XI. Von Nacht-Gängern.

[137] So werden hin und wieder, ausser der Heil. Schrifft, vielerley Geschichte von den Nachtwanderern, oder mondsüchtigen Leuten, wie dieselbe bey nächtlichen Zeiten auf Lebensgefährlichen Wegen, hin und wieder klettern könten, beschrieben; auch unter dem Schutz der heiligen Engel ohne Schaden erhalten würden, daß der böse Feind in dergleichen Zufällen keine Macht habe, solchen kranck-behaffteten Menschen einiges Leyd zuzufügen, unter was für eine Art Kranckheiten aber solche Nachtwanderey zu zehlen, davon hat meines Wissens noch keine gelehrte Feder genugsamen Bericht gegeben; unter was für Krafft und Würckung doch ein solcher Mensch so wunderliche Wege, ohne Halßbrechen oder Fallen und Hindernus, gehen könne. Ja, es ist bey solchen Nacht-Gängern noch bey vielen streitig, ob solche auch dasjenige thäten, was insgemein von ihnen gesaget werde, ob sich diejenige, so solches wollen gesehen haben, nicht selbst irreten; daß solche Menschen da oder dort herum geklettert wären: oder ob solche, die davon erzehlen und es selbst gesehen zu haben vermeinen,[138] nicht etwa in einem tieffen Schlaff gelegen, und es ihnen also getraumet hätte.

Es wird aber von zweyerley Arten solcher mondsüchtigen Leute geschrieben, als eine, wie obgedacht, die des Nachts einher wandern; und wieder andere, welche nur verzuckt wären:1 welche gleich als Todte da liegen, und auch mehrmahls für todt gehalten werden; wie dergleichen Felix Maurer im Wunder der Welt Part. 1. pag. m. 80. angemerckt: daß ein Gelehrter berichtet, wie ein Schulmeister zu Wimbach, einem Schwartzenburgischen Dorff in Thüringen, vor ohngefehr etlich zwantzig Jahren kranck darnieder gelegen, also, daß er auch dem Ansehen nach Todes verblichen.2 Wie nun sein Weib und andere Angehörige vermeineten, daß er gestorben wäre, sandten sie jemand nach Angstett, weil Wimbach des Pfarrers zu Angstett sein Filial ist, und bestellten bey dessen Vater, als damahligen Pfarrer, das Begräbniß. Weil aber in gedachtem Wimbach damahls noch mehr Patienten lagen, die dessen Vater öffentlich zu besuchen pflegete, war er gleich auf dem Wege begriffen, als der Schulmeisterin Bote ihm begegnete, und den Tod des Schulmeisters vermeldete; als aber der Vater zum ersten Patienten kam, vernimmt er alsbald, daß eben jetzo der verstorbene Schulmeister wäre wieder lebendig worden, und[139] redete von nichts anders, als von allerhand Gesichtern, die er in seinem vermeinten Tod gesehen hätte. Der Pfarrer begab sich alsobald dahin, und befand es also: der Schulmeister gab vor: es hätte der HErr Christus ihn in die Hölle geführet, und ihm den Ort und die Qual der Verdammten gewiesen, und nennete bey seiner Erzehlung viel bekannte und unbekannte, auch noch am Leben befindliche Personen, auch die er sein Lebtag nicht gesehen hatte, welche ihm alle in der Hölle als Verdammte gewiesen worden, mit Vermeldung ihres Verbrechens, und war wunderlich, daß er die Gestalten derer, die er gesehen, so genau beschrieb, daß auch diejenige, so solche im Leben gekannt hatten, sagten: Es wäre gleichsam, als ob der Schulmeister ihnen als der accurateste Kunst-Mahler die Person fürmahlete und für Augen stellete, ohnerachtet der Schulmeister selbst solche niemahl gekannt hatte. Am allerwundersamesten aber war es, daß er einige vornehme Personen, die noch am Leben waren, und die er doch sonst ausser seiner Entzuckung niemahls gesehen, noch gekannt, oder viel von ihnen gehöret, dennoch in der Hölle mit gewisser Marter beleget, wolte gesehen haben, und erzehlte die darbey vermerckte Umstände so nachdencklich, daß sich jederman verwunderte. Wie dieser Schulmeister nun allerhand solche Ding umständlich genug beschrieben[140] hatte, sagte er: Nun hätte er ausgerichtet, was ihm befohlen worden wäre: nun wollte er sich auch vom HErrn Christo lassen in den Himmel führen. Und lag hierüber eine Stande gantz stille, und verschied hoffentlich selig.

So hat man auch Exempel, daß Menschen also als Entzuckt- oder Todte zur Erden gefallen, haben eine geraume Zeit also gelegen, und, wenn sie wieder zu sich selbst kommen, mehrmahls von weit-entlegenen Orten her allerhand Relation bracht, und wenn man mit Gelegenheit an solchen Orten nachgeforschet, hat man erfahren, daß alles aufs genaueste eingetroffen, wie wir denn uns erinnern, von einem Lappländer dergleichen Historie gelesen zu haben.3 Es soll einsmahls ein Frantzoß an einen sehr weit-entlegenen Ort verreiset gewesen seyn, und da er so sehnlich Verlangen getragen hätte, zu wissen, was sein Weib und Kind zu Hause machen würden, hat sich ein dergleichen Lappländer, der eben zugegen gewesen, erboten, um die Gebühr innerhalb wenig Stunden Nachricht zu bringen. Dieser hätte dem Lappländer ein gewiß Geld verheissen, jedoch mit dem Beding, daß er ihm ein gewisses Zeichen aus seiner, des Frantzosen, Heymath aufweisen und mitbringen würde, daß er die Wahrheit sagete. Obwohl der Frantzoß nicht vermeynete, daß ihm der Lappländer solches verheissen würde, hat[141] er sich dessen doch entbotten. Hierauf wär der Lapplander, nachdem etliche seines gleichen mit Trommeln um ihn her gestanden und getrommelt, schnell zur Erden gefallen, und etliche Stunden als todt gelegen, bis er wieder zu sich selbst gekommen, und dem Frantzosen nicht allein alles erzehlet hätte, in was für Zustand er sein Weib und Kinder angetroffen, sondern hätte auch seiner Frau ihren Trau-Ring, den der Frantzoß ihr bey seiner Vermählung gegeben, zur Versicherung, daß er wahrhafftig Nachricht hätte, ihm überreichet. Dieser hat solchen gekennet und mit Erstaunen angenommen. Und da er nach geraumet Zeit von seiner fernen Reise wieder nach Hause kommen, und alsbald an seiner Frauen Finger den Trau-Ring vermisset, hat er sie um solchen gefraget, die ihm denn zur Antwort geben, daß, als sie sich einsmahls in seiner Abwesenheit gewaschen, und den Ring auf den Tisch geleget, ohnerachtet niemand zu selbiger Zeit bey ihr, als ihre Magd, in der Stube gewesen, und als sie solchen nach dem Waschen wieder anstecken wollen, wäre solcher verlohren gewesen: und ob sie wohl die Magd, als die unfehlbare Diebin, zur Hafft bringen lassen, welche auch gebührend bestrafft worden, hätte sie dennoch ihren Ring nicht wieder bekommen können. Wie nun der Frantzoß genau nach Zeit und Stunde geforschet, wäre alles accurat eingetroffen[142] mit der Zeit, in welcher der Lappländer verzuckt gelegen hätte. Worauf er der Frau diese Begebenheit erzehlt, und, zu ihrer grossen Verwunderung, den Ring wieder an ihren Finger gesteckt. Aus dieser Historie will der Autor urtheilen, daß bey entzuckten Personen die Seele wahrhafftig aus dem Liebe müsse abgeschieden seyn, und weil der Lappländer so schnell einen so weiten Weg hin und her seinen Geist hätte können wandern lassen, welcher Geist oder Seele zugleich die Gewalt habt, einen Ring so weit mit sich hinweg zu nehmen, so glauben wir, daß mehrmahl auf solche Weise auch Gespenster und Polter-Geister erscheinen können. Ob zwar will gezweiffelt werden, daß diese Begebenheit warhafft geschehen sey, so muß man doch nicht glauben, daß der Geist des Lappen selbst solche Reise verrichtet, sondern vielmehr, wenn es eine wahrhaffte Geschicht wäre, daß solches mit Hülff des Teuffels geschehen sey.

Weil aber unsere Meynung nicht ist, allhier von den entzuckten Geistern der Menschen, sondern allein von den Nachtwanderern zu reden, so setzen wir diese Materie an Seiten, und sagen, wie offtmahl solche Menschen grosse Wunder-Dinge, ohne ihr Wissen und Willen, vollbringen können, welche des Nachts bey Mondschein im Schlaff aufstehen, zum Fenster hinaus steigen, in andere Häuser[143] lauffen, und auf solche Wege steigen, darauf sich am Tag niemand zu wandelen unterstehen würde, die die verschloßne Thüren öffnen, gehen dadurch ein und aus, und machen sie unvermerckt wieder zu, steigen offtmahls auf die Dächer und andere ungewöhnliche Oerter, gehen auch wieder in ihr Bette und schlaffen, und wenn sie erwachen, wissen sie nichts von allem, was sie gethan haben, oder vermeinen, es habe sie geträumet. Nachdencklich ist es aber, daß so lange niemand solchen Nachtwanderern in den Weg kommet und in ihren Irr-Wegen mit Nahmen ruffet oder stöhret, sie auf schmalen höltzernen Rinnen und andern gefährlichen Wegen, ohne einigen Schaden, hinlauffen können, wie die Katzen; sobald aber, als sie mit ihrem Nahmen geruffen werden, besinnen sie sich, und wissen im Augenblick nicht weiter zu kommen. Derowegen es nicht rathsam ist, daß man solche Leute stöhre und anrede, weil sie alsdenn gefahrlich fallen würden.

Lavater P. 1. c. 10. schreibt: Ich habe gehört, daß Leute gewesen, die im Schlaff solche Dinge gethan, welche sie wachend nicht hätten thun können. So nun jemand solche Menschen bey Nacht würde wandeln sehen, sie seyen denn gekleidet oder nacket, und nachmahls von einem solchen Menschen hören, daß er zu Hause auf seinem Bette gewesen, würde er nicht anders[144] meynen, als daß er sein Gespenst gesehen habe, solches würde auch geschehen, wenn jemand solche Menschen in seinem Hause umwandeln hören werde.

Horstius de natura Noctamb. c. 1. berichtet, daß im Schlosse Bernstein drey Brüder, Adeliches Geschlechtes, eine Zeitlang beysammen geschlaffen; davon stieg einer einmahl des Nachts im Schlaff nackigt aus dem Bette, nahm sei Hembd mit sich, in stillschweigend zum Fenster, ergriff das Seil, so oben an der Rolle herunter hing, damit man alles auf die Bühne hinauf zu ziehen pfleget, und kletterte daran bis oben hinauf; wie er nun hinauf war, da fand er ungefehr ein Elster-Nest, daraus nahm er die Jungen mit sich herunter und leget sich ins Bett.4 Als er nun des Morgens erwachete, sagte er zu seinen Brüdern, er wolle ihnen einen wunderlichen Traum erzehlen: Es hätte ihm geträumet, daß er oben auf das Hauß gestiegen und ein Elster-Nest verstöhret, und die Jungen mit sich herunter genommen. Indem nun die andern ihn auslacheten, und er sein Hembd suchete, fand er darinnen die lebendige junge Elstern, und wie sie darauf alle auf den Thurn stiegen, sahen sie, daß das Elster-Nest verstöhret und zerrissen war.

Galenus I. de Musc. motu, schreibt, daß er selbst fast eine gantze Meile, bey tausend Schritte, schlaffend gangen, und[145] nicht erwachet, bis er sich an einen Stein gestossen, und alsdenn befunden, daß ihm solcher Weg, den er zu reisen willens, nicht sauer worden.

P. Salius Diversus de affect. particular. cap. 18. schreibt: Ich kenne einen Jungengesellen, dem da träumte, daß er seiner Geschäffte halber ausreiten wolte, stehet derowegen vom Schlaff auf, ziehet seine Kleider mit Stiefeln und Sporen an, steiget aufs Fenster und sticht die Sporen in die Wand, und schreyet, als wenn er auf dem Pferdt sasse; wie er nun vom Schlaff erwachet und gesehen, daß er leicht hätte können um sein Leben kommen, da erschricket er hefftig, und fraget mich des andern Tages um Rath. Einen andern hab ich curirt, der von Natur zänckisch war, diesem träumte offt, wie er sich mit andern schlüge: derowegen stunde er vom Bette auf, nahm seinen Degen, zoge ihn aus, und schlug um sich herum, wo er zu kam, nicht anders, als wenn er seinen Mann vor sich hätte. Endlich hat man ihm alles Gewehr müssen aus der Kammer nehmen, und allein schlaffen lassen, damit er nicht ihm selbst, oder einem andern, Schaden zufügen möge. Uber dieses kenne ich auch einen Künstler, der im Schlaff die Treppen auf- und nieder stieg und im gantzen Hauß herum ginge, wie er nun einsmahls nacket in sein Gewölb ging, und daselbst aufschloß, begegneten ihm ohngefehr seine Leute, und[146] redeten ihm zu, daß er davon erwachete, und wie er gesehen, daß er nacket, hat er sich aufs höchste geschämet, und gefürchtet, man möchte ihn deßwegen für einen Narren halten, und ist also wachend seiner Wege gangen. Kornmann de mirac. schreibt, daß ein solcher Schlaffgänger einen Knaben unwissend habe umbracht, und Sennerrus Paralip. IX. ad lib. 1. pract. med. erzehlet aus dem Henrico ab Heer in Observat. medic. von einem Jüngling, der des Nachts aufgestanden, Verse gemachet, dieselbe zu Papier gebracht, und um öfftern hergelesen, auch laut darbey gelachet. Als er aber erwachet, habe er nichts davon gewust, sondern seye hefftig erschrocken, da man ihm die Verse und seine Hand gezeiget. Als er eine Frau genommen, soll er offt das Kind des Nachts im Schlaff aus der Wiegen gerissen, hin und her getragen, auch alle Heimlichkeiten entdecket haben, darüber sie ihn nun gefraget, daß er sich selbst zum höchsten verwundert, wie die Frau solches erfahren habe.

Ein gewisser Gelehrter hat in seiner Jugend eine Magd gekannt, welche in Illmenau bey seinem Bruder, dem damahligen Amtmann, gedienet, die einmahl um Mitternacht aufgestanden, und ohnerachtet das Amt-Hauß mit einem blinden Schloß wohl verwahret ware, sie dennoch ohne Schlüssel hinaus gewandert, und so nacket, als sie GOtt erschaffen hat, den[147] Marckt hinunter gelauffen; weil es aber die andere Magd, sammt seiner Schwester, zeitlich innen worden, haben diese der entlaufenen nachgeruffen, worauf sie alsobald unter eines Burgers Hauß-Thür stehen gelieben, und hat sich geschämet bey hellem Mondschein wieder heim zu gehen, daher die andere Magd ihr den Rock hat bringen müssen, und hat er des andern Tages die Magd selbst helffen verlachen, hat aber damahls die wunderliche Eigenschafften der Mann-süchtigen Personen noch nicht in Betrachtung ziehen können.5 Vid. Maurers grosse Wunder der Welt / Part. 1. p.m. 90.


In Hamburg hat sich folgender Casus zugetragen:6 Es sey ein gewisser unbewohnter Thurn daselbst, in welchen offt in Jahr und Tag kein Mensch komme, und dessen Thür also stets verschlossen bliebe; es hätte äber ein daselbstiger Goldschmieds-Junge einsmahls in acht genommen, daß im Sommer die Mauer-Schwalben oben in dieses Thurns Mauer hecketen, welches Schwalben-Nest nicht gar weit von einem Loche, das oben im Thurn wie eine offene Thür durch die Mauer heraus gehe, seye, da hätte er manchmahl gedacht, wenn er nur solte zu dem Schwalben-Nest kommen, und solche ausnehmen. Hierauf hätte sich begeben, daß an einem nicht weit von diesem Thurn stehenden Gebau wäre gearbeitet[148] worden, an welchem des Nachts sowohl, als am Tage, grosse Leitern gelegen wären. Einsmahls aber, da andere im Hause aufgestanden, wäre der Jung im Bette vermisset, seine Kleider aber bey dem Bette gelegen, und niemand hätte ihn zu suchen gewust, es wäre aber eine Leiter von dem vorig-gedachten geleget gewesen, als ob jemand hätte darauf wollen in den Thurn steigen, hätte aber, weil die Leiter wohl 6. Ellen bis an gedachtes Loch zu kurtz gewesen, solches unterlassen müssen. Weil es aber gleichwohl bey jedermann einen Verdacht erwecket, aus was Ursache solche grosse Leiter müsse an den wüsten Thurn geleget seyn, als hätte man veranstaltet, daß die Thüre eröffnet würde; und als man solchen hinauf gestiegen, und sich umgesehen, hätte man den Goldschmieds-Jungen oben bey dem grossen Loch auf einem Schutt-Hauffen in tieffem Schlaff liegend gefunden, also, daß man ihn kaum erwecken können. Da solcher nun erwachet wäre, hätte er nicht gewust, wo er sey, und wie er dahin kommen, am allermeisten aber hätte sich jedermann verwundert, wie er, als ein schwacher Knab, solche grosse Leiter an den Thurn bringen können, welches doch der stärckste Bauer alleine zu thun nicht vermocht hätte, ingleichem, wie er hätte von der Leiter vollends an das Loch steigen, da doch solche etliche Ellen zu kurtz gewesen; weßwegen[149] zu verwundern, ob es doch hat natürlicher Weise zugehen können.

Oben erwehnter Autor schreibt:7 Mir fället noch eine seltsame Begebenheit ein, derer sich auch noch viele erinnern werden, wie vor ohngefehr zwey und dreyßig Jahren ein Schuler in Arnstadt sich sehr betruncken hatte, und in solcher Völlerey in sein Hospitium ging, seines Hospitis Degen in die Hand nahm, wieder hinaus vor die Thür lieff, und mit vielem Fluchen und Lästern seinen Wirth heraus forderte. Da aber die Nachbaren und Burger in der Zimmer-Gasse daselbst zulieffen, dieser Unfug zu stillen, lieff der bezechte Schüler ins Hauß hinauf, auf den Boden, stieg hurtig zu einem Dach-Fenster hinauf, auf das Dach, bis an den Forst, als ob er auf ebener Erde tantzete, risse die Ziegel auf, und warff damit nach denen, die ihn in Arrest nehmen solten, bis er endlich, durch gütliches Zureden, dahin gebracht wurde, daß er wieder herab stieg, er ward aber von den Burgern in Arrest genommen, worbey er, weil er sich gewaltig widersetzte, auch sein Antheil Schläge bekommen, da man ihn denn in die Wacht-Stube unters Rath-Hauß führete, und ob ihm wohl die Herren Geistliche und Herren Præceptores zuredeten, war doch alles sonder Frucht, bis er den Rausch ausgeschlaffen hatte. Alsdann wuste er von allem nicht das wenigste, was er gethan[150] hatte: und wann er nüchtern hätte wieder sollen auf das Dach steigen, und darauf, gleich trunckener Weise, herum hüpffen, wäre es ohne Lebens-Gefahr nicht geschehen. Ob nun wohl dieser Casus nicht unter die Mann-süchtigen zu zehlen, so ist doch die Frage, welcher gestalt dieser trunckene Mensch auf solchem gefährlichen Wege erhalten worden.

Wann man nun nach der Ursach solcher Nachtgänger ihrer Bewegung fragen möchte, so könte zur Antwort folgen: daß die Spiritus animales oder die Lebens-Geister und Musculen den halb-schlaffenden Leib bewegen und fortbringen, vermittelst der Phantasie und Einbildung, die mit ihren Traum-Bildern und Gesichtern beschäfftiget ist. Worzu dann auch offtmahls viele sonderliche Ursachen helffen können, als der Mond, feuchte Lufft, Trunckenheit, unmäßige Speiß und Tranck, wie auch Melancholey und des Gehirns übele Beschaffenheit, wie Vossius de idol. cap. 25. recht dafür hält. Daß aber solche Nachtgänger nicht fallen, entstehet nicht daher, wie Lemnius de occult. nat. mirac. lib. 2. c. 5. vermeinet, daß ihre Cörper von den erhitzten Spiritibus viel Wind und Lufft bekommen, und also leichter geworden, sondern wegen der Sicherheit, wie Vossius und Sennerrus l.c. dafür halten, und weil die Spiritus animales sich in den äusserlichen Gliedern[151] aufhalten, daß sie ein Ding fest anfassen können. Und darum, wann solche Nachtwanderer aufgeweckt werden, daß sie ihre Gefahr sehen, und die Spiritus aus den Musculis und Spann-Adern nach dem Hertzen hingezogen werden, so sincket der Leib, und sie fallen herunter. Ein mehrers von dieser Ursachen hat Hr. Felix Maurus im grossen Wunder der Welt / Part. 1. p. 27. seq. gar bedächtiglich beschrieben.

Marginalien

1 I. Geschicht.


2 Von einem entzückten Schulmeister.


3 II. Geschicht.

Von einem entzuckten Lappländer.


4 III. Geschicht.

Von einem Nacht-Wanderer.


5 IV. Geschicht.


6 V. Geschicht.


7 VI. Geschicht.


Quelle:
Bräuner, Johann Jacob: Physicalisch= und Historisch= Erörterte Curiositaeten. Frankfurth am Mayn 1737, S. 137-152.
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