Die 67. Historie sagt, wie Ulenspiegel von einer alten Bürin verspottet ward, do er sein Desch verloren het.

[193] Vor alten Zeiten, da wont zu Gerdaw im Land zu Lünenbürg ein par alter Leut, die bei 50 Jaren im eelichen Stat beieinander gesessen waren und hetten grosse Kinder, die sie fürter beraten und ußgeben hetten. Nun was zu der Zeit ein gantz listfindig Pfaff uff der Pffar daselbst, der allezeit gern was, wa man praßt und schlempt. Derselbig Pfaff macht es mit seinen Pfarleuten also, das uff daz[194] wenigst zu dem Jar einist müst ihn jeder Buer zu Gast haben und ihn mit seiner Magt ein Tag oder zwen vol halten und uff das gütlichst thun.

Nun heten die zwei alten Leut in vil Jaren kein Kirchwei, Kindtouff oder Gastung, da der Pfaff ein Schlamp von haben möcht, das ihn verdroß, und gedacht uff ein Sin, wie er den Bueren darzu brächt, das er ihm ein Colation gäb. Er sendet ihm ein Botten und fragt ihn, wie lang er mit seiner Hußfrawen im eelichen Stat gesessen wär. Der Buer antwurt dem Pfarrer: »Lieber Her Pfarrer, das ist lang, das ich das vergessen hab.« Dem der Pfarrer antwurt: »Das wär ein gefärlicher Stant zu euwer Selenheil. So ihr nun fünfftzig Jar beieinander gewesen sent, so wär die Gehorsam des eelichen Stats uß als eins Münichs in einem Gloster. Des underred dich mit deiner Hußfrawen und kum wider zu mir und bericht mich der Ding, uff daz ich uch helff raten zu euwer Selen Selikeit, daz euch und alle meinen Pfarkinden pflüchtig bin.« Dem thet der Buer also und uberschlug das mit seiner Hußfrawen und kunt doch nit gruntlich Zal ihres eelichen Stats dem Pfarrer anzeigen. Und kamen beid mit grosser Sorgfältigkeit zum Pfarrer, ihn umb ihrer Unwirdikeit willen guten Rat zu den Dingen zu geben.

Der Pfarrer sagt: »Nachdem sie kein gewisse Zal wißte und umb Sorgfältigkeit willen ihrer Seelen wil ich euch des nächstkünfftigen Sontags uff ein nüws wider zesamen geben, ob ihr nit in eelichem Stat wären, daz ihr darein kämen. Und darumb schlagen ein guten Ochßen, Schaff und Schwein, bit dein Kind und guten Fründ zu deiner Kost und thu den gütlich, so wil ich auch bei dir sein.« »Ach ja, lieber Pfarrer, dem thun also, es sol mir an einem Schock Huner nit lige. Solten wir so lange beieinander gewesen sein und nun erst uß dem eelichen Stat sitzen, das wär nit gut.« Er gieng damit hauß und richtet zu. Der Pfarrer lud zu solicher Kost[195] ettliche Prälaten und Pfaffen, da er mitt bekant was. Under denen was der Probst von Epßdorff, der allezeit ein süberlich Pferd oder zwei het und auch wol Essen sehen möcht.

Bei dem was Ulenspiegel ein Zeitlang geweßen. Zu dem sprach der Probst: »Sitz uff meinen jungen Hengst und reit mit, du solt wilkum sein.« Dem thet Ulenspiegel also. Da sie nun dar kamen, assen und trancken und frölich waren, da waz die alt Fraw, die die Braut sein solt, oben an dem Tisch, als Bräut pflegen ze sitzen, daz sie müd was und ihr ward schwach. Also ließ man sie uß. So gieng sie hinder ihren Hoff bei das Wasser Gerdaw unnd setzt die Füß in das Wasser. Indem ward der Probst mit Ulenspiegel gen Epsdorff heimriten, also hoffiert Ulenspiegel der Brut mitt dem jungen Hengst, mit schonen Springen. Und macht diser so vil, das ihm sein Desch und Gürtel von der Seiten fiel, als man zu der Zeit pflag zu tragen. Da für das die gut alt Fraw sah, da stund sie uff und nam die Desch und gieng zum Wasser daruff sitzen. Da nun Ulenspiegel ein Ackerläng hinweggeritten was, da vermissett er allererst sein Desch unnd rant kurtzumb wider gen Gerdaw, fragt die gut alt Bürin, ob sie nit ein alte ruhe Desch vernumen oder funden hät. Die alt Fraw sprach: »Ja, Fründ, in meiner Hochzeit uberkam ich ein ruhe Desch, die hab ich noch und sitz daruff, ist es die?« »Oho, daz ist lang«, sprach Ulenspiegel, »da du nun ein Braut warest, das muß vonnöten nun ein alte rostige Desch sein. Ich beger deiner alten Deschen nit.« Aber Ulenspiegel, wie schalckhafftiger und listig er was, so ward er dennocht von der alten Bürin geäfft und müst seiner Deschen entberen. Dieselb ruhe Brutdeschen haben die Frawen zu Gerdaw noch. Ich glaub, das die alten Witwen daselbst die inn Verwarung haben, wem etwaz daran leg, der möcht danach fragen.

Quelle:
Ein kurtzweilig Lesen von Dil Ulenspiegel. Stuttgart 1978, S. 193-196.
Lizenz:
Kategorien: