürtel an völlig entkleidet und hatte die Hände auf den Rücken gebunden, und so konnte denn der eine dieser drei Gesandten, der Phineus hieß und ein bejahrter Mann von großem Ansehen war, auf des jungen Mannes Brust[444] deutlich einen großen brennend roten Fleck wahrnehmen, der nicht von vorübergehender Färbung herrührte, sondern von Natur aus der Haut selbst innewohnte, der mit andern Worten ein Muttermal war, wie wir es nennen. Beim ersten Anblick dieses Males gedachte Phineus sogleich seines Sohnes, der ihm nun bereits vor fünfzehn Jahren am Strand von Lajazzo durch die Korsaren geraubt worden war, ohne daß er je weitere Nachricht von ihm erhalten hätte. Und wenn er das Alter des Unglücklichen, der da gepeitscht wurde, überschlug, so deuchte es ihm, daß sein Sohn, wenn er noch am Leben wäre, jetzt in denselben Jahren sein müßte. Dies alles bestärkte ihn in der Vermutung, die jenes Mal zuerst in ihm erregt hatte. Weil er aber meinte, daß der junge Mensch, wenn es wirklich sein Sohn sei, sich gewiß seines eigenen sowohl als auch des väterlichen Namens und der armenischen Sprache erinnern werde, rief er, als der Verurteilte ihm ganz nahe gekommen war: »Theodor!« Kaum hatte Pietro diesen Namen vernommen, so blickte er auf. Phineus aber fragte ihn auf armenisch: »Woher stammst du, und von welchem Vater?« Die Schergen hielten aus Rücksicht für den angesehenen Frager inne, so daß Pietro antworten konnte: »Ich stamme aus Armenien, mein Vater hieß mit Namen Phineus, und ich wurde als kleines Kind hierher geschleppt, von welchem Volke weiß ich nicht.«

Als Phineus diese Antwort vernahm, erkannte er in dem jungen Mann zuverlässig den einst verlorenen Sohn. Sofort eilte er weinend mit seinen Gefährten die Treppe hinab und umarmte sein Kind mitten unter den Henkersknechten. Dann aber hüllte er den Sohn in den Mantel von kostbarem Stoff, mit dem er selbst bekleidet war, und bat den Schergen, der ihn zum Tode führen sollte, daß er ihm zuliebe so lange verziehen möge, bis ihm befohlen würde, den Verurteilten weiterzuführen. Der Scherge war gern bereit zu warten. Phineus aber, der schon zuvor durch das Gerücht, welches die ganze Stadt durchlief, erfahren hatte, um welcher Ursache willen der Jüngling zum Tode geführt werde, begab sich eilig mit seinen Gefährten und der ganzen Dienerschaft zu Messer Currado und sprach zu ihm: »Herr, der Mensch, den Ihr da als einen Knecht zum Tode schickt, ist ein freier Mann und mein Sohn. Auch ist[445] er gern bereit, das Mädchen, dem er, wie man sagt, die Jungfernschaft genommen hat, zur Frau zu nehmen. Laßt denn also die Hinrichtung so lange verschieben, bis man Erkundigungen eingezogen hat, ob das Mädchen ihn zum Manne haben will. Denn wolltet Ihr diesen Aufschub verweigern und sie erklärte sich nachher bereit, so hättet Ihr den Gesetzen zuwider gehandelt.«

Die Nachricht, daß der Verurteilte ein Sohn des Phineus sei, überraschte Messer Currado nicht wenig, und er schämte sich, daß der Zufall ihn einen so harten Spruch hatte tun lassen. Da er aber gestehen mußte, daß Phineus mit dem recht hatte, was er behauptete, hieß er ihn sogleich nach Hause gehen und berichtete dann dem Messer Amerigo, den er inzwischen zu sich berufen, was er soeben erfahren hatte. Messer Amerigo, der nicht anders glaubte, als Tochter und Enkel seien schon umgebracht, bereute seine Grausamkeit über alle Maßen, denn es leuchtete ihm wohl ein, daß ohne jenen Mord alles Geschehene hätte wiedergutgemacht werden können. Nichtsdestoweniger sandte er in größter Eile hinaus zu der Tochter, damit sein Befehl, wenn es nicht schon zu spät sei, nicht mehr ausgeführt würde. Der Bote fand den Diener, den Messer Amerigo zuvor hinausgesandt, wie er Violante, die sich nicht so bald hatte entschließen können, zwischen Gift und Dolch zu wählen, die härtesten Worte sagte und sie mit Gewalt zwingen wollte, mit einem von beiden ihrem Leben ein Ende zu machen. Kaum aber hatte er den Willen seines Herrn vernommen, so ließ er das Mädchen in Ruhe und kehrte zu jenem zurück, um ihm über den Hergang der Sache Bericht zu erstatten.

Voller Freude über diese Kunde suchte Messer Amerigo alsbald den Phineus auf, entschuldigte sich schier unter Tränen, so gut er nur wußte und konnte, wegen des Geschehenen und versicherte, wenn Theodor seine Tochter zur Frau nehmen wolle, sei er gern bereit, sie ihm zu geben. Phineus nahm jene Entschuldigung willig auf und erwiderte dann: »Meine Meinung ist, daß mein Sohn Eure Tochter zur Frau nehmen soll, und daß, wenn er es nicht tun will, das über ihn verhängte Urteil vollstreckt werden müßte.«

Nachdem Phineus und Messer Amerigo auf solche Weise[446] übereingekommen waren, fragten sie den Theodor, der zugleich vor Todesfurcht zitterte und sich freute, seinen Vater wiedergefunden zu haben, was er in jener Angelegenheit zu tun gedenke. Als dieser vernahm, daß Violante, wenn er wolle, nun seine Gemahlin würde, war seine Freude so groß, daß ihm nicht anders zumute war, als sei er aus der Hölle ins Paradies gesprungen; und er versicherte beiden, wenn sie es nur zufrieden wären, bedeutete es für ihn das größte Glück.

Ebenso schickte man zu Violante, um ihren Willen zu erfahren. Als diese, die in beispielloser Traurigkeit nichts als den Tod vor Augen sah, vernahm, was sich mit Theodor zugetragen hatte und was ferner noch in Erfüllung gehen sollte, maß sie den Worten erst nach geraumer Zeit einigen Glauben bei und konnte sich doch nur halb freuen. Dann aber sagte sie, wenn ihre Wünsche wahr werden sollten, könne sie freilich nichts glücklicher machen, als Theodors Frau zu sein. In jedem Falle aber werde sie tun, was ihr Vater von ihr verlange.

So wurde denn mit allgemeiner Zustimmung die Verlobung des Mädchens gefeiert und dabei zu großer Freude der Einwohner von Trapani eine glänzende Festlichkeit angerichtet. Violante ward ihres Lebens wieder froh und ließ ihren Knaben von einer Amme stillen, und so dauerte es auch nicht lange, daß sie wieder schön und schöner wurde denn je zuvor.

Als die Zeit ihrer Wochen vorüber und auch Phineus wieder von Rom zurückgekehrt war, bezeigte sie ihm alle Ehrfurcht, die einem Vater gebührt. Er aber feierte, hocherfreut über eine so schöne Schwiegertochter, unter Jubel und Festlichkeiten ihre Hochzeit und nahm sie für jetzt und alle Zukunft gleich einer eigenen Tochter an. Wenige Tage darauf bestieg er mit dem Sohne, mit ihr und dem kleinen Enkel eine Galeere, auf der sie glücklich insgesamt in Lajazzo anlangten, wo die beiden Liebenden sich, solange sie am Leben blieben, ruhig und friedlich aneinander erfreuten.

Quelle:
Boccaccio, Giovanni: Das Dekameron. München 1964, S. 439-447.
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