8. Oekonomische Einrichtung

[83] Mein Vater wollte doch das Salpetersieden nicht aufgeben, und dachte damit wenigstens etwas zu Abherrschung der Zinse zu verdienen. Aber so ein Gut, wie der Dreyschlatt, braucht Händ' und Armschmalz. Wir Kinder waren noch wie für nichts zu rechnen; der Großäti hatte mit dem Vieh, und die Mutter genug im Haus[83] zu thun. Es mußten also ein Knecht und eine Magd gedungen werden. Im folgenden Frühjahr gieng der Vater wieder dem Salpeterwerk nach. Inzwischen hatte man mehr Küh' und Geissen angeschafft. Der Großäti zog Jungen Fasel nach. Das war mir eine Tausendslust, mit den Gitzen so im Gras herumlaufen, und ich wußte nicht, ob der Alte eine grössere Freud an mir oder an ihnen hatte, wenn er sich so, nachdem das Vieh besorgt war, an unsern Sprüngen ergötzte. So oft er vom Melken kam, nahm er mich mit sich in den Milchkeller, zog dann ein Stück Brod aus dem Futterhemd, brockt' es in eine kleine Mutte, und machte ein kühwarmes Milchsüpple. Das assen ich und er so alle Tage. So vergieng mir meine Zeit, unter Spiel und Herumtrillern, ich wußt' nicht wie? Dem Großäti giengs eben so. Aber, aber – Knecht und Magd thaten inzwischen was sie gern wollten. Die Mutter war ein gutherziges Weib; nicht gewohnt jemand mit Strenge zur Arbeit anzuhalten. Es mußte allerhand Milch- und Werkgeschirr eingekauft werden; und, da man viel Waide zu Wiesen einschlug, auch Heu und Stroh, um mehr Mist zu machen. Im Winter hatten wir allemal zu wenig Futter – oder zu viel fressende Waar. Man mußt' immer mehr Geld entlehnen; die Zinse häuften sich, und die Kinder wurden grösser, Knecht und Magd feißt, und der Vater mager.[84]

Quelle:
Leben und Schriften Ulrich Bräkers, des Armen Mannes im Tockenburg. Bd. 1–3, Band 1, Basel 1945, S. 83-85.
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