Zweiter Artikel.

[364] Von der Liebe der Mädchen.


Boccaccio, unserm Führer in dieser Abhandlung, folgend, komme ich nun zu den Mädchen. Sie sind allerdings von Natur anfangs sehr furchtsam und wagen ihre Kostbarkeit nicht herzugeben, wenn auch ihre Väter, Mütter, Brüder und Verwandten ihnen noch so sehr dazu raten, ja sie sogar durch Drohungen überreden wollen. Freilich sind nicht alle so bedenklich, und manche gehen tapfer darauf los, was ihnen dann sehr zum Schaden gereicht; denn die Schande eines entehrten Mädchens ist vielmal größer als die verletzte Ehre einer Verheirateten oder Witwe. Sie ist beschimpft und alle Welt weist mit Fingern auf sie.

Ich kannte ein Mädchen, das von einem Prinzen geschwängert wurde und, ohne ein Hehl daraus zu machen, sagte sie: »Was konnte ich denn tun? Man sollte mir meinen Fehltritt nicht vorwerfen, sondern höchstens, daß ich mich nicht zeitiger vorgesehen habe. Denn wenn ich so klug gewesen wäre, wie die Mehrzahl meiner Kameradinnen, die es ebenso, ja schlimmer wie ich getrieben haben, dann hätte ich den Folgen Abhilfe geschafft und wäre jetzt nicht in dieser Verlegenheit.« Ihre Freundinnen zürnten ihr sehr wegen dieser Rede, und sie wurde auch von ihrer Gebieterin aus der Reihe der Hofdamen entfernt; freilich sagte man, daß gerade diese selbst ihr dazu geraten habe, sich dem gedachten Prinzen hinzugeben. Nach einiger Zeit machte sie jedoch eine gute Partie und heiratete einen sehr reichen Herrn, aus welcher Ehe eine sehr schöne Nachkommenschaft hervorging. Wäre dieses Mädchen also so schlau gewesen wie ihre Genossinnen und andre, so wäre ihr das nicht passiert. Ja, ich habe in meinem Leben Mädchen gesehen, die ebenso gerieben waren, wie die klügsten verheirateten Frauen; ja sogar als Kupplerinnen habe ich sie tätig gesehen.[365]

An unserm Hofe war ein junges Mädchen, das jene schöne Komödie »Das Paradies der Liebe« verfaßt hatte und spielen ließ. Sie wurde im Saale Bourbon hinter verschlossenen Türen aufgeführt, wobei nur die Schauspieler und Schauspielerinnen zugegen waren, die als Darsteller und Zuschauer zugleich dienten. Wer die Geschichte kennt, weiß, was ich meine. Sie wurde von sechs Personen, drei Männern und drei Frauen, aufgeführt. Der eine war ein Prinz, der eine Dame etwas geringeren Standes liebte. Der andre war ein Seigneur, und dieser spielte mit der großen Dame; der Dritte war ein Edelmann, der sich mit dem betreffenden jungen Mädchen einließ und sie nachher heiratete. Denn dies galante Weibchen wollte ebenso gut ihre Rolle spielen wie die andern. Gewöhnlich spielte der Verfasser selbst eine Rolle oder den Prolog, wie dieses Mädchen, das ebenso gut oder vielleicht noch besser ihre Rolle gab als eine Verheiratete. Sie hatte auch schon etwas von der Welt gesehen und war, wie es in dem spanischen Sprichwort heißt: rafinada en Secobia, raffiniert in Segovia, woher die gut zugerichteten Wollentücher kommen.

Ich hörte von vielen Mädchen erzählen, daß sie, da sie ihren Herrinnen als Darioletten dienten, auch einmal selbst von der Frucht kosten wollten. Solche Damen sind auch oftmals die Sklavinnen ihrer Mädchen, da sie fürchten, daß ihre Liebschaften von ihnen ausgeplaudert werden.

Eine spanische Dame glaubte, ihre Tochter fürchte sich vor der Hochzeitsnacht, und auf dem Wege zum ersten Ehebett redete sie ihr zu, es sei weiter nichts, sie würde auch keine Schmerzen empfinden; sie selbst würde von Herzen gern an ihrer Stelle sein, um es ihr besser zu erklären. Da antwortete die Tochter: Bezo las manos, señora madre, de tat merced, que bien la tomaré yo por mí: »Besten Dank, liebe Mutter, für den guten Dienst; aber ich werde es schon selber machen.«[366]

Ich hörte von einem jungen Mädchen hoher Abkunft, das sich dem Vergnügen hingegeben hatte und nun nach Spanien verheiratet werden sollte. Einer ihrer intimsten Freunde sagte eines Tages zu ihr: er wundere sich sehr, daß sie, die so sehr die Levante liebe, nach der Ponente oder dem Occident reise (denn Spanien liegt nach Westen zu). Die Dame antwortete: »Ja, ich hörte von den vielgereisten Seeleuten, das Reizendste und Lustigste sei, nach der Levante zu segeln, und ich habe meinen Kompaß, den ich täglich bei mir trage, auch oft danach gestellt; aber ich werde mir helfen: wenn ich im Occident bin, gehe ich graden Wegs nach der Levante.« Die guten Interpreten werden diese Allegorie verstehen, ohne daß ich sie erläutere. Ich gebe nach diesen Worten zu bedenken, ob dieses Mädchen stets in der Kirche zu Notre-Dame gebetet hat.

Von einer andern weiß ich, die von den Wundern der Stadt Venedig gehört hatte, von ihren Sehenswürdigkeiten und der dort herrschenden Freiheit des Verkehrs für alle Leute, sogar für die Dirnen und Courtisanen. »Ha, bei Gott!« sagte sie zu einer ihrer Freundinnen, »das wäre schön, wenn wir unser ganzes Vermögen dort auf der Bank niederlegen und ein lustiges Courtisanenleben führen könnten. Kein andres Leben kann dem gleichen, und wir würden bald die ganze Welt beherrschen!« Das war ein lustiger Wunsch. Und in der Tat, ich glaube, wer ein solches Leben führen will, wird sich sehr gut amüsieren.

Auch einen guten Wunsch äußerte eine Dame in vergangener Zeit, die sich von einem armen Sklaven, der den Händen der Türken entgangen war, von den Grausamkeiten erzählen ließ, die die armen Christen von ihnen zu erdulden hatten. Da fragte sie: wie die Türken denn mit den Frauen verführen. »Ach, Madame,« sagte er, »sie begatten die Frauen[367] so lange, bis sie sterben.« »Wollte Gott,« rief sie aus, »mir wäre auch ein solcher Tod beschieden!«

Drei großen Damen, von denen die eine Mädchen war, tauschten eines Tages ihre Wünsche aus. Die eine sagte: »Ich möchte einen Apfelbaum haben, der alle Jahre so viel Äpfel aus Gold hervorbrächte, wie sonst natürliche Früchte.« Die andre: »Ich möchte eine Wiese haben, worauf so viel Edelsteine wüchsen, wie sonst Blumen.« Die Dritte, das junge Mädchen, sagte: »Und ich möchte einen Taubenschlag haben, dessen Löcher mir dazu dienen sollten, wie das eine einer gewissen Dame, die die Geliebte eines gewissen Königs ist, den ich nicht nenne. Aber zu meinem Taubenschlag sollten vielmehr Tauben kommen als zu ihrem.«

Diese Damen glichen nicht jener Spanierin, deren Leben in der Geschichte Spaniens beschrieben ist. Eines Tages, als der große Alfons, König von Aragon, seinen Einzug in Saragossa hielt, warf sie sich dem König zu Füßen und flehte um Gerechtigkeit. Da der König sie anhören wollte, bat sie ihn allein sprechen zu dürfen, was er gewährte. Nun beklagte sie sich, daß ihr Mann ihr keine Ruhe lasse und sie zweiunddreißigmal bei Tage wie bei Nacht beanspruche. Der König ließ den Mann holen und erfuhr die Bestätigung der Wahrheit. Über den Fall berief seine Majestät den Rat und entschied, daß der Mann sie nur sechsmal berühren solle. Er wunderte sich sehr, wie er sagte, sowohl über die große Hitze und Fähigkeit dieses Mannes, wie über die große Kälte und Enthaltsamkeit dieser Frau; ganz im Gegensatz zu andern (sagt die Geschichte), die mit gefalteten Händen darum bitten und sich beklagen, wenn man das, was ihnen gehört, andern zukommen läßt.

Dieser Dame ähnelte wenig jenes junge Mädchen, das am Tage nach der Hochzeit ihren Freundinnen die Begebenheit der Nacht erzählte. »Wie?« sagte sie »weiter ist es nichts? Ich hatte von euch und andern gehört, daß die Männer wunder etwas ausrichten; aber dieser Mann« (sie[368] meinte ihren Gatten), »der gar so hitzig tat und sich für einen wackern Ringstecher ausgab, hat nur vier Ritte gemacht; und gewöhnlich reitet man doch dreimal für den Ring und einmal für die Damen, und zwischen jedem einzelnen Ritt machte er längere Pausen, als gestern abend bei dem großen Ball gemacht wurden.« Da ihr dies so wenig schien, so wollte sie wahrscheinlich ein Dutzend haben; aber nicht jeder gleicht jenem spanischen Edelmann.

So verhöhnen die Weiber ihre Gatten. Ähnlich eine Frau, die sich am ersten Abend ihrer Hochzeit ihrem Gatten gegenüber sehr ungebärdig und widerspenstig benahm. Da sagte ihr der Mann, wenn er seinen großen Dolch nähme, dann würde sie andre Ursache haben, zu schreien. Deshalb gab sie sofort nach, in der Furcht vor dem großen Dolche, womit er sie bedrohte. Aber am nächsten Morgen hatte sie keine Furcht mehr davor und, mit dem kleinen nicht zufrieden, fragte sie ihn bei der ersten Gelegenheit, wo er denn den großen habe, womit er sie am Abend zuvor bedroht. Darauf erwiderte der Gatte, er habe keinen, es sei nur ein Scherz gewesen. Sie möge nur mit dem kleinen zufrieden sein. Da rief sie aus: »Nein! Macht man sich so über ein armes einfältiges Mädchen lustig?« Ich weiß nicht, ob sie einfältig genannt zu werden verdient, und nicht vielmehr sehr fein und verschlagen. Ich überlasse das den spitzfindigen Köpfen.

Viel einfältiger war ein andres Mädchen, das sich bei der Justiz beklagte, daß sie jemand vergewaltigt habe. Zur Rechenschaft gezogen, erwiderte der Betreffende: »Meine Herren, ich berufe mich auf sie, ob es nicht wahr ist, daß sie selbst mein Glied genommen und es mit eigener Hand hineingeführt hat.« – »Ja, meine Herren,« sagte das Mädchen, »das ist schon wahr, aber wer hätte das auch nicht getan? Denn nachdem er mich hingelegt, bohrte er so heftig, wie mit einem Stock, gegen meinen Leib, daß ich fürchtete, er könnte mir ein Loch stoßen. Da habe ich den Stab denn genommen und ihn in das Loch gesteckt, das[369] sowieso schon da ist.« Ob dieses Mädchen einfältig war oder nur so tat, will ich nicht entscheiden.

Ich möchte noch zwei Geschichten von zwei verheirateten Frauen erzählen, die ebenso einfältig waren wie diese, oder auch sehr schlau, wie man will. Also eines Tages wurden einer sehr schönen und begehrten Dame, die ich kenne, von einem großen Fürsten Liebesanträge gemacht; er versprach ihr und ihrem Gatten Würden und Reichtümer, so daß sie diesen verführerischen Worten gern das Ohr lieh. Sie ergab sich jedoch nicht gleich auf den ersten Streich, sondern als junge erfahrene Gattin entdeckte sie alles ihrem Gatten und fragte ihn um Rat. Dieser antwortete rasch: »Um Gottes willen, mein Schatz, wo denkst du hin?! Das wäre für dich und mich eine unauslöschbare Schande.« – »Aber bedenke doch,« entgegnete die Frau, »die großen Vorteile, die uns dadurch geboten werden.« Der Mann wollte immer noch nicht ja sagen; aber die Frau begann, Mut zu bekommen und wollte diese Partie nicht verlieren. So ließ sie sich mit dem Prinzen ein und verzichtete auf ihre törichte Einfalt Ich hörte diese Geschichte von jemandem, der sie von jenem Prinzen hatte; dieser warf der Dame vor, man dürfe in solchen Dingen niemals den Gatten um Rat fragen, an seinem Hofe wüßte man andern Rat zu schaffen.

Nun möchte ich noch diese Dorfgeschichte erzählen, denn sie ist nicht schlecht. Ein Landmädchen wurde einst mit Trommel- und Pfeifenklang als Braut zur Kirche geführt, als zufällig der Liebhaber aus ihrer Mädchenzeit vorüberkam; diesem rief sie zu: »Adieu, Pierre, nun ist es aus, Du wirst es mir nicht mehr machen. Meine Mutter hat mich verheiratet.« In diesem Zuruf lag eine große Naivität und zugleich ein Bedauern über die Vergangenheit.

In Spanien hörte ich von einem Mädchen erzählen, daß sie in der Hochzeitsnacht zu ihrem Bräutigam, der[370] sich bei der Erstürmung der Festung verletzt hatte, lachend sagte: »Señor, bien es razon que seays martyr, pues que yo soy virgen: mas pues que yo tomo la paciencia, bien la podeys tomar«, »Mein Herr, es ist ganz in der Ordnung, daß Sie ein Märtyrer sind, da ich Jungfrau bin; aber da ich Geduld habe, müssen Sie auch Geduld haben.« Während jener Mann sich über seine Frau lustig machte, machte diese sich über ihren Mann lustig.

Eine andre Spanierin erzählte am Tage nach ihrer Hochzeit von den verschiedenen guten Eigenschaften ihres Gatten, »nur«, sagte sie, »que no era buen contador aritmético, porque no sabia multiplicar«; »nur ist er leider kein guter Rechner, denn er kann nicht multiplizieren«.

Solche Mädchen, die nach der Hochzeit solche Witzworte sagen, können ihren armen Gatten zu denken geben und sie glauben machen, daß sie nicht die ersten sind, die hier den Anker werfen, und auch nicht die letzten sein werden. Denn wenn ein Mann sich bei seiner Frau nicht gehörig abmüht, wird sie ihm bald Hörner verschaffen, wie das alte französische Sprichwort sagt: »Et qui ne la contente pas, (elle) va ailleurs chercher son repas.« Freilich, wenn eine Frau aus ihrem Manne alles zieht, was sie kann, so bringt sie ihn um, das heißt, er stirbt daran. Ein altes Wort ist auch: Einen Liebhaber soll man nicht erschöpfen, sondern ihn möglichst schonen; den Gatten aber kann man bis aufs Blut aussaugen. Daher der spanische Spruch: »que el primero pensamiento de la muger, luego que es casada, es de embiudarse.« »Der erste Gedanke einer Frau, wenn sie heiratet, ist, sich zur Witwe zu machen.« Dieser Ausspruch gilt nicht allgemein, wie ich anderwärts zu sagen hoffe, wohl aber für einige Frauen.

Gewisse Mädchen können ihre Glut nicht lange bemeistern und geben sich leicht den Prinzen und großen[371] Herren hin, nicht zum mindesten um ihrer Gunstbezeigungen und ihrer Geschenke willen; denn bei den großen Herren ist alles gut und schön, selbst wenn sie auch große Esel sein sollten, wie ich deren gesehen habe. Andre Mädchen dagegen scheuen die Großen, weil diese für wenig verschwiegen und für sehr prahlerisch gelten; sie ziehen die klugen und diskreten Edelleute vor, deren Zahl freilich gering ist, und sehr glücklich ist ein Mädchen, wenn sie wirklich einen solchen findet. Um alles dies zu vermeiden, wählen dagegen einige ihre Kammerdiener, von denen manche hübsch sind und sich nicht lange bitten lassen. Denn da sie den Damen beim An- und Auskleiden helfen, wie das an unsern Höfen und anderswo oftmals ohne Bedenken geschieht, so bekommen die Diener dabei manche Reize zu sehen (oftmals absichtlich von seiten der Mädchen), und es ist kein Wunder, wenn sie in Versuchung geraten. Wenn nun die Augen ihren Dienst getan haben, so müssen doch auch die andern Teile des Körpers den ihrigen leisten.

Ich kannte ein schönes Mädchen, das neben einem Prinzen, der sie aushielt, seinen Kammerdiener noch dazu nahm; der Prinz aber glaubte, er wäre der einzige. Sie hatte jedoch eine gute Wahl getroffen, denn der Diener war von großer Schönheit und gut gebaut, ja, er übertraf den Prinzen noch. Dieser erfuhr von der Sache nicht eher, als bis er das Mädchen aufgab, um sich zu verheiraten. Er behandelte den Diener deshalb aber nicht schlecht, sondern hatte ihn ganz gern, und wenn er ihn vorübergehen sah, dann sagte er: »Ist es möglich, daß dieser Mensch mein Nebenbuhler gewesen ist? Ja, ich glaube es gern, denn abgesehen von meinem hohen Stande, übertrifft er mich.« Der Mann war ein vortrefflicher, bei Hofe sehr geschätzter Schneider, dessen die Mädchen und Frauen sich gern bedienten, wenn sie hübsch gekleidet sein wollten. Ich weiß nicht, ob er sie in derselben Weise bekleidete, wie seine Geliebte, aber die Frauen waren mit ihm sehr zufrieden.[372]

Ich kannte ein Mädchen aus gutem Hause, das einen Lakaien im Alter von vierzehn Jahren hatte, den sie als ihren Spaßmacher hielt und mit dem sie allerlei Scherze trieb. So ließ sie sich von ihm ohne weiteres küssen und abgreifen, oftmals vor allen Leuten und entschuldigte es damit, er wäre eben ein lustiger Narr. Ich weiß nicht, ob er noch weiter ging, aber ich weiß, daß sie, nachdem sie verheiratet, Witwe und wiedervermählt war, eine sehr bekannte Hure geworden ist. Ich hatte ein Jahr lang Gelegenheit, dieses Mädchen zu beobachten, aber wenn ich sie: diese Vertraulichkeiten in Gegenwart ihrer sonst sehr prüden Mutter treiben sah, die nur darüber lachte, dann sagte ich voraus, daß aus dem kleinen Spiel ein großes, und aus dem Fräulein eines Tages eine gute Dirne werden würde, was auch eintraf.

Ich kannte zwei Schwestern aus sehr gutem Hause von Poitiers, von denen allerlei Gerede ging. Ihr Vater hatte einen baskischen Diener, und dieser, der als guter Tänzer bekannt war, und nicht nur den Ringeltanz seiner Heimat, sondern auch andre Tänze kannte, gab den Mädchen darin Unterricht. Nach der Tanzstunde lehrte er sie aber auch den Tanz der Freudenmädchen, und so kamen sie bald in Verruf. Trotzdem haben sie sich gut verheiratet, denn sie waren sehr reich. Und der Reichtum macht ja alles gut. Ich kannte diesen Basken später als sehr braven und tapfern Soldaten. Man hatte ihm damals, zur Vermeidung eines Skandals, den Abschied gegeben, und er war in die Garde unter Herrn d'Estrozze eingetreten.

Ich kannte ein andres großes Haus, dessen Herrin sich damit abgab, junge Mädchen bei sich zu erziehen. Nun war die Dame oft leidend, und die Ärzte und Apotheker gingen bei ihr aus und ein. Die jungen Mädchen sind aber auch oftmals Krankheiten unterworfen, wie Bleichsucht, Fieber usw. Nun begab es sich, daß zwei von ihnen vom viertägigen Fieber ergriffen wurden, und man einen Apotheker zu ihrer Pflege annahm. Er versorgte sie auch gut[373] mit Drogen und Arzeneien, aber das Beste war, daß er (dieser Schelm!) mit einer von ihnen schlief, dehn er hatte es mit einer so schönen Tochter Frankreichs zu tun, daß jeder König mit ihr zufrieden gewesen wäre. Ich kannte das Mädchen, das sicher einen andern Belagerer verdient hätte. Später wurde sie gut verheiratet, wobei sie noch als Jungfrau befunden wurde. Ich schließe daraus, daß sie sehr schlau gewesen und sich an ihren Apotheker wegen geeigneter Mittel gegen Schwangerschaft gewandt hat; denn diese fürchten die Mädchen am meisten. So war auch am Hofe der Königin Margarethe I. von Navarra ein Mädchen, das gesegneten Leibes wurde, aber einen schlauen Apotheker fand, der ihr einen Trank eingab, infolgedessen die Frucht Stück für Stück ohne Schmerzen abging. Dann heiratete sie frisch und munter, und der Gatte hatte keine Ahnung. Welch eine tüchtige Medizin! Man kann den Mädchen auch scheinbar die Jungfrauschaft wiedergeben, indem man Blutegel in die Scheide setzt, die durch das Saugen eine blutgefüllte Blase erzeugen. Diese zerplatzt dann in der Hochzeitsnacht, das Blut fließt heraus, und der Gatte ist voll Vergnügen, nicht minder die Braut, denn l'onor della citadella è salvo. Ich finde dieses Mittel vorzüglich, wenn es wahr ist. Und sollte es nicht helfen, so gibt es hundert andre, die noch besser sind und die die Herren Apotheker und Mediziner zu erfinden wissen, wozu sie oft zu großem Reichtum gelangen; denn sie verstehen zu verwunden und zu heilen, wie einst die Lanze des Peleus.

Ich kannte den vorhin erwähnten Apotheker, von dem ich im Vorbeigehen noch folgende wenige Worte sagen möchte. Ich sah ihn zu Genf, als ich zum erstenmal nach Italien reiste, denn damals führte der Weg infolge des Krieges für die Franzosen durch die Schweiz und Graubünden. Er besuchte mich in meiner Wohnung. Ich fragte ihn, was er in dieser Stadt mache und ob er hier sei, um die schönen[374] Mädchen zu behandeln, wie er es in Frankreich getan. Er entgegnete, er sei hier, um zu büßen. »Wie?« rief ich aus, »Sie wollen sich hier nicht auch so schöne Bissen zu Gemüte führen wie in Frankreich?« »Ach, mein Herr,« versetzte er, »Gott hat mich zu sich berufen, ich bin von seinem Geist erleuchtet und verstehe nun sein heiliges Wort.« – »Ja,« sagte ich, »aber damals waren Sie auch ein frommer Mann und nahmen sich der Seele und des Leibes der jungen Mädchen an.« – »Allerdings, mein Herr, aber jetzt habe ich meinen Gott besser erkannt, und ich will nicht mehr sündigen.« Wir plauderten noch viel über diesen Gegenstand, im Ernst und im Scherze. Aber dieser Schelm genoß doch von der guten Speise, die eher einem feinen Manne als ihm zukommt. Aus jenem Hause mußte er damals verschwinden, denn sonst wäre es ihm schlimm ergangen. Aber lassen wir ihn. Ich hasse den verwünschten Kerl, ebenso wie Herr von Ronsard jenen Arzt, der abends und morgens zu seiner (Ronsards) Geliebten kam und statt ihr Fieber zu kurieren, ihr Busen, Bauch und Hüften und die schönen Arme betastete. Darüber machte er ein hübsches Sonett, das sich im zweiten Buch seiner »Amours« befindet und also beginnt:


Hé! que je porte et de hayne et d'envie

Au médecin qui vient soir et matin,

Sans nul propos, tastonner le tétin,

Le sein, le ventre et les flancs de ma mye.


Auch ich hege große Eifersucht gegen einen Arzt, der einen ähnlichen Streich mit einer Dame spielte, die ich liebte; und ich genoß von ihr nicht solche Vertraulichkeit, die ich mehr begehrt hätte als ein kleines Königreich. Freilich solche Leute werden von den Mädchen und Frauen willkommen geheißen und haben Glück bei ihnen. Ich kannte bei Hofe zwei Ärzte, der eine hieß Castellan, Leibarzt der Königin-Mutter, der andre Cabrian, Arzt des Herrn von Nevers; dieser war auch bei Ferdinand von Gonzaga gewesen. Alle beide hatten Liebesabenteuer, und die größten Herren[375] des Hofes hätten sich sozusagen dem Teufel verschrieben, wenn sie deren Rivalen hätten sein können.

Eines Tages plauderten wir, der Baron von Vitaux und ich, mit Herrn Le Grand, einem berühmten Pariser Arzt; er war gekommen, um den genannten Baron zu sehen, der infolge von Liebesaffären krank geworden war. Wir fragten ihn über verschiedene Weibergeschichten aus und er erzählte uns tolle Sachen. Wir hatten uns so in das Gespräch vertieft, daß es neun Uhr schlug und er sich von seinem Stuhl erhob. »Wahrlich,« sagte er, »ich bin recht töricht, mich hier von Ihnen zwei gute Stunden mit Plaudern aufhalten zu lassen, und inzwischen habe ich sechs oder sieben Kranke vergessen, die ich besuchen muß.« Damit verabschiedete er sich; vorher aber sagten wir ihm noch: »Ja, ihr Herren Ärzte versteht die Sache, und besonders Sie, mein Herr scheinen ein Meister zu sein.« Er erwiderte, den Kopf senkend: »Ja, ja, wir verstehen uns darauf, denn wir kennen Geheimnisse, die kein andrer weiß. Aber jetzt, wo ich alt bin, habe ich der Venus und ihrem Sohne Valet gesagt. Das überlaß' ich nun euch Jungen.«

Eine andre Art Leute gibt es, die die Mädchen verführen, und das sind die Lehrer. Indem sie ihnen Stunden geben und allein mit ihnen im Zimmer sind, haben sie die schönste Gelegenheit, und durch Geschichten, Fabeln usw. können sie die Mädchen leicht in Hitze bringen. Man kann sich denken, daß sie dann die Gelegenheit beim Schöpfe nehmen.

Ich kannte ein Mädchen aus gutem und großem Hause, das dadurch korrumpiert wurde, weil sie ihren Lehrer die Geschichte oder vielmehr die Fabel von Tiresias erzählen hörte. Dieser hatte beiden Geschlechtern gedient und wurde deshalb von Jupiter und Juno befragt, wer bei dem Opfer der Venus den meisten Genuß habe: der Mann oder das Weib. Er behauptete gegen die Meinung der Juno, es sei das Weib. Darüber ward sie ärgerlich und beraubte ihn des Augenlichts. Es ist nicht zu verwundern, daß das junge Mädchen darüber erstaunte; denn sie hatte von[376] Freundinnen gehört, daß die Männer so eifrig hinter der Liebe her sind und so großen Genuß davon haben; dann mußte dies, nach dem Urteil des Tiresias, bei den Frauen noch mehr der Fall sein; folglich, hieß es, müßte man es einmal versuchen. Wahrlich, solche Lektionen sollte man den Mädchen nicht geben! Gibt es denn nicht andre? Aber die Lehrer sagen, die Mädchen wollten alles wissen, und wenn sie beim Unterricht auf Stellen oder Geschichten stoßen, die der Erklärung benötigen, dann muß man sie eben erklären, und gründlich, ohne das Blatt umzuwenden. Und wollten sie die Stelle übergehen und sagen, sie wäre zu schlüpfrig, dann werden die Mädchen erst recht neugierig und drängen auf Erklärung. Denn es ist eben ihre Natur, das Verbotene zu wünschen und das hören zu wollen, was man ihnen nicht sagen will. – Wie viele Mädchen haben ihre Tugend verloren durch die Lektüre der obigen Geschichte, sowie durch die von Biblis, von Caunus und andern ähnlichen aus den »Metamorphosen« des Ovid, oder seiner »Ars amandi« (»Kunst zu lieben«). Dazu kommen eine Menge lasziver Geschichten und Worte andrer Dichter der Franzosen, Lateiner, Griechen, Italiener, Spanier! So sagt auch ein spanischer Vers: »De una mula que haze hin, y de una hija que habla latin, libera nos, Domine!« Wurde nicht sogar der Heilige Augustin beim Lesen des vierten Buches der Aeneïde, das von der Liebe und dem Tode der Dido handelt, von Weh und Mitleid ergriffen? Ich möchte ebensoviel Hunderte von Talern besitzen, wie es Mädchen gibt, die durch die Lektüre des »Amadis von Gallien« sich der Wollust ergaben. Man kann sich denken, was griechische, lateinische und andre Bücher angerichtet haben, die den Mädchen von den Lehrern, diesen lasterhaften und schlauen Füchsen, erläutert und in der Heimlichkeit des Zimmers gelesen wurden.[377]

In der Lebensbeschreibung des Heiligen Ludwig, in der Geschichte des Paulus Ämilius, liest man von einer Margarethe, Gräfin von Flandern, Schwester Johannas, der Tochter Baudouins L, griechischen Kaisers, daß man ihr in ihrer ersten Jugend einen Lehrer Namens Guillaume gab. Er war ein frommer Mann, was ihn nicht hinderte, seiner Schülerin zwei Kinder zu machen, und zwar so geheim, daß wenige Leute es merkten. Sie empfingen die Namen Johann und Baudouin und wurden später vom Papst legitim gesprochen. Ein netter Pädagoge und ein netter Urteilsspruch! Man sehe die Geschichte.

Ich kannte eine große Dame bei Hofe, die in dem Rufe stand, mit ihrem Vorleser und Lehrer ein Verhältnis zu haben, so daß Chicot, der Hofnarr des Königs, ihr das einst öffentlich vor Seiner Majestät zum Vorwurf machte; auch viele andre Personen des Hofes fragten sie, ob sie sich nicht schäme, sich von einem so häßlichen und widerlichen Menschen wie dieser aushalten zu lassen (diesen Ausdruck gebrauchten sie) und warum sie sich nicht einen hübscheren wähle. Die ganze Gesellschaft lachte und die Dame begann zu weinen; sie glaubte, der König habe ihr diesen Streich gespielt, denn er trieb gern einmal sein Spiel. Andre große Damen und Fürstinnen habe ich gekannt, die alle Tage in ihrem Kabinett schreiben ließen, nur um mit ihren Sekretären schön zu tun, und wenn sie nichts zu schreiben harten, dann ließen sie sich vorlesen, weil es, wie sie sagten, ihre Augen angriffe, selbst zu lesen.

Frauen, die sich solche Leute aussuchen, sind tadelnswert, denn sie haben die freie Wahl. Aber die armen Mädchen, die von Eltern, Verwandten und Lehrern abhängen, müssen nehmen, was ihnen vor die Hände kommt, und so bedienen sie sich denn oft ihrer Kammerdiener, Schulmeister, ihrer Musik- und Tanzlehrer, ja sogar der Priester und Mönche, wovon Boccaccio und die Königin von Navarra Beispiele erzählen. Auch die Pagen, Lakaien, Komödianten verderben die Mädchen, ebenso die Dichter, welche Mädchen,[378] Frauen und Witwen verführen. Auch die Advokaten sind sehr gefährlich.

Boccaccio sagt, daß die Mädchen in der Liebe beständiger sind als die Frauen und Witwen. Sie gleichen, nach ihm, Leuten, die sich auf einem untergehenden Schiff befinden. Diejenigen, die nicht schwimmen können, ergreifen die erste beste Planke und halten sie fest, bis Hilfe kommt. Die andern, die schwimmen können, werfen sich mutig ins Wasser und schwimmen, bis sie das Ufer erreicht haben. So auch die Mädchen: wenn sie einen Anbeter gewonnen haben, halten sie ihn fest, während die Frauen und Witwen, die in der Liebe erfahren sind und alle Listen kennen, bequem und ohne Gefahr in jedem Wasser schwimmen und nehmen, was ihnen gefällt. Und sind sie eines Liebhabers überdrüssig oder verlieren sie ihn, dann nehmen sie sofort einen neuen oder auch zwei. Außerdem besitzen die armen Mädchen die Mittel nicht, um sich jeden Tag einen neuen Liebhaber zu kaufen. Alles, was sie geben können, sind höchstens ein paar Locken oder kleine Perlen, oder Armbänder, kleine Ringe oder Schärpen, oder kleine Geschenke, die nichts kosten. Ja, wenn sie auch aus noch so reichem Hause wären, so werden sie doch kurz gehalten, während die Frauen über ihre Mittel frei verfügen, wenn sie solche besitzen. Schlimmsten Falles würden sie das Hemd hergeben, nur damit sie von jener Frucht kosten können.

Wie es nun verschiedene Holzarten gibt, von denen die einen im jungen und frischen Zustande brennen, z.B. die Esche und die Buche u.a., so brennen andre besser, wenn sie alt und trocken sind, wie die Ulme, Weide etc. So verhält es sich auch mit den Mädchen, Frauen und Witwen: Die einen brennen in jugendlichem Alter leicht und gut, gleichsam als ob sie aus dem Mutterleibe die Liebesglut mitbrächten, so wie die schöne Laïs von der schönen Tymandra, ihrer Mutter, gleich als Freudenmädchen geboren wurde, und viele tausend andre. Schon ehe sie das Alter[379] der Reife erlangen, die etwa im zwölften oder dreizehnten Jahre eintritt, regt sich in ihnen die Liebe. So erging es vor einiger Zeit zu Paris der Tochter eines Pastetenbäckers, die im Alter von neun Jahren schwanger wurde. Sie fühlte sich unwohl, und der hinzugezogene Arzt konstatierte den Fall. »Wie?« rief der Vater, »mein Herr, das Kind ist erst neun Jahre alt!« – Wer war erstaunt? Der Arzt. Dann sagte er: »Ja, das ist nun aber einerlei; sie ist eben schwanger!« Und die Untersuchung bestätigte es. Als sie dann noch bekannt hatte, mit wem sie sich abgegeben, wurde ihr Galan zum Tode verurteilt, weil er sie in so zartem Alter benutzt und geschwängert hatte. – Es tut mir leid, daß ich dieses Beispiel anführen mußte, zumal es von einer Persönlichkeit niedern Standes handelt und ich mein Papier nicht mit so niedrigen Leuten verschwenden will, sondern sonst nur von Großen und Hochstehenden rede.

Ich bin ein wenig von meinem Thema abgeschweift, aber da diese Geschichte selten ist, wird man mich entschuldigen. Auch weiß ich, daß solche Wunder ebenfalls bei unsern großen Damen vorgekommen sind, die im Alter von neun, zehn, zwölf und dreizehn Jahren sehr gut den Mann vertragen haben, sei es in der Fornicato, sei es in der Ehe. Ich könnte mehrere Beispiele solcher Entjungferungen im Kindesalter anführen, wobei die Betreffenden nicht vor Weh, sondern eher vor Wonne ohnmächtig wurden.

Hierbei entsinne ich mich der Geschichte von einem wackern Herrn, der sich eines Tages über den Umfang der Natur bei den Mädchen und Frauen beklagte, mit denen er zu tun gehabt. Er sagte, am Ende würde er gezwungen sein, kindliche Mädchen zu suchen, um nicht das Gefühl zu haben, als ob er auf weitem, offenem Meere segle, sondern um mit mehr Vergnügen in einer hübschen Meerenge hinzusteuern. Wenn er seine Worte an eine große, mir bekannte Dame gerichtet hätte, so würde sie ihm dieselbe Antwort gegeben haben wie einem gewissen Edelmann, der sich ihr ähnlich äußerte, nämlich: »Ich weiß nicht, wer sich am[380] meisten zu beklagen hat: ihr Männer über unsre Weite, oder wir Frauen über eure Kleinheit. Denn wir könnten uns ebenso gut über euch beschweren. Würden eure Maße unserm Kaliber entsprechen, so hätten wir einander nichts vorzuwerfen«.

Die Dame hatte vollkommen recht. – Eine vornehme Frau, die eines Tages bei Hofe war, betrachtete jenen großen Herkules aus Bronze an dem Springbrunnen zu Fontainebleau. Da sagte sie zu einem Edelmann, der sie am Arm führte, dieser Herkules wäre ja ein vortreffliches Werk und alle Glieder wären schön gebildet, nur das mittelste sei im Verhältnis zu klein. Der Edelmann antwortete ihr: Das ist richtig, aber zu jener Zeit waren die Damen auch noch nicht so weit gebaut wie heutzutage.

Eine sehr große Dame und Fürstin hatte erfahren, daß man einer großen und dicken Feldkanone ihren Namen gegeben hatte. Sie fragte, warum und erhielt zur Antwort: »Deshalb, Madame, weil sie das größte Kaliber hat.«

Aber ich bin wieder ein wenig abgeschweift; da es jedoch mit zur Sache gehört, schadet es wohl nichts. Ich kehre jetzt auf meinen vorigen Weg zurück.

Manche Mädchen gibt es nun, die ihre zarte Jugend erst verstreichen lassen und ihre größere Reife abwarten, sei es, daß ihre Natur im Anfang kälter ist, was vorkommt,[381] oder sei es, daß sie im Zügel gehalten werden, was bei manchen sehr nötig ist. Denn wie das spanische Sprichwort sagt: »viñas y niñas son muy malas á guardar«, (Weinberge und Mädchen sind sehr schwer zu hüten). Andre wieder sind ganz unbeweglich, so daß nichts sie erregen kann. Wieder andre sind so dumm, einfältig, täppisch und stumpf, daß sie nicht einmal das Wort Liebe hören mögen. So weiß ich von einer sehr sittenstrengen Frau, die sofort in Ohnmacht fiel, als sie einmal von einer »Hure« sprechen hörte. Als man diese Geschichte einem Herrn in Gegenwart seiner Frau erzählte, sagte er: »Diese Dame dürfte nicht zu uns kommen; denn wird sie schon ohnmächtig, wenn sie nur von einer Hure hört, dann muß sie hier ja auf der Stelle sterben, wenn sie eine sieht

Es gibt jedoch auch Mädchen, die, wenn sich ihr Herz nur erst ein wenig zu regen beginnt, so zahm werden, daß sie aus der Hand fressen. Andre wieder sind so fromm und gewissenhaft und fürchten die Gebote Gottes derartig, daß sie die Gebote der Liebe weit von sich weisen. Ich habe jedoch unter diesen frommen Paternosterheldinnen und Kirchenstammgästen viele gesehen, die ihre Glut unter der Heuchelei verbargen, damit die Welt nichts merke und sie für so prüde halte, wie die heilige Katharina von Siena. Aber sie haben oft die Welt getäuscht, wie jene große Königin, die nun gestorben ist. Wenn diese eine Liebesgeschichte anknüpfen wollte (und sie war der Sache sehr ergeben), begann sie stets zuerst, von der Liebe Gottes zu reden und kam bei der Gelegenheit auf die weltliche Liebe zu sprechen, zu deren Ausübung sie dann vorging. So täuschen die frommen oder vielmehr bigotten Frauen uns, das heißt diejenigen, die harmlos sind und das Leben jener Damen nicht kennen.

Ich hörte eine Geschichte, von der ich nicht weiß, ob sie wahr ist. In einem dieser Jahre fand nämlich in einer gewissen Stadt eine große Prozession statt, wobei sich eine Frau einfand, die barfuß und in großer Zerknirschung als[382] Bettlerin auftrat. Es war zur Fastenzeit. Danach ging sie mit ihrem Liebsten speisen und verzehrte mit ihm ein Lammsviertel und einen Schinken. Der Duft des Bratens drang bis auf die Straße; man stieg herauf und fand die Frau bei der Schmauserei. Sie wurde festgenommen und dazu verurteilt, mit ihrem Lammsviertel am Bratspieß über der Schulter und den Schinken um den Hals gehängt durch die Stadt geführt zu werden. War das nicht eine ganz gerechte Strafe?

Wieder andre Damen sind stolz und hochmütig und weisen die Männer und ihre Liebeswerbungen weit von sich, Aber bei diesen bedarf es nur der Geduld und Beharrlichkeit, und mit der Zeit hat man sie gedemütigt; was dann ein besonderer Triumph ist, diejenige unter sich zu sehen, die anfänglich so hochfahrend war. Grade von den Hochmütigen habe ich manche gesehen, die nachher sogar Männer ganz niedren Standes geheiratet haben. So spielt Amor mit ihnen und straft sie für ihren Dünkel; ja, es macht ihm besondern Spaß, grade sie anzugreifen, denn der Sieg über solche Frauen ist glorreich.

Ich kannte einst bei Hofe ein Mädchen von so hochmütigem und geringschätzigem Wesen, daß sie jedem Mann, der ihr von Liebe sprechen wollte, mit ihrer scharfen Zunge so stolze und arrogante Antworten gab, daß er das Wiederkommen vergaß. Endlich aber ereilte sie die Strafe: sie wurde von der Liebe ergriffen und gab sich einem Manne hin, der sie einige zwanzig Tage vor ihrer Hochzeit schwängerte. Und grade dieser Mensch konnte sich garnicht mit andern Herren vergleichen, die ihr gehuldigt hatten. In dem Falle konnte man mit Horaz sagen: Sic placet Veneri, »so gefällt es der Venus«, und dies war eins von ihren Wundern.

Mir kam einst bei Hofe die Laune, einem schönen Mädchen aus sehr gutem Hause zu huldigen, das jedoch sehr hochmütig war; ich aber war vollständig in sie verliebt. Da beschloß ich, ebenso anmaßend mit ihr zu reden, wie sie mit mir sprach; denn wie man in den Wald ruft,[383] so schallt es wieder. Indem ich sie so behandelte, vergaß ich aber nicht, sie außerordentlich zu loben, denn nichts erweicht das Frauenherz mehr als das Lob sowohl ihrer Schönheit und Vollkommenheit wie auch ihrer Überlegenheit. Ich sagte ihr also, ihr Wesen stände ihr sehr gut, denn sie hätte nichts Gewöhnliches an sich, und eine Dame, die sich nicht zurückhielte und nicht einen gewissen Hochmut zeige, verdiene garnicht, umworben zu werden. Deshalb ehrte ich sie um so mehr, und ich würde sie niemals anders als »mein Ruhm« nennen. Das gefiel ihr so, daß sie mich »ihren Stolz« nannte.

In dieser Weise fortfahrend, huldigte ich ihr lange. Und ich darf mich rühmen, daß ich ebensoviel, ja mehr Huld von ihr genoß, als irgend ein großer Herr des Hofes, der sie begehrte. Aber ein Günstling des Königs, freilich ein sehr schätzbarer Edelmann, raubte sie mir und heiratete sie auf Vermittlung des Königs. Trotzdem bestand diese Art Verhältnis zwischen uns beiden, solange sie lebte, und ich habe sie stets verehrt. Ich weiß nicht, ob man mich tadeln wird, diese Geschichte erzählt zu haben; denn es ist nicht hübsch, von sich zu reden. Aber diesmal habe ich mich dazu verleiten lassen, während ich in diesem Buche mehrere Geschichten von mir in verschiedener Einkleidung erzählt habe, ohne meinen Namen zu nennen.

Nun gibt es noch andre Mädchen, die so lustiger Natur sind, daß sie nichts weiter im Kopfe haben als zu lachen, zu scherzen und Tollheiten zu treiben. Ich kannte manche, die viel lieber einer Violine lauschten, oder tanzten und sprangen, als Liebesworte anhörten; manche liebten auch die Jagd, so daß man sie eher Dienerinnen der Diana als der Venus nennen konnte. Ich kannte einen Herrn, den die Liebe zu einem Mädchen, die eine große Dame wurde, zur Verzweiflung brachte. »Denn,« sagte er, »wenn ich ihr meine Leidenschaft erklären will, spricht sie mir nur von der Jagd und von ihren Hunden. Ja, da wünsche ich oft, in einen Jagdhund verwandelt zu sein, in dessen Leib, nach[384] der Lehre des Pythagoras, meine Seele überginge. Dann würde sie meine Liebe schätzen, und meine Wunde wäre geheilt« Später aber gab er sie doch auf, denn er war weder ein guter Diener noch ein guter Jäger und konnte ihr nicht überall folgen, wohin ihre Launen und Tollheiten sie trieben.

Aber um zu Ende zu kommen: es gibt wohl kaum Mädchen, Frauen oder Witwen, die nicht früher oder später alle in Liebe erglühen, sei es in oder außer ihrer Jahreszeit, gleichwie das Holz aller Bäume brennt, außer dem Lärchenbaum, dem die Frauen in keiner Weise gleichen.

Das ist nämlich ein Baum, der niemals brennt, und weder Feuer noch Kohle hergibt, was Julius Cäsar einst erfuhr. Auf seiner Rückkehr aus Gallien forderte er von den Einwohnern Piemonts Lebensmittel und die Errichtung von Etappen auf seinem großen Lagerzuge. Die Leute gehorchten ihm, außer den Bewohnern eines Schlosses mit Namen Larignum, die sich so rebellisch zeigten, daß Cäsar sie belagern mußte. Als er sich dieser Festung näherte, sah er, daß sie nur aus Holz erbaut war, worüber er sich lustig machte und sagte, die würde er bald einnehmen. Sogleich befahl er, Holz und Stroh herbeizuschaffen und Feuer anzulegen. Dieses loderte in so riesiger Flamme auf, daß er die baldige Zerstörung der Festung erwartete. Als aber das Feuer erloschen war, bemächtigte sich aller das größte Erstaunen, denn sie stand noch völlig unversehrt da. Nun griff er zu einem andern Mittel, indem er die Festung untergraben ließ, was zur Folge hatte, daß die Insassen sich ergaben. Von ihnen erfuhr Cäsar die Eigenschaft dieses Lärchenbaums (larix), woher das Schloß seinen Namen Larignum hatte, denn aus diesem Holze war es erbaut.

Viele Eltern und Gatten möchten gewiß, daß die Tugend ihrer Töchter oder Ehefrauen diesem Holze gliche. Aber das ist doch wohl nicht notwendig, denn dann würde die Welt entvölkert werden, und man hätte kein Vergnügen mehr darin. Die Natur wäre unvollkommen, während sie[385] jetzt von der größten Vollkommenheit ist, und wenn wir ihr folgen wie einem guten Feldherrn, werden wir nie den rechten Weg verfehlen.

Quelle:
Brantôme: Das Leben der galanten Damen. Leipzig [1904], S. 364-386.
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