CI.

[194] Als leichtfertig nenn' ich Euch jetzt

Den, welcher glaubt, was jeder schwätzt:

Ein Klatschmaul viele Leut' verhetzt.


Ein Narr mit zurückgestreifter Kappe horcht begierig auf das, was ihm ein andrer in das Ohr bläst.


Von Ohrenblasen.

Das ist ein Narr, der faßt ins Haupt

Ein jed' Geschwätz und leicht es glaubt;

Und das zeigt an uns einen Thoren,

Hat einer dünn und weit die Ohren.

Der wird für brav nicht angesehn,

Wer heimlich will zum Andern gehn

Und gibt ihm tückisch einen Schlag,

Daß jener sich nicht wehren mag;

Aber verlügen hinter dem Rücken

Gehört jetzt zu den Meisterstücken,

Die man nicht leicht abwehren kann.

Das treibet jetzo Jedermann

Mit Afterreden und Stehlen der Ehr',

Verrathen und dergleichen mehr;[194]

Das kann man schminken und verklügen,

Daß man mög' desto mehr betrügen.

Und schaffen, daß man's glaubet ehr;

Den andern Theil hört man nicht mehr.

Ein Urtheil über Manchen geht,

Der nie vor einem Richter steht,

Der seine Unschuld nicht erwies,

Weil man im Sack ihn sticken ließ,

Wie Haman Mordochäus that

Syba der Knecht – Mephibosath.

Groß Lob man Alexandern zollte,

Weil er nicht leichtlich glauben wollte,

Als man verklagte Jonatham.

Bald glauben nie gut Ende nahm:

Der Gnad' wär' Adam nicht beraubt,

Hätt' er nicht bald der Frau geglaubt

Und sie der Schlange klugem Wort.

Wer bald glaubt, stiftet oftmals Mord.

Die Welt ist falsch und Lügens voll,

Nicht jedem Geiste glaubt man wohl:

Der Rabe bleibet schwarz wie Kohl'.

Quelle:
Brant, Sebastian: Das Narrenschiff. Leipzig [1877], S. 194-195.
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Das Narrenschiff (Ausgabe 1877)
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Das Narrenschiff: Mit allen 114 Holzschnitten des Drucks Basel 1494
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