Vierter Auftritt.

[60] Gutherz und die Vorigen.


GUTHERZ. Wohin so eilig?

AGNETA. Wir wollen die Charlotte zum Hause hinaus schmeissen.

GUTHERZ. Warum das?

AGNETA. Weil sie meiner Tochter hinderlich ist, und verursachet, daß ihr Bräutigam nicht mit ihr reden kann.

GUTHERZ. Meinet ihr denn, liebe Schwester, wenn Charlotte nicht gegenwärtig ist, daß er alsdenn eurer Tochter sogleich einen Liebesantrag thun wird?

AGNETA. O ja!

GUTHERZ. Ich versichere euch das Gegentheil.

AGNETA. Wie so?

GUTHERZ. Es thut mir leid, daß ich Zeuge gewesen bin. Er hat sich in meiner Gegenwart mit der Jungfer Charlotte verlobet.

SUSANNA weinend. Ach, Mama!

AGNETA. Ey, das hättet ihr nicht zugeben müssen; ich meinte ihr wäret ein aufrichtiger Freund unsers Hauses?

GUTHERZ. Ich bin aber kein Herr über den Willen des Herrn Ehrenwehrt. Ich habe das Meinige gethan, aber die Antwort, so ich erhalten, klingt eben nicht zu vortheilhaft.

AGNETA. Was sagte er denn?[60]

GUTHERZ. Er sagte: Ich möchte dem Herrn Grobian nur hinterbringen, daß er seine Freiheit nicht um einen so geringen Preis, als die Jungfer Susanna, verkaufen möchte.

AGNETA. Der Narr, verachtet meine Tochter, und wählet sich ein nacktes Mädgen!

SUSANNA weinend. Ach, Mama! ich kriege nun mein Lebtage keinen Mann.

AGNETA. O, gräme dich nur nicht! Ich will dir einen aussuchen, der besser nach deinem Sinne ist.

GUTHERZ. Ihr habt in Wahrheit wenig Ehre davon, daß Herr Ehrenwehrt ein armes wohl erzogenes Mädgen einer reichen übel gerathenen Jungfer vorgezogen hat.

AGNETA. O, ihr habet immer was zu weissagen.

GUTHERZ. Und ihr wollet nicht einmal durch Schaden klug werden.

AGNETA. Ihr könnet euer Gewerbe bey meinem Manne selber anbringen. Ich habe nichts damit zu thun. Er wird für Zorn aus der Haut fahren.

GUTHERZ. Euer Mann fürchtet sich ja sonst für niemand mehr, als für seine Frau.

AGNETA. Das ist ein vernünftiger Mann, der sich von seiner Frau regieren läst.

GUTHERZ. Und für einen unvernünftigen Mann ist es ein Glück, wenn er eine vernünftige Frau hat, die ihn regieren kann.

AGNETA. Es ist keine Frau in der Welt, die nicht mehr Verstand hat, als ihr Mann.

GUTHERZ. Es ist wohl wahr, denn sie haben immer den Hut.

AGNETA. Wenn ich meinem Manne in vielen Dingen nicht gerathen hätte; es würde oft toll ausgesehen haben.

GUTHERZ. Indem man andern guten Rath ertheilet, vergißt man sich gemeiniglich selber.

AGNETA. Ich merke wohl, daß ihr darauf zielet, daß meine Tochter nicht nach eurem Sinne erzogen ist.[61] Allein, wenn ich mit ihr zufrieden bin, so bekümmert mich nicht, was andere davon sprechen. Wissenschaften verleiten das Frauenzimmer nur zu Eitelkeiten; und wenns ans Heirathen geht, so heißt es doch: Wie viel Geld ist da? Die armen Jungfern mögen noch so viel gelernet haben; so bleiben sie doch sitzen.

GUTHERZ. Von dem Gegentheil haben wir heute ein klares Exempel.

AGNETA. O, das ist etwa seltenes, und beweist, daß Herr Ehrenwehrt nicht recht klug ist. Ein Exempel aber, daß sich unter hundert tausenden kaum einmal zuträgt, kann nicht gerechnet werden. Genug, meine Tochter soll gewiß nicht sitzen bleiben.

GUTHERZ. Ich wünsche, daß sie das Ziel ihres Verlangens noch heute erreichen möge.


Agneta und Susanna gehen ab.


GUTHERZ. Soll ich es ihm denn anbringen, so mag es darum seyn; so will ich ihm auch alles sagen, was ihm zu wissen nöthig ist, er mag so böse werden, als er will.


Quelle:
Hinrich Borkenstein: Der Bookesbeutel. Leipzig 1896, S. 60-62.
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