XLVIII. Vom grossen Christoffel.

[775] Von dem grossen Christoffel wird hin- und wieder in den Teutschen und andern Landen viel Sagens gemachet, bey einigen wird solcher für einen grossen Heiligen geachtet, bey andern aber nur für ein Mährlein angenommen, auch wird hin- und wieder dessen Bildniß aufgestellet: zu Mayntz im Dorff Weissenau ist solcher an einer am Rhein stehenden Capelle angemahlet, allwo wenig Römisch-Catholische fürbey gehen, welche ihm nicht mit Hut abziehen Reverenz erweisen solten; zu Bern in der Schweitz ist dessen Bild in unglaublicher[775] Grösse von Holtz unter einem Bogen am Spital-Thor aufgestellet, so insgemein das Christoffels-Thor genannt wird: welches vor einigen Jahren durchs Wetter herab geschlagen, aber wieder viel köstlicher aufgerichtet worden: In andern Städten wird er hin und wieder abgemahlet angetroffen.

Von solchem grossen Christoffel / welcher nach Inhalt der Legendæ aureæ oder des Passionalis Sacri, so Anno 1510. gedruckt worden, um das dritte Seculum nach Christi Geburt gelebet, werden unglaubliche Dinge erzehlet; Molanus cap. 27. de sacris picturis weiset folgendes Gebet an den grossen Christoffel auf.1


Christophore Sancte, virtutes sunt tibi tantæ,

Qui te mane vident, nocturno tempore rident.

Christophori Sancti speciem quicunque tuetur,

Ista nempe die non morte mala morietur.


Id est:

Du heiliger Christophore / deine Krafft ist so groß, wer dich des Morgens siehet, lachet in der Nachtzeit: wer des heiligen Christophori Bildniß wohl bewahret, der wird denselben Tag keines bösen Todes sterben.[776]

Unter andern wird von solchem grossen Christoffel erzehlet, er habe aus Cananæa seinen Ursprung gehabt; seine grosse Gestalt wird von denen Autoribus auf unterschiedene Art beschrieben.2 Baronius schreibt in Martyrolog. ad 25. Julli p. 453. Er wisse nicht, was er von der Riesen-Statur des grossen Christoffels / in welcher man denselben zu mahlen pflegete, sagen solle. Kurtz hernach gedenckt er nachgesetzter Verse aus einem Liede, worinnen demselbigen zu Ehren dessen Gestalt einiger massen vorgebildet worden:


Elegans quæ statura, mente elegantior,

Visu fulgens, corde vibrans & capillis rutilans,

Ore Christum, corde Christum Christophorus insonant.


Das ist:

Christophorus ist von schöner Gestalt, und noch schönerem Gemüthe, gläntzet im Gesichte, leuchtet im Hertzen, schimmert mit den Haaren, hat Christum im Munde und Hertzen. Petrus de natalibus de Sanctis in Mens. Julii p. 128. c. 135. Edit. Lugdun. Anno 1519. saget: Er habe ein entsetzlich Gesicht gehabt / und seye 12. Schuhe lang gewesen. Diesem stimmet die vorgedachte Aurea Legenda cap. 95. bey, wann allda stehet, er sey von langer und Riesen gleicher Statur,[777] und zum wenigsten zwölff Ellen hoch gewesen.3 Er habe zum Zeichen seines Gehorsams gegen einen Einsiedler, der ihn im Christlichen Glauben und guten Sitten unterwiesen, bey einem gewissen Flusse, der sehr tieff gewesen, und darinnen viele Leute im Durchwaden umgekommen, die, so über denselben Fluß verlanget, hinüber getragen. In einer Nacht sey ihm der HERR JEsus Christus erschienen, in Gestalt eines Knabens, der ihme zugeruffen, er möchte ihn doch über den Fluß tragen.4 Als Christophorus diesen Knaben auf seine Schulteren geleget, und also durch den Fluß gewadet, da wären die Wellen aufgeschwollen, und der Knabe sey so schwer worden, als ob er die grösseste Last auf seinem Halse gehabt, und wäre Christophorus gar in Gefahr ge kommen. Als er nun über dem Fluß gewesen, habe er den Knaben niedergesetzet, und zu ihm gesprochen: Du, Knabe, du hast mich gewiß in grosse Gefahr bracht, denn du hast so schwer gewogen, als ob ich die gantze Welt auf dem Halse hätte. Der Knabe habe ihm geantwortet: Verwundere dich nicht, weil du denjenigen auf der Schulter gehabt hast, welcher die gantze Welt regieret; ich bin der HErr JEsus Christus /dem du hierinnen gedienet[778] hast, und dein Lohn wird groß seyn. Es soll der HErr JEsus auch zum Zeichen seiner Bekehrung befohlen haben, seinen Stab in die Erde zu stecken, welcher frisch blühen und Frucht tragen würde. Und wie er solches gethan, habe den folgenden Tag der Stab als ein Palm-Baum geblühet und Datteln getragen v. Petrum de Natalibus c.l.


Die Römisch-gesinnete glauben solches als eine wahrhaffte Historie / haben deßwegen auch dem heil. Christophoro zu Ehren ein Fest angesetzt, und pflegen noch gewisse Gebeter an ihn abzuschicken. Die Form, derer sie sich bedienen, hat Chemnitius in Examine Concilii Tridentini part. 3. angewiesen, die lautet im Teutschen also: O du glorwürdiger Märtyrer Christophore, sey unser allezeit bey GOtt eingedenck, erhalte unsern Leib, Sinn und Ehre, der du bist gewürdiget worden, die Himmels-Blume allhie auf den Armen über das Meer zu tragen, gib doch nach solcher grossen Würdigkeit, daß wir die Sünde meyden, und GOtt von gantzem Hertzen, für allen zeitlichen Dingen, mit Lob und Wunsche lieben, und nach den Liebkosungen dieser betrübten Welt in deiner Gegenwart in das himmlische Reich geführet werden.5

Andere halten solches für eine Fabel, und bezeuget Baronius in Martyrolog.[779] daß dieses Mannes Thaten gar zerstimmelt und unterschieden gefunden würden, und hat auch kein eintziger Scribent aus dem dritten Seculo, noch in nächst-folgender Zeit, von dieses Heiligen Eltern und seiner selbst eigene Meldung gethan. Hieronymus Vida, Bischoff zu Alba, hat aber alles dasjenige, was von dem H. Christophoro, nehmlich vom Palm-Baum, vom Flusse und von der grossen Gestalt erzehlt wird, auf allegorische Art erkläret. Villavincentius, ein Päbstischer Theologus, lib. 3. cap. 7. de rat. stud. Theol. schreibt davon also: Es zweiffelt niemand, daß das Bild (des grossen Christoffels) von den heiligen Vätern deßwegen ersonnen worden, daß es einen Prediger des Evangelii abbilden soll, welcher, indem er Christum erhebet und umher träget, damit er von allen gesehen und erkannt werden möchte, unter den Stürmen und Wellen in Gefahr schwebet, jedoch durch die Hoffnung der angenehmsten Früchte, so er inskünfftige und nach diesem Leben bekommen soll, und so ihm die oben im Himmel grünende und blühende Ruthe verspricht, unterhalten wird. Und Lutherus spricht Jenens. Tom. 5. Germ. pag. 313: Ihr wisset alle wohl, wie man S. Christophorum mahlet, hin und wieder, solt aber nicht gedencken, daß je ein Mann gewesen sey, der also[780] geheissen, oder leiblich das gethan habe, was man vom Christoffel saget; sondern der dieselbe Legend oder Fabel gemachet hat, ist ohne Zweiffel ein feiner vernünfftiger Mann gewesen, der hat solch Bild dem einfältigen Volck wollen fürmahlen, daß sie ein Exempel und Ebenbild eines Christlichen Lebens, wie dasselbe gericht und geschickt seyn soll, hätten.6 Was es sonst mit dem grossen Christoffel für Beschaffenheit habe, kan bey dem wohl-informirten Redner in seiner 40. Frage nachgelesen werden.


Hermann Süden in Critico Part. I. pag. 407. beschreibt von Christophori Leben und Thaten, wiewohl etwas fabelhafftes, folgendes: Als Christophorus einst bey einem Cananæischen König stunde, kam ihm ein, er wolte den grösten König / den man in der gantzen Welt hätte / suchen, zu demselben gehen, und bey ihm bleiben, dahero kam er zu einem grossen Könige, von welchem das gemeine Geschrey ging, daß man keinen grössern Fürsten in der Welt habe.7 Als ihn der König sahe, nahm er ihn gnädig auf, und verschaffete ihm an seinem Hofe Aufenthalt. Einstens aber sange ein Possenreisser ein Lied vor dem Könige, worinnen er offt den Teuffel nennete;[781] weil nun der König ein Christ war, so machete er ein Creutz vors Gesichte, so offt er den Teuffel nennen hörete. Als solches Christophorus sahe, wunderte er sich, warum doch der König solches thate, und was dieses Zeichen bedeutete: als er nun den König deßwegen fragete, und derselbe ihm dieses nicht sagen wolte, antwortete ihm Christophorus: Wofern du mir solches nicht sagest, mag ich nicht mehr bey dir bleiben; derowegen saget ihm der König wider seinen Willen: Wann ich den Teuffel nennen höre, so verwahre ich mich mit diesem Zeichen, weil ich mich befürchte, er möchte sonst Gewalt über mich bekommen, und mir Schaden thun. Worauf Christophorus sagete: Wenn du dich für dem Teufel fürchtest /daß er dir nicht schaden möge / so muß derselbe grösser und mächtiger seyn / denn du. Demnach bin ich in meiner Meynung betrogen, weil ich vermeynete, ich könte keinen grössern und mächtigern Herrn, als du bist, finden. Allein nun nehme ich von dir Abschied, weil ich den Teuffel selbst suchen will, daß ich ihn zu meinem Herrn annehme und sein Knecht werde. Also ging er von selbigem Könige weg, und wolte den Teuffel suchen. Als er aber durch eine Wüsten reisete, sahe er eine grosse Mengen Soldaten, von denen[782] einer, ein wilder und entsetzlicher Kerl, zu ihm kam, und ihn fragete: Wo er hin wolte? welchem Christophorus zur Antwort gab: Ich gehe / den Herrn Teuffel zu suchen / daß ich ihn zu meinem Herrn annehme. Der Soldat antwortete: Ich bin der, den du suchest. Christophorus war voller Freuden, ergab sich ihm zum ewigen Knechte, und nahm ihn zu seinem Herrn an. Da sie nun untereinander fortwanderten, und auf einem gemeinen Wege ein aufgerichtetes Creutz antraffen, flohe der Teuffel bey dessen Anblick voller Erschröcken davon, verließ den Weg, führete Christophorum durch eine rauhe Einöde, und brachte ihn hernach wieder auf den Weg. Christophorus verwunderte sich hierüber, und fragete ihn: Warum er sich so sehr gefürchtet, den gebahnten Weg verlassen, und durch eine solche Wüsteney gereiset wäre? Der Teuffel wolte ihm die Ursache hievon nicht sagen, bis Christophorus anfing: Wann du mir solches nicht sagest / will ich alsobald von dir scheiden. Demnach ward der Teuffel genöthiget, ihme folgenden Bescheid zu geben: Es ist ein Mensch, welchen man Christus nennet, gecreutziget worden, sobald ich nun das Zeichen dieses Creutzes sehe, so erschröcke ich, und fliehe davon. Worauf Christophorus[783] antwortete: So ist dieser Christus / für dessen Creutz du dich so sehr fürchtest / grösser und mächtiger als du; dannenhero habe ich mich vergebens bemühet, und doch noch nicht den grösten Fürsten der Welt angetroffen. So gehab dich wohl /dann ich werde dich verlassen / und CHristum selbst suchen. Vid. Aurea Legenda l.c. Jac. de Voragine apud Antoninum Tit. 8. cap. 1. §. 41.


Von des Christophori Bekehrung zu Christo stehet in mehrgedachter Legenda folgendes: Es kame Christophorus zu einem Einsiedler / welcher ihn im Christlichen Glauben und guten Sitten unterwiese, worunter auch dieses mit begriffen war, daß er fasten / beten und anders dergleichen thun müsse.8 Christophorus sagete: Solches Dinges bin ich nicht gewohnt, und kan es auch nicht thun. Der Einsiedler legte ihm hierauf zur Probe seines Gehorsams gegen einen so grossen König und HErrn dieses auf, weil er so groß von Leibe wäre, er bey einem gewissen Flusse, der sehr tieff war, und darinnen viel Leute im Durchwaden umkommen, stehen bleiben, und die Leute, so über denselben verlangeten, auf den Schultern hinüber tragen sollte. Christophorus[784] nahm solches über sich, bauete sich bey selbigem Fluß eine grosse Hütte von Holtz auf, und trug alle Leut hinüber. In einer Nacht aber schrye ein kleiner Knabe und ruffete ihn, er möchte ihn doch über den Fluß tragen. Christophorus kam aus seiner Hütte hervor, und fand niemanden, der Knab aber wiederhohlte sein Begehren zu dreyen mahlen. Christophorus erblickte beym dritten mahl ein Knäblein / welches in dessen Ge stalt der HErr JEsus Christus selbst war. Christophorus legte diesen Knaben auf seine Schultern, und watete also durch den Fluß, da die Wellen aufgeschwollen, und der Knabe schwer war, als ob er die gröste Last auf dem Hälse hätte, und kam Christophorus gar in Gefahr. Als er nun über dem Fluß ware, setzte er den Knaben nieder, und sprach zu ihm: Du Knabe hast mich gewiß in grosse Gefahr gebracht / denn du hast schwer gewogen / als ob ich die gantze Welt auf dem Halse hätte. Der Knab antwortete ihm: Verwundere dich nicht / weil du denjenigen auf deinen Schultern gehabt hast / welcher die gantze Welt regieret; ich bin der HErr JEsus Christus / dem du hierinnen gedienet[785] hast, und dein Lohn wird groß seyn. Petrus de Natal. setzet loc. cit. folgendes grosse Wunderwerck von oben angeführtem Palm-Baum und Datteln darzu, woraus Christophorus merckte, daß ihm Christus erschienen wäre. Die Aurea Legenda l.c. cap. 95. berichtet auch: Es habe Christophorus nach diesem hin und wieder Christum geprediget, und zwar zu Samos, einer Stadt in Lycien, woselbst er auch viel zum Tode verurtheilte und die Marter ausstehende Christen aufs beste mit seinen lieblichen Reden erquickete.


Was dieses grossen Christoffels Tod anlanget, so wird gar unterschiedlich davon berichtet, jedoch fallen die meisten Autores dahin, daß er unter Kayser Decio die Marter ausgestanden; aber in der Art des Todes sind solche nicht gleichstimmig. Petrus de Natal. lib. 9. c. 135. Historia Lombardica cap. 95. und einige andere berichten: Er sey von König Dagno (vor welches andere den Kayser Decium lesen) gefangen, und ihm auf dessen Befehl ein feuriger Helm aufgesetzt worden, als man ihn vorher schröcklich mit einer Ruthe gepeitschet hätte; hernach hätte er ihn in eine Banck, welche eben so lang, als er, war, zu binden, mit viel untergelegetem Feuer anzuzünden,[786] zu verbrennen, und seinen Leib mit siedendem Oehl zu begiessen / befohlen; er wäre aber wunderbarer Weise errettet worden, und hätte Christum nochmahls geprediget: da hätte man ihn wiederum ergriffen, und an einen Pfahl gebunden, an welchem ihn die Soldaten mit Pfeilen ermorden sollen / wäre aber gantz unversehret blieben; jedennoch sey ihm zuletzt der Kopff abgeschlagen worden / und also habe er seinen Märtyrer-Tod ausgestanden. Das Buch der Chronicken und Geschichten mit Figuren und Bildnissen von Anbeginn der Welt bis auf diese unsere 1510. Jahre, zu Augspurg herausgegeben, redet von seiner Marter pag. 111. also: Christophorus, der Märtyrer / ein Mann gerader Person, unvergleichlicher Grösse und Stärcke, hat dieser Zeit in Samo, der Stadt Lyciens, des Landes Asiæ, um Christo den Tod gelitten, dann er ward erstlich mit eisernen Ruthen geschlagen / darnach mit Flammen gebrennet / und doch aus Göttlicher Krafft behalten, aber zuletzt mit Geschossen der Pfeile ergraben / und darnach enthauptet / am 25. Tag des Monats Julii / der dann, als sie sagen, den HErrn JEsum in Kindes-Gestalt[787] auf seinen Achseln über das Wasser getragen hat.


Von dieses grossen Christoffels Reliquien wird gar viel Wesens gemachet.9 Die Zähne desselben sollen, nach Chamieri Bericht in Panstrat. lib. 2. c. 26. num. 15. bey Pariß / wie auch in Spanien und zu Genua, gefunden werden. Joh. Ludov. Vives, ein Catholischer Scribent, redet in cap. 9. lib. 15. Augustini de Civitate Dei pag. 454. Edit. Basil. 1512. hiervon also: Als wir am Fest des heiligen Christophori in die grosse Kirche unserer Stadt gingen, gedachten Heiligen anzubeten, ist uns ein Backen-Zahn gezeiget worden, welcher grösser als eine Faust war, und vor des heiligen Christophori Zahn ausgegeben wird.


Vor diesem zeigte man zu Halle drey Particul von dem Haupt S. Christoffels / wie auch ein mercklich groß Stücken von desselben Kopff / einen gantzen Zahn, und von Zähnen zwey Particul, von Armen und Röhren sieben grosse Particul, vom Schienbein ein groß Stück, seines heiligen Gebeins 106. Particul, auch noch sieben andere Stück von ihm. v.B. Franzii Historische Erzehlung[788] der Reliquien im Schloß Wittenberg pag. 58. 1113. 53. 56. 58. 60. Zu Wittenberg hatte man vor diesem von Zähnen ein groß Particul, und von einem Arm ein Particul, von einem Daumen ein groß Particul, und 36. Particul des Gebeins. v. Franzius l.c.p. 31. Zu Rom weiset man auch einen gantzen sehr langen Arm von diesem Heiligen. vid. Mirabilia Urbis Romæ p. 69.


Was mit diesen und allen andern Reliquien der Heiligen im Pabstthum schon so lange Zeit vor Betrug vorgegangen, ist zur Gnüge bekannt, und schreibt der Auctor Anonymus im Kunst-Griffe der Frantzösisch. Geistlichkeit pag. 108. folgender Gestalt: In dem 1668. Jahr schickte der Pabst Alexander VII. drey Küsten voll Reliquien in Franckreich, dieselbe in die Spital-Kirche zu legen; die drey Küsten waren mit rother Seyde gebunden, und mit dem Siegel des Cardinals Ginetti, Verwalters der Reliquien und des Päbstlichen Meßners / bezeichnet.10 Bey diesen Reliquien ware eine Bulle, welche mit sich brachte, daß man dieselbe dem Volck ohne Scheu zu verehren vorigen könte. Man hatte schon an allen Orten prächtige Zettel angeschlagen, das Volck zu dieser Andacht zu beruffen; die[789] Bischöffe von Bayeux und Cahors, P. Thom. Cosme, P. Crasset und der Abt Fromentieres waren schon angeleget zu predigen, dennoch beschlosse man, sie zuvor zu besichtigen. In der dritten Küste fande man einen Kopff / welcher Anfangs wahrhafftig schiene, mit dieser Uberschrifft: Caput Sancti Fortunati. In dem Besichtigen nahme man oberhalb dem einen Ohr ein Stück gemahltes Tuch wahr; der Artzt, Herr von St. Germain, nahm ein Eisen, bohrete damit hinein, und befande, daß es ein Kopff mit Karten-Papier ware / hierauf stieß man ein Wachs-Licht hinein, aber das Licht schiene nicht durch. Endlich warff man den Kopff in heisses Wasser, da das Gemählde ausgelöschet, und die Karten weich wurden. Der Herr von St. Germain hat darauf alles, was er gesehen, schrifftlich verfasset, aber durch einen heimlichen Brief ist er gewarnet worden, es nicht zu weisen, widrigenfalls er von Stund an in die Bastille werde geworffen werden.

Es haben die Papisten auch dem Heil. Christophoro zu Ehren ein Fest angesetzet, und pflegen gewisse Gebeter und Lob-Sprüche an ihn abzuschicken, derer Formulen Eingangs gedacht worden.[790]

Was nun von dieser gantzen Fabel zu halten, und was der selige Lutherus, wie oben angeführet, von diesem Christoffel gesaget, ist die rechte Wahrheit, und seiner Meynung stimmen auch alle Evangelische Lehrer bey, auch die klugen Papisten kommen mit selbigen überein. Wollen es also für eine feine Fabel halten, und unsern Rein-Evangelischen für keine Wahrheit fürbilden.

Marginalien

1 Wann solcher soll gelebet haben.


2 Woher solcher gewesen.


3 Dessen Grösse.


4 Hat eine Erscheinung.


5 Gebet der Römisch-Catholischen zu S. Christophoro.


6 D. Lutheri Meynung von dem grossen Christoffel.


7 Fabelhaffte Gedichte von M. Christophoro.


8 Wie solcher zum Christenthum bekehret worden.


9 Wo dessen Reliquien aufbehalten werden.


10 Betrügliche Reliquien werden in Franckreich gesandt.


Quelle:
Bräuner, Johann Jacob: Physicalisch= und Historisch= Erörterte Curiositaeten. Frankfurth am Mayn 1737, S. 775-791.
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