LXXVI.

[141] Ritter Peter von Altenjahren,

Ich muß Euch greifen an die Ohren!

Mich dünkt, daß beid' wir Narren waren,

Wiewol Ihr führet Ritterssporen.


In einem saalähnlichen Gemache hinter einem Tische Doctor Griff, welcher den kläglich dreinschauenden Ritter Peter am Ohr gefaßt hält.


Von großem Rühmen.

Die Gecken, Narren ich auch bringe,

Die sich berühmen hoher Dinge[141]

Und wollen sein, was sie nicht sind,

Und wähnen, alle Welt sei blind

Und sie ihr fremd und unbekannt.

Mancher will edel und hoch sein genannt,

Deß Vater doch machte bumblebum

Und mit dem Küferwerk ging um,

Oder hat sich also begangen,

Daß er focht mit einer stählernen Stangen,

Oder rannte mit einem Judenspieß,

Daß er gar viele zu Boden stieß,

Und will, daß man ihn Junker nenne,

Als ob man nicht seinen Vater kenne,

Daß man spreche: Meister Hans von Menz,

Und auch sein Sohn, Junkherr Vincenz.

Viel rühmen hoher Dinge sich

Und prahlen stets zu Widerstich

Und sind doch Narren in der Haut,

Wie Ritter Peter von Pruntraut,

Der will, daß man zu ihm Ritter sage,

Dieweil er im Stechen am Murtener Tage

Gewesen sei, wo ihm so noth

Zu fliehen war, daß ihm der Koth

Die Hosen hat so hoch beschlämmt,

Daß man ihm waschen mußt' das Hemd.

Doch Schild und Helm er zeigen kann

Als Zeugniß, er sei ein Edelmann:

Er führt einen Habicht, gefärbt wie der Reiher

Und auf dem Helme ein Nest voll Eier,

Wobei ein Hahn in der Mauser sitzt,

Der möchte die Eier brüten itzt.

Derselben Narren findet man mehr,

Die wollen haben große Ehr',[142]

Daß man sie hat voran gesehn.

Ja, da es wollt' ans Fliehen gehn,

Lugten sie hinter sich lange Zeit,

Ob ihnen folgten auch andre Leut?

Mancher rühmet sein Fechten groß,

Wie er den erstach und jenen schoß,

Der doch von ihm so weit wol war,

Daß keine Büchse ihm bracht' Gefahr.

Noch andre trachten nach edeln Wappen,

Wie sie führen mögen viel Löwentappen,

Einen gekrönten Helm und ein gülden Feld:

Die sind des Adels von Bennefeld.

Gar Manche sind edel durch ihre Frauen,

Deren Väter saßen in Ruprechtsauen;

Seiner Mutter Schild gar Mancher führt,

Weil er vielleicht im Vater irrt.

Viel haben Brief' und Siegel gut,

Als seien sie von edlem Blut;

Sie wollen die ersten sein nach Recht,

Die edel sind in ihrem Geschlecht,

Und dieses ich nicht straf' noch achte,

Weil man aus Tugend den Adel machte.

Wer gute Sitt', Ehr', Tugend kann,

Den halt' ich für einen Edelmann,

Aber wer hat keine Tugend nit,

Nicht Zucht, Scham, Ehr', noch gute Sitt'.

Den halt' ich alles Adels leer,

Und wenn ein Fürst sein Vater wär'.

Adel allein bei Tugend steht,

Aus Tugend aller Adel geht. –

Desgleichen will Mancher Doctor sein,

Der nie Clementin noch Sext sah ein,

Nie Institut, Decret, Digest geschaut,

Nur daß er hat 'ne Eselshaut,[143]

Drauf steht sein Recht geschrieben an:

Der Brief zeigt Alles, was er kann,

Und daß er gut sei auf der Pfeif'.

Drum stehet hier Herr Doctor Greif,

Ein sehr gelehrter und witziger Mann,

Der greift einen Jeden beim Ohre an,

Weiß mehr als mancher Doctor kann.

Der ist in vielen Schulen gestanden

In nahen und in fernen Landen,

Wo nie ein Gauch ging aus noch ein,

Der doch mit Gewalt will Doctor sein;

Man muß zu ihnen Herr Doctor sagen,

Dieweil sie rothe Röcke tragen

Und weil ein Aff' ihre Mutter ist.

Ich weiß noch einen, heißt Hans Mist,

Der alle Welt will überreden,

Er sei zu Norwegen und Schweden,

Zu Algier gewesen und zu Granat,

Und wo der Pfeffer wächst und staht;

Der doch nie kam so weit hinaus:

Hätt' seine Mutter daheim zu Haus

Pfannkuchen oder Würst gebachen,

Er hätt's geschmeckt und hören krachen.

Des Rühmens ist auf Erden so viel,

Daß es nicht kennet Zeit noch Ziel,

Denn jedem Narren das gebrist,

Daß er sein will, was er nicht ist.

Quelle:
Brant, Sebastian: Das Narrenschiff. Leipzig [1877], S. 141-144.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Das Narrenschiff (Ausgabe 1877)
Das Narrenschiff
Das Narrenschiff: Mit allen 114 Holzschnitten des Drucks Basel 1494
Das Narrenschiff
Das Narrenschiff: Nach der Erstausgabe (Basel 1494) mit den Zusätzen der Ausgaben von 1495 und 1499 sowie den Holzschnitten der deutschen Originalausgaben (Neudrucke Deutscher Literaturwerke)
Das Narrenschiff:

Buchempfehlung

Stramm, August

Gedichte

Gedichte

Wenige Wochen vor seinem Tode äußerte Stramm in einem Brief an seinen Verleger Herwarth Walden die Absicht, seine Gedichte aus der Kriegszeit zu sammeln und ihnen den Titel »Tropfblut« zu geben. Walden nutzte diesen Titel dann jedoch für eine Nachlaßausgabe, die nach anderen Kriterien zusammengestellt wurde. – Hier sind, dem ursprünglichen Plan folgend, unter dem Titel »Tropfblut« die zwischen November 1914 und April 1915 entstandenen Gedichte in der Reihenfolge, in der sie 1915 in Waldens Zeitschrift »Der Sturm« erschienen sind, versammelt. Der Ausgabe beigegeben sind die Gedichte »Die Menscheit« und »Weltwehe«, so wie die Sammlung »Du. Liebesgedichte«, die bereits vor Stramms Kriegsteilnahme in »Der Sturm« veröffentlicht wurden.

50 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten. Elf Erzählungen

Romantische Geschichten. Elf Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für diese preiswerte Leseausgabe elf der schönsten romantischen Erzählungen ausgewählt.

442 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon