XXXI. Von der [446] Physiognomia.

Ob aus der Physiognomia des Menschen Gemüth, Gesundheit und Kranckheit könne abgenommen werden, davon schreibt Happelius in Relat. Curios. Part. II. p.m. 282. also: Die Physiognomia ist eine Wissenschafft, des Menschen Leben, Kranckheiten, und dessen Gemüth aus der gantzen Statur eines Menschen probabiliter zu erkennen und davon zu urtheilein.1 Daß aber allhier das Gemüth mit angeführet werde, daran ist Ursach, weil viel tausend Menschen gesund und lange lebeten, dafern sie ihre Affecten bezwingen könten. Die Affecten zu beurtheilen, gibt die Farbe des Angesichts, die Rede, die Bewegung der Augen, der Armen und des Ganges. Dann wie man lebt, so ist das Geblüth, wie dann hernach das Blut, welches[446] aus dem Hertzen herkommet, alsdann sich die Farben des Angesichts, und folglich der gedachten Glieder Bewegung, mit ereignen. Daß das Angesicht sich nach dem Gemüth ändert, solches beweiset die Heil. Schrifft Genes. 31. 2. Esa. 48. 4. Ezech. 2. 4. & 3. 8. Maccab. 4. 30. Hiernächst ist bekannt, daß ex fumositate cordis das Gehirn mit unterhalten werde, dahero wie man lebet, alsdann das Gehirn ist. Die Dünste aus dem Magen, wann der Mensch nicht diærisch lebet, werden gleichfalls Schmertzen und Ungelegenheit dem Kopff machen. Zum Exempel: Ein Rittmeister, cholerischer Natur und kurtzer krauser Haare, lebete, wegen seines Haus-Creutzes, gantz unordentlich, wodurch nicht allein die Galle rege wurde, und per modum consensum das lincke Gehör mit litte, weil mit dem Gehör die Galle eine grosse Sympathiam hat, die krausen Haare veränderten sich und wurden länger und schlechter, die Dünste aus dem Hertzen und Magen verursacheten dem Kopff destomehr Flüsse, dadurch das Gehör mehr abnahm. Wann sich nun die Flüsse in dem Kopff und Stirn allzusehr häuffen, wird gemeiniglich eine Anmerckung der Stirn, als Finnen, Flecken und Wartzen, gefunden werden; falls man nun nicht zuvor kommt, werden solche Flüsse die Brust, Magen und Rücken treffen, die Wartzen, Flecken und Finnen-[447] Kranckheiten und auch causam morbi anzeigen, solches gibt die tägliche Erfahrung, nur muß man den Unterscheid machen, daß Wartzen und Flecken, die beständig im Angesicht gefunden werden, generaliter es nur andeuten, und wann es geschehen soll, solches die Liniamenten geben, die dieses Glied beherrschen. Hier ist höchst zu bewundern, wann der Mensch durch seine Affecten, oder durch einen andern Zufall, in Unglück gerathen, daß eben diese angedrohete Kranckheiten an dem Gliede sich anticipando ereignen und einstellen. Eine Wartze, je stärcker sie ist, desto grösser ist auch die Kranckheit, oder das Unglück. Wann sie demnach bey einem Menschen wachsen, nimmet die Kranckheit zu.

Ja es ist die Physiognomia eine solche Kunst, da man von des Menschen Gemüthe, Sitten und Neigungen, aus Linien und Zeichen, die sich an dem menschlichen Leibe und Gliedmassen befinden, etwas gewisses weissagen will.2 Polemon und der Sophist Adamantinus, haben unterschiedliche Regeln davon verfasset, die sie aus der Erfahrung und langem Gebrauch wahrgenommen haben. Aristoteles hat ein besonderes Buch davon geschrieben. Hippocrates in lib. 2. de morbis popularibus hat hin und wieder davon etwas berühret. Für böse hält er diejenige, so roth-härig seyn, wie auch die, so eine spitzige Nase und kleine Augen haben;[448] für gut aber, die zwar härig seyn, aber die eine nieder gedruckte Nase und kleine Augen haben. Wiederum sind gut bey ihm die groß und kahl seyn / stammlen und eine schwache Stimme haben; Zornige aber, die ein grosses Haupt haben, kleine Augen / dabey stammlen / und mit der Zunge anstossen. Und abermahl: Zornige sind bey ihm, die mit den Augen wincken; gut aber, die einen grossen Kopff / schwartze und grosse Augen / und eine dicke und niedergedruckte Nase haben. Vid. Frid. Balduin. cas. consc. lib. 3. cap. 6. cas. 6. Die Mohren haben bey Erwählung ihrer Könige nicht die Stärckesten und Reichesten, sondern die Wohlgestaltesten und Schönsten vorgezogen, weil sie auf der klugen Gymnosophisten Gutachten für wahr angenommen, daß Wohlgestallte am Leibe auch von gutem Gemüth wären.

Ermeldter Autor. l.c. berichtet, daß der gelehrte Italiäner / Scipio Claramontinus, neun Bücher davon geschrieben, da er unter andern im 6. 7. und 8. Buch anweisen wollen, wie menschliche Gemüther geartet und gesinnet seyen, aus dem Haupt, Stirne, Augen-Braunen, Ohren, Augen, derer Farben, Nase, Munde, Gestalt und Angesicht, Leibs-Bewegung u.s.m. welche vor 40. Jahren D. Conring[449] in Teutschland lassen offentlich drucken, und denen bekannt gemachet, die vorhero davon nichts gewust haben.3 So kan man nun (spricht er ferner) abnehmen, wie der Mensch inwendig beschaffen sey, und haben die Alten aus der Erfahrung manches wahrgenommen; an der Stirn, ob der Mensch ernsthafft oder zornig, oder aber sanfft müthig und gelinde; an den Augen, ob das Gemüth unbeständig, fromm, demüthig, oder züchtig sey; an den Augbraunen, ob er niederträchtig oder hochmüthig sey; an dem Munde, ob er lebhafft sey; an der Nase, ob er hönisch oder spöttisch sey; an den Wangen, ob er schamhafftig und keusch sey, u.s.f. Plato hat sollen können aus der Farb abnehmen, ob einer frisch, behertzt, grimmig, andächtig und verliebt wäre. Socrates hat aus der Rede der Knaben Gemüther erforschet, wie denn auch Syrach spricht, cap. 28. 7: Man mercket an der Rede, wie das Hertz geschickt ist.

Auch hat der Kirchen-Lehrer / Gregorius Nazianzenus, auf diese Kunst sich wohl verstanden, welcher, wie Niceras bezeuget, seines gleichen nicht gehabt, in Unterscheidung der menschlichen Angesichter, und hat am allerbesten von dem innerlichen Menschen aus dem äusserlichen Ansehen und offenbaren Dingen urtheilen können. Er hat Orat. 4. in Julian. den Julianum nach seiner Gestalt und Angesicht[450] beschrieben, was für einer er inskunfftige seyn wurde, und angewiesen, wie er aus seinen schwachen Füssen, zuckenden Schultern, herum vagirenden und wilden Augen, hönischen Nase, liederlichem Lachen, übereilten Fragen und unbedächtigen Antworten, nichts Gutes schliessen könne. Es kont bey mir nichts Guts bedeuten, als ich sahe, daß er keine vest und starcke Schenckel hatte, daß er die Schulter dann und wann bewegete und aufzog, mit seinen Augen herumschweiffete, und wie ein rasender toller Hund aussahe, daß er keine veste Schritt that, sondern mit seinen Füssen wanckete, daß er seine Nase hönisch aufwarff, und sonst lächerliche Minen machete, unhöfflich und übermäßig lachete, ohne Ursache mit dem Haupt nickete und winckete, mit seiner Rede anstieß und dabey offt Athem schöpffete, schnell fragete, und nicht weniger unbedachtsam antwortete.

Aristoteles saget, nach Anweisung des Autoris des wohl-informirten Redners / wer unter einer gewissen Art Viehes zu thun hätte, könte gemeiniglich aus der Gestalt das gute und böse erkennen, nehmlich, ein Jäger die Hunde, und ein Reuter die Pferde.4 Und Franciscus Valesius spricht de Sacra Philosophia c. 32. p. 217. Es finden auch die weltlichen Gesetze bisweilen aus der Physiognomia einen Grund, dann wann man auf zwey[451] Menschen einen Verdacht wegen eines Lasters würffe, so möchte man nur denjenigen am ersten martern, welcher das garstigste Angesicht hätte. Er antwortet aber darauf gantz recht, daß an denen unvernünfftigen Thieren die Merckmahle gewisser wären, als bey denen Menschen, dieweil jene ausser der Natur nichts hätten, diese aber genössen ausser der Gnade GOttes eine gute Auferziehung und Zucht, dahero geschähe es auch, daß bisweilen böse Zeichen durch ein gutes Leben verbessert würden, die guten Zeichen aber, wegen verabsäumter Auferziehung, mit der That nicht übereinkämen, der Mensch könne offtmahl simuliren und dissimuliren, die Natur, Stirn, Augen und Gesicht prophezeyeten manchmahl falsch, und die Rede sey mehrentheils gar betrüglich; gleichwohl habe die Natur das Gemüth in dem Leibe einigermassen vorgestellet, und Mittel, das Gemüthe aus dem Leibe zu erkennen, an die Hand gegeben. Vid. Reuters Reich des Teuffels p. 824. seq.

Bey den Kranckheiten kan man auch anmercken, daß zu solcher Zeit alle Nägel am Menschen weich werden, die Höfe an den Nägeln der Finger nehmen ab und vergehen, dergleichen an einer Durchlauchtigen Person, so tödtlich verwundet worden, abgemercket.5 An dem Leibe finden sich auch offt ein und andere Zeichen, welche in dem Angesicht nicht gefunden werden,[452] inmassen man bey einem armen Mägdgen zu Hannover, nahe bey der Hertz-Gruben, Sonne, Mond und andere Sterne stehend verspühret, die bey Veränderung des Mondens kleiner und grösser worden; gleichfals hat es eine solche Bewandtniß mit ihrem Gehör gehabt, daß sie zu einer Zeit etwas weniges, zu anderer Zeit gar nichts hören können. Zu Bestärckung solcher Meynung kan man des weit-berühmten Medici, Bartholini, Anatomische Geschichte pag. 383. lesen, also: Ich habe in unserm Vaterlande eine sonderbare Einstimmung des Mondes mit einem an dieser Seuche kränckenden Cörper gesehen. Die Tochter der Sophien in dem Königlichen Garten zu Friedrichsburgk, mit der schweren Noth behafftet und meiner Cur sich bedienend, hat scheinbare Flecken in dem Angesicht gehabt, die den mannigfaltigen Schein und Veränderung des Monds, sowohl an Farben, als an Grösse, vorgestellet haben. Nimmet man nun die Nase, so wird man finden, wann sie gezeichnet ist, daß es Galle, Stein, Gonorrhœam, und bey denen unzüchtigen Leuten morbum Gallicum bedeutet. Dannenhero siehet man, wann solche Venerische Leute nicht beyzeiten Mittel gebrauchen, daß bey ihnen die Nase unglücklich und abscheulich wird, auch wohl gar abfället. Man findet auch bey den Kindern, wann sie in den inferioribus & grossioribus intestinis[453] Würme, i.e. cucurbitinos haben, werden sie an der Nasen, als bey den Nasen-Löchern, viel Jucken und Griebeln empfinden. Daß die Nase mit dem Unter-Leib, absonderlich mit den Pudendis, eine grosse Verwandtniß habe, wird viel muthwillig Frauen-Volck solches zu judiciren wissen; sie finden sich aber zum öfftern betrogen, indem der Mütter Impression, so sie schwanger gehen, die Pudenda vergrössern und verringern kan. Auch bezeuget die tägliche Erfahrung, daß in febribus acutis, wann die Nasen und Nasen-Löcher allzuspitzig werden, es eine Anzeigung des Todes sey, sintemahl die nätürliche Hitze allzuschwach, und zu den äussersten Gliedern nicht gehen könne. In hecticis werden gleichfalls die Nase spitzig, allein hieran ist Ursach, weil die Feuchtigkeit allzusehr verzehret worden, und gleichsam eine Anzeige, daß die Kranckheit gefährlich und tödtlich sey. Anno 1674. hat ein vornehmer Dänischer Abge sandter unterschiedlichen erzehlet, daß er vor der Hochzeit mit seiner Liebsten auf eine Zeit freundlich geredet, da sich eine Ader im obern Theil feiner Nase geöffnet hätte, und häuffig Blut heraus geflossen wäre.6 Da nun das Bluten nachgelassen, wäre keine eintzige Anzeige solcher eröffneten Ader zu finden gewesen: sonsten weiß man sehr viel Exempel, daß, wann verliebte Personen beysammen gewesen sind,[454] sie aus den Nasen-Löchern geschweisset haben. Aus dem Munde werden viele Kranckheiten des Schmeer-Bauchs, der Genitalien, Brüche, wie auch Obstructiones alvi & menstrui, abgenommen. Eines Fuhrmanns Söhnlein vor dem Elster-Thor zu Wittenberg / welches von seiner Mutter und dessen Schwester den 11. Febr. des 1680. Jahres zu einem erfahrnen Liebhaber der Physiognomiæ gebracht ward, hatte einen Bruch, derselbe war nicht von Natur, als von der Influenz des Himmels, sondern vom Geblüt der Eltern. Vater und Mutter waren nicht gebrechlich, sondern der Frauen Vater, als Groß-Vater des Kinds; hingegen der Frauen Schwester und ihr Bruder hatten Brüche, die Schwester hatte im Gebähren ihren Bruch bekommen, der Bruder aber von Natur, wie die Wartzen anzeigeten. Zum Munde gehören ja auch die Zahne und die Zunge. Daß nun auch die Zunge etlichen Kranckheiten unterworffen, solches gebrauchet allhier keiner weitläufftigen Erörterung, vielmehr ist höchst zu verwundern, daß auf der Zungen Wartzen gefunden werden, davon wollen wir nur etlicher Exempel gedencken: Als zu Halle, (schreibt Happelius in Relat. Curios. P. 2. pag. 285.) in dem Wirths-Hauß der H. drey König benahmt, Anno 1668. über dem Tisch, in Gegenwart vornehmer Herren, Tit. Herr Georg Neumarckt / [455] Vice-Com. Palat und Hoch-Fürstl. Sachsen-Waymarischer Gerichts-Secretarius, fragete: Ob es möglich wäre, auf der Zung eine Wartze zu haben? Darauf solches mit ja beantwortet, und zugleich die Unpäßlichkeit der Zungen mit angezeiget worden; welches imgleichen damahls sein Reise-Camrad bejahete, und alle Anwesenden seine Wartze auf der Zunge sehen liesse. Zu Wolffenbüttel hatte ein Hof-Cavallier Anno 1678. auch Wartzen an seiner Zungen, deßgleichen eines Hoch-Fürstlichen Braunschweig-Lüneburgischen Lieutenants Kind, 9. Viertel Jahr alt, viel Wartzen auf der Zunge gehabt; wann nun die Colligantia membrorum beobachtet wird, werden die Wartzen vergehen. Unter andern ist denckwürdig, wie der Hoch-Gräflich-Sollmische Informator zu Sonnenwalde etliche 20. Wartzen auf beyden Händen gehabt; da aber derselbe mit Pferd-Haaren vier abgebunden, sind darauf die andern alle miteinander in kurtzen Tagen von sich selbst vergangen. Was demnach diese Wissenschafft bey den armen Patienten vor einen Nutzen habe, solches wissen verständige Medici zur Gnüge zu erkennen, durch derer Hülff sie in schweren Kranckheiten causam morbi zu erforschen fähig sind, und wie denselben müsse abgeholffen werden. Dessen Möglichkeit ist in Fernelii Ambiani Pathologia de Signis p. 34. nachzuschlagen.

[456] Wolffg. Hildebrand in seinem Kunst- und Wunder-Buch Part. III. p.m. 550. schreibt: die gantze Physiognomia sey den Mahlern, Bildhauern, und allen denen, so dergleichen künstliche Arbeit verfertigen, hoch vonnöthen, dadurch eines jeden Menschen Eigenschafft und Art der Sitten und Gemüths nicht allein erlernet und eigentlich geurtheilet werden mag, sondern ein jedes Bild darnach mancherley Weise von kunstreichen Bildhauern gebildet und formiret werden soll.7 Und erstlich ist zu mercken, daß, den rechten Grund dieser Kunst zu erlernen, der Mensch unterschiedlich seiner Gestalt und Gesicht nach geurtheilet werden soll: als wann nach der Art seiner Nation, seines Vaterlandes, seines Geschlechts, und wie er an sich selbst gestalt ist, und für das erste, ob er ein Mohr oder Assyrer wäre, zu Theben oder zu Egis erzogen, gefraget würde, wird solches am besten aus der Kleidung oder Tracht gesehen; wie Virgilius schreibt, von den Trojanischen Jungfrauen, daß sie Pfeile und Köcher getragen. Derohalber künstlichen Bildhauern insonderheit vonnöthen, mancherley frembde Nation, Gegne, Land-Art, Sitten, Trachten, Gewohnheit und Manier eigentlich zu wissen: Denn die gegen Mitternacht, gegen dem Polo arctico wohnen, die seynd vor andern länger von Leib, weisser Farb, weicher, zärter, gelbfarbet Haar, grauer[457] Augen, flach, feist, fleischig, bauchig und leibiger; Zorn-jähig, einfältig, leichtfältiges Raths, jähe, unverständig, grob, und zu allen guten Künsten und grosser Subtiligkeit ungeschickt; wie dann fürnemlich bey den Schweden, Dänen und Nieder-Sachsen gemercket wird.

Die aber, so gegen Mittag wohnen, die haben schwartz-krause Haare, schwartze Augen, sind kurtz von Leibe, starck von Schänckeln, brauner Farbe, dürr, mager von Leib, und zu guten Künsten untauglich, aber doch voller Gedancken, leichtfertig, arglistig, lügenhafftig, gewinnsüchtig und diebisch, doch einer mehr, denn der andere, nachdem jede Landschafft den beyden Polis, dem Mitternächtigen oder Mittägigen, am nächsten gelegen, als die Sardinier, Sicilier, Mauritianer oder Mohren und Araber.8

Aber die in der Mitte gelegen, die haben auch eine mittelmäßige Complexion oder Qualität, sind mittelmäßiger Gestalt von Leibe, ihre Haar weder zu krauß noch zu schlecht, von Farben etwas bleicher, schöner von Angesicht, sinnreich und zu allen guten Künsten und der Lehr wohlgeschickt; barmhertzig und guter Sitten, fürnehmlich die Griechen und rechten Italiäner.

Aber welchem Lande eine jede Nation am nähesten, nach demselben, als ihren Nachbarn, verändert sie ihre Sitten und Art am meisten, denn die Libier vergleichen[458] sich mehr mit den Hiberis, die Hiberi mit den Celtis, wie auch die Lybier den Mohren in Aethiopia, und die Celten mit den Franzosen, in Gestalten und Sitten gleicher und ähnlicher.

Alle Völcker aber, so gegen Mittag gelegen, die werden von Wärme und Truckenheit regieret, aber die gegen Mitternacht, dargegen wieder von Kälte und Feuchte, also wird auch von denen verstanden, so beyderseits gegen Orient und Occident gelegen, solche Arten den beyden Polis nach.

Doch begibt es sich etwan, daß sich die Nationen verändern, also, daß ein Volck aus einer Landschafft in die ander ziehet, dadurch eine Vermischung verursachet wird, als wo die Italiäner in Thraciam, oder die Thracier in Italien zögen, die Perser in Aßirien oder die Aßirer in Persien.9 Aber dem Geschlecht nach wird der Mensch auch geschauet, und seiner Gestalt nach judicirt oder geurtheilet, nicht daß man frage, wer seine Eltern und wes Stammes er sey, sondern ob er männliches oder weibliches Geschlechts sey: denn in diesem ist fürnehmlich ein mercklicher Unterscheid; denn das männliche Geschlechte ist das fürtrefflichste, gerecht, unerschrocken, kühn, großmüthig, standhafft, freyen Muths, fromm, freygebig und herrliches Ansehens.[459]

Aber dargegen ist das weibliche Geschlecht verachteter / zänckisch / furchtsam / frevelmüthig /ungezähmt / hinläßig / gifftig / unverträglich / unbeständig / wanckelmüthig / böser / schalckhaffter und geitziger Art.10 Es ist auch das Weib menschlicher Proportion und eigentlicher Simmetria nach kleiner von Haupt, denn der Mann, kürtzer von Person, weicher und schwärtzer von Haar, schmähler von Angesicht, heller brennender Augen, dünner von Halß, schwerer Brust, weich in Seiten, Hüfften und Diechen, völliger fleischiger Waden, und kürtzer gebeinet, unter den Knien hinab, die Hände und Füsse etwas aufgelauffen, und am gantzen Leib lieblicheres Ansehens, linder, und im Angreiffen weicher, die Stimme klahr, die Schritt enger oder kürtzer, die Glieder alle völliger, und in allem Thun und Bewegung langsamer.

Weiter wird der Mensch für sich selber auch angesehen, seiner Gestalt nach judicirt, und seine Natur und Eigenschafft erkundiget, aus zweyerley Dingen, so der Substanz der Glieder angehefft, und der Gestalt und Wesen des gantzen Cörpers mit theilhafftig seyn; als aus dem Angesicht, Alter und Gange, der Stimme und dem Athem. Aber zum andern wird er gesehen und seiner Gestalt nach judicirt[460] und geurtheilet von äusserlichen Umbständen, als aus der Zierde, Nahmen, Stand oder Art, Zeit und dergleichen, die Gebährden und mancherley Vorstellungen des Angesichts, und auch die Farbe, welche darinnen das Mittel hält.

Wann man nun aus allen diesen Zeichen die Natur, Eigenschafft und Sitten der Menschen erlernen, und auch die Bilder in solcher Gestalt künstlich mahlen und bilden will, daß solche von ihnen erkannt werden, kommen uns die Augen am ersten für, als die fürnehmsten, ingleichem derer angehörige Theile, so denselben am nächsten sind, als das Augensternlein, die Augbraunen, Stirn, Wangen, Augenlieder, die Nase, die Lefftzen, der Mund, die Backen, Haar, Ohren und das Haupt selber.11 Von diesem werden in die andere Ordnung gesetzt, was um die Brust und um den Rucken herum zu finden; In die dritte Ordnung gehöret, Arm, Hände, Hüfft und Füsse; aber in die letzte Ordnung die Dieche, der Bauch, der Rucken, Lenden und Waden, von solchen Gliedern aber, ist von jedwedem besonders zu urtheilen.

Aus den Augen ist in der Physiognomia viel zu urtheilen, denn in solchen ist gar mancherley Unterscheid: ihrem Wesen nach sind solche entweder groß, mittelmäßig oder klein, weit vor dem Kopff liegend, oder tieff hinein gedruckt, geschwollen,[461] eben oder ein gefallen, beweglich, stät, zitternd, stätig, blitzend, viel oder wenig blickend gesehen und geurtheilet.12 Aber des Gesichts halber werden sie unterscheidet, ob sie zwitzern, feucht oder trocken, schön, gläntzend, finster oder dunckel, frech oder traurig, scharffes oder dunckeln Gesichts, ernsthafft oder leichtfertig, tückisch oder freundlich, samt noch mancherley dergleichen Anmerckungen: dann auch haben sie mancherley Unterscheid an der Farbe, etliche sind schwartz, etliche grau oder blau, und dergleichen auch von vermischeten Farben, die halber-schwartzen Augen, so man die braunen Aeuglein nennet, sind fast freundlich; andere sind roth, gelb, Feuer-farbig, und noch andere Arten mehr. Was aber die Qualitäten solcher Farben betrifft, gründlich zu untersuchen; dieweil solches eine gar weitläufftige Beschreibung erfordert, wollen wir solche allhier gesucheter Kürtze wegen übergehen, und nur ein weniges davon berühren, im andern Theil aber dieses Buchs, derer mit mehrerm gedencken.

Wir wollen uns allhier bedienen, fürnehmlich, was von Aristotele und Adamantio hievon aufgezeichnet, welche beyde treffliche Philosophi in der Kunst der Physiognomiæ genugsam bezeuget, und alles grundlich und wahrhafftig dargethan; und will Aristoteles, daß das rechte Maaß der[462] Augen weder zu klein noch zu groß seyn soll.13

Weit-aufgelassene Augen / so fern vor dem Kopff heraus liegen, um welche ein geschwollener Ring ausserhalb umher gehet, und eine hohle Grube rings umher gezogen ist, bedeutet einen betrüglichen, bäuerischen und gantz ungeschickten Menschen: wann solche aber schön gleissend, ziemlicher Grösse, klar und feucht anzusehen, bedeutet, daß solcher zu aller Gütigkeit und Billigkeit geneiget, auch zu der Lehr und allen guten Künsten wohlgeschickt, und von jederman geliebet werde, wie von Socrate zu lesen, daß er solche Augen gehabt.

Die tieffe verborgene Augen / wiewohl solche am schärffesten sehen, werden solche dennoch nicht gelobet, wo sie nicht auch eine Grösse darzu haben, denn wo sie klein sind, bedeuten sie einen Heuchler, neidischen und aufsätzigen Menschen.

Wo die Augenbraunen beweglich / gibt es Anzeige eines mächtigen Gemüths, wo aber nicht, einen Kunst-durstigen: Die Augen / die schnell runds umgehen / bedeuten einen faulen, trägen, hinläßigen Menschen; starrige Augen bedeuten niemahlen was guts, denn wo sie feucht, bedeuten sie ein verzagt Gemüth; dürr und trocken einen Unsinnigen; die groß und roth-farbig, zeigen Begierde zu[463] der Unkeuschheit: wo aber solche Augen darzu gläntzend sind, solchen Menschen soll man alles Fleisses meiden; weil derselbe Mensch sein gröstes Vergnügen hat, wann er einem andern Schaden zufügen kan.

Die Augen / wann man sie zuthut, daß sie über sich steigen, bezeichnen Unkeuschheit, Fräßigkeit, sind auch ein gewiß Zeichen der fallenden Sucht: Sind sie roth-färbig oder schwartz-färbig / bedeuten sie ein unverschämt Maul, weibische Art, groben Verstand, etc.

Wann aber die Augen einbeschlossen / sich unter sich neigen, bedeutet in allen Dingen das Widerspiel, die Augen, welche also erstarren, oder bestehen bleiben, wann man sie aufthut, geben Anzeigungen tieffer Gedancken, oder daß einem eine Sache hart anlieget. Kleine schieffende Augen bedeuten einen tückischen Menschen, die sehr groß sind, einen ungeschickten groben Tölpel, und Vielfraß.

Da aber solche Augen etwas groß / hell und gläntzend seyn / geben solche Anzeigung eines grossen Geists, eines hohen Gemüths, das sich hoher und gewaltiger Dinge unterstehen darff, doch Zornmüthig, weinsüchtig, und vor andern grosse Rühmer, wie von Alexandro aus Macedonia zu lesen, der ein solches Gemüth gehabt.

[464] Finstere und dunckle Augen sind gebrechlich; sind sie fast klein, bedeuten sie einen unwahrhafften, arglistigen und aufsätzigen Menschen, eines boßhafften und doch beständigen Gemüths.

Die hell-gläntzende Augen / wo sie sonst keinen andern Mangel haben, sind sie fast gut und fast nützlich, geben aber keine gäntzliche Anzeigung der Frömmigkeit, denn sind sie blaufärbig, zeigen sie grosse Listigkeit; die braun und zur Schwärtze geneiget, zeigen auf Furcht, Schröcken und Arglistigkeit; aber die schwartzen Augen bedeuten einen verbuhlt- und ehebrecherischen Sinn; sind sie darbey feucht, bedeuten sie Starcke, Unfürsichtigkeit, schnellen Zorn, Mildigkeit und Gütigkeit.

Die viel blinckenden Augen bedeuten einen aufsätzigen diebischen Menschen: sind sie aber feucht, geben sie Anzeigung eines grossen Fleisses mancherley guter Künste; welche aber nicht blincken im Zuthun, sondern sich bald schliessen, bezeugen eine Schamhafftigkeit. So aber die Augen schnell aufgesperret werden, bezeichnen solche ehebrecherische und frätzige Leut; sind sie dürr und trocken, bedeuten solche Frevel.

Man könte hier auch anführen, wie von den Augen-Stern und Körnlein in den Augen aus der Physiognomia zu judiciren. Item aus dem Augenlied und Augbraunen / sowohl auch aus der Nasen[465] Gestalt / Wangen / Mund / Lefftzen / auch der Stirn /zu urtheilen.

Das Angesicht des Menschen aus der Physiognomia zu erkennen, so will Aristoteles, daß ein groß Angesicht einen groben Verstand bedeute, aber ein klein Angesicht Stetigkeit.14 Ein breit Angesicht /wie Adamantius spricht, bedeutet einen weichen Menschen, der in aller Wollust lebet. Ein mager Angesicht bedeutet einen fleißigen Menschen, der grosse Mühe auf ein Ding leget; desgleichen einen, so der Lieb ergeben ist, auch wohl einen Aussätzigen. Ein klein Angesicht bezeichnet kleine Zucht, aber ein fast groß Angesicht ist eine Anzeigung eines fast tollen Verstandes.

Die Verwandelung des Angesichts / so ein rechter Spiegel ist des Gemüths, wird von den Alten Vultus genannt, und ist solche Verwandelung gar mancherley Gestalt.15 Denn wie unser Hertz in jeden Affecten beweget wird, also verstellet sich auch das Angesicht, wiewohl man etliche findet, die aus Gleißnerey sich anders stellen, denn ihnen ums Hertz ist; darum man nicht leichtlich oder unbedachtsam jedesmahl solcher Gestalt des Angesichts so gar gäntzlichen vertrauen muß, sondern die Art und Eigenschafft des Menschen aus der Gestalt des Angesichts zu urtheilen, muß man[466] so lange harren, bis solche Bewegungen des Gemüths, die das Angesicht verstellen, sich gäntzlich gestillet haben. Denn ohne solche Verstellung findet man auf tausenderley Gestalt der Angesichter, als traurige, fröliche, leichtmüthige, ernsthaffte, freudige, lautere, finstere, demüthige, wachende, schläfferige, faule, furchtsame, tapffere und erschrockene, und also unzählig viel Unterscheidungen.

Aus dem Halß, Genick, Kehlen, Gabelbein, Brust, Düttlein, wie auch dem Ober-Theil des Arms, der Schultern, Rückblat und Lenden, des fördern Arms, der Hände, Finger, Nägel, desgleichen aus der Seiten, Hüfften, Bauch, Diechen, Schänckel, Füsse und Knotten, sonderbar aus der Farbe des Angesichts, könten vielerley Prognostica angeführet werden, so aber bis auf bessere Gelegenheit ausgesetzet werden.

Ist also die Physiognomia nicht so gäntzlich zu verwerffen, wann man nur in den Schrancken verharret, den natürlichen Affecten des Gemüths und der Constitution des Leibes, denn bey Formirung des Menschen werden in dem Angesicht etliche Signa eingepräget, darum auch solche Zeichen eine Ursach haben, derowegen kan auch einigermassen davon geurtheilet werden; dann so einer etwas im Sinn hat, das siehet man ihm an den Augen an, es sey Gutes oder Böses.16 Aber hierzu gehöret ein vernünfftiger Mann, der die natürlichen[467] Sachen, so sich aus den Neigungen des Gemüths von aussen erzeigen, wisse von denen mit Fleiß verstelleten und angenommenen Geberden zu unterscheiden. Vom König David / dessen Hertz aufrichtig und ohne Falsch war, zeugete auch sein äusserliches Ansehen, dann er war braunlecht, und mit schönen Augen und guter Gestalt; 1. Sam. 16. 12. da er aber bey Achis, dem Könige zu Gad, seine Geberden verstellete, unter seiner Diener Händen kollerte, sich an die Thür am Thor stieß, und seinen Geiffer in den Bart ließ herab fliessen, 1. Sam. 21. 13. seq. da konte er sein aufrichtiges Gemüth gegen GOtt nicht erkennen, welches er doch allezeit behalten hat.

Wie solten aber daraus gewisse und unfehlbare Weissagungen und Deutungen können genommen werden, daß derer Erfüllung also nothwendig erfolgen müsten, da doch Sonnenschein, Hitze, Kälte, Nässe, Trübe, scharffe und Faule Lufft, gifftige Dünste, Schnee, Dampff und Winde, nicht nur den Leib offt inwendig und auswendig alteriren, sondern auch den Verstand, Gedächtniß und Gemüthe, nach Gelegenheit ermuntern, verdrossen, frölich und betrübt machen.

Es kan auch ein frommer Mensch mit dem Gebet, Frömmigkeit und Gottesfurcht dem Bösen begegnen, und seine Natur, durch Hülffe GOttes, verändern[468] und verbessern.17 Zophyrus hat von dem Socrate aus dem Gesicht seines Leibes geurtheilet, er müsse ein dummer, ungeschickter, wie auch ein weibischer Mensch seyn, dieweil er keine hohle Kehle hätte; aber es hat dieser Heyde, Socrates, seine übele Natur mit Fleiß und Ubung der Tugend also ausgebessert, daß man davon das allergeringste nicht hat an ihm verspühren können. Welcher demnach urtheilen will aus dem Gesicht, von dem Fleiß und Sitten der Menschen, der muß bey diesen natürliche Zeichen auch hinzu thun, welche von dem Willen des Menschen vorkommen, die die Natur des Menschen zum öfftern verbessern.

Marginalien

1 Ob aus der Menschen Angesicht etwas könne genommen werden?


2 Was die Physiognomia für eine Kunst sey.


3 Unterschiedene gelehrte Leute haben von der Physiognomia geschrieben.


4 Aristotelis Meynung von der Physiognomia.


5 Der Menschen Kranckheiten können auch aus der Physiognomia abgemercket werden.


6 Unterschiedene Exempel davon.


7 Die Physiognomia ist auch den Bildhauern und Mahlern zu verstehen nöthig.


8 Unterscheid der Menschen an vielfältigen Orten.


9 Wie der Mensch seine Natur verändert.


10 Eigenschafft des weiblichen Geschlechts.


11 Aus welchen Theilen des Menschen die Physiognomia abzunehmen.


12 Wie aus den Augen zu judiciren.


13 Aristotelis und Adamanti Urtheil aus den Augen.


14 Judicium aus dem Angesicht.


15 Aus dem Angesicht ist vielerley zu prognosticiren.


16 Physiognomia ist nicht gantz zu verwerffen.


17 Durchs Gebet kan GOtt die Natur verändern.


Quelle:
Bräuner, Johann Jacob: Physicalisch= und Historisch= Erörterte Curiositaeten. Frankfurth am Mayn 1737, S. 446-469.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Haller, Albrecht von

Versuch Schweizerischer Gedichte

Versuch Schweizerischer Gedichte

»Zwar der Weise wählt nicht sein Geschicke; Doch er wendet Elend selbst zum Glücke. Fällt der Himmel, er kann Weise decken, Aber nicht schrecken.« Aus »Die Tugend« von Albrecht von Haller

130 Seiten, 7.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier III. Neun weitere Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier III. Neun weitere Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Für den dritten Band hat Michael Holzinger neun weitere Meistererzählungen aus dem Biedermeier zusammengefasst.

444 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon