Der siebende Abschnitt.

Von Miltons Anbringung der mythologischen

Geschichte und Theologie in

seinem Gedichte.

[196] Voltairens flüchtige Verwerfung der Erwähnung der mythologischen Geschichte. Elender und ungereimter Tand in der heidnischen Theologie. Daß es einem christlichen Poeten erlaubt sey, sie für das anzuziehen, was sie ist. Daß es ihm erlaubet sey, sie selbst für Wahrheit anzuziehen, wenn er dramatische Personen redend einführet, oder wenn er ein Gedicht unter der Person eines heidnischen Poeten schreibet. Einwurf eines deutschen Kunstrichters, daß Milton sich auf heidnische Fabeln, als auf wahrhaftige Geschichten berufe. Daß Milton die Entführung der Proserpine eben so wenig vor eine wahrhafte Geschichte gegeben, als dasjenige, was er von den Pygmeen, den Aelfen, dem Leviathan und den Lapländischen Zauberinnen meldet. Wie Milton die mythologischen Fabeln angebracht, seine wunderbaren Erzehlungen wahrscheinlicher zu machen. Wie er sie anderemahl angebracht, damit er seine Kräfte gegen den Poeten des Alterthums prüffete. Wie er sie zur Verkleinerung der heidnischen Götter angeführt. Daß die Vermählung Jupiters und der Juno, welche Voltaire tadelt, nichts mehrers als eine Metapher sey. Daß die Nahmen der heidnischen Götter ohne[196] Sünde mögen gebraucht werden, nach einer Metonymie. Daß Miltons Anruffung der Urania ein poetisches Gebethe sey; wider Magny. Anstössiges Exempel aus Sannazars Gedichte von der Niederkunft der Jungfrauen, wo mythologische Gottheiten mit Ertzvätern und göttlichen Propheten in eine Handlung verbunden werden. Opizens mythologische Abgötterey in seiner Hercynia.


Unter den Mitteln, womit unser Poet einige kleine Umstände seiner Erzehlung erhöhet, und in andere wunderbare mehr Wahrscheinlichkeit gebracht hat, sticht vor andern sein Gebrauch der mythologischen Geschichte hervor; daher aber seine Widerwärtigen Anlaß genommen haben, eine neue Reyhe Klagen wider ihn zu formieren. Der Herr Voltaire hat solche in folgenden Worten verfasset: »Ich will mich hier nicht über gewissen kleinen Fehlern aufhalten, welche ein jeder Leser wahrnehmen kan, ich meine Miltons häufige Allusionen auf die Heidnische Theologie, ein Fehler der an ihm destoweniger zu entschuldigen ist, weil er in seinem ersten B. gesagt hatte, die heidnischen Gottheiten wären Teufel, die unter verschiedenen Nahmen angebetet worden; dieses hätte ihm verbieten sollen, die Entführung der Proserpina, die Vermählung Jupiters und der Juno, und anders mehr dergleichen anzuführen.« So verdrüßlich und unnützlich es ist, wenn die Criticken auf eine so flüchtige und unbestimmte Weise vorgetragen[197] werden, so billig darum wäre, daß sie mit einem verächtlichen Stillschweigen abgefertigt würden, darf ich gegenwärtige destoweniger ohne Antung übergehen, weil einer von unsren deutschen Kunstrichtern die schädliche Müh genommen hat, sie unter seinen Landsleuten auszubreiten, ohne daß er einiges Mißtrauen in die Gründlichkeit derselben zu verstehen gegeben habe.

Es hat in dem Polytheismo der heidnischen Theologie, und in den fleischlichen Lüsten und Affecten, denen sie ihre Götter unterwürffig machet, ein solches Gemenge von unvernünftigem Zeuge, daß sie billig als das schimpflichste Opprobrium des menschlichen Verstandes anzusehen ist. Wenn sie von ihrem Wesen und ihren Eigenschaften lehret, macht sie dieselbigen zwar unsterblich, unendlich, allmächtig, allweise, aber sobald sie von ihren Handlungen erzehlet, werden sie den grösten Schwachheiten unterworffen, und mit keinen Thorheiten, oder Boßheiten verschonet. Es ist keiner von ihren Göttern, der nicht die Menschen in das gröste Unglück stürtze, oder sie zu den schlimmsten Uebelthaten verleite; es ist auf dieser untern Welt nichts so verdammenswürdiges, das nicht von ihnen befohlen, oder mit ihrem Exempel bekräftiget worden. Und eben dieses hat die Secte der Epicurer vornehmlich aufgebracht und vermehret. Epicurus hat sich auf gewisse Weise um die Götter[198] wohlverdienet machen, und eine Probe seiner Frömmigkeit ablegen wollen, da er ihnen lieber einen beständigen Müssiggang, in welchem sie ihrer unsterblichen Natur in einer seligen Ruh geniessen, zugeschrieben, als sie mit der Zerstörung und dem Verderben des menschlichen Geschlechtes auf eine so boßhafte Weise beschäftigt glauben wollen. Andere von den Weisen des Heidenthums haben ihre Religion damit zu entschuldigen gemeinet, daß sie solche widersinnige Thaten ihrer Götter den Poeten aufgebürdet haben, welche die Leute mit denselben haben in Verwunderung setzen wollen; es seyen Erdichtungen womit die Unwissenheit in dem Punct der Natur der Götter mißbraucht, und der Irrthum fortgepflanzet worden. Alleine Arnobius hat dieses in seinem vierten B. wider die Heiden gantz unwahrscheinlich gefunden, und woferne es einigen Grund hätte, die Priester und Obrigkeiten, welche litten, daß ihren angebetheten Gottheiten so ehrenrührige Zulagen geschähen, vor höchststrafwürdig angesehen. Lasset uns ihn selber vernehmen: Sed poetarum, inquiunt, figmenta sunt hæc, & ad voluptatem compositaæ lusiones. Non est quindem credibile homines minus brutos & vetustatis remotissimæ vestigatores aut non eas inseruisse suis carminibus fabulas quæ in nutionibus hominum superessent, atque in auribus collocatæ; aut ipsos sibi tantum licenciosi juris voluisse asciscere, ut consingerent per stultitiam res eas, quæ nec ab insania[199] procul essent remotæ, & quæ illis à Diis metum & periculum ab hominibus comparare possent. Sed concedeamus, ut dicis, deformitatum tantarum concinnatores esse atque inventores poetas, immunes tamen à Deorum male tractatione nec sic estis, qui talia cessatis maleficia vindicare, aut non legibus latis & severitate pœnarum tantæ itis obviam temeritati; constitumque à vorbis est, ne quis posthoc hominum id quod esset turpitudini proximum, aut eorum indignum majestatibus loqueretur. Einmahl hat diese schändliche Theologie bey gantzen und wohlgezogenen Nationen, in etlichen Welt-Altern, geherrschet, und Männer, welche in andern Sachen vor weise gehalten worden, haben sich in ihrem Leben, in ihren wichtigsten Unternehmungen, wenn es ihr eigenes, oder das Wohl des Vaterlandes galt, nach der Vorschrift derselbigen geachtet. Und dieses ist für einen Poeten einer solchen Nation schon genug gewesen, daß er auf diesen Tand und Wahn bauete, und durch die Ausputzung und Zusammensetzung dergleichen Zeuges neue Gedichte hervorbrächte. Seit dem das Christenthum sich ausgebreitet, hat der Verstand bey dem reinen Lichte desselben so viel Erleuchtung empfangen, daß heutiges Tages einer, der sich zu den Lehren der mythologischen Theologie bekennen würde, sich eben so lächerlich machen würde, als gottloß sein Glauben wäre, er würde in den Zusammenkünften der [200] Beaux Esprits eben so bald ausgepfiffen, als in den Kirchenversammlungen verdammet werden. Also entstehet die Frage, ob und wie diese erkannten Fabeln von den Poeten der christlichen Nationen können gebrauchet und in ihren Gedichten angebracht werden. Die Untersuchung dieser Frage wird uns des Herren Voltaire Einwurff wider Miltons Allusionen auf die Mythologie sowohl in seinem rechten Grunde zeigen, als die Antwort darauf anweisen.

Ein Paar vorläuftige Anmerkungen sollen uns zum Fundament dienen. Die erste ist, daß der ärgste Irrthum und die schlimmste Ketzerey nicht beflecken, weil sie gehöret und erwähnet, sondern weil sie geglaubet und gelehret werden; die andere daß die Poeten ein Recht haben, die Personen von allen Zeiten, Ländern, und Religionen aufzuführen. Es hat des erstern halben keine Gefahr daß die Erzehlung der mythologischen Fabeln jemand verführe; man thäte ihnen zu viel Ehre an, wenn man sie vor gefährlich oder drohend für unsre reine und vernunftmässige Religion ansehen würde; oder man thäte unsrem erleuchteten Seculo unrecht, wenn man unsre Leute vor so unsinnig halten würde, daß sie zwischen der lautern Wahrheit der einen, und der trüben Verwirrung der andern zweifeln könnten. Wenn man sagen wollte, daß diese Theologie des Heidenthums zu Rettung der Ehre des menschlichen Verstandes und deren Nationen, die sich dazu[201] bekannt hatten, zu einer ewigen Vergessenheit sollte verurtheilet werden, so ist dieses nicht möglich, man wollte sich denn vornehmen die gantze Historie der heidnischen Nationen, in welcher die Glaubens-Lehren dieser falschen Religion so vielen Antheil an den Begebenheiten und Umständen haben, aus dem Gedächtniß auszulöschen, welches thörigt und unbillig wäre. Demnach halte ich vor erlaubet die mythologischen Fabeln vor das anzuführen, was sie sind, nemlich vor ein Hirngespinst, vor die Geschichte einer derer Welten, welche die Poeten erfunden oder doch in Besitz genommen haben, vor Exempel der Sitten, vor Bestrebungen der Einbildungs-Kraft, und des Witzes. Das ist der gesunde Begriff, den wir davon haben, und in disem Lichte betrachtet, haben die Poeten ein natürliches Recht sich dieser mythologischen Fabeln zu ihrem Gebrauche zu bemächtigen, weil es Früchte eben der Einbildungs-Kraft und des Witzes sind, welche sie anbauen und ausüben.

Alleine meine andere Anmerkung führet uns noch weiter, und ich darf vermöge derselben dem Poeten erlauben, die mythologischen Fabeln selbst als Wahrheiten vorzutragen, die geglaubet werden; nemlich in allen denen Fällen, da dramatische Personen von der mythologischen Religion eingeführet werden, für welche der Poet das Wort nimmt. Da hat dieser keine weitere Verantwortung, als die Personen nach ihrem[202] wahren und eigenen Character vorzustellen; und wie ihm vergönnet ist, böse Thaten, schlimme Leidenschaften und tadelhafte Sitten vorzustellen, also darf er auch falsche, irrige, und verdammliche Lehrsätze vortragen lassen. Wer sich daran ärgert, der zeiget ein ehrliches Gemüthe, und einen gesunden Verstand, aber wenn er deswegen auf den Poeten wollte böß werden, so würde er sich verrathen, daß er zwischen einer geschickten Vorstellung und der Vorstellung einer guten That oder einer gesunden Lehre, nicht zu unterscheiden wisse; weil geschickt vorstellen nichts anders sagen will, als etwas der Natur und dem Character des Dinges gemäß vorstellen, da denn unehrbare Handlungen und irrige Lehrsätze sich vor unehrbare und wahnwitzige Leute schicken. Und wie, nach Plutarchus Gleichniß, die Schuhe des hinkenden Dämonides, der krumme Füsse hatte, und daher wünschete, daß sie demjenigen, der sie ihm gestohlen hatte, recht seyn mögten, an sich selbst zwar ungeschickt, aber für ihn gut und anständig waren, also sind die Thaten und Lebens-Regeln eines Ixions, eines Eteocles, Satans und Beelzebubs, böß und falsch, aber dem Character derselben gemäß. Auf gleiche Weise hat Racine der Göttin Venus eine sehr schlimme That zugeschrieben, wenn er ihr der Phädra Verliebung in ihren Stief-Sohn Schuld giebt:
[203]

Je reconnus Venus & ses feux redoutables,

D'ung Sang qu'elle poursuit tourmens inevitables.


Und wenn er die Ausschweiffungen der Pasiphae eben derselben Göttin aufbürdet:


O haine de Venus, o fatale colere,

Dans quels egaremens l'amour jetta ma mere!


Es wäre seltsam, wenn ihn iemand deswegen für gottloß oder für einen Heiden ausschreien wollte.


Hieher gehören unfehlbar auch die Nachahmungen der Poeten, da sie ein gantzes Gedicht in einer fremden Person schreiben. Also hat der Herr Fenelon die Person Homers an sich genommen, da er dessen Odyssea in gewissem Verstande vermehret hat. In dem gantzen Gedichte redet dieser christliche Erz-Bischof nach den Lehrsätzen der heidnischen Theologie, welcher der Poete, den er nachahmete, zugethan war. Gleich im Eingange wird eine falsche Abgöttin vorgestellet, welche sich beschweret, daß sie unsterblich ist, weil dieses ihre Sehnsucht verewigte. Und diese Sehnsucht entstuhnd über den Verlust einer sehr fleischlichen Wollust. In kleinen Gedichten geschicht dieses von unsern Poeten sehr oft, und zwar ohne daß sie den Leser zuerst davon berichten; sie stehn ohne Zweifel in den Gedanken, daß solches überflüssig wäre, weil ihre Sprache, ihr metrum, ihre Reimen, den Poeten[204] ankündigen. Von dieser Art ist Sannazars Ueberschrift auf die Stadt Venedig,


Viderat Adriacis Venetam Neptunus in undis

Stare urbem – – etc. etc.


In andern Fällen, wo der Poet in seinem eigenen Nahmen redet, oder wenn er christliche Personen aufführet, würde er sich selbst und die Wahrheit verleugnen, wenn er den Lehrsätzen der Mythologie beypflichtete, wie geschehen würde, wenn er die Eigenschaften, Character und Thaten der himmlischen und heiligen Personen unsrer wahren Religion den homerischen Gottheiten und falschen Halb-Göttern zueignete, oder wenn er die hohe Würde derselben mit den Schwachheiten und den Uebelthaten dieser letztern entheiligte. Dadurch würden zwey ungleiche Systemata fidei durch einander gemischet, und Dinge von ungleicher Natur und Character in ein Gewebe gebracht. Eines würde das andere umstossen, und alles sich selber widersprechen. So gottloß und verdammlich dieses wäre, eben so ungereimt wäre es auch; und wenn ein mahometanischer Poet dergleichen Vermischung seiner lügenhaften Religion mit der Mythologie vornehmen sollte, würde er sich bey allen gescheiten Kunstrichtern nicht nur seiner sondern auch unsrer Religion eben so sehr zum Gelächter machen.[205]

Wenn ich nun dem Herren Voltaire einigen Grund für seine Verwerffung der miltonischen Illusionen auf die heidnische Theologie lehnen soll, nachdem er selbst keinen anzubringen beliebet hat, so kan ich ihm nicht zutrauen, weder daß er die Erwähnung der mythologischen Fabeln, so sie in ihrem wahren Lichte betrachtet werden, habe tadeln wollen, zumahl da er selbst sie sehr oft nach dieser Weise angebracht hat; noch daß er sie in dem Munde dramatischer, und angenommener Personen, derer Religion sie ausmachen, verurtheile. Also bleibet mir übrig zu gedencken, daß er zum Grunde seines Tadels die Verwechselung der Character, der Eigenschaften und Handlungen der himmlischen und heiligen Personen mit den Charactern, Eigenschaften und Handlungen, der mythologischen Götter und Halb-Götter gesetzet habe, wenn von diesen gesagt wird, was nur von jenen wahr ist. Auf dieses Vorurtheil scheinet derjenige von unsren deutschen Criticis gebauet zu haben, der des Herrn Voltaire Anklage folgendermassen auf Deutsch gegeben hat: Milton beruffe sich auf heidnische Fabeln, als auf wahrhaftige Geschichten. Alleine nachdem wir diesen Poeten in weit schwerern Fällen den besten Verstand mit der höchsten Phantasie haben vereinbaren gesehen, und hingegen den französischen Kunstrichter schon etlichemahl auf dem Irrthum ergriffen haben, können wir uns zum voraus vermuthen, daß Milton in[206] einer so offenbaren und leichten Sache nicht so grob werde gefehlet haben; in der That wird uns eine kurtze Einsicht in das Gedicht selbst vielmehr zeigen, daß seine eilfertigen Tadler sich in ihren Urtheilen übel betrogen haben.

Lasset uns zuerst die Exempel betrachten, die von dem Herren Voltaire angeführet worden. Das erste von der Entführung der Proserpine stehet im vierten B. »Das schöne Feld Enna, heißt es da, wo Proserpina Blumen las, und selbst, als die schönste Blume, von dem finstern Dite gepflücket ward, welches der Ceres so grosse Mühe verursachete, sie in der gantzen Welt zu suchen.« Der Poet beschreibet an diesem Orte das Paradieß, und weil solches der Platz ist, wo die Haupthandlung vorgehet, und uns einen grossen Begriff von der Glückseligkeit machen soll, welche unsre ersten Eltern darinnen genossen haben, hat er einen wunderschönen Plan davon gezeichnet, und endlich unsrer Einbildung aufzuhelffen, uns die schönsten Stücke Landes, derer von den Poeten und den Geschichtschreibern gedacht wird, vor Augen geleget, die Castalische Quelle, den Hayn Daphne, den Berg Amara, das Feld Enna, und doch zulezt geschlossen, daß sie mit dem Paradiese nicht streiten dörften. Ich habe hier erstlich anzumercken, daß in dieser Vergleichung das Gleichniß-Bild ein würcklicher in der Natur gelegener Platz ist, nemlich das Thal Enna[207] in Sicilien, von welchem uns aber der Poet nichts weiter als den Nahmen anzeiget. Er setzete voraus, daß der Leser von der Anmuth des Thals Enna schon einen angenehmen Eindruck aus andren Poeten empfangen hätte, wie diejenigen, die mit Ovidius und Claudianus bekannt sind, nothwendig haben müssen; wo dieses nicht wäre, hälfe dieses Gleichniß-Bild nichts zur Erleuchtung des Begriffes von dem Paradiese, den er hervorbringen wollte. Damit er nun seinen Endzweck desto sicherer erreichte, gab er etliche Kennzeichen desselben Thales, welche zwar auf solchem nur etwas zufälliges waren, doch überaus bequem sind, den Begriff, den man vormahls davon eingenommen hatte, zu erneuern; nemlich die Entführung der Proserpina, so daselbst begegnet war. Dieser berühmte Umstand konte nicht anderst als den Platz, wo er geschehen, mit den anmuthigen Beschreibungen der Poeten wieder vorstellig machen. Wenn in diesem Anzug etwas unanständiges ist, so muß es darinn bestehen, daß dieser Jungfrauen-Raub vor eine wahre Geschichte gesetzet wird. Nun ist wahr, daß der Poet hier nicht erinnert hat, daß diese Erzehlung nur erdichtet sey; hätte er solches gethan, so sehe ich nicht, was man ihm weiter hätte vorwerffen können; er hätte eine Fabel vor eine Fabel gegeben. Alleine wenn er dieses gleich unterlassen bat, so folget daraus nicht, daß er sie vor eine Wahrheit habe ausgeben wollen;[208] vor seinen Endzweck that dieser Anzug eine gleiche Würckung, wenn die Geschicht erdichtet, und wenn sie wahrhaftig war, und sein Stillschweigen rechtfertiget sich genug durch die gute Meinung, die er von der Fähigkeit, und der Rechtgläubigkeit seiner Leser haben konte, daß sie sich mit einer so offenbaren Fabel nicht betriegen könten. Diese Auslassung ist nicht freyer, als diejenige, die selbst in der ungebundenen Rede gewöhnlich ist, da man in der Metapher einen Helden bald einen Leuen bald einen Kriegesblitz heisset, ohne zu erinnern, daß solches nur Gleichniß-Weise geschehe. Warum nimmt Hr. Voltaire nicht auch vor baar, was der Poet am Ende des ersten B. eben so bejahend von den Pygmeen und den zauberischen Tänzen setzet: Eine Versammlung wie der Pygmeen jenseits, des indianischen Gebürges; oder wie der zauberischen Wald-Nymfen, derer mitternächtliche Mummereyen ein Bauer siehet. Und warum verlanget er von dem Poeten nicht auch eine Warnung vor der Erzehlung von dem Leviathan, auf dessen Schuppen ein Pilot den Ancker auswirfft, und an seiner Seite hinter dem Wind lieget; und von den Hexen, die Nachts mit einem Gefolge von Hunden durch die Luft nach Lappland reiten, mit den Zauberinnen da zu tantzen? Fürchtet er nicht daß diese Geschichten eben so leicht als der Raub der Proserpine vor die Wahrheit selbst genommen werden?[209] Alleine Milton hat auch dißfalls alle Vorsicht gebrauchet, und mehr als einmahl erinnert, daß er aus den Mythologischen Geschichten nichts mehrers machte, als sie sind. Wenn er der Titanen erwähnet, welche mit Jove Krieg geführet, erinnert er, daß sie in der Fabel berühmet sind; den Fluß Adonis, der von Adonis Blut roth gefärbet ist, heißt er eine Liebes-Fabel, und die Garten Adonis giebt er vor erdichtet. Die Fabel von Ophion und Eurinome im zehnten B. führet er ausdrücklich als eine Erdichtung an, welche er zugleich widerleget, und das wenige wahre, das darunter mögte verborgen seyn, geschickt anmercket Also thut er auch mit dem Fall Mulcibers vom Himmel, der von Jupiter über die Mauren des Himmels hinaus geworffen ward, und vom Morgen bis Mittags, vom Mittage bis zum Abend gefallen und mit dem Untergange der Sonne wie ein fallender Stern auf die Insel Lesbos gesuncken. »So melden sie, sagt Milton, aber sie irren. Mulcibers Fall geschah lange zuvor mit den rebellischen Engeln.« Zudem hatte er sich deutlich genug erkläret, wovor er die gantze heidnische Theologie hielt, nemlich vor eine Vetriegerey der gefallenen Engel, welche sich dem Heidenthum vor Götter aufgebunden, und eine kostbare Religion voller Gold und Pomp eingeführet hätten. Der griechischen Götter spottet er insbesondere, daß sie jünger wären, als Himmel[210] und Erden, und daß Jupiter der erste Unterdrucker gewesen wäre. Voltaire meinet zwar, weil diese Gottheiten Teufel wären, so wäre Milton destoweniger zu entschuldigen, daß er ihre Thaten angezogen hat; alleine eben dieses berechtigte ihn vielmehr dazu, weil er sie iezo als betriegerische Wercke derjenigen einführete, welche in seinem Gedichte ohne dem eine lange Rolle auf sich hatten. Einige von diesen Fabeln dienen in des Poeten Beschreibungen Licht, Leben und Hoheit zu streuen, andre haben den gewissen Nutzen, daß sie durch das Falsche, das darinnen angemercket wird, das Wunderbare in dem Gedichte Miltons wahrscheinlicher machen. Folgende Stellen sind Bestrebungen der Einbildungskraft des Poeten, der sich bemühet, die Beschreibungen der alten Poeten zu übertreffen.

Nachdem Milton im vierten B. Adams Sommer-Laube beschrieben, sagt er: In einer heiligern und einsamern Schatten-Laube hat Pan oder Sylvanus niemahls geschlaffen, oder die Nymfen und Faunus sich aufgehalten; wiewohl solche Lauben nur von den Poeten erdichtet worden. Wenig Zeilen weiterhin setzet er die nackende Eva gegen die wohl ausgerüstete Pandora: Sie war in ihrer nackenden Schönheit geschmückter als Pandora, welche die Götter mit allen ihren Gaben beschencket hatten; die sonst an traurigem Geschicke der Eva[211] nur allzugleich war. Von Even Gange sagt er im neunten B. Sie begab sich gleich einer muntern Waldnymfen von den Dryaden oder Oreaden oder dem Gefolge der Delia nach dem Lustwald und übertraf an Sittsamkeit des Ganges und einer Göttin anständigen Gebehrden die Delia selbst. In der Beschreibung der Schlange, in welche Satan gekrochen war, sagt der Poet: Niemahls war eine angenehmere Schlange gesehen worden, nicht diejenige, in welche sich Hermione und Cadmus oder der Gott in Epidaurus verwandelten, noch die, in welche der Jupiter Ammon oder der Capitolinus verwandelt worden, jener um der Olympias, dieser um deren willen, die Scipio, den grösten Römer, gebohren hat.

Ihr sehet, daß diese Mythologischen Dinge alle in Vergleichungen angebracht werden, ausser dem Zusammenhange mit der Materie des Gedichtes, gestalt sie ohne einen scheinbaren Nachtheil derselben könten weggelassen werden; und daß sie allezeit hinter den Urbildern des Poeten, auf welche sie gerichtet sind, weit zurücke bleiben; daraus kan man von der Achtung, in welcher er sie gehabt hat, leicht urtheilen. Pan, Sylvan, und Faunus, Götter der Heiden, haben eine schlechtere Wohnung, als Adam, ein blosser Mensch; Eva ist ungekleidet schöner als Pandora mit allen denen Gaben gezieret, womit sie jeder Gott des Heidenthums absonderlich[212] beschencket hatte; die Göttin Delia weichet an ansehnlichem Gang und Gebehrdung diesem sterblichen Weibe; der Abgott Esculapius und Jupiter haben in der Gestalt der Schlangen, in welche sie sich verwandelt haben, nicht besser ausgesehen, als der Teufel in dem Schlangenbalge, in welchen er gekrochen war. Diese Verringerung zeiget keine solche Hochachtung, die denjenigen bewiesen wird, die man vor wahre Götter hält, und ist gar nicht bequeme, das Ansehen der heidnischen Theologie aufzustützen. Es ist so ferne daß heidnische Ideen mit Christlichen unterspicket werden, daß sie vielmehr gesondert und unterschieden werden; und ich nehme in denen Vorstellungen, die Milton aus den heidnischen Poeten nimmt, allemahl eine heimliche Ironie wahr, die sie nur zur Verkleinerung aufführet.

Es ist Zeit daß wir auch das andere Exempel von denen, die der Herr Voltaire als tadelhaft anziehet, betrachten. Dieses ist die Vermählung Jupiters und der Juno, von welcher im vierten B. stehet: Adam unser erste Vater, bey dem die Schönheit unserer allgemeinen Mutter und ihre ihm ergebene Pracht eine innerliche Wollust gebahren, lachte sie von oben mit einer Liebe an, wie Jupiter von oben Juno anlachet, wenn er die Wolcken fruchtbar macht, welche die May-Blumen ausstreuen. Der französische Criticus hätte ohne Zweifel einen weit[213] stärkern Eindruck, u. mehr Vergnügen von Miltons Vorstellungen empfangen, wenn er eine mehrere Belesenheit in den alten Poeten gehabt hätte, denn diese hätte ihm Miltons Kunst in dem geschickten Gebrauche derselben, da er sie allemahl übertroffen hat, aus einer Vergleichung erkennen lassen, und des Poeten Bilder hätten desto stärcker auf ihn gewürcket, wenn er von den erstern der alten Poeten schon wäre eingenommen und zubereitet gewesen. Gegenwärtiges Gleichniß-Bild ist eine vollständige Nachahmung Virgils, der im zweyten B. von der Feld-Arbeit in der Beschreibung des Frühlings also sagt:


Vere tument teræ & genitalia semina poscunt.

Tum pater omniparens fœcundis imbribus Aether

Conjugis in græmium lætæ descendit, & omneis

Magnus alit magno commistus corpore fœtus.


Nur ungelehrte sehen hier nicht, daß der englische Poet so wohl als der lateinische durch Jupiter die Luft und durch Juno die Erden verstanden hat; und daß diese Vermählung und Schwängerung eine deutliche Metapher in sich enthält. Hätte Milton statt Jupiter die Luft, und statt Juno die Erden gesetzet, so wäre sein Gedancke nicht schlimmer geworden, ohne daß denn das Heidenthum damit zu thun gehabt hätte; wiewohl ich auch jetzo nicht sehe, was für Antheil es in diesem Ausdruck fodern könne, es[214] sey denn wegen der Nahmen Jupiter, und Juno, angesehen diese Schwängerung der Erden durch die Luft keinen Glaubens-Artickel in der heidnischen Theologie ausgemacht hat. Wenn denn ein Fehler hierinnen lieget, so entstehet solcher von dem Gebrauche dieser beyder Nahmen, die hier für Luft und Erde gesetzet werden, insoweit solche andere Begriffe erwecken als diese. Alleine wir können hier nichts anders dadurch verstehen, denn wenn der homerische Jupiter auf dem Berg Ida die Juno seine Schwöster und Gemahlin küsset, so entstehet aus dieser Paarung kein saamenschwangerer Regen, der die Frühlings-Blumen erzeuge. Bey den heidnischen Poeten ist die Metonymie nichts ungewöhnliches, nach welcher sie unter den Nahmen ihrer Götter die Eigenschaften oder Würckungen derselben verstanden haben; z.E. wenn sie gesagt haben: Cererem corruptam undis, Venerem nefandam, receptum terra Neptunum, vario Marte pugnatum. Die Frage ist demnach, ob nicht unsere Poeten sie ebenfalls in diesem figürlichen Verstande gebrauchen dörffen. Ich finde kein grosses Bedencken, soferne es ohne Zweydeutigkeit geschiehet. Wenn ein Nahme den rechten Begriff machet, den man haben will, so thut er, was er thun soll. Wer so schwürig seyn wollte und den Gebrauch dieser Nahmen darum verbiethen, weil sie ehmals falschen Gottheiten beygeleget worden, der muß aus derselben[215] Ursache auch die Städte, Tempel und Hayne meiden, die ihnen in dem Heidenthum geweyhet waren, und wo ihnen geopfert worden. Wenn Mars den Krieg, Venus den Beyschlaf, die Musen die Wissenschaften zu bedeuten gebraucht werden, so sind das Wörter aus der poetischen Sprache, die niemanden verführen können. Von dieser Art sind ungefehr auch die Nahmen der leblosen Dinge, Oerter, und alles des Zeuges, das von den mythologischen Poeten erdichtet worden, und in ihren Fabeln eben das Ansehen und den Glauben erhalten hat, welche die Wahrheit in der wahren Historie verdienet; zum Exempel, der Tartarus, der Styx, der Erebus, Ambrosia, Nectar, und die Adjectiva so daher formiert sind, welche von unsren Poeten in christlichen Gedichten wohl mögen gebrauchet werden; denn wiewohl wir den eigentlichen Begriff von diesen Sachen in unsrer Religion nicht in denen Graden finden, wie er in der heidnischen determiniert und eingeschränket war, so giebt es doch in unserer solche, welche diesen sehr ähnlich sind, zu deren Vorstellung sie darum gantz bequem entlehnet werden.

Der Herr Magny, den wir eine Zeitlang aus dem Gesichte verlohren, hätte sichs selbst nicht verziehen, wenn er die Anklage wider die mythologischen Anzüge unsres Poeten zu wiederholen versäumet hätte; weil er aber seine Meinung[216] in keinem hellern oder nur andern Lichte vorgestellet hat, als der Herr Voltaire thut, so darf ich mir die Ungelegenheit erspahren, sie absonderlich zu widerlegen. Ein einziges Exempel, wo er sich etwas weiter erkläret hat, soll uns zur Probe dienen. Milton sagt im Eingange des siebenden B. wo er Uranien, die er von der Muse, die disen Nahmen führte, wohl unterscheidet, um Beystand anruffet, unter anderm: Führe mich sicher zu meiner Geburtes-Statt hinunter, damit ich nicht von diesem ungezähmten Pferde, das mit mir davon fleugt, aus dem Sattel geworffen werde, (wie ehmahls Bellerophon, der zwar von einem niedrigern Clima gefallen war) und auf das Alleische Feld falle, daselbst verirret und verlassen herumzulaufen. Hievon urtheilet der Herr Magny: »Kan man die Fabel an einem unrechtern Ort anbringen? Milton ruffet hier unter dem Nahmen der Urania, der so viel heißt, als himmlisch, den Heiligen Geist an; er will ein christliches Gebethe verrichten; warum denn will er die Träume der Poeten darein mengen? Gehet er nicht schon würcklich irre, wenn er nur fürchtet, daß er irre gehe?« Ich bin nicht der Meinung, daß der Poet durch Uranien hier den Heiligen Geist verstehe; diese Urania ist vielmehr die himmlische Poesie, oder die Kunst von himmlischen und ausser der Sphär der irdischen Sinne ligenden Wesen, Engeln und Teufeln,[217] zu dichten, welche Milton aus einem abgezogenen Nahmen zu einer Person machet. Dieses erhellet daraus, daß er sie die Schwöster der ewigen Weißheit nennet, und sagt, daß sie vor dem Anfang der Welt mit ihr vor dem Thron des Höchsten auf der Sayte gespielet habe. Sonst ist diese Anruffung vielmehr poetisch als christlich, wiewohl sie nichts in sich enthält, das mit der christlichen Religion streite. Der poetische Flug des Poeten auf der Ein bildungs-Kraft, als einem ungezähmten Pferde, in den empyreischen Himmel, sollte den Kunst-Richter gelehret haben, daß Milton auch Bellerophons Flug vor nichts mehrers, als einen Ritt der Phantasie angesehen, von der Art, wie sein eigener war, da er in den Himmel des Himmels hinauf gestiegen, und empyreische Luft eingesogen hat. Ich will nicht fürchten, daß Herr Magny diese Vorstellung vor etwas anders als eine blosse Ideal-Reise ansehen werde, es sey denn daß er auch die Redens-Arten dem dürren Buchstaben nach verstehen wolle, welche der Poet zu Anfang des dritten B. gebrauchet hat, da er sagt, er habe sich endlich aus dem stygischen Pful herausgeschwungen, wiewohl er lange in seinen dunckeln Abgründen aufgehalten worden; er habe seinen Flug durch die äusserste und die mittlere Finsterniß genommen, da er von der himmlischen Musen angeführet worden, die Hinabfahrt in die Wüste zu wagen, und wieder hinaufzusteigen.[218] Wer einem Poeten diese Art Träume übel aufnehmen will, muß über die Masse ernsthaft, oder gar ein wenig dumm seyn. Ich will zwar gerne zugeben, daß Bellerophons Ritt auf dem fliegenden Pegasus von den mythologischen Poeten vor einen würklichen Flug ausgegeben worden, aber wenn unser Poet diese Fabel vor eine Fabel gebrauchet hat, so hat er eben das gethan, was der Criticus von ihm fodert, er hat sein Gebethe an Uranien von der Fabel gereinigt, man wolle denn einwenden, daß der blosse Nahme Bellerophon in einem poetischen Gebethe ungeziemend sey; welches einem Critico mit allem Recht das Ansehen einer merklichen Scheinheiligkeit zuwegebringen würde.

Nunmehr habe ich in dieser Vertheidigung der mythologischen Allusionen in Miltons Gedichte fast alle angezogen, die darinnen sind, und wenn ich etliche wenige ausgelassen habe, so wird man leicht sehen, daß sie mit den angeführten von einerley Natur sind. Wir sehen also wie entfernt dieser verständige und gottselige Poet gewesen, die heidnischen Fabeln der Mythologie vor wahrhaftige Geschichten auszugeben, oder sie mit den geoffenbarten Geschichten von Engeln oder heiligen Menschen zu verwechseln, wie geschicht, wenn die Character, die Eigenschaften und Handlungen der Mythologischen Götter ihnen zugeschrieben, oder gegentheils ihre Sitten[219] und Thaten den wahren Personen unserer reinen Religion angedichtet werden. Beydes ist gantz ungereimt, und zugleich gottloß; aber wollte Gott, daß sich alle christlichen Poeten so sorgfältig vor dieser Art Verbrechens in Acht genommen hätten, als Milton gethan hat. Das anstössigste Exempel, das mir davon bekannt worden, ist Sannazars, der in dem christlichen Gedichte von der Niederkunft der Jungfrauen die Ertz- Väter und Weissager und alle Seelen der Frommen, die vor Christi Geburt gelebet, in den heidnischen Tartarus gestossen hat, wo sie bey ihrer Ankunft vor dem bellenden Cerberus erzittern müssen, den Pluto zum Beherrscher, und die Centauren, Gorgonen, den Sisyphus, die Chimären und dergleichen Gespenster zu Nachbarn haben:


Interea manes descendit fama sub imos

Pallentesque domos veris rumoribus implet,

Optatum adventare diem quo tristia linquant

Tartara, & victis fugiant Acheronta tenebris,

Immanemque ululatum & non lætabile murmur

Tergemini canis. – – –


Der Königliche Prophet David wird eingeführet, wie er ihnen den Untergang des plutonischen Reiches und den Ausgang aus der tartarischen Wohnung verkündigt:


Tum verò Heroes lætati animæque piorum

Ad cœlum erectas coeperunt tendere palmas,[220]

Atique hic insignis funda citharaque decorus

Attonita fubitos concepit mente furores.

Ipse catenato fessus per Tartara collo

Ducetur Pluto etc. etc.


Hieher gehören die Redens-Arten eines gewissen Poeten, der von einem Ertzvater gesagt hat, daß Lachesis ihm den Lebensfaden abgeschnitten habe, und daß Charon einen solchen in seinem Schiff über den Styx geführet habe, und wenn Petrarcha in einem Sonnet gebethen hat, daß er in den Ort der Wonne und des Heiles gesezet werde, damit er vor dem stygischen Schiffmann, nicht erzittern müsse. Unser Opitz hat sich vor disem Fehler nicht frey bewahret, wenn er in der Hercynia sich selbst mit seinen Gefehrten bey wachenden Sinnen eine Erscheinung unsterblicher Nymfen zuschreibet, und sich von denselben allerley Lectionen aus der Mythologie geben läßt, welche sie vor bekannt und wahr annehmen, wo das schlimmste ist, daß sie beym Abschiede sich gegen der Grotten wenden, und die Nymfe und den Ort ehren, darinnen sie so merckliche und wunderbare Sachen gesehen und erfahren hatten.


ENDE.[221]

Quelle:
Johann Jacob Bodmer: Critische Abhandlung von dem Wunderbaren in der Poesie und dessen Verbindung mit dem Wahrscheinlichen. Zürich 1740.
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