Sechste Abhandlung.

Weshalb man niemals von den Damen Übles reden soll, und von den Folgen, die daraus entstehen.

[316] Ein Punkt ist bei den schönen Damen, die der Liebe pflegen, wohl zu beachten, nämlich: sie mögen noch so ausschweifend sein, so dulden sie doch nicht, daß man sie deshalb beleidige oder beschimpfe; wer das tut, an dem wissen sie sich zu rächen, früher oder später. Kurz, sie wollen wohl der Liebe pflegen, wollen aber nicht, daß man davon spreche. Gewiß ist es auch nicht schön, eine achtbare Dame in Verruf zu bringen. Und was geht es auch andre Leute an, wenn die Damen nur zufrieden sind, und ihre Liebhaber auch?

Unsre Höfe von Frankreich haben, besonders in letzter Zeit, viel in dem Klatsch über solche Damen geleistet. Ich kenne die Zeit, wo es kaum einen galanten Herrn gab, der nicht gegen diese Damen eine Verleumdung erfand, oder eine wahre Geschichte ausplauderte. Das war sehr tadelnswert; denn man soll niemals die Ehre der Damen, besonders der großen, verletzen. Ich rede sowohl von den Männern, die Liebe von ihnen genossen, wie von denen, denen sie verweigert wurde und die deshalb aus Ärger die Frauen verleumden.

Wie gesagt, an den Höfen unsrer letzten Könige gab es viel Klatsch und üble Nachrede, im Gegensatz zu den Höfen ihrer Vorgänger, ausgenommen den Hof des Königs[317] Ludwig XI., dieses Wüstlings. Man sagt, daß er die meiste Zeit im vollen Saal mit zahlreichen vertrauten Edelleuten tafelte, und wer ihm die zotigste Geschichte von einer galanten Dame erzählen konnte, wurde von ihm am meisten gefeiert. Er selbst verfehlte nicht, derartiges zum Besten zu geben; denn er erkundigte sich eifrig nach solchen Dingen und teilte sie dann andern öffentlich mit. Das war in der Tat ein großer Skandal. Er hegte von den Frauen eine sehr schlechte Meinung und hielt nur wenige für keusch. Als er den König von England nach Paris eingeladen hatte, damit dieser sich dort amüsiere, bereute er es, beim Wort genommen, sogleich, und fand ein Alibi, um dem auszuweichen. »Ach was!« sagte er, »ich will nicht, daß er komme; er würde hier irgend eine kleine Dirne finden, in die er sich verliebt, und die könnte ihm Geschmack beibringen, länger hier zu bleiben und öfter wiederzukommen, als mir lieb ist.«

Von seiner Frau, die klug und tugendhaft war, besaß er jedoch eine gute Meinung. Sie hatte übrigens Ursache, tugendhaft zu sein, denn er war sehr mißtrauisch und eifersüchtig, und es würde ihr sonst schlecht ergangen sein. Als er starb, befahl er seinem Sohn, seine Mutter zu lieben und zu ehren, aber sich nicht von ihr beherrschen zu lassen. »Es mangelt ihr ja nicht an Tugend und Keuschheit,« sagte er, »aber sie ist mehr Burgunderin als Französin.« Er liebte sie auch nur, um von ihr Nachkommen zu haben; nachdem er dies erreicht, kümmerte er sich nicht mehr um sie. Er hielt sie im Schlosse Amboise wie eine einfache Dame, ohne weiteren Prunk und einfach gekleidet. Sie hatte nur einen kleinen Hofstaat, und während sie dort ihre Gebete verrichtete, ging er seinen Vergnügungen nach. Man kann sich denken, wie die Damen an seinem Hofe durchgehechelt wurden, da der König selbst eine so schlechte Meinung von ihnen hatte, und sich daran vergnügte, ihnen Böses nachzureden. Nicht daß er ihnen im übrigen schlecht gesinnt war oder sie für ihre Aufführung tadeln wollte, wie manche[318] das taten; nein, es machte ihm eben einen Hauptspaß, sich über sie lustig zu machen. Die Folge war, daß die armen Frauen, in der Befürchtung übler Nachrede, es oft nicht wagten, sich so gehen zu lassen, wie sie am liebsten getan hätten. Und trotzdem stand die Liederlichkeit zu seiner Zeit in voller Blüte; denn der König beförderte sie mit seinen Höflingen nach Kräften; es wurde nun, geheim oder öffentlich, viel über die Zoten und die Ausschweifungen der Frauen gelacht. Freilich verhüllte man die Namen der vornehmen Damen, die man der Mutmaßung überließ. Ich glaube, es erging ihnen immer noch besser als manchen Frauen aus der Zeit des seligen Königs, der sie in der strengsten Weise tadelte und ausschalt. Das sagten mir einige ältere Leute über diesen guten König.

Sein Sohn und Nachfolger, Königs Karl VIII. war anders geartet. Von ihm sagt man, er sei in Worten außerordentlich anständig gewesen und hätte niemals weder Männer noch Frauen mit einem Worte gekränkt. Man kann sich denken, wie gut es deshalb unter seiner Herrschaft den schönen Damen erging. Er liebte auch sehr die Frauen und huldigte ihnen viel, ja sogar zu viel. Denn als er von seiner Reise nach Neapel siegreich und ruhmbedeckt zurückkehrte, veranstaltete er zu Lyon Feste und Turniere für sie und amüsierte sich mit ihnen so gut, daß er darüber die Seinigen in jenem Königreich vergaß und Städte und Schlösser, die ihn um Hilfe anriefen, dem Untergang überließ. Man sagt auch, die Frauen seien an seinem Tode schuld gewesen, da er sich ihnen zu sehr hingegeben, was seine schwächliche Natur nicht ausgehalten habe.

König Ludwig XII. behandelte die Frauen mit Ehrfurcht; denn, wie ich an anderm Orte gesagt, er erlaubte allen Komödianten seines Königreichs, wie Schülern und Palastgeistlichen, zu sprechen, von wem sie wollten, außer von der Königin, seiner Gemahlin, und den Hofdamen; obwohl[319] er seiner Zeit ein lustiger Geselle war und die Frauen ebenso liebte wie andre. Nur hatte er in dieser Beziehung keine so böse Zunge und besaß nicht die Ruhmredigkeit wie der Herzog Ludwig von Orleans, sein Großvater. Dem kostete es auch sein Leben: Einst rühmte er sich nämlich ganz laut bei einem Bankett, wo sein Cousin, der Herzog Johann von Burgund, zugegen war, er besitze in seinem Zimmer die Bilder der schönsten Frauen, die er genossen. Eines Tages betrat nun der Herzog Johann dieses Kabinett, und das erste Bild, das er sah, war das seiner edlen Frau Gemahlin, die damals für sehr schön galt; sie hieß Margarethe und war die Tochter Alberts von Bayern, Grafen von Hainault und Seeland. Wer war nun überrascht? Der gute Herr Gemahl. Er wird wohl ganz leise ausgerufen haben: »Ah! da haben wir's!« Er ließ sich aber nichts merken und brütete Rache. Einen Vorwand fand er darin, daß er dem Herzog schlechte Verwaltung des Königreichs vorwarf und ihn, innerlich aus Rache wegen seiner Frau, bei der Porte Barbette zu Paris ermorden ließ. Nach dem Tode seiner ersten Gattin (sie soll durch Gift gestorben sein) heiratete er die Tochter Ludwigs des Dritten, Herzogs von Bourbon. Wahrscheinlich kam er aus dem Regen in die Traufe; denn Leuten, denen die Hahnreischaft so sehr anhängt, nützt es wenig, Zimmer und Bett zu wechseln, – Hörner bekommen sie doch.

Der Herzog handelte insofern klug, als er den Ehe bruch seiner Frau rächte, ohne sie und sich zu kompromittieren, und einen guten Vorwand fand. Von einem großen Feldherrn hörte ich, es gäbe drei Dinge, die ein kluger Mann niemals kund werden lassen dürfe, wenn er davon betroffen wird; lieber solle man etwas andres als Vorwand erfinden, um Rache zu nehmen, wenn die Sache nicht so klar und erwiesen ist, daß man sie nicht mehr in Abrede stellen kann.

Das Eine ist, wenn jemandem vorgeworfen wird, er sei ein Hahnrei und seine Frau ein öffentliches Weib; das Zweite, wenn man jemanden der Sodomie beschuldigt; das Dritte, wenn man jemanden als Feigling bezeichnet und ihm vorhält,[320] in einem Kampf oder einer Schlacht die Flucht ergriffen zu haben. Diese drei Dinge, sagte der große Feldherr, sind sehr schimpflich, wenn man den Gegenstand erörtert und kund gibt Und glaubt man, sich durch Verteidigung davon zu reinigen, so beschmutzt man sich erst recht Je mehr man darüber spricht, desto häßlicher wird die Sache. Gerade als wenn man etwas Übelriechendes aufrührt. Deshalb, wenn jemandes Ehre in dieser Weise angegriffen ist, so tut der Betreffende besser, eine andre Ursache zu suchen, um sich zu rächen. Um solcher Beleidigungen willen sollte man niemals Prozesse oder Kämpfe führen. Ich könnte viele Exempel beibringen, aber es würde zu weit führen.

Deshalb tat Herzog Johann wohl daran, seine Hörner zu verbergen und sich auf andre Weise an seinem Vetter, der ihn entehrt hatte, zu rächen. Er führte den Streich als kluger und geschickter Weltmann.

Aber um zurückzukehren, wo ich stehen blieb: der König Franz, der die Frauen sehr geliebt hat, trotzdem er wußte, daß sie sehr unbeständig und wankelmütig sind, wollte nicht, daß man über sie am Hofe medisiere, sondern ihnen Achtung entgegenbringe. Ich hörte erzählen, daß einst, als er die Fastenzeit zu Meudon bei Paris verbrachte, ein Edelmann seines Dienstes, der sich Herr von Buzambourg, aus Saintonge, nannte, dem König Fleischspeisen servierte, wozu er Erlaubnis hatte. Der König befahl ihm, den Rest wie man das öfter bei Hofe sieht, den Damen der »kleinen Bande« zu bringen (ich nenne sie nicht, um Ärgernis zu vermeiden). Der Edelmann sagte zu einigen Hofherren: Diese Damen äßen in der Fastenzeit kein rohes Fleisch, sondern nur gekochtes. Das erfuhren die Damen und beschwerten sich darüber beim König, der in so großen Zorn[321] geriet, daß er sofort den Trabanten der Palastwache befahl, ihn zu ergreifen und unverzüglich zu erhängen. Zufällig wurde dieser arme Edelmann von einem seiner Freunde davon benachrichtigt und konnte sich durch die Flucht retten. Wenn man ihn erwischt hätte, würde er sicher gehenkt worden sein, trotzdem er ein Edelmann aus gutem Hause war; denn man hatte den König nie in größerem Zorn gesehen. Ich habe diese Geschichte von einer ehrenwerten Person, die dabei zugegen war. Der König hatte damals gesagt: Jeder, der die Ehre der Damen angriffe, werde ohne Gnade gehenkt werden.

Einige Zeit vorher, als der Papst Paul Farnese nach Nizza gekommen war, besuchte ihn der König mit seinem ganzen Hofstaat von Herren und Damen, unter denen sich einige befanden, die nicht zu den häßlichsten gehörten, um ihm den Pantoffel zu küssen. Darüber sagte ein Edelmann, sie wären nur gekommen, Seine Heiligkeit um Erlaubnis zu bitten, rohes Fleisch zu genießen, so oft und so viel sie wollten. Das erfuhr der König, und es war ein Glück für den Edelmann, daß er flüchten konnte, sonst wäre er gehenkt worden, weil er sowohl die Ehrfurcht vor dem Papste wie die vor den Damen verletzt hatte.

Diese Edelleute waren mit ihren Einfällen und Redensarten weniger glücklich als der Herr von Albanien. Als der Papst Clemens zur Hochzeit seiner Nichte mit dem Herzog von Orleans nach Marseille kam, waren dort drei schöne Witwen, die durch die Trauer um ihre Gatten so angegriffen und heruntergekommen waren, daß sie Herrn von Albanien, den Verwandten des Papstes, baten, seinen Einfluß bei ihm geltend zu machen und ihn um Erlaubnis zu bitten, daß sie während der Fasten Fleisch essen dürften. Der Herzog von Albanien sagte zu und lud sie eines Tages ganz vertraulich zum Papste ein. Er machte dem König Mitteilung davon und versprach ihm einen Spaß. Als nun alle drei vor Seiner Heiligkeit knieten, begann der Herr von Albanien zuerst und sagte leise auf Italienisch, was die Damen nicht[322] verstanden: »Heiliger Vater, hier sind drei verwitwete Damen, schön und ehrenwert, wie Sie sehen. Aus Achtung für ihre verstorbenen Gatten und aus Liebe zu den Kindern, die sie von ihnen haben, wollen sie um keinen Preis eine neue Ehe eingehen. Da sie aber zuweilen doch den Stachel des Fleisches fühlen, bitten sie demütigst Eure Heiligkeit, außerhalb der Ehe mit Männern Verkehr pflegen zu dürfen, wenn die Versuchung sich ihnen naht« – »Wie?« sagte der Papst »Nein, mein Herr Vetter, das wäre gegen die Gebote Gottes, das kann ich nicht erlauben.« – »Geruhen Eure Heiligkeit denn, sie anzuhören.« Darauf nahm die eine von den Dreien das Wort und sagte: »Heiliger Vater, wir haben den Herrn von Albanien gebeten, unsre demütigste Bitte vorzubringen und die Schwäche unsrer Natur zu schildern.« – »Meine Töchter,« sagte der Papst, »eure Bitte verstößt gegen die Gebote Gottes.« – Die Witwen, die nicht wußten, was der Herr von Albanien gesagt hatte, erwiderten: »Heiliger Vater, geruhe doch, es uns wenigstens dreimal wöchentlich zu erlauben.« – »Wie?« sagte der Papst, »ich soll euch il peccato di lussuria gestatten? Das würde mir nicht anstehen, außerdem kann ich es nicht.« Nun merkten die Damen, daß hier ein Mißverständnis vorlag und der Herr von Albanien sich einen Spaß gemacht hatte. »Wir sprechen nicht davon,« sagten sie, »sondern wir bitten Eure Heiligkeit, an den verbotenen Tagen Fleisch essen zu dürfen.« Darauf sagte Herr von Albanien zu ihnen: »Ich dachte, meine Damen, es handelte sich um lebendes Fleisch.« Der Papst verstand den Scherz sofort und sprach lächelnd: »Lieber Vetter, Sie haben diese ehrsamen Damen erröten gemacht Die Königin wird zürnen, wenn sie es erfährt.« Sie erfuhr es allerdings, aber sie fand die Geschichte ganz hübsch. Auch der König lachte mit dem Papst darüber; dieser gab ihnen dann seinen Segen, gewährte ihnen die Bitte und sie gingen befriedigt von dannen.[323]

Man hat mir die drei Damen genannt, es waren: Madame von Chasteau-Briant oder Madame von Canaples, Madame von Chastillon und die Frau Landeshauptmann von Caen, alles sehr achtbare Damen. Ich habe diese Geschichte von älteren Leuten am Hofe gehört.

Man muß nicht glauben, daß jener große König nicht auch gern einmal eine lustige Geschichte über die Damen gehört hätte; aber man durfte die Frauen nicht beschimpfen und verschreien; sondern als großer König, der er war, und als bevorrechteter Mann wollte er nicht, daß jeder die gleichen Vorrechte übte wie er.

Ich hörte von einigen erzählen, es sei sein Wunsch, daß die Edelleute seines Hofes niemals ohne Maitressen seien; wer keine Geliebte hatte, den hielt er für einen Tropf. Oft fragte er den einen oder andern nach dem Namen der seinigen und versprach ihnen, behilflich zu sein; so gutmütig und vertraulich war er! Oftmals auch, wenn er die Herren in lebhaftem Gespräch mit ihren Damen fand, trat er auf sie zu und fragte, was für Reden sie führten; und wenn er ihre Worte nicht gut fand, verbesserte er sie und lehrte sie andre. Seinen Vertrautesten gegenüber war er nicht knauserig, ihnen seine Geschichten zu erzählen, von denen ich eine lustige weiß, die ihm passierte und die er zum Besten gab. Es war nämlich eine junge Dame an den Hof gekommen, die noch sehr harmlos war und sich deshalb den Überredungen der großen Herren und besonders dieses großen Königs leicht hingab. Eines Tages wollte er nun seine Fahne auf ihre Festung pflanzen, und sie, die gehört und auch gesehen hatte, daß man stets, wenn man dem König etwas gab oder etwas von ihm in Empfang nahm, zuerst seine Hand küssen müsse, nahm ohne weitere Zeremonie seine Hand, küßte sie mit Ehrfurcht, ergriff die Standarte[324] des Königs und pflanzte sie demütigst auf die Festung. Dann fragte sie ihn kaltblütig, wie er wünschte, daß sie ihm dienen solle: als anständiges und keusches Weib oder als lasterhaftes Mädchen? Er bat natürlich um das Letztere, denn als solche war sie viel liebenswerter und angenehmer denn als züchtige Frau. Darauf machte sie ihm eine große Verbeugung und dankte ihm untertänigst für die ihr erwiesene Ehre, deren sie nicht würdig sei, und bat nur um gelegentliche Beförderung ihres Gatten. Ich habe die Dame nennen hören, und sie war später nicht mehr so harmlos, sondern im Gegenteil sehr gerieben. Der König erzählte die Geschichte oft, und sie kam mehreren zu Ohren.

Er war sehr neugierig, die Liebschaft des einen oder andern zu kennen, besonders wie die Damen sich beim Liebeskampf benehmen, was für Stellungen sie dabei einnahmen und was für Worte sie dabei gebrauchten. Dann lachte er aus vollem Halse, verbot aber danach die Weiterverbreitung und den Skandal und empfahl Geheimhaltung und Wahrung der Ehre.

Als guter Sekundant stand ihm der sehr große, sehr prächtige und sehr freigebige Kardinal von Lothringen zur Seite. Sehr freigebig darf ich ihn nennen, denn er hatte zu seiner Zeit nicht seines Gleichen. Das beweisen seine Ausgaben, Geschenke und Aufmerksamkeiten, besonders seine Mildtätigkeit gegen die Armen. Er trug täglich eine große Geldtasche, die sein Kammerdiener jeden Morgen mit drei- bis vierhundert Talern für die kleinen Vergnügungen des Kardinals füllte. Wenn er nun irgend einem Armen begegnete, so griff er in die Tasche, und was ihm grade in die Hand kam, das gab er. Ein armer Blinder erhielt einmal, als der Kardinal durch Rom kam und er ihn um ein Almosen bat, eine große Handvoll Gold zugeworfen. Da rief er mit lauter Stimme auf Italienisch: »O tu sei Christo, o veramente il cardinal di Lorrena!« »Entweder bist du Christus oder der Kardinal von Lothringen!« – Nicht minder freigebig war er gegen andre Leute und besonders gegen die[325] Damen, die er leicht durch diese Reize gewann. Denn das Geld war damals noch nicht so reichlich vorhanden wie heute, und deshalb waren die Weiber sehr lüstern danach, ebenso wie nach Putz und Schmuck.

Ich hörte erzählen, daß er, wenn eine schöne Frau oder ein hübsches Mädchen neu an den Hof kam, sich sofort an sie machte und sagte, er wolle sie schon abrichten. Ein guter Dresseur! Ich glaube, die Mühe des Abrichtens war geringer wie bei einem wilden Huhn. Auch sagte man, daß damals alle neu an den Hof kommenden Damen sowohl durch ihre Habsucht wie durch die offene Hand des Kardinals sich verführen ließen, und wenige oder gar keine sind aus diesem Hofe als anständige Frauen hervorgegangen. Auch sah man damals ihre Koffer viel voller von Roben, Gold und Silber als heute die der Königinnen und Prinzessinnen.

Mancher wird sagen, ich hätte so etwas nicht von diesem großen Kardinal erzählen sollen, angesichts seines ehrwürdigen Kleides und Standes; aber sein König selbst fand Vergnügen daran. Und um seinem König zu gefallen, ist alles entschuldbar, sowohl die Liebe wie andre Dinge, falls sie nicht böse sind, wie damals die Beteiligung an Krieg, Jagd, Tanz, Maskeraden usw. Und endlich war er ja doch auch ein Mensch von Fleisch und Blut, und besaß zur Entschädigung dafür viele große Tugenden und Vollkommenheiten, die diesen kleinen Fehler überstrahlten, wenn es denn überhaupt ein Fehler zu nennen ist, der Liebe zu pflegen.

Ich hörte von ihm auch eine Geschichte, die Achtung vor den Damen betreffend. Von Natur aus brachte er ihnen Achtung entgegen, aber bei der Herzogin von Savoyen, der Donna Beatrix von Portugal, vergaß er sie einmal. Eines Tages nämlich, auf seinem Wege nach Rom, kam er im Dienste seines Königs durch Piemont und besuchte das Herzogspaar. Nachdem er sich mit dem Herzog eine Zeitlang unterhalten, ging er die Herzogin in ihrem Zimmer zu begrüßen. Sie, die verkörperte Anmaßung, reichte ihm ihre Hand zum Kuß. Der Kardinal, ungehalten[326] über diese Zumutung, wollte sie auf den Mund küssen, aber sie wich zurück. Nun ward er noch ungeduldiger, nahm sie beim Kopf und küßte sie trotz ihres Widerstrebens zwei oder dreimal ab. Sie mochte schreien und schelten auf Portugiesisch oder Spanisch, es nützte ihr doch nichts. »Wie?« sagte er, »ich küsse die Königin meine Herrin, die größte Fürstin der Welt, und ich sollte Sie nicht küssen dürfen, die Sie nur eine kleine Herzogin sind?! Wissen Sie, ich habe mit schöneren und vornehmeren Damen geschlafen, als Sie sind!« Und er durfte wohl mit Recht so sprechen. Es war sehr verkehrt von der Herzogin, einem Fürsten aus so großem Hause und dazu einem Kardinal gegenüber die Vornehme und Hochmütige zu spielen. Er hätte jedoch keine so harte Rache zu nehmen brauchen, denn eine Kränkung ist für jeden schmerzhaft, welchen Standes er auch sei.

Ich entsinne mich, daß der Herr von Matha, ein tapferer Edelmann, den der König liebte, und der ein Verwandter der Madame von Valentinois war, stets eine scherzhafte Bosheit gegen die Frauen bereit hatte. Eines Tages griff er eine Dame der Königin an und eine andre, genannt die große Meray, trat für ihre Freundin ein. Da sagte er zu dieser nur: »O, Sie, Meray, greife ich nicht an, Sie sind ein gar zu großes Panzerpferd!« In der Tat war sie eine der größten Frauen, die ich je gesehen. Sie beklagte sich bei der Königin, daß jener sie ein großes Pferd genannt habe. Die Königin war so erzürnt, daß Matha auf einige Tage vom Hofe verbannt wurde, trotz der Fürsprache seiner Verwandten, der Frau von Valentinois, und einen Monat lang durfte er nicht mehr die Gemächer der Königin betreten.

Der Herr von Gersay verfuhr noch schlimmer mit einer Dame der Königin, auf die er böse war und an der er sich rächen wollte. Wenn es sich um üble Nachrede handelte, fehlte es ihm nicht an Worten, denn er war ein Meister darin; die Medisance war aber damals streng verboten. Eines Tages befand er sich nachmittags im Zimmer[327] der Königin mit befreundeten Herren. Es war damals Sitte, sich in Gegenwart der Königin nicht anders als auf den Fußboden zu setzen. Nun hatte der gedachte Herr eine abgeschnittene Hode des Schafbocks bei sich, wie sie den jungen Leuten auf dem Wirtschaftshof zum Spielzeug dient Neben jener Dame sitzend, rollte er diese Kugel ganz leise und unbemerkt unter ihre Röcke. Als sich nun die Königin von ihrem Stuhle erhob, stand auch die Dame, nahe vor der Königin, auf; die dichtbehaarte Kugel fiel heraus und machte sechs bis sieben lustige Sprünge auf der Erde, als ob sie der Gesellschaft auf eigene Kosten ein Vergnügen machen wolle. Wer war nun überrascht? Die Dame und nicht minder die Königin. »Allmächtiger!« rief diese, »was ist denn das, meine Liebe?« Das arme Fräulein war ganz außer sich und sagte, tief errötend, sie wisse nicht, was das wäre; es hätte ihr gewiß jemand einen Streich gespielt, und zwar kein anderer als Gersay. Dieser hatte sich aber, als er die Kugel hüpfen sah, zur Tür hinausgemacht. Man ließ ihn holen, aber er wollte nicht wieder hereinkommen, und da er die Königin so zornig sah, leugnete er steif und fest Einige Tage lang mußte er sich dem Zorn der Königin und auch des Königs entziehen, der sich freilich nicht enthalten konnte, mit der Hofgesellschaft darüber zu lachen, freilich ohne es die erzürnte Königin merken zu lassen; denn sie verstand die Leute gehörig abzukanzeln.

Ein Edelmann und eine Hofdame, die bisher gute Freunde gewesen waren, gerieten einst in Streit, und das Fräulein rief ihm im Zimmer der Königin ganz laut zu: »Lassen Sie mich in Ruhe, oder ich sage das wieder, was Sie mir gesagt haben!« Der Edelmann hatte ihr nämlich von einer sehr großen Dame etwas im Vertrauen mitgeteilt, und in der Befürchtung, daß er Unannehmlichkeiten haben oder mindestens vom Hofe verbannt werden könnte, antwortete er ihr ganz ruhig (denn er war nicht auf den Mund gefallen): »Wenn Sie sagen, was ich ihnen gesagt habe, dann sage ich, was ich ihnen gemacht habe.« Nun war[328] die Dame die Überraschte; sie fragte jedoch: »Nun, was haben Sie mir denn gemacht?« Er entgegnete: »Was habe ich Ihnen gesagt?« Darauf die Dame: »Ich weiß wohl, was Sie mir gesagt haben.« Und er: »Ich weiß wohl, was ich Ihnen gemacht habe.« Sie: »Ich kann sehr gut beweisen, was Sie mir gesagt haben!« Er: »Ich werde noch besser beweisen, was ich Ihnen gemacht habe.« So zankten sie noch eine Weile weiter, bis die Anwesenden sie trennten, obwohl ihnen die Sache Spaß machte.

Diese Auseinandersetzung kam zu Ohren der Königin, die darüber sehr ärgerlich war und wissen wollte, um was es sich eigentlich handelte. Sie ließ die beiden holen; diese aber, da sie sahen, daß die Sache ernst wurde, versöhnten sich und verständigten sich untereinander dahin: es wäre nur ein Scherz gewesen. So stellten sie es der Königin auch dar, die indessen den Edelmann sehr tadelte und sagte, seine Worte seien skandalös gewesen. Der Edelmann versicherte mir, daß, wenn sie sich nicht verständigt und die Dame seine Worte verraten hätte, so würde er zur Revanche gesagt haben, die Dame könne nicht mehr als Jungfrau befunden werden, er habe ihr die Jungfrauschaft genommen. »Gut,« sagte ich, »aber wenn man sie untersuchte und doch als Jungfrau befindet, so wären Sie verloren gewesen, und es wäre Ihnen ans Leben gegangen.« – »Ja, sehen Sie,« entgegnete er mir, »am liebsten wollte ich ja, daß man sie untersucht hätte. Denn ich bin meiner Sache sicher. Ich weiß nämlich, wer sie entjungfert hat; leider war ich es nicht selbst Ich würde aber dann doch immerhin meine Rache gehabt haben und sie die Schande.« – In solche Verlegenheiten kommen oft die armen Frauen und Mädchen, teils mit Recht, teils mit Unrecht.

Ich habe eine sehr vornehme Dame gekannt die von einem sehr tapfern Prinzen guter Hoffnung wurde; man[329] sagt jedoch, es sei im Namen der Ehe geschehen, aber nachher wurde das Gegenteil bekannt König Heinrich erfuhr es zuerst und war furchtbar ärgerlich darüber, denn sie war etwas verwandt mit ihm. Indessen, ohne weiter Aufhebens davon zu machen, führte er sie abends zum Fackeltanz, wobei sie große Geschicklichkeit zeigte; auch war an diesem Tage ihre Taille so schön und schlank, daß man nichts von ihrer Schwangerschaft bemerkte. Auch der König, der sie genau beobachtete, konnte nichts davon entdecken und sagte zu einem Vertrauten: »Es ist sehr unrecht, dieser Frau nachzureden, sie sei schwanger; ich habe sie niemals schlanker gesehen. Das ist also nichts wie Lüge und Verleumdung.« Dasselbe sagte er auch der Königin, diese aber traute der Sache nicht recht und ließ das Fräulein am nächsten Morgen untersuchen, wobei sich herausstellte, daß sie schon im sechsten Monat guter Hoffnung war. Die Dame bekannte nun der Königin alles und sagte, sie würde sich verheiraten. Der König, gutmütig wie er war, hielt die Sache so geheim wie möglich, ohne das Fräulein zu beschimpfen, obwohl die Königin sehr ärgerlich darüber war. Indessen sandten sie die Dame heimlich zu nahen Verwandten, wo sie einen schönen Knaben gebar, der jedoch das Unglück hatte, niemals von seinem mutmaßlichen Vater anerkannt zu werden. Der Streit darüber zog sich lange hin, aber die Mutter konnte nichts erreichen.

Nun liebte König Heinrich hübsche Geschichten gerade so sehr wie seine Vorgänger, aber er wollte nicht, daß die Damen dadurch in Verruf kamen. Deshalb ging er, der sehr verliebter Natur war, auch stets so unerkannt wie möglich zu den Damen, damit diese von jedem Verdacht frei blieben. Wurde eine entdeckt, so war das gewöhnlich nicht seine Schuld, sondern die der betreffenden Dame. Das war der Fall bei Madame Flamin, einer Dame aus guter schottischer Familie, die vom König schwanger wurde, aber nicht den Mund halten konnte. »Gott sei Dank,« sagte sie in ihrem[330] schottischen Französisch, »ich habe mein Möglichstes getan, vom Könige guter Hoffnung zu werden, und fühle mich sehr geehrt und glücklich darüber. Wirklich, das königliche Blut ist doch ein köstlicher Saft, und ich befinde mich sehr wohl dabei, ungerechnet noch die schönen Geschenke, die man dabei gewinnt.«

Sie brachte einen Sohn zur Welt, der später Großprior von Frankreich wurde. Er wurde zu Marseille getötet, was sehr schade um ihn war, denn er war ein sehr achtbarer und tapferer Herr und bewährte sich auch im Tode als solcher. Er war ein guter Mann, und der am wenigsten tyrannische Gouverneur seiner und späterer Zeiten; die Provence weiß davon zu reden; außerdem war er sehr freigebig und verschwenderisch, jedoch stets in den Grenzen der Vernunft.

Jene Dame war, wie andre auch, der Meinung, daß es keine Schande sei, mit seinem König zu schlafen; nur wer sich den Kleinen hingäbe, wäre eine Dirne, nicht aber wer mit Königen und Edelleuten der Liebe pflege. Grade so wie jene bereits erwähnte Amazone, die eine Reise von dreihundert Meilen machte, um sich von Alexander schwängern zu lassen und von ihm Nachkommen zu haben. Man sagt indessen, eins wäre so gut wie das andre.

Auf König Heinrich folgte König Franz II., dessen Regentschaft so kurz war, daß die bösen Zungen keine Muße hatten, sich über die Damen auszulassen. Und wenn er auch lange regiert hätte, so würde er doch die Verleumder nicht an seinem Hofe geduldet haben, denn er war sehr gutmütig und hegte viel Achtung für die Frauen. Außerdem verfuhren seine Gattin, die Königin-Mutter und seine Oheime sehr hart mit den bösen Schwätzern. Ich entsinne mich, daß er sich eines Tages, im August oder September, zu Saint-Germain-en-Laye befand und Lust hatte, des Abends in dem schönen Walde von Saint-Germain die Hirsche in der Brunst zu beobachten; er nahm verschiedene vertraute Prinzen und vornehme Damen mit. Einer aus der Gesellschaft sagte, es[331] schicke sich nicht für eine keusche Frau, derartige Liebesspiele von Tieren anzusehen, denn der Anblick rege die Venus zu sehr auf; die Frauen würden ja solchen Appetit bekommen, daß ihnen das Wasser im M ..... munde zusammenliefe, wogegen es dann kein andres Mittel gäbe, als die Einflößung von Sperma. Der König und seine Begleitung erfuhren das, und der betreffende Herr tat gut daran, sich aus dem Staube zu machen. Er erschien erst wieder am Hofe nach dem Tode des Königs. Es wurden gegen die damaligen Leiter des Staats viele Schmähschriften verfaßt! keine aber war schärfer als die mit dem Titel »Der Tiger« (in Nachahmung der ersten Rede Ciceros gegen Catilina); sie richtete sich gegen die Liebschaften einer sehr großen Dame seiner nahen Verwandtschaft. Man besorgte, daß der schneidige Verfasser, wenn er tausend Leben gehabt hätte, sie alle hätte hergeben müssen, so furchtbar aufgebracht waren die angegriffenen vornehmen Personen.

Dieser König Franz war der Liebe nicht so ergeben wie seine Vorgänger; es wäre auch unrecht von ihm gewesen, denn er hatte die schönste und liebenswürdigste Frau zur Gattin. Wer eine solche Frau besitzt und dennoch untreu wird, ist ein Elender. Bleibt ein solcher Mann aber treu, so fällt es ihm nicht ein, weder Böses noch Gutes von andern Damen zu sagen; sondern er spricht nur von der seinigen. Diesen Grundsatz hörte ich von einer sehr ehrenwerten Persönlichkeit Freilich habe ich gegen diesen Grundsatz mehrfach sündigen sehen.

Ihm folgte König Karl, der, noch in zartem Alter stehend, sich anfänglich wenig um die Frauen kümmerte, sondern sich seinen Jugendspielen hingab. Indessen Herr von Sipierre, sein Hofmeister, nach meiner und andrer Meinung ein vorzüglicher Kavalier und ritterlicher Mann gegen die Damen, nahm den König so gut in die Schule, daß er sich mehr als seine Vorgänger achtungsvoll gegen die Frauen benahm. Als junger Mann oder als Erwachsener grüßte er, wo und wie es auch sein mochte, stets die Damen, indem er ehrfurchtsvoll[332] seine Kopfbedeckung abnahm. Als er in die Jahre der Liebe kam, huldigte er mehreren achtbaren Frauen und Mädchen, die ich kenne, aber stets in der respektvollsten Weise, wie der geringste Edelmann.

Trotzdem begannen unter seiner Regierung die Schmähredner sich breit zu machen, und selbst manche Hofherren schonten im allgemeinen und im einzelnen die Damen, sogar die vornehmsten, nicht. – Ich entsinne mich eines Pasquills gegen eine sehr große Dame, eine schöne und achtbare Witwe, die einen schönen und jungen Prinzen heiraten wollte. Einige wollten deren Ehe hintertreiben und um den Prinzen abwendig zu machen, verfaßten sie gegen die Dame eine skandalöse Schmähschrift, worin sie mit mehreren großen Huren des Altertums verglichen wurde, die sie alle übertreffen sollte. Die Betreffenden, die das Pasquill verfaßt, überbrachten es selbst dem Prinzen und sagten, es wäre ihnen zugesteckt worden. Der Prinz strafte sie Lügen und verwünschte die Verfasser. Diese nahmen alles schweigend hin, obgleich es tapfre und mutige Leute waren. Das Pasquill gab dem Prinzen jedoch zu denken, denn es wies wie mit Fingern auf gewisse Einzelheiten hin. Nach Verlauf von zwei Jahren wurde die Ehe jedoch trotzdem geschlossen.

Der König war so gut und edel, derartige Leute nicht zu begünstigen. Wohl liebte er hin und wieder ein lustiges Wort mit ihnen beiseite, aber er wünschte nicht, daß es verbreitet würde. Er sagte, sein Hof, der der edelste und wegen seiner schönen und vornehmen Damen berühmteste sei, solle nicht durch den Mund solcher Schwätzer in Mißachtung kommen. Von den Courtisanen Roms, Venedigs und andrer Orte möge man reden, aber nicht vom französischen Hofe; und was erlaubt sei zu tun, sei nicht erlaubt, zu sagen.

Solche Achtung hegte dieser König für die Frauen. In seinen letzten Lebenstagen wollte man ihm einige vornehme schöne Damen verdächtigen, sich in wichtige Angelegenheiten,[333] die ihn betrafen, eingemischt zu haben; aber er schenkte dem keinen Glauben. Als er starb, flössen dann auch viele Frauentränen seinetwegen. – König Heinrich DL, der ihm folgte, zeigte sich strenger gegen die Frauen. Von einigen wird er damit entschuldigt, daß er ihre Laster zügeln und sie bessern wollte. Aber das Weib ist ja so geartet, daß es, je mehr man ihm etwas verbietet, nur noch hitziger dahinter her ist Ich habe auch gesehen, daß man sich um seinetwillen nicht im geringsten von dem einmal betretenen Wege abbringen ließ.

Einigen Damen huldigte er mit größter Ehrfurcht, besonders einer sehr großen schönen Fürstin, in die er sich so leidenschaftlich verliebte, daß er, bevor er nach Polen ging, sich entschloß, sie zu heiraten, trotzdem sie mit einem großen und tapfern Prinzen vermählt war. Er hatte sich jedoch gegen ihn aufgelehnt und war in ein fremdes Land geflüchtet, um dort Truppen zu sammeln und ihn zu bekriegen. Bei seiner Rückkehr nach Frankreich starb die Dame im Wochenbett. Nur der Tod verhinderte die Heirat.

Auch mit andern hatte er Liebschaften. Von einer Dame weiß ich, die sehr galant war, und mit der er gerade deshalb Liebe trieb, weil sie ihm ein Ärgernis gegeben hatte. Ohne lange Überredung erwirkte er ein Stelldichein in einem Garten, wo sie sich auch ein fand. Er berührte sie jedoch nicht, sondern sie sollte auf dem Marktplatz erscheinen und dann mit Schimpf und Schande vom Hofe verbannt werden.

Die Damen fürchteten ihn sehr, wie ich gesehen habe, und er hielt ihnen viele Strafreden, zuweilen mit Hilfe seiner Mutter, die darin sehr schnell bei der Hand war; nur die Schmähredner liebte er nicht.

Von solchen Verleumdern gibt es nun verschiedene Arten. Einige reden den Frauen Übles nach, weil sie ihnen mißfällig geworden sind, und wenn die Frauen noch so keusch sind, machen sie aus einem schönen Engel einen wahren Teufel von Schlechtigkeit So ein Edelmann, den ich kannte und der eine sehr anständige Frau wegen einer[334] leichten Mißhelligkeit in der häßlichsten Weise verschrie. »Ich weiß wohl,« sagte er, »daß ich Unrecht habe, und leugne nicht, daß diese Dame sehr keusch und tugendhaft ist; aber wenn mich eine Frau auch nur im geringsten beleidigt, und wäre sie so rein wie die Jungfrau Maria, so kann ich mich als Mann nicht anders rächen, als indem ich das Schlimmste von ihr sage.« Aber den Zorn Gottes wird er doch auf sich laden.

Andre Schmähredner sind solche, die die Frauen lieben, aber deren Keuschheit nicht besiegen können; aus Ärger verklatschen sie sie und verkünden, sie hätten alles von ihnen gehabt, aber da sie sich gar zu unkeusch erwiesen, hätten sie sie aufgegeben. Ich kannte viele derartige Herren an unserm Hofe. Andre wieder sind Günstlinge der Frauen, wurden aber von diesen, bei der Leichtfertigkeit und dem Wankelmut des Weibes, verlassen und durch andre ersetzt. Dann verschreien diese Günstlinge die armen Frauen in unsagbarer Weise, ja, sie erzählen sogar eingehend alle Unzüchtigkeiten, die sie mit ihnen getrieben haben, und enthüllen alle Merkmale ihres nackten Leibes, damit man um so mehr an die Sache glaubt.

Wieder andre verleumden aus purer Eifersucht gerade solche Frauen, die sie am meisten lieben. Diese Verleumder sind indessen weniger zu tadeln, denn sie handeln wenigstens aus Liebe und Eifersucht, die eben leibliche Geschwister sind.

Andre Übelredner gibt es, die sich an die Medisance gradezu gewöhnt haben. Man kann sich denken, was aus der Ehre der Damen im Munde solcher Leute wird. Manche an unsern Höfen sah ich, die es nicht wagten, von Männern Übles zu reden, aus Furcht vor dem Degen, und sich deshalb auf die Frauen verlegten, die keine andre Waffe haben als Worte und Tränen. Manchen jedoch ging es schlecht dabei, denn die Damen haben oft zu ihrem Schutze Verwandte, Brüder, Freunde, Liebhaber, sogar die Gatten. – Aber wenn ich alle Arten Schmähredner der Damen aufführen wollte, käme ich gar nicht zu Ende.[335]

In Liebessachen hörte ich von verschiedenen die Meinung, daß eine geheime Liebe nichts wert sei; sie müsse, wenn auch nicht allen, so doch einigen vertrauten Freunden bekannt sein. Wenn man auch nicht zu allen Leuten davon sprechen kann, so müsse man es doch kundgeben durch Schauspiele, Liebesbänder, ritterliche Taten, wie Ringelstechen, Turniere, Maskeraden, Kampfspiele vor den Schranken, ja sogar durch ernsthafte Kämpfe, wenn man im Kriege ist Gewiß, das gewährt an sich eine große Befriedigung.

In der Tat, was würde einem großen Feldherrn eine schöne und ausgezeichnete Heldentat nützen, wenn er dabei getötet wird und niemand es erführe? Derselben Ansicht war Herr von Nemours, dieses Musterbild aller Ritterlichkeit Denn wenn jemals ein Fürst oder Edelmann Glück in der Liebe hatte, so war er es. Aber es machte ihm kein Vergnügen, seinen vertrauten Freunden dies zu verbergen; oft freilich hat er seine Liebschaften so geheim gehalten, daß man sie nur schwer erraten konnte.

Für die verheirateten Frauen ist die Entdeckung freilich sehr gefährlich; aber bei den Witwen und heiratsfähigen Mädchen macht es nichts aus; denn die spätere Ehe deckt alles zu.

Ich kannte bei Hofe einen sehr achtbaren Edelmann, der einer sehr großen Dame huldigte. Eines Tages befand er sich unter Freunden, die über ihre Geliebten plauderten, und jeder nannte die seine; nur er wollte die seine nicht nennen und schob eine andre vor. Unter ihnen war jedoch ein großer Fürst, der ihn beschwor, die Wahrheit zu sagen und der über diese geheime Liebe seine Vermutung hatte. Aber er und die andern brachten nicht das geringste aus ihm heraus. Bei sich jedoch verwünschte er sein Geschick, das ihn zwang, nicht wie die andern sein Glück zu erzählen, von dem es sich doch schöner spricht als vom Unglück.[336]

Einen andern kannte ich, einen wackern Kavalier, der infolge gar zu freimütiger Kundgabe seiner Liebschaft in Gefahr geriet, ermordet zu werden; er entging jedoch diesem Schicksal. Aus einem andern Grunde traf ihn aber später doch eine Mörderhand, und diesmal erlag er dem Tode.

Ich war bei Hofe zur Zeit Franz des Zweiten, als der Graf von Saint-Aignan zu Fontainebleau die junge Bourdezière heiratete. Am nächsten Tage kam der Neuvermählte in das Zimmer des Königs, und alle begannen ihn zu hänseln, wie das Gebrauch ist Einer der Herren fragte ihn, wieviel Posten er geritten habe. Fünf, antwortete der Gatte. Zufällig war ein Edelmann, ein Sekretär, anwesend, der damals der Günstling einer sehr großen Prinzessin war; dieser sagte: das sei gar nichts, wenn man den schönen Weg und das schöne Wetter bedenke, das er gehabt habe; denn es war im Sommer. Der Grandseigneur erwiderte ihm: »Nun, bei Gott! Sie brauchten wirklich Rebhühner!« »Warum nicht?« versetzte der Sekretär, »ich habe ein Dutzend in vierundzwanzig Stunden auf dem schönsten Waldgrunde von ganz Frankreich erlegt.« Wer war nun erstaunt? Dieser Herr, denn dadurch erfuhr er, was er schon längst vermutet hatte. Und da er selbst sehr verliebt in jene Prinzessin war, ärgerte es ihn, daß er so lange in diesem Gebiet gejagt und nichts erlegt hatte, während der andre glücklicher gewesen war. Vorläufig ließ er jedoch nichts merken, aber er hegte stets einen Haß gegen ihn. Der Sekretär hätte besser getan, seine Jagd nicht so sehr zu rühmen, sondern sie geheim zu halten.

Was soll man von jenem Edelmann sagen, der wegen einer geringen Verdrießlichkeit mit seiner Geliebten so schamlos war, ihrem Gatten ihr Bild zu zeigen, das sie ihm geschenkt und das er am Halse trug. Der Gatte ward sehr ärgerlich und entzog ihr seine Liebe.

Dieser handelte noch unrechter als jener große Herr, der, ärgerlich über einen Streich, den ihm seine Geliebte gespielt, ihr Porträt im Würfelspiel gegen einen Soldaten[337] verlor, denn er hatte eine große Stellung bei der Infanterie. Sie erfuhr das und war entrüstet Auch die Königin-Mutter erfuhr es und machte ihm Vorwürfe, daß er sich in seinem Ärger so weit hatte gehen lassen, das Bild einer so schönen und achtbaren Dame dem Würfelspiel preiszugeben. Aber der Herr beschönigte die Sache, indem er sagte, er habe das Bild selbst zurückbehalten und nur das Medaillon aufs Spiel gesetzt, das aus Gold und mit Edelsteinen geziert war. Ich hörte diese Geschichte zwischen dem Herrn und der Dame öfter sehr lustig erzählen und habe herzlich darüber gelacht.

Noch eins möchte ich sagen: es gibt Damen, die in ihrer Liebe bedroht, bezwungen werden wollen und die auf diese Weise besser zu haben sind als durch sanfte Manieren; dagegen wollen sie nicht beleidigt oder als Dirnen verschrieen sein.

Sulla konnte der Stadt Athen niemals verzeihen, daß er sie nicht von Grund aus zerstört hatte; aber nicht wegen der Hartnäckigkeit, mit der sie sich gegen ihn zur Wehr gesetzt, sondern weil die auf den Mauern Stehenden schlecht von seiner Frau Metella sprachen und ihre Ehre aufs tiefste verletzten.

An gewissen Orten, die ich nicht nenne, pflegten die Soldaten bei Scharmützeln und Belagerungen sich dadurch gegenseitig aufzureizen, daß sie einander die Ehre ihrer betreffenden Fürstin verhöhnten. Durch solche Stichelreden trieben die Fürstinnen öfter ihre Truppen zu Grausamkeiten an, wie ich gesehen habe.

Ich hörte erzählen, die Königin von Ungarn habe hauptsächlich deshalb ihre Feuer gegen die Pikardie und andere Teile Frankreichs entzündet, weil unverschämte Schwätzer von ihren Liebschaften sprachen und überall laut den Vers sangen:


Au, au Barbanson

Et la reine d'Ongrie,


ein wirklich plumpes Lied, das deutlich den Stempel des Bäurischen trägt.[338]

Cato konnte niemals den Caesar lieben, und zwar weil man, während im Senat gegen Catilina und seine Verschwörung beraten wurde, dem Caesar, der des Einverständnisses verdächtig war, im geheimen ein Briefchen zugesteckt; dies hatte ihm aber Servilla, Catos Schwester, gesandt und ihm darin ein Stelldichein angeboten. Cato, der keine Ahnung davon hatte, sondern an ein Bündnis Caesars mit Catilina glaubte, verlangte mit lauter Stimme vom Senat, Caesar zur Vorzeigung des fraglichen Briefes zu veranlassen. Caesar, in dieser Weise gezwungen, zeigte ihn vor, und damit war die Ehre von Catos Schwester öffentlich beschimpft. Man kann sich denken, daß Cato nun den Caeser mehr wegen dieser Affaire haßte, so sehr er sich auch den Anschein gab, ihn im Interesse der Republik zu hassen. Es war jedoch nicht Caesars Schuld, denn er war zum Vorzeigen des Briefes gezwungen worden, andernfalls wäre es ihm ans Leben gegangen. Ich glaube übrigens, daß Servilla ihm deshalb nicht zürnte, denn sie setzten ihre Liebschaft fort, aus der Brutus hervorging, dessen Vater Caesar sein sollte. Brutus aber dankte es ihm schlecht, daß Caesar ihn in die Welt gesetzt.

Die Damen nun, die sich den Großen hingeben, geraten oft in Gefahr, und wenn sie Gunst, Größe und Reichtümer dabei gewinnen, so müssen sie sie teuer genug erkaufen.

Ich hörte von einer schönen Dame aus gutem Hause erzählen, in die ein Herr von noch größerer Vornehmheit verliebt war. Eines Tages fand er sie mit ihren Frauen im Zimmer, auf dem Bette sitzend, und nach einigem Liebesgeplauder umarmte der Herr sie und legte sie sanft auf ihr Bett zurück. Sie erduldete den Überfall mit nur geringem Widerstände und sagte: »Daß ihr großen Herren euch doch nicht enthalten könnt, eure Freiheit und Macht uns armen niedriger Geborenen gegenüber zur Geltung zu bringen. Aber wenn ihr nur wenigstens schweigen könntet, statt auch eure Freiheit des Wortes zu gebrauchen, dann wäret ihr viel begehrenswerter und entschuldbarer. Ich bitte Sie deshalb,[339] mein Herr, die Sache geheim zu halten und meine Ehre zu schonen.«

Das sind die gewöhnlichen Worte, der niederen Frauen gegenüber den großen Herren. Sie denken: wenn die Welt nur nichts weiß, dann sind sie auch nicht entehrt.

Anderseits sagen die großen Damen zu ihren niedriger geborenen Liebhabern: »Hüten Sie sich ja, auch nur ein Wort davon zu sagen; andernfalls geht es Ihnen ans Leben. Ich lasse Sie in den Sack stecken und ins Wasser werfen oder bringe Sie auf andre Weise um.« So oder ähnlich sprechen sie, denn sie wollen nicht durch den Mund der Männer in Verruf kommen. Einige auch sind wieder so unbedacht und von der Liebe hingerissen, daß sie sich selbst verraten. So hatte vor nicht langer Zeit ein großer Herr einer vornehmen Dame, die er genossen, ein kostbares Armband geschenkt, woran sich das Bildnis der beiden befand. Sie war so unvorsichtig, es täglich auf dem nackten Arm über dem Ellenbogen zu tragen, wo es denn eines Tages ihr Gatte entdeckte, der sich ihrer durch Mord entledigte. Wie unbedacht war diese Frau!

Ich kannte einst einen großen regierenden Fürsten, der drei Jahre lang eine der schönsten Hofdamen zur Maitresse hatte. Als er nach Verlauf dieser Zeit sich auf einen Kriegszug begeben mußte, verliebte er sich noch zuvor in eine sehr schöne Fürstin. Um dieser zu beweisen, daß er seine erste Geliebte völlig aufgegeben, schenkte er ihr alle Liebespfänder, Edelsteine, Ringe, Porträts, Armbänder etc., die er von der Ersten empfangen. Diese erfuhr das und war auf das äußerste empört. Sie schwieg auch nicht, und indem sie sich selbst offen kompromittierte, war es ihr eine Genugtuung, damit zugleich die andre in Verruf zu bringen. Ich glaube übrigens, wenn diese Prinzessin nicht bald darauf gestorben wäre, würde der Prinz sie nach seiner Rückkehr geheiratet haben.

Einen andern Fürsten kannte ich, weniger groß wie jener, der während seiner ersten Ehe und seiner Witwerschaft[340] sich in ein schönes vornehmes Fräulein verliebte, und ihr schöne Geschenke an Ringen, Pretiosen usw. machte. Darunter befand sich ein Spiegel mit seinem gemalten Bildnis. Nun heiratete der Prinz eine sehr schöne Fürstin, die ihn den Geschmack an seiner ersten Geliebten verlieren ließ, obwohl sie einander an Schönheit nichts nachgaben. Die Prinzessin bat ihren Gatten, seiner ersten Geliebten alle Liebespfänder, die er ihr gegeben, wieder abzuverlangen. Das schmerzte nun diese Dame tief; sie war aber so großherzig gesinnt, obwohl sie keine Fürstin, wenn auch aus einem der besten Häuser Frankreichs war, daß sie ihm all das Schöne zurücksandte, darunter auch den Spiegel mit dem Bilde des Prinzen. Um diesen aber noch mehr auszuschmücken, nahm sie vorher Feder und Tinte und malte ihm mitten auf die Stirn zwei große Hörner. Dies übergab sie einem Edelmann mit den Worten: »Nehmen Sie, mein Freund, bringen Sie es Ihrem Herrn und sagen Sie ihm, ich schickte ihm alles wieder, was er mir gegeben; ich hätte nichts zurückbehalten oder dazugetan, höchstens daß er selbst inzwischen etwas hinzugefügt Sagen Sie auch seiner Gemahlin, die ihn dazu aufgefordert, zurückzuverlangen, was er mir gegeben, daß, wenn ein vornehmer Herr (sie nannte ihn bei Namen) es ebenso mit seiner Mutter gemacht und alles zurückgefordert hätte, sie jetzt ebenso arm an Schmuck und Steinen wäre wie ein Hoffräulein. Jetzt ginge sie jeden Morgen in den Garten, um Blumen zu pflücken, und ihren Kopf damit zu zieren, statt mit Edelsteinen. Diese überließe sie ihm, angesichts seines Hirschgeweihs.« Wer dieses Fräulein gekannt hat, wird ihr den Streich zutrauen; übrigens hat sie es mir selbst erzählt; denn sie war sehr freimütig.

Dennoch sollte es ihr wegen dieser Spötterei übel ergehen von Seiten des Gatten und der Frau. Man tadelte sie, es sei unrecht gewesen, die arme Frau so zu verhöhnen, denn sie hätte sich diese Geschenke im Schweiße ihres Angesichts verdient.[341]

Die Dame fand jedoch, da sie schön und liebenswürdig war, trotzdem sie ihren Leib jenem Prinzen überlassen hatte, noch die Liebe eines sehr reichen, wenn auch nicht vornehmen Mannes. Als sie sich einst gegenseitig vorwarfen, welche Ehre einer dem andern erwiesen habe, ihn zu heiraten und sie auf ihre vornehme Abstammung verwies, entgegnete er: »Ich habe für Sie mehr getan, als Sie für mich; denn ich habe mich entehrt, um Ihre Ehre wieder herzustellen.« Damit wollte er sagen, daß er ihr die verlorene Mädchenehre wiedergegeben, indem er sie zur Frau nahm.

Ich hörte von guter Seite erzählen, daß König Franz I. Madame von Chasteaubriand, seine Lieblingsmaitresse, verlassen hatte, um Madame d'Estampes zu nehmen, die den Mädchennamen Helly führte, und von der Frau Regentin dem König bei seiner Reise von Spanien nach Bordeaux zugeführt wurde. Madame d'Estampes bat ihn nun, von Madame von Chasteaubriand alle Kleinodien zurückzufordern, die er ihr gegeben, nicht wegen des Wertes, denn die Perlen und Edelsteine hatten damals noch nicht den Preis wie heute, sondern wegen der schönen Sprüche, die darauf eingeschnitten waren, und die die Königin von Navarra verfaßt hatte. König Franz gewährte ihre Bitte und versprach es zu tun. Er sandte einen Edelmann zu ihr, aber sie stellte sich krank und sagte ihm, er solle in drei Tagen wiederkommen. Inzwischen bestellte sie voller Ärger einen Goldschmied und ließ alle die Kleinodien einschmelzen, ohne Rücksicht auf die schönen Sinnsprüche, so daß einfache Goldstangen daraus wurden. Diese übergab sie dem Edelmann und sagte: »Bringen Sie dies dem König und sagen Sie ihm, da er zurückfordere, was er mir so freigebig geschenkt, so schickte ich es ihm in Goldstangen zurück. Was die Sinnsprüche beträfe, so hätte ich sie in mein Gedächtnis eingegraben und hielte sie darin so fest und wert, daß kein andrer als ich sie kennen und sich daran erfreuen sollte.«

Als der König die Goldbarren mit dieser Antwort erhalten hatte, entgegnete er nur: »Bringen Sie ihr das wieder.[342] Nicht des Wertes halber hatte ich ihr die Geschenke gemacht, sondern wegen der Sprüche. Da diese nun verloren gegangen sind, so will ich das Gold nicht und schicke es zurück. Sie hat hierdurch mehr Mut bewiesen, als ich einer Frau zugetraut hätte.« Ja, ein edles Frauenherz, das verachtet wird, ist zu großen Dingen fähig.

Anders als solche Fürsten, die ihre Geschenke zurückfordern, handelte Madame von Nevers, aus dem Hause Bourbon, Tochter des Herrn von Montpensier. Sie galt zu ihrer Zeit in Frankreich und Spanien als eine sehr kluge, tugendhafte und schöne Fürstin; in Spanien hatte sie eine Zeitlang mit der Königin Elisabeth von Frankreich gelebt, deren Mundschenkin sie war; denn die Königin ließ sich von Frauen und Mädchen bedienen, wie unsre Könige von Edelleuten. Diese Fürstin war mit dem Grafen d'Eu vermählt, dem älteren Sohne des Herrn von Nevers, und beide waren einander würdig, denn er war einer der schönsten und liebenswürdigsten Prinzen seiner Zeit. Deshalb wurde er auch sehr von den schönen Hofdamen begehrt, unter denen eine besonders gewandt war. Eines Tages nahm er von dem Finger seiner Frau einen schönen Diamantring im Werte von fünfzehnhundert bis zweitausend Talern, den die Königin von Spanien ihr bei ihrer Abreise verehrt hatte. Da die Hofdame ihn sehr lobte, und Lust zeigte, ihn zu besitzen, so schenkte der großmütige König ihr den Ring und sagte, er hätte ihn im Spiel gewonnen. Sie wies ihn auch nicht zurück und trug ihn aus Liebe zum König stets an ihrem Finger. Zu seiner Gattin sagte der König, er habe ihn im Spiel verloren, aber sie sah ihn am Finger der Dame, von der sie wohl wußte, daß sie die Geliebte ihres Gatten war. Sie besaß so viel Selbstbeherrschung, daß sie nur errötend und ihren Zorn niederkämpfend den Kopf wandte und weder ihrem Gatten noch seiner Geliebten ein Wort sagte. Sie verdiente gewiß hohes Lob, daß sie ihren Ärger nicht merken ließ und die Dame nicht beschimpfte, wie es andre wohl getan und dadurch den Leuten[343] einen Spaß bereitet und Gelegenheit zum Klatsch gegeben hätten.

So ist die Bescheidenheit in diesen Dingen oft sehr gut und nützlich, doch gibt es auch hierbei Glück und Unglück wie wo anders; denn manche Frauen brauchen nur einen Fingerbreit vom Wege ihrer Ehre abzuweichen, und sofort sind sie verschrien.

Andre wieder segeln mit vollem Winde im Meer der Venus nach der Insel Kypros und entzücken sich in den Gärten der Aphrodite, aber niemand spricht von ihnen, als ob sie gar nicht auf der Welt wären. So begünstigt das Glück die einen, und verläßt die andern, wovon ich viele Beispiele sah.

Zur Zeit des Königs Karl wurde zu Fontainebleau ein sehr häßliches und skandalöses Pasquill verfaßt, welches die allervornehmsten Damen nicht schonte. Hätte man den Autor gekannt, es wäre ihm schlimm ergangen.

Auch zu Blois bei Gelegenheit der Vermählung der Königin von Navarra gab es ein schmachvolles Pasquill gegen eine vornehme Dame, dessen Verfasser nicht bekannt wurde. Es traten aber mutige Edelleute auf, die die Schmähschrift Lügen straften. Auch unter der Regierung Heinrichs HI. tauchten Pasquille auf, unter andern eins in Liedform, nach der Melodie eines damaligen Hoftanzes, das nun von den Pagen und Lakaien mit hoher und tiefer Stimme gesungen wurde.

Zur Zeit Heinrichs III. ging es noch schlimmer zu. Ein mir bekannter Edelmann schenkte eines Tages seiner Geliebten ein Buch mit Bildern, die zweiunddreißig große und mittlere Hofdamen darstellten, ganz nach der Natur gezeichnet, wie sie mit ihren Anbetern der Liebe frönen. Darunter waren Damen, die zwei oder drei Liebhaber hatten, manche noch mehr, und diese zweiunddreißig Damen verkörperten etwa siebenundzwanzig Stellungen des Aretino. Die Personen waren sprechend ähnlich, einige völlig nackt, andre mit genau derselben Kleidung, Haartracht usw., die[344] man sonst bei ihnen sah. Ebenso war es mit den Männern. Kurz, dieses Buch war großartig gemacht; es hatte 8–900 Taler gekostet, und die Zeichnungen waren koloriert.

Die Dame zeigte und lieh es einst einer vertrauten Freundin, die ihrerseits die intimste Freundin einer der in dem Buche am schlimmsten abgebildeten Damen war; sobald sie es hatte, teilte sie es dieser mit. Sie, die in allem sehr neugierig war, wollte das Buch mit einer andern großen Dame, ihrer Cousine, die sie sehr liebte, ansehen, und lud sie zu diesem Schauspiel ein; auch diese war mit abgebildet.

Sie sahen das Buch mit größter Aufmerksamkeit durch, Blatt für Blatt, ohne ein einziges zu überfliegen, so daß sie zwei Stunden des Nachmittags damit zubrachten. Statt sich nun darüber zu ärgern, lachte die Cousine vielmehr, bewunderte die Bilder und beschaute sie so gründlich, daß sie schließlich ganz aufgeregt wurde und anfing, mit ihrer Freundin verliebt zu tun, bis die beiden Damen einander küßten und schnäbelten wie die Tauben, sich umarmten und noch weiter gingen, denn sie waren an dieses Spiel sehr gut gewöhnt.

Diese beiden Damen waren immer noch widerstandsfähiger, als eine gewisse andre, die eines Tages dieses Buch mit zwei andern Freundinnen ansah und vor sinnlicher Aufregung kaum bis zum vierten Blatt kommen konnte; beim fünften fiel sie in Ohnmacht. Ähnlich, wenn auch aus ganz anderm Grunde, geschah es Octavia, der Schwester des Cäsar Augustus, die eines Tages den Virgil die drei Verse sprechen hörte, die er auf den Tod ihres Sohnes Marcelius gedichtet hatte. (Sie gab ihm für diese drei einzigen Verse dreitausend Taler.)

Als ich bei Hofe war, hörte ich erzählen, daß ein schon hochbetagter Fürst, der seit dem Tode seiner Gattin als frommer Mann seine Witwenschaft gut ertragen, eine zweite Ehe mit einer schönen, tugendhaften und jungen Prinzessin schließen wollte. Da er seit den zehn Jahren seiner Witwerschaft[345] keine Frau berührt hatte und fürchtete, den Gebrauch verlernt zu haben (als ob das eine Kunst sei, die man vergessen kann!), so wollte er erst einen Versuch machen. Er gewann für Geld ein hübsches, junges Mädchen, das Jungfrau war, ebenso wie seine zukünftige Gattin; man sagt, er habe ein Mädchen gewählt, das der Gattin sogar in den Gesichtszügen ähnelte. Der Versuch, bei dem es sich zeigte, daß er nichts vergessen hatte, fiel so glücklich aus, daß er sich von der Eroberung der andern Festung den schönsten Sieg versprach.

Weniger glücklich war der Versuch eines andern Edelmannes, der noch sehr jung war, aber auf den Wunsch seines Vaters heiraten sollte. Auch er wollte vorher einen Versuch machen und engagierte deshalb einige Monate vorher ein hübsches Freudenmädchen, daß jeden Nachmittag in den Garten seines Vaters kommen sollte, denn es war im Sommer. Dort vergnügte er sich mit dem Mädchen unter dem Schatten grüner Bäume beim Murmeln eines kühlen Brunnens derartig, daß er der Hochzeit mutig entgegensah. Aber leider, als die Brautnacht gekommen war, konnte er nichts ausrichten. Man kann sich sein Erstaunen denken! Er fluchte und verwünschte sein Geschick, faßte aber dann doch Mut und sagte zu seiner Frau: »Meine Liebe, ich weiß nicht, was das bedeutet, denn ich habe Tag für Tag in dem Garten meines Vaters geübt.« Und er erzählte ihr die Sache. »Schlafen wir jetzt Morgen nachmittag werde ich dich in den Garten führen, und da wirst du etwas Besseres erleben.« Das geschah und seine Frau fühlte sich wohl dabei. Darüber entstand am Hofe das Sprichwort: »Wenn ich dich im Garten meines Vaters hätte, dann solltest du etwas erleben.« Vielleicht, daß der Gott der Gärten, Meister Priapus, die Faunen und die Satyrn, die die Wälder beherrschen, den Liebenden dort behilflich sind.

Derartige Versuche halten aber nicht immer Stich; denn von verschiedenen wackeren Kämpen der Venus hörte ich, daß sie ihre Lektionen vergessen hatten, wenn sie auf die[346] hohe Schule kamen. Einige sind entweder zu hitzig oder zu kalt und werden von dieser Glut oder Kälte ganz plötzlich befallen. Andre verlieren sich ganz in der Ekstase, ein so herrliches Gut in den Armen zu haben; wieder andre werden furchtsam oder mit einem Mal schwach, ohne zu wissen warum. Kurz, es gibt zahllose Hindernisse, die ganz unvermutet eintreten. Ich will sie nicht alle aufführen und berufe mich auf viele verheiratete Leute und andre Liebesabenteurer, die hundertmal mehr davon zu sagen wissen als ich. Solche Versuche sind gut für die Männer, aber nicht für die Frauen. So hörte ich von einer Mutter, einer Standesdame, die ihre einzige geliebte Tochter einem Edelmann zur Ehe versprochen hatte. Da sie befürchtete, daß ihre Tochter den sehr stark gebauten Edelmann nicht aushalten würde, ließ sie erst ein Dutzend Versuche mit einem ihrer jungen Diener anstellen, indem sie sagte, es würde besser gehen, wenn erst Bresche geschlagen sei; was auch der Fall war. Dieser Versuch ist weniger skandalös als ein andrer, von dem ich in Italien hörte. Ein Vater hatte seinen Sohn mit einem hübschen Mädchen verheiratet. Dieser war aber noch ein junger Dummkopf und verstand weder in der ersten, noch in der zweiten Brautnacht etwas auszurichten. Als der Vater die beiden fragte, wie es ihnen in der Ehe ginge und ob sie triumphiert hätten, antworteten sie: »Niente«, und der Sohn sagte, er wüßte nicht, wie er es anfangen solle. Da nahm der Vater seinen Sohn bei der einen Hand und die Schwiegertochter bei der andern, führte sie beide in ein Zimmer und sagte: »Na, dann will ich euch zeigen, wie's gemacht wird.« Er legte die Schwiegertochter aufs Bett und ließ sie die Schenkel spreizen. Dann sprach er zu seinem Sohn: »Nun paß auf!« und zu der jungen Frau: »Bleib ruhig liegen, es tut nicht weh.« Dann schritt er zum Werke und sagte: »Merke dir, wie ich's mache und was ich sage; dentro, fuero, dentro, fuero.« Diese Worte wiederholte er mehrmals, sich vor- und zurückbewegend, kam aber doch nie ganz heraus.[347] Nach diesen mehrfachen Bewegungen und den Worten dentro und fuero, rief er im höchsten Augenblick nur noch: dentro, dentro, dentro, dentro! und kümmerte sich den Teufel um das Wort fuero. So wurde der Vater, der den Lehrer spielen wollte, zugleich Ehebrecher mit seiner Schwiegertochter, die, harmlos, oder besser gesagt schlau, die Lehre gut annahm. Der Mann wollte seinen Unterricht eben mit Gründlichkeit erteilen, ohne welche ja auch kein Unterricht etwas wert ist.

Ich hörte von mehreren Liebesabenteurern und Begünstigten, daß manche Damen in der Liebesekstase fast ohnmächtig werden und ausrufen: »Ach! ich sterbe!« Ich glaube, das ist ein sehr süßer Tod. Andre rollen die Augen, als ob sie wirklich stürben und bleiben regungslos liegen. Von manchen hörte ich, daß sie ihre Muskeln und Nerven derartig anspannen, daß sie den Krampf bekommen. Von einer weiß ich, daß sie stets davon befallen wurde und kein Mittel ihr helfen konnte. –

Von einer Dame hörte ich folgende Geschichte. Sie wurde von ihrem Freunde auf dem Bettrand umarmt, und als das süße Werk beendet war, glitt der Liebhaber, der neue Stiefel mit glatten Sohlen anhatte, auf dem Parkettboden des Zimmers aus. Er konnte sich nicht halten und fiel auf sie, wobei er mit seinem, ganz mit Silbertressen besetzten Wams ihr Bauch, Lenden usw. derartig zerschrammte, daß es aussah, als hätte eine Katze sie gekratzt. Das tat der Dame so weh, daß sie einen lauten Schrei ausstieß. Das Beste war nun aber, daß der Edelmann bei seinem Fall mit Nase, Mund und Kinn auf die Vulva der Dame zu liegen kam, die durch wiederholte Attacken bis über den Rand mit Schaum angefüllt war. Das hatte zur Folge, daß er sich Nase, Mund und Schnurrbart derartig benetzte, als hätte ihn ein Barbier gehörig eingeseift Bei dem Anblick vergaß die Dame ihre Schmerzen, brach in helles Gelächter aus und rief: »Sie sind Ja ein schmucker Bursche! Sie haben sich großartig barbiert – freilich nicht[348] mit neapolitanischer Seife!« Die Dame erzählte dies einer Freundin, und der Herr einem Freund. So wurde die Geschichte bekannt und weiter erzählt; denn sie war ja auch wirklich sehr gut und zum Lachen.

Doch genug hiervon. – Was die Medisance betrifft, so wünschte ich, daß man in unserm Frankreich die Zunge ebenso hütete wie in Spanien. Dort würde man bei seinem Leben nicht wagen, die Ehre vornehmer Damen zu verletzen, und wenn an irgend einem Orte Damen erscheinen, so genügt der Ruf: Lugar á las damas, damit ein jeder sich verneigt und ihnen Ehre erweist Jede Unverschämtheit gegen sie ist auf das strengste verboten.

Als die Gemahlin des Kaisers Karl ihren Einzug in Toledo hielt, soll, wie ich hörte, der Marquis von Villana, ein spanischer Grande, einen Argusil zurechtgewiesen haben, weil dieser ihn aufgefordert, schneller zu gehen; diese Drohung brachte ihm große Unannehmlichkeiten, weil er sie in Gegenwart der Kaiserin geäußert hatte. Wäre es in Gegenwart des Kaisers geschehen, so hätte es weniger ausgemacht.

Als der Herzog von Feria in Flandern war, zogen die Königinnen Eleonore und Maria durch das Land, hinter ihnen ihr weiblicher Hofstaat Er, der sich neben seiner Herrin befand, geriet mit einem andern spanischen Kavalier in Wortwechsel, und beide liefen Gefahr, ihr Leben zu verlieren, aus dem einzigen Grunde, weil dieser Skandal in Gegenwart der Kaiserin und der Königinnen stattgefunden hatte.

Ebenso wäre Don Carlos von Avalos zu Madrid, als die Königin Isabella von Frankreich durch die Stadt kam, sofort zum Tode geführt worden, wenn er sich nicht schnell in eine Kirche geflüchtet hätte, die für die armen Unglücklichen eine Freistätte ist. Es gelang ihm, in Verkleidung aus Spanien zu entfliehen. Sein Leben lang blieb er aus[349] diesem Lande verbannt und verbrachte seine Tage auf der elendesten Insel Italiens, auf Lipari.

Sogar die Hofnarren, die sonst das Vorrecht des freien Wortes haben, werden bestraft, sobald ihr Wort eine Dame berührt So erging es einst einem mit Namen Legat, den ich gekannt habe. Eines Tages plauderte unsre Königin Elisabeth, wie schön und angenehm der Aufenthalt in Madrid und Valladolid sei; sie möchte, sagte sie, daß die beiden Orte so benachbart seien, daß sie mit dem einen Fuß Madrid, mit dem andern Valladolid berühren könnte. Dazu hätte sie die Beine allerdings weit auseinander spreizen müssen. Der gedachte Hofnarr, der das gehört hatte, sagte: »Dann möchte ich in der Mitte sein, con un carrajo de borrico, para encarguar y plantar la raya.« Dafür erhielt er jämmerliche Schläge. Und doch hatte er nicht Unrecht mit diesem Wunsche, denn die Königin war eine der schönsten Frauen Spaniens, und man konnte diesen Wunsch wohl hegen, – wenn auch nicht der Narr, sondern hundertmal bessere Leute als er.

Ich glaube, die Herren Schwätzer und Verleumder der Damen möchten wohl das gleiche Vorrecht genießen, wie die Winzer in der Campagna von Neapel, denen es zur Zeit der Weinlese erlaubt ist, jedem Vorüberkommenden zu sagen, was sie wollen, sogar Beleidigungen. Da sieht man sie denn hinter den Leuten herschreien, gleichviel welchen Alters und Standes diese sind. Das Spaßigste dabei ist, daß sie sogar die Damen, Prinzessinnen und Großen nicht verschonen. Ja, ich habe zu meiner Zeit gehört und gesehen, daß manche Damen des Spaßes halber absichtlich aufs Feld gingen und sich dort zu schaffen machten, um die gemeinen und unzüchtigen Reden der Winzer anzuhören. Dabei wurden dann auch ihre Gatten oder Liebhaber beschimpft, und man warf den Damen vor, sich mit ihren Kutschern, Pagen und Dienern abzugeben. Ja, noch mehr, die Weinleser boten den Damen ihre Gesellschaft an und versicherten, sie würden sie besser bedienen als sonst[350] jemand. Die Damen begnügten sich damit, sich vor Lachen auszuschütten und sich die Zeit zu vertreiben, oder sie ließen ihnen auch durch ihre Begleiter Antworten geben, was ebenfalls erlaubt ist. Wenn die Weinlese zu Ende ist, dann ruhen diese Schimpfworte bis zum nächsten Jahr; denn außer der Zeit würden sie streng bestraft werden.

Man sagte mir, daß dieser Gebrauch noch heute besteht, und manche Leute in Frankreich möchten, daß er auch hier zu einer gewissen Zeit des Jahres beobachtet würde, damit sie die Medisance, die sie so sehr lieben, in voller Sicherheit genießen könnten.

Doch um zu schließen: die Damen sollten von jedermann respektiert, und ihre Gunstbezeigungen geheim gehalten werden. Deshalb sagte auch Aretino, die Zungen, die die Liebenden unter sich austauschen, wären nicht nur dazu bestimmt, sich gegenseitige Wonne [zu bereiten, sondern die Vereinigung der Zungen sei das Zeichen, ihre Liebesgeheimnisse zu bewahren. Ja, sogar manche Ehegatten sind so zügellos und unverschämt, daß sie sich nicht mit den Unkeuschheiten begnügen, die sie mit ihren Frauen treiben, sondern auch ihren guten Freunden davon erzählen. Infolgedessen denn manche Frauen ihre Gatten hassen und sich ihrer Liebe entziehen. Sie wollen eben nicht verschrien sein, und wäre es auch von dem eignen Ehemann.

Herr Du Bellay, der Dichter, hat in seinen lateinischen »Tombeaux«, die übrigens sehr hübsch sind, eine Grabschrift auf einen Hund verfaßt, die mir wert scheint, hierhergesetzt zu werden, denn sie paßt zu unserm Thema:


Latratu fures excepi, mutus amantes.

Sic placui domino, sic placui dominae.


Wenn man schon bei den Tieren die Verschwiegenheit schätzt, um wieviel mehr erst bei den Menschen! In der[351] Beziehung hat Lamia, jene berühmte Courtisane des Altertums, recht, die da sagte, eine Frau schätzt ihren Liebhaber besonders, wenn er verschwiegen ist; dagegen hasse sie vor allem einen Prahler, der sich dessen rühmt, was er geleistet und nicht erfüllt, was er versprochen hat Das Letztere in doppeltem Sinne. Ferner sagte sie, daß die Frau, wenn sie auch der Liebe frönt, doch nicht für eine Dirne gelten will. Sie selbst habe sich nie über einen Mann lustig gemacht, und kein Mann über sie. Von dieser Dame, einer Gelehrten in Liebessachen, könnten die andern viel lernen. –

Doch nun genug von diesem Gegenstande. Ein besser Redner als ich hätte ihn besser dargestellt und ausgeschmückt. Ihm überlasse ich meine Feder.

Quelle:
Brantôme: Das Leben der galanten Damen. Leipzig [1904], S. 316-352.
Lizenz:
Ausgewählte Ausgaben von
Das Leben der galanten Damen
Das Leben der galanten Damen.
Das Leben der galanten Damen.

Buchempfehlung

Stifter, Adalbert

Nachkommenschaften

Nachkommenschaften

Stifters späte Erzählung ist stark autobiografisch geprägt. Anhand der Geschichte des jungen Malers Roderer, der in seiner fanatischen Arbeitswut sich vom Leben abwendet und erst durch die Liebe zu Susanna zu einem befriedigenden Dasein findet, parodiert Stifter seinen eigenen Umgang mit dem problematischen Verhältnis von Kunst und bürgerlicher Existenz. Ein heiterer, gelassener Text eines altersweisen Erzählers.

52 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier. Neun Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier. Neun Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Dass das gelungen ist, zeigt Michael Holzingers Auswahl von neun Meistererzählungen aus der sogenannten Biedermeierzeit.

434 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon