Die 71. Histori sagt, wie Ulenspiegel 12 Blinden gab 12 Guldin, als sie meinten, da sie frei uffzerten und uff das letst gantz ubel bestunden.

[204] Als nun Ulenspiegel ein Land uff wandert, das ander nider, da kam er uff ein Zeit wider gen Hanouer, und da treib er vil seltzamer Abenthür. Da reit er ein Zeit für das Thor ein Ackerläng Wegs spacieren. Da begegneten ihm 12 Blinden. Als nun Ulenspiegel gegen ihnen kam, da sprach er: »Waher, ihr Blinden?« Die Blinden stunden und horten[205] wol, das er uff einem Pferd saß. Da meinten sie, es wär ein erlich man, und zogen ihr Hüt und Kappen ab und sprachen: »Lieber Juncker, wir seint in der Star gewesen, da waz ein reich Man gestorben, dem hielt man ein Selampt und gab Spend.« Und es waz graußlichen kalt. Da sprach Ulenspiegel zu den Blinden: »Es ist gantz kalt, ich förcht, ihr erfrieren zu Tod. Send hin, hie haben ihr 12 Guldin, gond hin wider in die Stat, da kum ich uß der Herberg reiten«, und entdeckt ihnen das Hus, »und verzerent diß 12 Guldin umb meint willen bitz so lang, daz diser Winter hinweg ist, das ihr vor Frost wider wandern mögen.« Die Blinden stunden und neigten sich und dancken ihm fleissiglich, und meint je ein Blind, der ander hät daz Gelt, und der ander meint, der drit hät daz Gelt, und der drit meint, der fiert hät daz Gelt, und fürtan, daz der letst meint, der erst hät daz. Also giengen sie in die Stat in die Herberg, da sie Ulenspiegel inweiß.

Da sie nun in die Herberg kamen, sprachen dise Blinden alle, daz ein gut Man hät für sie hingeritten und hät ihnen 12 Guldin umb Gots willen geben, und die solten sie umb seinen willen verzeren, biß das der Winter hinweg wär. Der Wirt was gricht nach dem Gelt und nam sie so für an und gedach nit daruff, daz er sie gefragt hät und gesehen, welcher Blind die zwölff Gulden hät, und sprach: »Ja, mein lieben Brüder, ich wil euch gütlich thun!« Er schlug und hüw zu und kocht den Blinden und ließ sie zeren, solang daz ihn ducht, daz sie zwölff Guldin verzert hätten. So sprach er: »Lieben Brüder, wöllen wir rechen, die zwölff Guldin seint gar bei verzeret.« Die Blinden sagten ja, und je einer sprach den andern an, welcher die 12 Gulden hät, daz er den Wirt bezalt. Der ein het die Guldin nit, der ander hat sie auch nit, der drit[206] auch nit, der fierd desgleichen, der letst mit dem ersten, der het die 12 Guldin nit. Die Blinden sagten und kratzen die Köpff, wan sie waren betrogen, der Wirt desgleichen. Der saß und gedacht: »Verlierest du nun sie, so wirt dir dein Kost nit bezalt, und behalst du sie auch, so fressen und zeren sie noch baß und so haben sie noch nüt, so bist du in zwen Schaden, und schlächt sie hinden in den Schweinstal und beschluß sie darin und legt ihnen vor Strow und Hew.« Ulenspiegel gedacht, daz es solt bei der Zeit sein, daz die Blinden solich Gelt verzert hätten, und verkleidet sich und reit in die Stat zu disem Wirt in die Herberg. Als er nun in den Hoff kam und wolt sein Pferd in den Stal binden, so sicht er, daz die Blinden in dem Schweinstal ligen. Da gieng er in daz Huß und sagt zu dem Wirt: »Her Wirt, was Sin haben Ihr darzu, daz die armen blinden Leut so in dem Stal ligen? Erbarmet Euch daz nit, daz sie essen, daz ihn ihr Leib und Leben wee thut?« Der Wirt sprach: »Ich wolt, daz sie wären, da alle Wasser zusamenkumen, hät ich mein Kost bezalt«, und sagt ihm allen Ding, wie er mitt den Blinden betrogen wär.

Ulenspiegel sagt: »Wie, Her Wirt, möchten sie keinen Bürgen uberkumen?« Der Wirt gedacht: »O hät ich jetz einen«, und sprach: »Fründ, künt ich einen gewissen Bürgen uberkumen, den näm ich an und ließ die unseligen Blinden louffen.« Ulenspiegel sprach: »Wolan, ich wil die gantz Stat umb hören und sehen, daz ich Uch einen Bürgen uberkum.« Da gieng Ulenspiegel zu dem Pfarer und sagt: »Mein lieber Herr Pfarer, wöllen Ihr nun thun als ein gut Frunt. Hie ist mein Wirt, der ist besessen mit dem bösen Geist in diser Nacht, und der laßt Uch bitten, daz Ihr ihm die woltten ußbeschweren.« Der Pfarrer sagt ja, sunder er muß ein Tag oder zwen harren, solich Ding möcht man ubereilen. Ulenspiegel sagt ihm sunder: »Ich[207] wil gon und holen sein Fraw, daz Ihr es zu ihr selber sagen.« Der Pfarer sagt: »Ja, lassen sie herkumen.« Da gieng Ulenspiegel zu seinem Wirt wider und sprach: »Ich hab Euch einen Bürgen uberkumen, daz ist Üwer Pfarer, der wil darfür geloben und Euch geben, daz Ihr haben sollen. So lassent Üwer Fraw mit mir zu ihm gon, er wil ihr daz zusagen.« Der Wirt waz des willig und fro und sand sein Fraw mit ihm zu dem Pfarer. Da hub Ulenspiegel an: »Her Pfarrer, hie ist die Fraw, sagen Ihr nun selber, als Ihr mir sagten und mir gelopt haben.« Der Pfarrer sagt: »Ja, mein liebe Fraw, verziehen ein Tag oder zwen, so wil ich ihm des helffen.« Die Fraw sagt ja und gieng mit Ulenspiegeln wider zu Huß und sagt daz ihrem Hußwirt. Der Wirt waz fro und lies die Blinden gon und sagt sie ledig. Und Ulenspiegel richt sich auch und schleich von danen.

Des driten Tags gieng die Fraw hin und mant den Pfarer umb die 12 Gulden, daz die Blinden verzert hätten. Der Pfarer sagt: »Liebe Fraw, het Euch Euwer Hußwirt daz so geheißen?« Die Fraw sagt ja. Der Pfarer sprach: »Daz ist der bössen Geist Eigenschafft, daz sie Gelt wöllen hon.« Die Fraw sprach: »Daz ist kein böser Geist, bezalen ihm die Kost.« Der Pfarer sagt: »Mir ist gsagt, Üwer Huswirt sei besessen mit dem bösen Geist, holen mir ihn, ich wil ihm helffen darvon mit der Gotshilff.« Die Fraw sagt: »Das pflegen Schälck zu thun, die Lügner sein, wan sie bezalen sollen. Ist mein Hußwirt gefangen mit dem bösen Geist, das sollest du täglich wol befinden!« und lieff zu Huß und sagt das ihrem Wirt, was der Pfarer gesagt hät. Der Wirt ward bereit mit Spiesen unnd mit Halparten und lieff ihm zu dem Pfarhoff. Der Pfarer ward des gewar und riefft seinen Nachburen zu Hilff und segent sich und sagt: »Kumen mir zu Hilff, mein lieben Nachburen, sehent, diser Mensch ist besessen mit dem bösen Geist.« Der Wirt sagt: »Pfaff, gedenck und bezal mich.« Der Pfarer[208] stund und segent sich. Der Wirt wolt zu dem Pfarer schlagen, die Buren kamen darzwüschen und kunten sie kum mit grosser Not voneinander bringen. Und dieweil diß Wirt und der Pfarer lebt, so mant er den Pfarer umb gantzen Kosten, und der Pfarrer sprach, er wär ihm nit schuldig, sunder wär er besessen mit dem bösen Geist, er wolt ihm bald darvon helffen. Das wärt, dieweil sie beid lebten.

Quelle:
Ein kurtzweilig Lesen von Dil Ulenspiegel. Stuttgart 1978, S. 204-209.
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