Vierter Auftritt.

[85] Die Vorigen. Pompadour. Hofdamen.


POMPADOUR Choiseul eine Weile betrachtend, dann. So in Gedanken, Herzog?

CHOISEUL prallt erbleichend zurück. Ha!

POMPADOUR. Und so außer Fassung, so erschrocken bei meinem Anblick?

CHOISEUL. Hohe Frau, ich hatte eben die letzten Vorkehrungen zur Probe beendet und ging noch einmal die Szenerie in Gedanken durch. Zu dem kommt noch, daß mich ein Unwohlsein der Quinault für das Gelingen des Ganzen besorgt machte. Lächelnd. Überhaupt sind die Künstler bald außer Fassung gebracht, wenn man ihnen hinter die Gardine sieht.

POMPADOUR. Ah, ein Stich für mich. Ich hätte mich anmelden sollen. Nun, nun, haben Sie keine Sorge, ich bin, wie es scheint, zu spät gekommen, um etwas zu belauschen.

CHOISEUL für sich. Dank sei es meinem Glücke!

POMPADOUR. Die Quinault ist also unwohl? – Sagen Sie ihr: ich erwarte, daß sie sich zusammen nimmt – übermorgen hat sie Zeit, um auszuruhen. Sie tritt auf einmal zu Choiseul heran, sieht ihn fragend an und winkt den Hofdamen, da er ihr etwas verwirrt ausweicht, sich zu entfernen.

HOFDAMEN gehen links ab.

POMPADOUR. Sie sehen heut entsetzlich bleich aus, Herzog, und haben ein eigentümliches Benehmen. Das bin ich sonst nicht an Ihnen gewöhnt, und gilt mir am Vorabend meines Triumphes fast für ein schlechtes Omen.

CHOISEUL sich bezwingend. Ich will es nur gestehen, ich hatte Vormittag wieder einen heftigen Nervenanfall, der soeben wiederkehrte. Ich hoffte, es würde nicht bemerkt werden. Um so mehr bin ich beglückt, bei Ihnen, hohe Frau, eine Elastizität und Frische zu finden, die mich wahrhaft mit Erstaunen füllt.

POMPADOUR. Und das sagen Sie mir mit einer Totengräbermiene, als ob es Ihnen leid täte? Sie schlägt ihn mit[86] dem Fächer. Ei ei! Man muß einem alten Freunde wie Ihnen viel zugute halten. – Aufrichtig gesagt, fühle ich mich heut merkwürdig wohl, obgleich ich dem doch nicht so recht traue. Aber das Gefühl, meine Gegnerin für immer vernichtet, das strahlende Ziel meines Lebens erreicht zu haben, lächelnd von unerklimmbarer Höh' auf das neidische Gerücht um mich herabzusehen, hat meinen Geist, meinen Körper so dithyrambisch aufgeregt, daß ich in Wahrheit glaube, ich lebe nun noch lange. Ich werde den Ehering am Finger tragen und aller Schmerz, alle Schande wird verloscht sein. Ihm näher tretend, leiser, entzückt. Und habe ich sie getilgt, bin ich rein geworden vor mir selber und der Welt, dann will ich den teuren Verlassenen sehen – wiedersehen, und alle Tränen trocknen, die er um mich geweint! – Staunen Sie nur, wie verändert ich bin, Choiseul! Ich habe heut morgen den Spiegel gefragt, und er meinte, daß ich noch nicht alle Reize verloren, daß die Begeisterung und das Gefühl des Sieges auch den Marmor beleben und ihm die Innigkeit der Jugend leihen könne!

CHOISEUL. Und in der Tat, hohe Frau, ich wünsche es von Herzen.

POMPADOUR. Nun, ist das Schauspiel bereit, kann man beginnen?

CHOISEUL beklommen. Es bedarf nur Ihres Winkes –


Er wankt.


POMPADOUR. Aber Herzog, ich bitte Sie! Sie sind ernstlich krank!

CHOISEUL matt. Wieder diese Wallungen – ein Taumel im Hirn. – Er wischt sich den Schweiß von der Stirn, energisch. Es wird vorübergehen.

POMPADOUR faßt ihn herzlich bei der Hand. Sie machen mich wirklich besorgt, d'Amboise! Wenn Sie sich nach der Vorstellung nicht wohler fühlen, lasse ich Sie sicher nicht nach Paris! Mein Arzt soll Sie hier behandeln!

CHOISEUL preßt in plötzlicher Rührung ihre Hand an seine Lippen. Heißen Dank!

POMPADOUR. Ist Ihnen besser?[87]

CHOISEUL seine Fassung wieder gewinnend. Ja, ja; – es ist ja bald vorüber!

POMPADOUR. Nun, so lassen Sie uns beginnen; Sie setzt sich in den Sessel. ich bin aufs höchste gespannt.

CHOISEUL verbeugt sich, geht entschlossen nach der Tür links und öffnet sie.

HOFDAMEN, PAGEN UND DIE BEIDEN KAVALIERE treten links ein.

EIN KAVALIER öffnet die Tür rechts.

TERRAY, MAUPEOU, SILHOUETTE UND DUBARRY treten rechts ein.

ALLE verbeugen sich.

POMPADOUR grüßt.


Kurze Pause.


Quelle:
Albert Emil Brachvogel: Narziß. Leipzig [o.J.], S. 85-88.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Narziß
Narziß