Erster Aufftritt.

Der Schauplatz stellet vor einen prächtigen Saal /und herrlichen Thron.

Crœsus auf dem Thron / Orsanes, Eliates, Halimacus, Olisius und viele andere Lidische Staats- und Kriegs-Bediente / alle kniend; Solon allein stehend.

Aria.


CHOR.

Crœsus herrsche / Crœsus lebe /

Daß der Glantz von seinem Glücke

Macht- und Hoheits stoltze Blicke

Umb den gantzen Erd-Kreiß gebe;

Crœsus herrsche / Crœsus lebe!

CRŒSUS.

Ihr edle Lidier / getreue Unterthanen /

Ich hoffe daß mir eure Tapfferkeit

Den Weg nach dieser Zeit

Zum Götter-Stande werde bahnen.

Indessen nehm' ich gnädigst an

Die Lieb' und Treu / so ich hie spüren kan.


Winckt / daß sie sich aufrichten sollen / und wendet sich zu Solon.


Nur Solon traurt allein /

Und hat der helle Schein

Von meiner Macht und Herrlichkeit

Ihn niemahls noch erfreut?

SOLON.

Den gläntzenden Crystall

Zerbricht ein Unglücks-Fall.

CRŒSUS.

Hat Solon nicht gesehn

Die viele Krieges-Schaaren /

Die mir zu Dienste stehn /

Und meinen Thron bewahren?

SOLON.

Es können die Omeisen

Noch vielmehr Schaaren weisen.

CRŒSUS.

Schau an die reiche Wand /

Das prächtige Gebäude /

Bedeckt mit lauter Seide /

Durch Kunst-erfahrne Hand.

SOLON.

Ist das denn deine Pracht

Die dir ein Würmlein macht?

CRŒSUS.

Es zeiget dir mein Reich

Den Kern von tapffren Leuten /

Die mir hie stehn zur Seiten.

SOLON.

Der Tod macht alle gleich.

CRŒSUS.

Schau / wie das Gold an meinem Zepter prahlt /

Und mir sein Glantz die Hand bestrahlt.

SOLON.

Das Gold ist nur ein Raub /

Der Erden-Grufft entführet /

Die Hand damit gezieret /

Ist nichts als Asch und Staub.

CRŒSUS.

Wird alle diese Pracht

Von dir so gar verlacht?

Last meine Schätze sehen.


Die Thüren der Schatzkammer werden auffgethan.


Schau / Solon, schau / tritt näher hin /

Und sag ob ich nicht glücklich bin.


Solon siehet nur ein wenig hin / und wendet sich alsobald wieder um.


Schau an!

SOLON.

Es ist genug geschehen.

CRŒSUS.

Kan nicht / der das besitzt / glückselig heissen?

SOLON.

Du irrest weit /

Meinstu diß sey Glückseligkeit?

Du bist nicht Herr der Schätz und Güter /

Es setzet dich das Glück

Darüber nur zum Hüter /

Und kan ein Unglücks-Blick

Dir alles wiederum entreissen.


Aria.


Solte Schiffern wohl geziemen /

Ehe dann der Port erreicht /

Ihrer Schiffahrt Glück zu rühmen?

Ein Mensch / der dem Schiffe gleicht /

Hat kein wahres Glück erworben /

Eh er glücklich ist gestorben.


Gehet ab.

Crœsus vom Thron absteigend.


CRŒSUS.

Geh hin mit deinen Lehren /

Die mir verdrießlich sind zu hören.


Aria.


Weil die allerschönste Bluhm

Nicht behält der Schönheit Ruhm /

Wann die welcken Blätter fliessen /

Solte man die kurtze Zeit

Ihrer schönen Lieblichkeit

Darum nicht mit Lust geniessen?


Quelle:
Reinhard Keiser: Der hochmütige, gestürzte und wieder erhabene Croesus. Hamburg [1711], unpaginiert.
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