XIV. Von den Berg-Männlein.

[192] Es ist unter den gemeinen Leuten viel Sagens von den Berg-Männlein, von welchen viele Fabel-Dichter den Unwissenden so viel Sachen vorgebildet und glaubend gemachet, daß man auch mit gutem Recht den Theophrastum Paracelsum unter einen von derer Meistern zehlen kan. Dieser hat aus den Lügen-Gedichten der alten Philosophen so viel herfür gesuchet, und mit einem Färblein bestrichen, daß man fast glauben solte, es wäre alles davon die lautere und reine Wahrheit. Seine Meynung[192] will allhier kürtzlich zusammen ziehen, und als folget, den geneigten Lesern mitheilen. Lasset uns derowegen sehen, was er von Nymphen, Sylvanen, Pigmäen und Salamandern für Fabel-mäßige Sachen geschrieben.


Es mögen die Nymphen, Sylvanen, Pigmäen und Salamandern Geist-Menschen genennet werden, dieweil man dieselbe für Menschen ansiehet, aber sie sind nicht aus Adam, sondern geschiedene Creaturen von Menschen und Thieren. In etlichen Stücken kommen die Geist-Menschen mit andern Menschen überein, in etlichen aber sind sie unterschieden. Was ihre Natur betrifft, so kommen sie in folgenden Stücken überein. 1.) Die Geist-Menschen haben Fleich und Blut, und Bein, aber keine Seele, darum auch Christus für sie nicht gestorben.1 Darum ist GOtt wunderbar in seinen Wercken, aber nicht alle seine Wercke sind uns täglich für Augen, sondern seltzam, doch sollen wir der Dinge Wissenschafft tragen, daß sie seyen, und doch als käme es uns im Schlaff vor, denn wir können die unendliche Weißheit GOttes nicht genugsam ergründen, damit wir GOTT den Schöpfer genug und recht in seinen Wundern erkenneten. Die Geist-Menschen gebähren Kinder, sie reden, essen, trincken und wandelen, sie haben ihre Gradus wie[193] wir aus Adam: als sie sind arm, reich, witzig und thörigt, sie müssen sich auch der Arbeit ihrer Hände pflegen, und Kleidung suchen. Sie haben Vernunfft und Weißheit zu regieren, wie auch die Justitiam; weil sie aber die Seel nicht haben, darum haben sie auch keinen Willen GOtt zu dienen, und in seinem Wege zu wandeln. Doch haben sie sonst ihren ehrbaren Handel der Natur, und wie die Adamici die nächsten bey GOtt, also sind diese die nächsten bey Adamico, und werden deshalber auch Menschen geheissen. Sie haben ihre Künste, Sitten und Gaben subtiler und gröber, wie die Adamici; Sie werden kranck und gesund wie unsere Adams-Menschen, aber ihre Artzney nehmen sie aus der Erden; Sie sterben wie die Menschen, aber geschieden ohne Seel, das ist: Es stirbt alles an ihnen ab, und nicht an uns, ihr Fleisch fanlet wie das andere Fleisch und ihre Gebeine.


Die Geist-Menschen sind auch in vielen Stücken von andern Menschen unterschieden; dann Caro Adami ist ein groß irdisches Fleisch, und kan man es fassen wie Holtz und Stein, aber ihr Caro ist nicht aus Adam, wie dieses, ist ein subtil Fleisch, und kan man es nicht binden oder fassen, denn es ist nicht aus Erden gemacht, es dringet[194] alle Mauren durch und weichet nicht, es bedarff keiner Thür und Lochs, und zerbricht doch nichts; sie sind auch geschwinder als die Menschen, und was ihr Wesen und Substanz betrifft, so haben sie einen Geist und Leib, aber keine Seele.2

Die Geist-Menschen sind dann 1.) zwar über das Vieh, aber unter dem Menschen: sie haben keine Seel, wie das Vieh, aber sie reden und lachen wie Menschen, und darum sind sie dem Menschen näher als das Vieh: sie sind gegen dem Menschen wie ein Affe, der dem Menschen das gleicheste Thier ist an Gebärden und Wercken, oder wie eine Sau in ihrer inwendigen Anatomie gegen dem Menschen: sie sind doch besser, denn eine Saue und Affe, weil ihnen allein die Seele mangelt. 2.) Ein Geist-Mensch ist unser Bildniß, wie wir das Bildniß GOttes. Wie nun homo Adamicus nicht GOtt, sondern nur in der Bildniß GOtt gleich ist, also sind auch diese darum nicht Men schen, wegen ihrer Bildniß, sondern bleiben in ihrem Geschöpffe.

Dann sind die Wohnungen dieser Geist-Menschen viererley, nach den 4. Elementen, in welchen sie leben.3 Die Wasser-Leut werden Nymphæ oder Undenæ; die Lufft-Leute Sylvani oder Sylvestres; die Berg-Leute Gnomi und Pygmæi, und die Feuer-Leute Salamandræ und Vulcani genennet. Den Undenen[195] ist das Wasser ihre Lufft, den Gnomis die Erde, und den Salamandris das Feuer, die Sylvani aber enthalten sich in unserer Lufft, sind bey uns die nächstem und nehmen den nächst-förmigen Tod bey uns. Wie ein Fisch nun kan leben in dem Wasser, also konnen diese seyn in den ihnen verordneten Elementen, und ersauffen, ersticken und verbrennen nicht.

Die Undenæ haben die Gestalt der Menschen, Mannes und Weibes, wohnen im Wasser und fliessenden Bächen, und kommen offt so nahe, daß sie die Lufft-Leute ergreiffen, so darein baden oder reiten.4 Die Sylvestres sind wie Menschen, doch etwas gröber, länger und stärcker als wir, nähren sich wie Menschen, aber in den Wildnissen in den Wäldern. Die Gnomi sind klein bis zwey Spannen, und haben ihre Behausung in den Bergen, darum findet man offt seltzame Gebäu in den Höhlen der Erden, und ist das Gewölb kaum einen Elenbogen hoch. Die Salamandræ sind schmahl, lang und dünne, leben im Feuer, und haben aus der Erden und vom Feuer ihre Nahrung.

Daß diesem so ist, kan man nicht läugnen; die erste Art wird offt gesehen von den Leuten, die sich aufs Wasser begeben; die zweyte, von denen, die da wandern in den Wäldern und Wildnissen; die dritte in den Bergwercken bey guten Ertzen, und[196] die vierte Art Leute findet man in dem Berg Æthna, allwo ihr Zimmerwerck und andere wunderliche Dinge können gehohlet werden. In allen Dingen sind sie uns fast gleich, allein, daß sie sterben als das Vieh, ohne Auferstehen am jüngsten Gericht. Sie essen und trincken, und haben ihre Kleidung, wofür sie auch arbeiten müssen, doch nach der Art ihrer Welt, welche ihre eigene Natur hat, die uns nicht zu ergründen ist. Sie haben ihre Zucht und Regiment, doch nach angebohrner Natur, wie die Immen ihren König haben, und die Schnee-Gänse und andere Thiere ihre Vorflieger. Ihnen scheinet auch die Sonne und das Firmament, sowohl, als uns, und hindert den Bergmännlein die Erde nichts, denn dieselbe ist ihnen an statt der Lufft, wordurch der Mond und Sonne zu ihnen hindurch scheinet. Ihr Schlaffen und Wachen ist wie der Menschen. Sie sind den Kranckheiten sowohl unterworffen, als wir, und haben Apostem, Fieber, Blattern und andere Zufälle mehr.

Die Geist-Menschen bleiben nicht allezeit an ihren Oertern, und in ihren Wohnungen, sondern erscheinen offtmahl den Menschen, wie die Geister, Engel und Teuffel, auf daß offenbar werde, was davon zu glauben und zu halten; Also hat man Berg-Leute nicht allein gesehen, sondern auch mit ihnen geredet, Gold und bisweilen Schläge von ihnen empfangen,[197] (wie weiter gemeldet werden soll) offtmahls sind Wasser-Leute an den Gestaden der Wasser gefunden, und gefangen weggeführet worden, daß sie nachmahls mit den Menschen gehandelt und gewandelt haben, und die Wald- und Feuer-Leute haben sich manchmahl auch sehen lassen.

Die Nymphæ erscheinen in menschlichen Kleidern, mit menschlichem Ansehen und Begierden; die Wald-Leute sind grob und rauch; die Berg-Leute erscheinen kurtz, doch etwa in halber Manns-Länge; die Æthnische erscheinen feurigt und gehen feurigt in allem ihrem Wesen und Gewand.5

Die Geist-Menschen können die Menschen nicht wegführen, dann sie haben keine Gewalt über sie.6 Sie können sie auch nicht bringen an die Oerter, dieweil sie durch ihre Choas nicht durchdringen können; darum bleiben die Geist-Menschen, wann sie sich mit den Menschen vermählt, bey den Menschen, wohnen und sterben auch offtmahls bey ihnen, weil sie der Menschen Choas ertragen und erdulten können.

Die Feuer- und Berg-Leute werden für Geister und Gespenster gehalten; ob sie wohl Fleisch und Blut haben, wie andere Menschen, sind sie doch schnell und behende, wissen auch alle zukünfftige Dinge, und können von geschehenen, gegenwärtigen und zukünfftigen Dingen den Menschen Nachricht geben. Die Undenæ halten auch die Art der Geister in dem Verschwinden;[198] doch die Sylvani sind etwas gröber. Wer nun eine Undenam zum Weibe hat, der muß sie nicht zum Wasser kommen lassen, oder auf dem Wasser beleidigen, noch ein Berg-Mensch muß beleidiget werden an seinem Ort, sonst verschwinden sie, werden verlohren und nicht wieder gefunden; dero Mann aber muß nicht meynen, daß sie todt sey, und daß er also ein ander Weib könte nehmen, dann die Ehe ist noch gantz, sie aber wird am jüngsten Tage, weil sie Mann und Kind verlassen, der Pflicht halber, und von wegen der Seelen, so sie aus der Pflicht bekommen, erscheinen müssen. Gemeldte Geist-Menschen haben auch ihre Miß-Geburten: unter den Nymphen, oder Wasser-Leuten, sind die Syrenen und Wasser-Münche, worzu auch der Venus-Berg und die Melusima gebracht werden. Unter den Sylvanen, Lufft- oder Wald-Leuten, die Gigantes, oder Riesen, und unter den Erd- und Berg-Leuten die Pygmæi, oder Zwerge.

Es sind aber solche Geschöpffe nicht ohne Ursache geschaffen, sondern von GOtt zu Hütern über die Natur gesetzet; die Gnomæi, oder Pygmæi und Vulcani, hüten die Schätze der Erden, dann wo sie seyn, da seynd mächtige Schätze; diese vermehren und verbergen sie, daß sie nicht an den Tag kommen, bis zu seiner Zeit. So man sie denn sindet, wird gesaget, vor[199] Zeiten gingen allda Bergmännlein und Erd-Leute, aber nun erscheinen sie nicht mehr, denn es ist die Zeit, daß sie sollen offenbar werden; denn also sind die Schätze der Erden ausgetheilet, daß sie von Anfang der Welt für und für gefunden werden.

Die Feuer-Leute hüten die Schätze, die in den Feuerstätten gefunden werden, und, wann das Feuer abgehet, succedirt das Erdmännlein, und wartet der Dinge, und nach Abgang seiner Wache werden sie den Leuten offenbar. Die Sylvestres hüten die Schätze, so am Tage liegen, und von den Feuer-Leuten ausgeschmiedet und verlassen sind, und bisher noch nicht offenbar worden. Die Undenen sind Hüter der Schätze, so in nassen Meer liegen, und welche auch von den Feuer-Leuten verlassen worden; und was dergleichen Fabuleyen mehr.

Dieses ist also, was Paracelsus geschmiedet, und als ein Göttliches Orackel und himmlische Wahrheit vorgestellet: wir wollen aber annoch kürtzlich untersuchen, was es für eine Beschaffenheit über diese Dinge habe, und was davon zu halten. Nymphen, Sylvanen und Pigmæen waren auch bey den alten Heyden bekannt; die Nymphen werden in schöner jungfräulicher Gestalt abgemahlet, und sind derselben fast unzehlbar viel. Die Heyden, weil sie keinen Begriff hatten, daß GOtt an allen Orten könne gegenwärtig seyn,[200] eigneten ihm noch Unter-Götter zu, die ihm in der Mühwaltung müsten behülfflich seyn. Diese hatten beynahe alle ihre Nymphen in Diensten, welche nach den Oertern, an welchen sie wohneten, und nach den Aemtern, die ihnen aufgetragen waren, unterschiedene Nahmen empfangen hatten. Dryades und Hamadryades wurden genennet die in den Wäldern wohneten, und darüber ihre Sorge hatten; die Oreades und Orestiades stunden den Bergen vor; die Napææ den Thälern und Gründen; die Limoniades den Feldern und Wiesen; die Nereides, Nerinæ, Oceanitides, oder Oceaniæ, dem Meer; die Najades, oder Naides, den Brunnen; die Potamides den Flüssen und die Limnades den Sümpffen. Was aber von den Syrenen bey den Heyden gesaget wird, ist entweder eine Fabel, oder eine übelverstandene Historie.

Wir wollen allhier die andern von Parcelso vermeinte Geist-Menschen an die Seite setzen, und allhier, unserm Vorhaben nach, etwas von den Berg-Männlein gedencken, welche mehr für böse Geister, als Geist-Menschen zu halten, die sich unter der Erden, in den Berg-Gruben, in sichtbarer Gestalt den Arbeitern sehen lassen, welches nicht nur die Berg-Leute, sondern auch manche gelehrte Scribenten, bezeugen. Olaus Magnus vergewissert es mit folgenden ausdrücklichen[201] Worten: Man weiß gewiß, daß die Teuffel, welche man Wigtelein oder Berg-Männlein nennet, denen Einwohnern des Landes an Handen gehen, und viel Arbeit verrichten, sonderlich in den Stellen und Bergwercken, da sie die Steine zerbrechen und zerschlagen, und alsdann in die Eymer werffen, womit man sie heraus ziehet, die Rollen einheben und die Seiler darum thun, als wolten sie gleichsam viel ausrichten. Sie lassen sich auch bisweilen sehen, und erzeigen sich in angenommener Gestalt der Berg-Leute, verlachen, verblenden sie, und treiben allerhand Gespötte mit ihnen, um sie dadurch zu betrügen: ruffen sie bisweilen an einen andern Ort, wenn sie dahin kommen, ist niemand fürhanden. Sie werffen ihnen etwas unter die Hand, und wann solches die Arbeiter wollen angreiffen, so ist nichts mehr da, sondern verschwindet.

Fast dergleichen zeiget Lavaterus, wann er schreibt: Die Metall-Gräber bezeugen, daß in etlichen Ertz-Gruben Gespenster oder Geister sich sehen lassen, die nach der Berg-Leute Weise bekleidet; die lauffen herum in den Schächten, Bergen und Ertz-Gängen, scheinen sich mit allerley Arbeit zu bemühen, da sie doch nichts thun; Adern auszugraben, das Ausgegrabene zusammen zu tragen, in die Eymer auszuschütten etc. Man saget, daß sie Wunder-selten den Berg-Leuten was[202] Leids thuen, dafern sie von denselben nicht ausgelacht, oder mit Schelt-Worten angegriffen werden: dann so werffen sie nach ihnen mit Sand-Steinlein, oder grobem Sand) oder verletzen sie auf andere Weise. Man saget aber, daß sie gemeiniglich in solchen Ertz-Gruben wandeln, da viel Ertz stecket.

Lavater de Spectris part. 1. c. 16. erzehlt oben angeführter massen, aus der Feder eines gelehrten und gottsfürchtigen Mannes, der es ihn vergewissert, daß bey Tafuns, in dem Graupünterischen Alp-Gebürge, wäre eine Silber-Grube, darein der Burgermeister des Orts, Namens Peter Boul, ein braver Mann, viel Geldes gesteckt, auch keinen schlechten Gewinn daraus erhoben; in selbiger Gruben ist ein Berg-Teuffel gewesen, welcher, wann die Arbeiter das Gegrabene in die Eymer schütteten, gemeiniglich am Freytag, sich sehr geschäfftig angestellet, und das Metall aus einem Gefäß in das andere gegossen, welches der Burgermeister sich nicht hätte verdriessen lassen; doch aber, so offt er in den Berg fahren, und wieder heraufsteigen wollen, mit dem Zeichen des Creutzes gesegnet, und niemahls von dem Geist beleidiget worden.7 Es begab sich aber, eines Tages, daß der Berg-Teuffel sich sehr ungestümm und beschwerlich erzeigete: darüber ward einem Arbeiter der Kopff warm, also, daß er ihn mit vielen Schelt-Worten[203] sich fort trollen hieß, an den Galgen, und darzu im Zorn weidlich fluchete. Wie nun das Gebet des Menschen Harnisch wider den Bösewicht ist, also ist der Fluch seine Entwaffnung und Blössung gegen der Gewalt des Teuffels, und das ereignete sich allhier alsofort: denn der Geist erwischete den wünschenden und fluchenden Bergknappen beym Kopff, und setzte ihm denselben so übel zurecht, daß das Antlitz auf den Rücken zu stehen kam; doch ist der Mensch nicht todt davon, sondern noch eine Zeit hernach mit also verdrehetem Kopff und verkehrtem Angesicht im Leben geblieben, gestaltsam ihn viele Leute, so zu des Lavateri Zeiten noch gelebet, wohl gekannt und in solcher Mißgestalt gesehen haben; jedoch ist er wenig Jahre nach solcher Verstellung des Haupts gestorben.

Georgius Agricola, ein Mann, der in Bergwercken und dessen Gelegenheiten ungemeine Erfahrung gehabt, ertheilet in Dialogo de re metallica, qui inscribitur Bermannus, durch seine Gezeugniß und ausführliche Beschreibung uns die Versicherung, daß es keine Mährlein seyen, was man von den Berg-Gespenstern insgemein saget.8 Wir mögen, spricht er, darüber lachen, oder nicht, so ist doch gleichwohl aus der Erfahrung genugsam bekannt, daß in etlichen Berg-Stuben eine Art von Teuffeln herum gehe, derer etliche den Metall-Gräbern keinen Schaden thun, sondern[204] nur in den Gruben, oder Schachten, herumschweiffen, und fleißig zu arbeiten scheinen, da sie doch nichts verrichten; denn bald durchgraben sie einen Gang, oder Ader, bald fassen sie das (vermeintlich) Gegrabene in den Eymer, bald arbeiten sie an der Rolle, als wolten sie etwas hinauf ziehen, bald vexiren sie die Berg-Leute und machen dieselben irre; Am allermeisten thun sie solches in denen Gruben, daraus viel Silber gegraben, oder zu erlangen gehoffet wird.9 Andere aber sind gar schädlich, wie der, welche für etlichen Jahren die Ertz-Gruben zu St. Annaberg, so man die Rosen-Cron heisset, dermassen verunsicherte, daß er 12. Bergknappen, wie vielen Leuten bekannt, umgebracht, auch deßwegen solche Grube, ohnangesehen sie Silber-reich war, verlassen worden.

Bald darnach schreibt er: Etliche unter ihnen, sind, wie gedacht, so böß, daß die Berg-Leute sie scheuen, wie die Pestilentz, und für ihnen fliehen.10 Andere hingegen sind sanfftmüthiger, und die Berg-Gräber sehen es nicht ungern, sondern wünschen vielmehr, daß dieselbe offt herzu kommen, und sich mit ihrer (Gauckel-) Arbeit hören lassen. Auch machet eben dieser Autor zwischen den Berg-Teuffeln eben dergleichen Unterscheid, und berichtet, daß etliche sehr trutzig, grausam und schrecklich anzusehen; darbey ziehet er abermahl an, zum Exempel, den Annabergischen[205] Geist, in der Rosen-Cron, mit fernerm Bericht, daß derselbe erschienen in Gestalt eines sehr lang-häl sigten Pferdes, mit grimmigen Augen, und einen Dampff aus seinem Rachen geblasen, und, wie vorhin gesaget, 12. Arbeiter ums Leben bracht. Berichtet auch, daß ein solcher der Schneeberger gewesen, der eine schwartze Kappe getragen, und in der Georgens-Grube einen Bergknappen von der Erden aufgehoben, und auf die oberste Stätte der allertieffsten Hölen, (oder Gewölbes) so ehmahls Silber gab, nicht niedergesetzt ohne Verletzung seines Leibs. Und bey den Türcken ist ein Jud gezwungen worden, eine Gewinn-reiche Grube zu quittiren, von einem Metall-Teuffel, der den Leuten offt erschienen in Gestalt einer Geiß mit güldenen Hörnern.

Schwenckfeld und Schickhusius erzehlen von einem Venetianischen Kauffmann, daß, als derselbe den sogenannten Riesen-Grund, an den Böhmisch-Schlesischen Gräntzen, durchgesuchet, er endlich auf eine Wiese, unfern von dem Ursprunge des Flusses Zacke, gekommen, und daselbst unter gar hohen Felsen viel Goldes und Edelgestein-Werck gegraben; davon ihn zu verhindern, ein böser Geist sich gar sehr bemühet habe, und deswegen mancherley Gestalt an sich genommen; dessen ungeachtet der Venetianer dennoch tapffer fortgegraben, gleich als sehe er dergleichen[206] nichts, da gleichwol die Einwohner so viel Muths nicht haben, diesem Kauffmann es nachzuthun; weil ihrem falschem und furchtsamen Wahn nach, selbiges Gespenst sehr viel Leuten den Halß umgedrehet haben solle.11 Balbinus in Miscell. Histor. Bohem. l. 1. c. 6. §. 2. p. 13. in fine. Dieser Autor schreibt, daß, wie schier auf oder an allen Böhmischen Metall-Bergen Kirchen der Heiligen stehen, also unter denselben die Berg-Höhlen von den bösen Geistern bewohnet werden, welche in der Finsterniß daselbst, nehmlich in den Ertz-Gruben, dominiren; Insonderheit berichtet Zacharias Theobaldus von den Geistern in dem Cubikenischen District, daß sich dieselbe den Metall-Gräbern offt ins Gesicht stellen, wie alte Männer, so 3. Ellen lang, denen der Bart bis an den untersten Bauch herab lange; und zwar bisweilen in Bergmanns-Kleidern, mit Laternen, Schlägern, Hämmern und andern Geräth, aufgezogen kämen; und so man ihrer nicht spottet, noch ihnen sonst einige Widerwärtigkeit zufüge, sondern sie mitfrieden läßt, werden sie einem keine Beschwerniß machen.


Aus einem geschriebenen Buch von dem Cutnensischen Bergwerck gedencket ersterwehnter P. Balbinus, daß man sie zu Cutna offt, in grosser Anzahl habe gesehen, zu den Berg-Gruben heraus und[207] hinein fliegen; und wann kein Bergknapp drunten, sonderlich, wann ein groß Unglück und Schade obhanden gewesen, habe man die Geister hören scharren, graben, stossen, stampfen und andere Berg-Arbeiten mehr vorstellen; bisweilen auch wol nach gewisser masse, wie die Schmiede auf dem Ambos pflegen, das Eisen umkehren, und mit Hämmern schlagen.12 In eben derselbigen Berg-Höhle höret man auch vielmahls klopffen, oder hämern und bicken, als ob 3. oder 4. Schmiede etwas stiessen, dannenhero solche Geister von den Böhmen Hauß-Schmiedlein benahmset werden: wiewohl diese nicht nur den Berg-Gruben, sondern auch in manchen Häusern gehöret werden, vorab, wenn eine merckliche Veränderung zu Freud oder zu Leyd vorgehen soll.


In der berühmten Berg-Gruben zu Küttenberg / welche man Smytna genannt, haben Anno 1509. und die böse Geister auf eine Zeit angefangen gewaltig zu arbeiten.13 Man hörete viel Täge und Nächte nach einander von aussen zu, wie geschafftig sie sich erzeigeten, mit Graben und anderer Arbeit: solches wird in der Cuttnensischen Historie für eine Vorbedeutung gehalten des Todes-Falls der Bergleute daselbst, die hernach in selbiger Gruben das Leben eingebüsset: in selbiger historischen Beschreibung wird vermeldet, daß[208] zehen Jahre hernach eben daselbst die Teuffel in grosser Anzahl, und in unterschiedener Gestalt, aus unterschiedlichen Orten, durch die Lufft geflogen, und von unterschiedenen Burgern des Orts gesehen worden.


Manche wunderliche Köpffe werffen alle diese Erzehlungen unter die Mährlein, und wenn sie ja nicht läugnen können, daß die Berg-Leute offt etwas solches sehen oder hören, begehren sie doch nicht zu gestehen, daß es Berg-Geister seyn, sondern schreiben es den starcken Einbildungen zu. Wenn aber solche Einbildungen hierbey Raum fänden, würde der verständige hocherfahrne Medicus, Thomas Bartholinus, der sonst in allen seltsam-lautenden Sachen nach Möglichkeit natürliche Ursachen hervorsuchet, und, wofern sich nur der geringste Schatten derselben äussert, alsofort die Natur für eine Würckung solcher Begebenheiten erkennet, nicht schreiben: Die Norwegischen Berg-Gruben machen, daß wir an den unter-irdischen Teufflein nicht zweiffeln, sintemahl diese daselbst nicht selten erscheinen. Und solches zu beglauben, zeucht er an aus einem Schreiben seines Sohns Christophori Bartholini, der aus Curiosität mit seinem Oheim, Johann Finch, die Silber-Gruben allda besichtiget, folgende Nachricht:[209]

Den Berg-Arbeitern bringen fürnemlich die unter-irdische Gespenster Hoffnung zu guter Ausbeute, wenn sichs begibt, daß man sie erblickt.14 Ich selbst (saget er) habe mit demjenigen Bergmann geredet, dem, als er in der Gruben gearbeitet, ein Berg-Teuffel, mittelmäßiger Natur und Gestalt, mit einem langen Bart, aber über den gantzen Leib schwartz, an die Seiten getreten. Als dieser schwartze Gesell ankommen, redete er kein Wort, sondern bot dem Arbeiter aus einer Büchsen ein Toback-Pulver dar; derselbe aber ward darüber ungedultig, daß ihn der Geist in seiner Arbeit irre machete, und warff die Tobacks-Büchsen aus der Hand zur Erden. Hierauf flohe ihm der Erd-Teuffel gleich ins Gesicht; dieser setzte sich zur Wehr, mit seinem in der Hand haltenden Instrument; zog aber bald den Kürtzern, muste die Flucht ergreiffen, und aus der Gruben hinauf eilen; indem er nun den Schacht hinauf zu steigen sich äusserst bemühet, fühlete er auf seinem Rücken eine überaus grosse schwere Bürde, daß er solcher Gefahr sich mit äusserster Krafft-Anstreckung kaum entziehen konte. Endlich ist er doch durch Gottes Hülfe entrunnen, hat sich aber von den Nägeln des Teuffels sehr übel zugerichtet und verwundt, sein Hembd zerrissen, auch sonst überall seinen Leib wie eine gemahlte Taffel gebräunet, geblauet und blutrünstig gefunden, also, daß ihm[210] Zeit Lebens die Wund-Mahlen aus seinem Gesicht nicht vergangen.

Es hausen aber nicht nur in unsern Europäischen Berg-Gruben dergleichen Gespenster, sondern auch in andern Theilen der Welt.15 Die Schwartzen, oder Mohren, in Guinea, pflegen von den Ertz-Gruben und Schachten daselbst Wunder-seltsame Sachen zu er zehlen: nehmlich, daß man daselbst ein groß Getümmel und Geschrey höre, und sich niemand, aufs wenigste kein Heyde, unterstehen dörffte, allda etwa allein zu verbleiben, imgleichen, daß die Berg-Leute und Gold-Gräber offtmahls mit Gewalt heraus gejaget werden, da sie doch niemand sehen können: daß auch zum öfftern ein güldener Hund oder dergleichen Thier sich sehen lasse, doch gleich wieder pflege zu verschwinden, und was dergleichen Gespenster mehr. Vid. Neu-Africanische Reise-Beschreibung / fol. 460.


Dieweil nun diese Exempel uns genugsame Anleitung geben zu glauben, auch genugsam überführen, daß solche unter-irdische Gespenster keine blosse Einbildung noch Phantasey sey, die wir Menschen uns hierüber zu machen pflegen, sondern in einem würcklichen Wesen bestehe: also werden doch manche Menschen lüstern zu wissen, wofür man doch solche Geister eigentlich ansehen und halten solle, ob es rechte Geister,[211] oder ob sie für Mittel-Geschöpffe zwischen Thieren und Menschen zu achten? so ist solches bereits Anfangs berührt, und nicht nöthig, weiter etwas zu melden.

Marginalien

1 Fabelhaffte Meynung von den Geist-Menschen und derer Eigenschafft.


2 Wie weit Geist-Menschen mit andern Menschen unterschieden.


3 Viererley Art der Geist-Menschen / und wo sich solche aufhalten.


4 I. Undenæ, wie solche gestalt.


5 2. Nymphen wie solche erscheinen.


6 Geist-Menschen wie weit sich deren Gewalt erstreckt.


7 I. Geschicht.

Berg-Geister drehen einem Arbeiter den Halßum.


8 Berg-Geister werden in Schachten gesehen.


9 Thun den Leuten selten schaden.


10 Etliche solcher Berg-Geister sind auch sehr schädlich.


11 Böser Geist verhindert die Schatz-Gräber.


12 Böse Geister lassen sich in Bergwercken sehen.


13 Böse Geister arbeiten in Bergwercken.


14 II. Geschicht.


15 Berg-Gespenster werden auch in andern Theilen der Welt gefunden.


Quelle:
Bräuner, Johann Jacob: Physicalisch= und Historisch= Erörterte Curiositaeten. Frankfurth am Mayn 1737, S. 192-212.
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