XLIV.

[79] Wer Vogel und Hund zur Kirche führt

Und Andere im Beten irrt,

Derselbe den Gauch wol streicht und schmiert.


Eine Frau tritt in den Vorhof einer Kirche und scheint einem Ritter zuzuwinken, welcher sie verliebt anschaut. Diesem ist die Narrenkappe vom Haupte gesunken, auf der Hand trägt er einen Falken, unter den Schnabelschuhen eine Art langer, hölzerner Galloschen, welche seinen Tritt jedenfalls geräuschvoll machen. Mit ihm ein Hund, welcher die Frau anbellt, und ein zweiter, welcher ein Aas umherzerrt.


Lärm in der Kirche.

Man darf nicht fragen, wer die seien,

Bei denen die Hund' in der Kirche schreien,

Während man Mess' hält, predigt und singt,

Oder bei denen der Habicht schwingt

Und läßt seine Schellen so laut erklingen,

Daß man nicht beten kann noch singen.

Da muß behauben man die Hätzen,

Das ist ein Klappern und ein Schwätzen!

Durchhecheln muß man alle Sachen

Und Schnippschnapp mit den Holzschuhn machen,

Und Unfug treiben mancherlei.

Da lugt man, wo Frau Kriemhild sei,

Ob sie nicht wolle um sich gaffen

Und machen aus dem Gauch 'nen Affen?

Ließ Jedermann den Hund im Haus,

Daß man nicht stehle etwas draus,

Ließ man den Gauch stehn auf der Stangen,[79]

Dieweil zur Kirche man gegangen,

Und brauchte Holzschuh' auf der Gassen,

Wo wenig Dreck man möchte fassen,

Und betäubte nicht Jedermann die Ohren,

So kennte man wol nicht die Thoren.

Doch macht Natur sie offenbar

Und Narrheit zeigt sich hell und klar.

Es gab uns Christus das Exempel,

Der trieb die Wechsler aus dem Tempel,

Und die da hatten Tauben feil,

Trieb er in Zorn aus mit dem Seil.

Sollt' er jetzt offen Sünd' austreiben,

Wer würde in der Kirch' wol bleiben!

Er trieb' wol oft den Pfarrer aus

Und ließ den Meßner nicht im Haus!

Dem Gotteshaus ziemt Heiligkeit,

Das sich der Herr zur Wohnung weiht.

Quelle:
Brant, Sebastian: Das Narrenschiff. Leipzig [1877], S. 79-80.
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