Erster Auftritt.

[28] Agneta. Susanna. Beyde geputzt.


SUSANNA. Mama, ich habe unmöglich länger an der Tafel bleiben können. Ich weiß nicht, ob ich verrathen oder verkauft bin.

AGNETA. Wie so, meine Tochter?

SUSANNA. Der Fremde und mein Bruder haben lauter Zeug gesprochen, wovon ich mein Lebtage kein Wort gehöret habe. Sie redeten von Königen und Fürsten, die alle wunderliche Namen hatten; sie sprachen von Krieg und Blutvergiessen, von Türcken und Moscowitern; hernach fiengen sie von Sonne, Mond und Sterne an; hernach von Steinen, hernach vom Calender und dergleichen albern Zeug mehr, und da waren so viele lateinische Wörter mit eingemischt, daß mir übel dabey wurde. Was mich aber am meisten verdroß, war dieses: daß die fremde Jungfer und Charlotte allenthalben mit einredeten, und daß der Fremde und mein Bruder sie immer lobeten. Ich glaube auch fest, die fremde Jungfer hat sich nur so aufgeputzt. Sie wird wohl eben so ein armes Mädgen seyn, als die Charlotte ist.

AGNETA. Woher schliessest du dieses?

SUSANNA. Ja, Mama! weil sie von allen Sachen zu plaudern weiß, so wird sie auch sonder Zweifel viel gelesen und gelernet haben; und Mama hat mir ja immer gesagt, daß die armen Leute viel lernen müßten, und daß die Reichen solches nicht nöthig hätten.

AGNETA. Es giebt bisweilen auch reiche Leute, die eine Ehre darin suchen, daß ihre Kinder viele Wissenschaften besitzen. Ich halte es für die größte Thorheit, und weiß meinen Eltern noch diese Stunde Dank, daß sie mich mit vielem Kopfbrechen verschonet haben. Mein Mann ist darin, Gottlob, mit mir einerley Meinung. Aber[28] sage mir, wie führete dein Vater sich bey dieser Plauderey auf?

SUSANNA. Er hat im Anfange sich alle Mühe gegeben, mit zu sprechen. Da er merkte, daß die fremde Jungfer und mein Bruder einmal über seine Reden heimlich lächelten, wurde er ganz böse; ja ich war bange, daß es nicht gut gienge; denn er fieng schon an auf meinen Bruder zu schmälen, allein der Fremde brachte ihm geschwinde die Gesundheit aller wilden Männer; ich glaube er verstunde die Thaler, worauf wilde Männer gepräget sind, denn mein Vater wünschte sie alle zu haben, die in der Welt sind; darüber kam er auf andere Gedanken.

AGNETA. Das war ein Glück. Aber wie führte sich der Fremde gegen dich auf?

SUSANNA. Sehr schlecht. Er hat mich kaum angesehen; und wenn er ja einmal mit mir redete, so waren seine Worte so hoch, daß ich nichts darauf zu antworten wuste. Dagegen blieb Jungfer Charlotte ihm nichts schuldig, und er hat hundertmal mehr mit ihr, als mit mir geredet. Die Närrin! wenn sie Geld hätte, so glaube ich, sie unterstünde sich mich auszustechen.

AGNETA. O, dafür ist dein Brautschatz Bürge. Aber wie gefällt dir sonst dein Bräutigam?

SUSANNA. Recht gut, ich möchte ihn gerne haben. Er sieht wohl aus. Er ist auch reich, wenn er nur besser Bescheid wüste.

AGNETA. Dein Bruder hat ja so viel von seiner guten Lebensart gerühmet.

SUSANNA. Er mag nach seiner Art gut genug zu leben wissen, aber hier wird er damit nicht fort kommen. Er hat mich beym Essen kein einzigesmal genöthiget, ohngeachtet ich dichte bey ihm saß. Als ich neulich zur Hochzeit war, saß ein junger Mensch aus dieser Stadt bey mir, der mich auch mein Lebtage nicht gesehen hatte, der nöthigte mich bey jedem Bissen! Und was Henker! ich hätte ja müssen hungerig vom Tische gehen, wenn mich niemand genöthiget hätte. Seine Schwester weiß eben so[29] schlecht zu leben. Sie hat immer ihren Teller rein ledig gegessen, und hier ist gleichwol die Mode, daß man niemals alles aufißt, was einem vorgeleget wird, sondern allezeit ein Stück auf dem Teller liegen läßt: ja wenn sie nichts mehr vor sich hatte, so langte sie selber zu und nahm sich etwas. Sie schenkte sich auch bisweilen selber ein Glas Wein ein.

AGNETA. Pfuy, ist das die Lebensart, die dein Bruder so gerühmet hat?

SUSANNA. Noch mehr, Mama, er hat mich nicht einmal mit dem Fusse angestossen. Wenn mein Vetter Rothbart bey mir sitzet, und es sich eben nicht schicken will, daß wir uns oft die Hände geben; so weiß er mich so sachte mit dem Fusse anzustossen, daß michs recht erfreuet. Ja als ich heute desfals verdrießlich wurde, und um dem Fremden Gelegenheit zu geben, ihn endlich mit meinem Fusse anstieß, so zog er seinen gar weg.

AGNETA. Der Kerl ist wohl gar ein Flegel. Doch laß dich den schlechten Anfang deiner Heirath nicht verdriessen, wenn darum ein Paar aus euch geworden ist: so wollen wir deinem Liebsten bald unsere Weise beybringen. Hat er nur erst die Anwerbung gethan, und das Jawort erhalten; hernach soll er schon nach unserer Pfeife tanzen. Habe ich deinen Vater allein können zu rechte bringen; so werden wir diesen auch wohl zwingen, denn unserer sind zwo. Dieser hatte auch viele üble Gewohnheiten an sich, allein ich wuste sie ihm mit List bald abzugewöhnen. Vors erste jagte ich alle seine alte Bediente, sie mochten so gut seyn als sie wollten, einen nach den andern zum Hause hinaus, und schaffte mir neue hinein. Vors andere hielte ich ihn mit guten Worten von den Gesellschaften ausser Hause, worin er vor dem gegangen war, ab. Nun hatte er noch ein paar gute Freunde, die ihm dann und wann im Hause besuchten, diese verläumdete ich so lange, bis er auch die abschaffte. Pferde, Hunde, und alles woran er bisher Vergnügen gefunden hatte, wuste ich ihm nach und nach so leid zu machen,[30] daß er zuletzt niemand, als mich hatte, mit dem er umgehen konnte. Mit Hülfe meiner Verwandten habe ich es endlich so weit gebracht, daß er alle Gewohnheiten, so bey uns gebräuchlich sind, angenommen hat; und nun ist es so weit gekommen, daß ich ihm nicht rathen wollte, etwas wider meinen Willen zu thun.

SUSANNA. Ja, Mama, wenn es erst so weit wäre, so gienge das vielleicht mit mir und meinem Bräutigam auch an, aber die Sache siehet noch verzweifelt weitläuftig aus.

AGNETA. Ey, das hat nichts zu bedeuten. Es hat mir geahnet, daß ich heute ein Glück erleben soll; und du weist, wenn mir was ahnet, so triffts immer ein. Neulich ahnte mir des Morgens, daß wir Fremde kriegen sollten. Ich machte darum eine kleine Pastete, und setzte sie in die Speisekammer. Es kamen zwar keine Fremde, und ihr lachtet darüber: allein, als ich des Abends nach meiner Pastete sehen wollte, saß ordentlich eine fremde Katze dabey, und fraß, was sie konnte; und also war meine Ahndung doch eingetroffen. Diese Nacht hat mir von nichts als faulen Eyern geträumet, und alle meine Traumbücher sagen, daß dieses eine Braut im Hause bedeute. Sey nur gutes Muths, die Sache wird sich bald ausweisen.


Quelle:
Hinrich Borkenstein: Der Bookesbeutel. Leipzig 1896, S. 28-31.
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