XLII. Vom Wunder-Geschöpff Gottes in der Lufft.

[659] Die Lufft ist ein Element, von GOtt den Menschen und Thieren zu Nutz erschaffen; es müssen aber solche auch die Menschen offt zu einer Straffe GOttes empfinden: denn der Wind hat seine Eigenschafft an sich, nach dem er von Morgen / Mittag / von Abend oder Mitternacht bläset. Der Morgen-Wind wird für mäßig, warm und trocken, auch für gesund und heilsam gehalten, und bringet schönes Wetter, machet auch den Menschen in allen Verrichtungen geschickt. Der Mittags-Wind ist warm und feucht, und bringet leichtlich Regen. Der Abend-Wind ist kalt und feucht, neblicht und ungestümm, doch dabey fruchtbar, wiewohl den menschlichen Leibern nicht so gar zuträglich. Der aber von Mitternacht kommet, ist kalt und trocken, bringt Hagel, Schnee und Donner mit sich; reiniget hingegen die Lufft, vertreibt alle gifftige Dünste, ist aber der Gesundheit nicht eben sehr erbaulich. Diese vier Haupt-Winde werden hernacher wieder in 32. Classes getheilet, und zum Compass für Seefahrende, als rechte Wegweiser,[660] gebrauchet. Wann nun GOtt der HErr die Menschen durch seine Winde straffen will, so lässet er solche gewaltiglich herfürstürmen, welche offt grosse Palläste, Thürne, Mauren umwerffen, die dicksten Bäume aus der Erden, sammt ihrer Wurtzel, reissen, zu geschweigen des grossen Schadens auf dem Meer, wovon wir sehr viel Exempel allhier anführen könten, die aber sonder Zweiffel männiglich bekannt seyn.

Es lässet auch der allmächtige GOtt bisweilen dem Satan zu, daß er etwa an einem Orte einen schädlichen Wind, Donner, Hagel, Schlossen und dergleichen erwecket, wie denn der Teuffel genennet wird ein Fürst, der in der Lufft unter dem Himmel herrschet. Ephes. 2. V. 2. 6. 12. Das Büchlein Hiobs bezeuget auch, es habe der Satan Feuer vom Himmel fallen lassen, und einen starcken Sturm-Wind von der Wüsten her erreget, und dadurch dem frommen Hiob grossen Schaden an seinen Kindern und Gütern gethan. Job 1. Es vermag aber (wie gedacht) der Teuffel aus eigener Gewalt nichts verderben, wann es ihm GOtt nicht verhänget und zulässet, noch weniger können Zauberer oder Zauberinnen durch ihre Kunst zuwege bringen, das wenigste durch Wind oder Unwetter zu beschädigen.[661]

Bevor wir aber etwas mehrers von den Wunder-Geschöpffen GOttes in der Lufft und an den Wolcken des Himmels melden, wollen wir vorher von den lebendigen Creaturen handlen, welche der allmächtige GOtt wunderbar erschaffen, und in der Lufft umher zu fliegen geordnet hat; und zwar Anfangs finden wir Vögel in Irrland / so man Bernacles nennet.1 Diese Art Vögel werden auf eine seltsame Art gezeuget, denn sie haben weder Vater noch Mutter, sie kommen aus keinen Eyern, noch sonst aus einiger Gattung der Thiere, sondern kriechen aus dem Tannen-Hartz heraus / welche nächst dem Ufer des Meeres wachsen, und erstlich siehet man den Schnabel, der blicket hervor, und nach und nach kommet auch der Leib heraus, welcher, sobald er mercket frey zu seyn, in die Lufft flieget, und sich hernach nach den Sümpffen und morastigen Orten hinbegiebet. Die Geistlichen in dem Königreiche essen an den Fast-Tägen diese Thiere, weil sie vorgeben, daß dieselbe aus keinem Fleische gebohren wären.

Weil wir allhier der Vögel, so an Bäumen wachsen, gedacht, wollen wir auch nicht fürbey gehen, einer Pflantze eingedenck zu seyn, welche in der Moscau anzutreffen, und sonderlich vielfältig an dem Fluß Wolga zu finden, wird Banarets, ist auf[662] Moscowitische Sprache ein Lamm / genannt. Diese Pflantze bringt eine Frucht hervor, so die Gestalt eines Schaafs hat, also, daß man daran alle seine Glieder eigentlich verspühret.2 Diese Mittel-Creatur zwischen einem Thier und Gewächse, hänget an der Erde, durch seinen Nabel, und wechselt seinen Platz so offt, als es ihm sein Stamm zuläßt, und wie das Graß und Kräuter überall, wo nur solches hinkommet, verdorret, so sagen die Moscowiter, diese Pflantze mache es eben, wie die Schaafe; wann diese Frucht zur Reiffe gelanget, so wird dessen Stamm durre, und bekleidet sich mit einem weiß-härigen krausen und weichen Felle / als wie eines neugebohrnen Lämmlein seines ist, und wann dieses Fell zubereitet ist, so dienet es zum Unterfüttern. Man wird auch bey dieser Pflantze gewahr, daß sie nicht eher verdorret, als wann sie kein Graß mehr um sich hat, davon sie ihre Nahrung nimmet; und ihre Frucht hat den ordentlichen Geschmack als Lamm-Fleisch / auch ist der Wolff eben so begierig solches zu fressen, als wie er denen Schaafen nachtrachtet, und bedienen sich die Moscowiter dessen sonderlich, die Wölff damit zu fahen.

In Sina wird ein sonderbarer köstlicher Vogel gefunden, der an Zierde und Pracht alle Vögel der gantzen Welt weit überhebet, und nicht allein mit seinem[663] unbeschreiblichen schönen Feder-Schmuck, welchen kein Mahler vollkömmlich fürstellen kan, sondern auch mit der schönen Feder-Crone seines Haupts /und über das mit seiner Rarität oder seltenen Erscheinung den Eren-Titul eines Königs-Vögels, oder Vogel-Königs verdienet: und zwar um so vielmehr, weil er durch seine lange Abwesenheit dem Reich grosses Unglück, gefährliche Unruhe, und Veränderung, (Sinesischer Meinung nach) durch seine Ankunfft aber dem allgemeinen Wesen Glück und Flor bedeutet.3 Daher er auch von etlichen der Glücks-Vogel benahmet wird.

Auch werden beschrieben auf der Seefahrt nach Ost-Indien, eine grosse Menge Vögel, welche unterm Fliegen auf ihren Federn wie ein Bretspiel aussehen, und dahero auch solchen Nahmen bekommen; der Autor schreibt: Wir fingen ihrer bey stillem Wetter an der Schnur / und warffen ihnen etwas zu fressen hin. In den Federn sind sie so groß als eine Ende, am Fleisch, als wie eine grosse Taube, ihr Schnabel und Füsse gleichen den Wasser-Hünern.4

So findet man auch sehr grosse Vögel / so Meer-Adler genennet werden, welche zwischen beyden Spitzen ihrer Flügel sechs Füsse haben; dunckel-graue Eiß-Vögel / welche so groß als eine Amsel,[664] sie kommen insgemein mit einem Sturmwind sehr häuffig; so gibt es auch ferner Vögel, die Narren heissen, weil sie, wann sie irgendwo auf dem Schiff niedersitzen, sich gar leicht fangen lassen; sie sind weiß, und so groß als ein Capaun.


Es gibt auf dieser Reise auch fliegende Fische / an Grösse und Gestalt wie ein Häring / es seynd die besten Fische, so je können gefunden werden: Sie fliegen Stahrn-weise / wie die Stahren und erheben sich nie höher als 2. à 3. Ellen hoch über das Meer: Ihr Flug ist in einer graden Linie, und wann sie von den Boniten verfolget werden, fliegen sie so lange, als ihnen die Flügel naß bleiben; fallen sie dann im Flug auf eine trockne Stelle, so können sie eben so wenig mehr als andre Fische fortkommen: und es solte einer, der sie fliegen siehet, meynen, es wären Vögel, und dennoch haben sie keine Federn; ihre Floß-Federn dienen ihnen an statt der Flügel / solche haben 5. Zoll in der Länge, und in der Breite, und ihre Schwäntze sind bey 2. und eine halbe Zoll lang.5 Aus oberzehlten Wunder-Geschöpf GOttes können wir betrachten dessen wunderbare Güte und grosse Fürsorge gegen das menschliche Geschlecht, also, daß auch die arme See-fahrende Leute offtmahl auf dem wilden Meer mit ein oder der[665] andern guten Speise versorget und von GOtt verpfleget werden.

Unter die seltsame Lufft-Geschöpffe GOttes ist auch zu nehmen, ein frembder Vogel, genannt Eme, von D. Wormio Casearius, und von andern Casuarius genannt, dergleichen einer Anno 1548. zum erstenmahl von den Holländern, wegen seiner grossen Rarität von der Insul Java, in einer Ost-Indischen Reise mitbracht, welcher bey nahe noch einmahl so groß als ein Schwan ist, schwartz von Farb / welche auf einer Stangen sitzen, und zwey Spitzen von sich geben, welche Pflaumartig, wie am Vogel Strauß anzusehen, sind: dieser Vogel hat keine Flügel / auch keine Zunge / oben auf dem Scheitel des Haupts hat er einen Schild / so hart / als ein Schild von einer Schild-Krote / streitet mit seinen starcken Klauen, womit er als ein Pferd hinten von sich schläget.6 Am frembdesten ist, daß er keine Zunge hat, und schlinget derowegen alles, was er isset, gantz hinab, sogar, daß er einen Apffel, so als eine Faust groß, gantz einschlucket, und was noch seltzamer, feurige Kohlen ohne Schaden hinab verschlingen kan. Stücker Eisen schlucket er sehr gern, um seinen Leib damit abzukühlen.

Von dem Strausen, wovon in unsern Büchern viel Schreibens gemachet wird,[666] ist fast keine Rarität zu halten, und dannoch seynd gar wenig unserer Landen Leute, welche jemahl einen gesehen haben, ausser, daß ich mich, da ich noch ein kleiner Knab von 6. Jahren war, einen in Leipzig gesehen, welchen ein Holländer im Land umher führete und für Geld zeigete: solche Vögel finden sich in Africa, sonderlich auf dem Capo de bon Esperance gar häufig, wie Marxius in seiner Material-Cammer p. 187. berichtet.7 Dieser Vögel sind einige höher als ein Mann zu Pferd, werden zu 7. und einen halben Schuh hoch angetroffen, und ob schon diese Vögel gleich andern auch Flügel haben, so können sie dieselbe doch nicht zum Fliegen gebrauchen, sondern bedienen sich derer nur, daß sie desto geschwinder lauffen können, indem sie, wann sie gejaget und verfolget werden, dieselbe ausbreiten, und damit gleichsam als durch Segeln, von dem Wind fortgetrieben werden; dahero sie auch in einem Trab so geschwinde gehen, als ein Pferd in vollem Galoppe, wie Mallet in seiner Welt-Beschreibung von Africa pag. 84. bezeuget: sie sollen ihre Eyer in den Sand scharren, worinnen die Soldaten in Africa öffter 40. bis 50. finden, doch aber selbige auch mit Brüten eröffnen, da das Männlein und Weiblein sich einander ablösen, und damit ihre Jungen sobald Nahrung finden möchten, sollen die Alten einige Eyer, wann sie[667] bald ausgehen, zerbrechen, daß alsdann viel Würme darin wachsen, und den Jungen zur Nahrung dienen möchten: Die Alten aber nehren sich mit Gersten, Bohnen, Heu und Kräutern, welche sich in derer Leib finden, der mit 5. Zwerch-Fellen in 5. Theile unterschieden ist: daß aber einige den Leuten vor diesem glauben machen wollen, es könnten die Strausen das Eisen verdauen, zu dessen Wahrzeichen sie solche mit einem Huffeisen, im Schnabel gemahlet, abgebildet haben, solches ist ein bloß Gedicht, und gantz falsch, wiewohl geschehen könnte, daß solcher Vogel zuweilen mit dem Sand und Steinlein auch eisene Nägel mit einschlucken könnte, so ist die Folge nicht, daß er solche als eine Speise gebrauchet, weniger, daß sich solches in seinem Magen verzehren solte.

Der Nutzen, den wir dermahlen von dem Strausen haben, sind dessen Eyer, die zwar eine rechte Gestalt wie die Eyer haben, sie fallen aber sehr groß, offt als wie eines Kindes-Kopff, mit einer sehr dicken Schale, so auswendig bleich-gelb und inwendig weiß ist, ja, eine solche Höhle haben, daß man in eines derer Schalen wohl 36. Hüner-Eyer einfassen kan: solche werden in Africa nicht allein zur Speise gebrauchet, sondern derer Schalen auch hier zu Land in der Artzney gesuchet, wiewohl dafür gehalten[668] wird, daß solche vor unsern Eyer-Schalen keinen Vorzug haben.8

Ob uns wohl diese beschriebene Art Vögel in unsern Landen sehr frembd wegen ihrer Seltsamkeit fürkommen, so muß man doch gestehen, daß die Vögel, derer wir einige in unsern Ländern haben, eben so curieus seyn, wegen derer Uberfluß aber von uns nicht so sehr bewundert werden: man sehe an, unsere Pfauen / wie derer Männlein ein wunder-gestalter schöner Vogel ist / wann solcher seinen Schwantz ausbreitet, und mit den schönen Spiegeln an dessen Federn pranget: Gleicher Gestalt auch unsern Welschen Hahn / mit seinem rothen Kopf und Schnabel, auch andere Vögel, als den Sperber, und Widdehopffe, die Nacht-Eul und dergleichen mehr, würden die Africaner, Sineser und andere überm Meer wohnende sich nicht eben so sehr über derer schöne Gestalt verwundern, als wir uns über ihre wilde Art Vögel verwundern müssen?

Wir wollen uns mit unsern Gedancken aber wieder zu der Lufft wenden, und überlegen, wie unterschiedlich solche ist, davon eine dem menschlichen Geschlecht bald nutzbar bald schädlich fället: Von Irrland schreibt man, daß etliche Insuln in selbigem gelegen, allwo die Lufft den Menschen so bequem und ersprießlich sey, daß sie sehr[669] lange gesund lebeten: und wann solche sehr alt und Lebens-satt, sich an andere Orte bringen liessen, damit sie desto eher ersterben könnten.9 Hingegen ist auch an einigen Orten die Lufft unrein, vergifft, und den Menschen schädlich, wie an seinem Ort gedacht werden soll, auch ist die sehr kalte Lufft nach Hippocratis Meinung sehr offt gefährlich, wann er saget, daß alle Kälte den Beinen, Zähnen, Nerven, Gehirn und dem Ruck-Marck schädlich sey; solches kan mit Exempeln bewiesen werden, wie derer Th. Bartholinus in seinen Historiis Anatomicis gedenckt: Daß einst ein lustiger junger Freyer habe drey mannbare Jungfrauen / bey hefftiger Kälte, auf dem Eiß in Schlitten herum geführet, und aus Kurtzweil eine lange Zeit mit solchen Rädlein gedrehet, oder Ringlein gemachet; wovon die guten Töchter bey ihrer Heimfahrt, sich gleichsam ausser sich selbst, und unsinnig befunden, und nicht allein auf alles Befragen gantz ungereimte Antwort gegeben, sondern auch zu allen Geschäfften untauglich worden; Dahero man dieselbe 14. Tage in einem stillen Zim mer verwahren muste: obwohl es ihnen an Lust zur Speiß und Tranck nicht ermangelte, so konten sie doch nicht wieder zu Verstand kommen, bis selbigen das Haupt durch ordentliche Wärme wieder in guten Stand gebracht wurde. Derowegen hat man sich für allzuhefftiger[670] Kälte wohl zu hüten: doch lehret auch die Erfahrung, daß allzu grosse Hitze dem Gehirn gleichfalls schädlich sey, jedoch ist die Kälte gefährlicher.

An den unvernünfftigen Thieren ist zu bewundern, wie GOtt alles so weißlich geordnet: Man betrachte die Störche, die allzeit in der Lufft wohnen, auch ihre Nester in freyer Lufft haben, und weniger auf Regen als Ungewitter sehen, dennoch aber ihre eigentliche Zeit wissen, wann sie kommen und wieder fortreisen wollen: wann wir uns aber um derer Winter-Quartier bekümmern wollen, so sagen einige, die Störche sucheten ihre Winter-Quartier in den warmen Ländern.10 Einige wollen auch den Ort benennen; Bellonius saget: sie kämen in Egypten: Oppianus saget, in Æthiopien, andere in Java, andere in Licien; Isidorus will, sie flöhen in Asien; Aristoteles aber in Historia Animalium lib. 8. cap. 21. Them. 172. schreibt: Der Storch ist verborgen; das ist, man weiß nicht, wo er im Winter stecket. Obberührte Autores sagen; die Störche müsten sich im Winter an einen andern Ort begeben, weil man sie wegziehen und wieder kommen sehe. Plinius aber schreibt in Histor. natur. Lib. 33. cap. 23. l. X.11 Es hat niemand die Störche wegziehen sehen, sondern nur, daß sie wegziehen wollen; Es hat sie auch[671] niemand wieder ankommen sehen, sondern nur, daß sie ankommen seyn; Denn beydes geschiehet in der Nacht: und ob sie gleich hin- und her fliegen, so kan man doch nicht sagen, daß sie jemahls anders, als in der Nacht ankommen wären; und bey dieser Meynung des Plinii beruhen auch die meisten Naturkündiger.

Welche aber den sichersten Weg zu der Störche Winter-Quartier vermeynen gefunden zu haben, sprechen: Sie stecken zu Winters-Zeit in den Wässern.12 Dieses wird Anfangs aus der Erfahrung erwiesen, und berichtet Baptista Fulgosus p. 55. a. b. cap. de Avibus animalibusque aliis admirandis: Es habe GervasiusTibelisus, des Arelatensischen Reichs Marchall, an Ottonem IV. geschrieben, daß in einem See selbigen Landes etliche Leute im Winter fischen wollen, und viel Störche mit dem Netz ans Land gezogen hätten, welche fest aneinander gehangen, indem immer einer dem andern seinen Schnabel in den Hindern gesteckt gehabt; und als man selbe in die Wärm bracht / wären sie alle lebendig worden. Deßgleichen sind auch in Lothringen in einem andern See viele Störche gefunden worden, welche auch, nach beschehener Erwärmung, wieder lebendig hervor kommen. Andere hingegen[672] wollen es behaupten, daß die Störche gegen den Winter in warme Länder ziehen. Gesnerus beziehet sich darauf: Es habe Justinus Goblerus, ein gelehrter Jurist / an ihn geschrieben, es habe der Storch, so jährlich auf seinem Hause nestete, ihme eine frische Imber-Wurtz bey seinen Füssen niederfallen lassen, und wolte daraus behaupten, daß die Störche im Winter in warmen Ländern wohneten. Es saget aber ein anderer: Die Imber-Wurtzel könte wohl in der Gegend bey Wesel gewachsen seyn, weil, nach Leickeri Zeugniß in Orat. de Ubertate & prærogat. temporis nostri p. 13. das Erdreich nicht, wie vor diesem, so wüst lieget. Es hätte auch diese Wurtzel schwerlich annoch frisch seyn können, wann sie von so weiten Orten aus Indien wäre hergebracht worden.

Wolte man fragen, warum doch die Störch im Winter ihre Nester verlassen? würde zur Antwort folgen: Daß es nicht aus Kälte, sondern aus Mangel ihrer Nahrung, geschiehet: denn im Winter finden sie solch Unziefer nicht, wovon sie im Sommer leben müssen.13 Und daß die Störche der Kälte wegen wohl dauren können, erweise ich damit, daß vormahls zu Leipzig der berühmte Stadt-Physicus, D. Welsch /etliche Jahre einen Storch in seinem Hof mit abgestutzten Flügeln unterhalten, und Winter- und Sommer-Zeit mit allerhand[673] Eingeweide aus Hünern, Endten und dergleichen, füttern lassen.

Den gewissen Tag ihres Abzugs halten einige vor den 23. Julii / andere den 10. Augusti; andere setzen die Zeit weiter hinaus, da man doch beobachtet, daß man nach dem 13. Aug. selten mehr einige Störche wird gemercket haben.14 Wann aber die Störche wieder kommen, davon wird aberglaubisch discurirt. Einige sagen: Wer den Storch zum erstenmahl siehet / wird das gantze Jahr träncklich seyn. Knechte und Mägde sagen: Sie haben den Storch auf einem Fuß stehen sehen / ergo würden sie dieses Jahr in ihrem Dienst verbleiben. Köchinnen sagen: Sie haben den Storch zum ersten klappern hören / derowegen würden sie viel Hafen und Schüsseln zerbrechen. Und dergleichen Narren-Werck mehr. Was aber der Störche Ankunfft betrifft, so schreiben etliche, daß solche am 20. oder 22. Febr. geschehe; andere sagen: Ihre Ankunfft sey am 12. Monats Martii / am Tage Georgii / oder den 17. Martii / am Tage Gertrudis. Und dieses ist das / Wahrscheinlichste. Kan man nun gleich den Tag so genau nicht bemercken, so lehret doch die Erfahrung, daß solche Ankunfft um den Tag Georgii geschehe, da dann zu verwundern,[674] daß solche ihre vorige Nester, welche sie den Winter über verlassen, so genau wieder finden können. Wann sie solche nun einnehmen, verbessern sie wieder, was den Winter über vom Wetter verderbt worden, und bereiten solche auf das beste zu, denn sie halten diese Gewohnheit, daß das Männlein 10. Tage eher als das Weib ankommet / binnen welcher Zeit er sein Nest aufs beste bereitet, sein Weib begierig erwartet, und bey derer Ankunfft seine Freude mit den Flügeln zu verstehen gibt. Sobald sie ins Nest kommet, empfähet er sie freundlich, und schlinget sich um ihren Halß, worbey denn ein stilles Zischen / als eine Unterredung / gemercket wird. Vid. Heldelius d. l. apud Gesnerum p. 264. und Rollenhagen d. l. p. 318. Es haben aber die Störche etwas an sich in ihrer Natur, so einige Verwunderung erwecket, davon eines anhero gesetzt wird, welches Camerarius Decad. 10. Problem. 8. p. 92. 93. & 94. erzehlet: Es hatte sich ein gewisser Mann ein Land-Gut gekauffet, die alten Gebäude abgerissen, und neue an derer Stelle aufrichten lassen; es war aber auf dem einen Hause von langer Zeit her ein Storchs-Nest gewesen, deßwegen hatte der Bau-Herr denjenigen Theil der Scheuer, auf welchem das Storch-Nest war, zuletzt abnehmen und von dar auf das beste ersterbauete Stück der[675] neuen Scheuer bringen lassen, versetzte auch die Jungen Störche an selbigen neuen und bequemen Ort, nachdem er die Alten mit vieler Mühe aus vorigem Neste hatte jagen müssen.15 Er meynete, die alten Störche würden auch den jungen in das neue Quartier nachfolgen; sie macheten aber ein groß Geklapper mit den Schnäbeln, und flohen davon. Da sie nun zwey Stunden lang weg gewesen waren, kamen sie wieder, und brachten viel andere Cameraden mit, flogen mit allerhand drohenden Geberden und grossem Geräusche um das alte Nest herum, sahen 3. bis 4. mahl hinein, und beobachteten, was vorgegangen war, von dar flogen sie auf eine Wiese; als sie daselbst eine kleine Weile beysammen gestanden hatten, flogen die übrigen alle davon, die zwey aber, derer Junge im neuen Nest waren, bezogen die neue Wohnung.

Ich habe selbst beobachtet, daß ein Landmann in Graupünthen / bey Tussis, im Junio nächtlicher Weile vier Störch mit seinem Knecht, durch unerhörte Mühe, von einem zwar niedrigen Stadel gefangen genommen, solche Curiosität wegen zusammen in einen Gänse-Stall eingesperret, und mit Fröschen, auch anderem Luder, zur Gnüge versehen lassen.16 Anfangs wolten solche weder essen noch trincken, daß auch am vierten Tage der Hauß-Herr vermuthete,[676] sie würden nicht länger leben können; aber am fünfften Tage sind sie von Hunger gezwungen worden, daß sie alle Frösche, so man in ein Züberlein Wasser zusammen gebunden gesetzt hatte, gar reinlich aufgefressen; ja es wurden dieselbe endlich ihrer Gefängniß gewohnt, daß sie gar wohl zu erhalten waren, wiewohl Junge und Alte allezeit gantz traurig waren. Nachdem aber die Zeit heran kommen, daß andere Störche wegziehen wolten, haben diese viere ein solches Geflatter und Geklapper angehoben / daß man sich fast für ihnen fürchten muste. Nun waren indeß alle andere Störche im Lande fort, da trieb den Hauß-Wirth die Curiosität, zu sehen, was diese vier zurück gelassene Störche anfahen würden, und da der Monat September anfinge, liesse er solche aus seinem Arrest, und trieb sie in den Garten; sie konten aber nicht fliegen, ungezweiffelt, weil sie in 10. Wochen so eingesperret gewesen, und sich nicht geübet hatten. Sie sahen sich aber an allen Ecken gegen den Himmel her um, und des andern Tages fande man sie beysammen in einer grossen Wiese, allwo sie auch 4. Tage verharreten, am 5ten Tage aber war keiner mehr zu hören noch zu sehen, und hatten sich solche in selbiger Nacht fort gemachet, und niemand konte etwas von derer Abreise sagen. Des folgenden Jahres im Frühling, vermeynete der Hauß-Wirth,[677] daß solche wieder kommen, und ihr alt Quartier beziehen würden, aber kein Storch wolte mehr in solches Nest trauen: weßhalber auch der Hauß-Herr dasselbe nach zwey Jahren gar von der Stadel herunter werffen lassen. Was sonst mehr von der Störche Klugheit und derer Eigenschafft zu wissen vonnöthen, davon findet sich Nachricht in M. Prætorii Disputatione de Crotalistria tepidi temporis hospita.

Nun fället auch die Frage für: Wo denn die Schwalben ihre Winter-Quartier aufschlagen? Es fället aber die Antwort wie bey den Störchen fast gleich.17 Was dero Zeit der Abreise anlanget, so schreibt Ranzovius Calend. sub Martio p. 44: Es zögen die Schwalben im Augusto weg; Schwenckfeld hingegen saget in Theriotroph. Siles. es geschehe im September. Warum solche aber um diese Zeit wegziehen, geschiehet ihrer zarten Natur wegen, weil sie das rauhe Wetter, so alsdann einfället, nicht vertragen können.18 Wo aber die Schwalben hinziehen, davon fallen unterschiedene Meynungen. Einige sagen: Sie verkröchen sich in warmen Thälern. Andere: Sie zögen in die warmen Länder / und wendeten sich in Africa, worüber doch sehr gezweiffelt wird. Es wird aber befunden, daß sie allerhand Winckel suchen, worinnen sie den Winter über als[678] todt liegen. Etliche aber bezeugen, daß sich etliche Schwalben im Winter in holen Bäumen aufgehalten, und wären in einer faulen Eiche / so man im Winter umgehauen, eine grosse Menge Schwalben gefunden worden; viele Fischer aber bezeugen, daß sie auch sehr viele im Grunde der Flüsse und andern stehenden Wassern angetroffen und heraus gezogen, welche hernach in der Wärme wären wieder lebendig worden. Dieweil sich aber vielerley Schwalben, als Hauß- Feld- Wasser- und Mauer-Schwalben finden, so ist zu zweifflen, daß sich solche alle im Winter an einen Ort begeben werden.

Die Art, wie die Schwalben in ihren Winter-Quartieren einlogiret seyn, davon bezeuget Bodinus und andere Scribenten, daß sie vest ineinander geschlossen seyn; daß sie aber ihr Leben haben, siehet man, daß, wann sie in die Wärme kommen, sie sich alsobald zu regen anheben.

Wann nun die Schwalben ausgewintert haben, so kommen solche nicht Hauffen-weise, sondern eintzeln, dahero heisset es nach dem alten Sprichwort: Eine Schwalbe macht keinen Sommer. Das wundersamste aber ist, daß eine jede ihr Nest wieder zu finden weiß.19 Vid. B. Jac. Thomasius in Dissertatione de Hibernaculis Hirundinum.

Marginalien

1 Seltsame Art Vögel / so an den Bäumen wachsen.


2 Lämmer wachsen an den Stauden.


3 Königs- oder Glücks-Vogel in Sina.


4 Vögel / so auf dem Meer zu sehen / wann man nach Ost-Indien fähret.


5 Fliegende Fische.


6 Wunderbarer Vogel / Casearius genannt.


7 Beschreibung des Strausen.


8 Strausen-Eyer.


9 Gesunde Lufft in den Irrländischen Insuln. Kalte Lufft schädlich.


10 Wo die Störche im Winter hinziehen.


11 Plinii rechte Antwort darüber.


12 Störche werden Winters-Zeit in sumpffigen Wassern gefunden.


13 Warum die Störche im Winter ihre Nester verlassen.


14 Welche Zeit die Störche wegziehen und wieder kommen.


15 Verwunderungswürdige Natur der Störche. Historie davon.


16 Vier Störche werden bis nach Abreise der andern eingesperret.


17 Wo die Schwalben ihre Winter-Quartier machen.


18 Wann und wohin solche ziehen.


19 Wann solche wiederkommen.


Quelle:
Bräuner, Johann Jacob: Physicalisch= und Historisch= Erörterte Curiositaeten. Frankfurth am Mayn 1737, S. 659-679.
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