Zwölffter Aufftritt.

Orsanes, Atis.


ORSANES.

Was deucht Ermin beym Hofe-Leben?

Solt' ihm der Bauren-Stand wol mehr Vergnügung geben?

ATIS.

Ich müste blind und närrisch seyn /

Wo mich des Hofes Pracht und Schein

Nicht höchst erfreuen solte.

ORSANES.

So find' ich / was ich wolte /


Heimlich.


ATIS.

Mir deucht daß mich der Himmel liebt /

Und Hoffnung mir zu grössern Glücke giebt.

ORSANES.

So strebstu dann nach grössern Glücke?

ATIS.

Ja / wo mirs ist beschehrt

ORSANES.

Dir wird dein Hoffen bald gewährt.

So du verschwiegen bist / und mir getreu.

ATIS.

Verräther / welche Tücke /


Heimlich.


ORSANES.

Was sagstu?

ATIS.

Daß er kan auf meine Treue bauen /

Und sein Geheimnüs mir gar sicher anvertrauen.

ORSANES.

Hör dann / diß ist der Dienst / den ich begehr':

Weil du dem Printzen so gar ähnlich bist /

So stell dich stumm / und mach durch diese List /

Daß man dich für den Printzen selber halte.

ATIS.

Das fällt mir gar nicht schwer.

ORSANES.

Zeig dann hernach / daß / weil du kanst verspüren /

Wie daß dein stummer Mund nicht tüchtig zum Regieren /

Du wollest / daß an deiner statt

Ich dieses Reichs Regierung stets verwalte.

ATIS.

Ists dieses nur / was er verlanget hat?

ORSANES.

Durch Hülffe meiner Bund-Genossen /

Die mir zu dienen unverdrossen /

Wird man mich drauff zum Landes-Herren wählen.

ATIS.

Der Anschlag kan nicht fehlen ...

Doch dieses fällt mir ein /

Der Printz wird heute selber kommen /

Und sein Concept dadurch verrücket seyn.

ORSANES.

Wie weistus?

ATIS.

Weil ichs von Halimacus vernommen.

ORSANES.

So muß man Atis erst ums Leben bringen /

Eh' ich zum Zwecke kommen kan.

Gib Rath / Ermin, wie fang' ichs an ...

Hör / dieses deucht mir / solte wohl gelingen;

Weil er dich gerne bey sich sieht /

So bitt' ich / sey dahin bemüht /

Zu Nacht in sein Gemach zu schleichen;

Da wird es dir gar leichte glücken /

Daß du ihn kanst im Schlaff ersticken.

Den Cörper wirff hernach

Zum Fenster aus ins Meer /

So kanstu gleich den andern Tag /

Mit seinen Kleidern angethan /

Bestärcken jeden in dem Wahn /

Du seyst der Printz / und ich dadurch erreichen /

Was ich von dir begehr.

ATIS.

Verfluchter Bösewicht / du forderst dein Verderben.


Heimlich.


ORSANES.

Was sagstu?

ATIS.

Daß der Printz von meiner Hand sol sterben;

Ich sag' es zu / er kan sich drauff verlassen.

ORSANES.

Getreuster Freund / ach laß mich dich umfassen.


Quelle:
Reinhard Keiser: Der hochmütige, gestürzte und wieder erhabene Croesus. Hamburg [1711], unpaginiert.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Der hochmütige, gestürzte und wieder erhabene Croesus
Der hochmütige, gestürzte und wieder erhabene Croesus

Buchempfehlung

Diderot, Denis

Rameaus Neffe

Rameaus Neffe

In einem belebten Café plaudert der Neffe des bekannten Komponisten Rameau mit dem Erzähler über die unauflösliche Widersprüchlichkeit von Individuum und Gesellschaft, von Kunst und Moral. Der Text erschien zuerst 1805 in der deutschen Übersetzung von Goethe, das französische Original galt lange als verschollen, bis es 1891 - 130 Jahre nach seiner Entstehung - durch Zufall in einem Pariser Antiquariat entdeckt wurde.

74 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten III. Sieben Erzählungen

Romantische Geschichten III. Sieben Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Nach den erfolgreichen beiden ersten Bänden hat Michael Holzinger sieben weitere Meistererzählungen der Romantik zu einen dritten Band zusammengefasst.

456 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon