Die 63. Historie sagt, wie Ulenspiegel ein Brillenmacher ward und in allen Landen kein Arbeit uberkummen kund.

[177] Zornig unnd zwiträchtig waren die Churfursten undereinander, also das kein romischer Keiser oder Künig waz. Da begab sich, daz der Groff von Supplenburg von menglichem Churfürsten zum Romischen Künig gekoren ward, so[178] alsz dan me waren, die sich meinten mit Gewalt in das Reich zu dringen. Da must diszer nüv gekoren Künig sich sechß Monet für Franckfurd legen und warten, wer ihn da hinwegschlüg. Als er nun so groß Folck zu Roß und zu Fuß beieinander het, gedacht Ulenspiegel, waz ihm da zu thun wär. »Dahin kemen frembde Heren, die laßen mich unbegabt nit. Uberkum ich nit dan ihr Wopen, so gestand ich wol.« Und er macht sich vor uff den Weg.

Da zogen die Herren uß allen Landen. Da begab sich in der Wederau bei Fridburg, daz der Bischof von Trier mit seinem Volck Ulenspiegel uff dem Weg gen Franckfurd fand. Als er nun seltzam gekleit waz, da fragt ihn der Bischoff, waz er für ein Gesel wär. Ulenspiegel antwurt und saget: »Gnädiger, ich bin ein Brillenmacher und kum uß Brabant. Da ist nütze thun, so wolt ich nach Arbeit wandern, so ist es gar nichts uff unserm Handtwerck.« Der Bischof sprach: »Ich meint, dein Hantwerck solt von Tag zu Tag besser werden, ursach daz die Lüt von Tag zu Tag je kräncker werden und am Gsicht abnemen, deßhalben man vil Brillen bedarff.«

Ulenspiegel antwurt dem Bischoff und sagt: »Ja, gnädiger Her, Euwer Gnad sagt war, aber einerlei, das verderbt unser Hantwerck.« Der Bischoff, der sprach: »Was ist das?« Ulenspiegel sprach: »Wann ich daz dörfft sagen, daz Üwer Gnad darüber nit zürnen wolt.« »Nein«, sprach der Bischoff, »mir seint daz wol gwont von dir und deinsgleichen. Sags nur frei.« »Gnädiger Her, daz verderbt daz Brillenmacherhantwerck und ist zu besorge, daz es noch abgang,[179] dann Ihr und andere groß Herren, Babst, Cardinal, Bischoff, Keiser, Künig, Fürsten, Radt, Regierer, Richter der Stat und Land (Got erbarmß) nun zur Zeit durch die Finger sehen, waz Recht ist, daz zu Zeite von Geltgaben sich ursacht. Aber vor alten Zeiten find man geschriben, daz die Herren und Fürsten, als vil ihr seint, in Rechte pflegte zu lesen und studieren, uff daz niemaß Unrecht beschehe. Und darzu hette sie vil Brillen, und da waz unser Hantwerck gut. Auch so studierten die Pfaffen zu der Zeit me da nun, also giengen die Brillen hinweg. So seint sie nun so gelert worden von den Bücheren, die sie koufen, daz sie ihr Zeit ußwendig künnen, darzu sie ihr Bücher in 4 Wochen nit me dan eins uffthun. Deshalb ist unser Hantwerck verdorben, und ich louff uß einem Land in daz ander und kan niergens Arbeit überkumen. Der Gebrest ist so weit kummen, daz diß die Buren uff dem Land pflegen.« Der Bischoff verstund den Text und sprach zu Ulenspiegel: »Folg uns nach gen Franckford, wir wöllen dir unser Wapen und Kleid geben.« Dem thet er also und bleib die Zeit bei dem Herren so lang, daz der Graff zum Keiser bestätiget ward. Mit dem zog er wider in Sachßen.

Quelle:
Ein kurtzweilig Lesen von Dil Ulenspiegel. Stuttgart 1978, S. 177-180.
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