LXXXII.

[154] Ich hätt' vergessen fast bei mir,

Daß ich nicht noch ein Schiff einführ',

Nun ich der Bauern Narrheit führ'.


Eine närrisch und bäurisch aufgeputzte Frau sucht einen großen Dreispitz, d.h. eine Fußangel, in einen Sack zu schieben mit den Worten: Er muß drein!


Von bäurischem Aufwand.

Die Bauern ziemlich einfach waren

Noch kürzlich in vergangnen Jahren;

Gerechtigkeit war bei den Bauern;

Als die entfloh der Städte Mauern,

Wollt' sie in strohernen Hütten sein,

Bevor die Bauern tranken Wein,

Den sie jetzt gerne bei sich dulden.

Sie stecken sich in große Schulden;

Wiewol jetzt Korn und Wein gilt viel,

Nehmen sie doch auf Borg und Ziel

Und wollen bezahlen nicht bei Zeiten,

Man muß sie bannen und verleuten.

Der Zwillch schmeckt ihnen nicht mehr sehr,

Sie wollen keine Joppen mehr;

Es muß sein leydnisch und mechelsch Kleid

Und ganz zerhacket und gespreit

Mit aller Farb', Wild über Wild,

Und auf dem Aermel ein Guckuksbild.

Der Bauer jetzt das Stadtvolk lehrt,

Wie es in Bosheit wird gemehrt;

Von den Bauern kommt jetzt aller Schund,

Sie haben täglich neuen Fund,[154]

Keine Einfalt ist mehr in der Welt,

Die Bauern stecken ganz voll Geld,

Sie speichern Wein und Weizen auf

Und Andres und erschwern den Kauf

Und machen es so lange theuer,

Bis Blitz und Donner kommt mit Feuer

Und ihnen abbrennt Korn und Scheuer.

Desgleichen zu unsern Zeiten auch

Ist auferstanden mancher Gauch,

Der sonst ein Bürger und Kaufmann war,

Und jetzt ein Edler und Ritter gar.

Der Edle gern ein Freiherr ist,

Der Graf ein Fürst zu dieser Frist,

Der Fürst die Krone des Königs begehrt;

Viel werden Ritter, die kein Schwert

Gezogen je für Gerechtigkeit.

Die Bauern tragen seiden Kleid

Und goldne Ketten an dem Leib;

Es geht daher ein Bürgersweib

Hochmüthiger denn eine Gräfin thut.

Wo Geld ist, ist auch Uebermuth;

Was eine Gans an der andern nimmt wahr,

Drauf ist sie gerichtet ganz und gar,

Das muß sie haben; es schmerzt sonst sehr.

Der Adel hat keinen Vorzug mehr.

Man sieht eines Handwerksmannes Weib,

Die höhern Werth trägt auf dem Leib

An Rock, Ring, Mantel, Borte schmal,

Als sie im Haus hat allzumal.

Den Bettelstab manch Biedermann

Mit seinem Weibe drum gewann,

Muß trinken im Winter aus irdenem Krug,

Daß er thue dem Weib im Sommer genug;

Und hat sie heut Alles, was sie verlangt,

– Gar bald es bei dem Trödler hangt.

Wer Frauengelüste will folgen doch,

Den friert gar oft, spricht er auch: »Schoch!«[155]

In allen Landen ist große Schande,

Keiner begnügt sich mit seinem Stande;

Niemand bedenkt, was die Vorfahren waren,

Denn die Welt ist jetzo voll von Narren.

Drum will ich's sagen ohne Verdruß;

Der Dreispitz in den Sack jetzt muß!

Quelle:
Brant, Sebastian: Das Narrenschiff. Leipzig [1877], S. 154-156.
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Das Narrenschiff (Ausgabe 1877)
Das Narrenschiff
Das Narrenschiff: Mit allen 114 Holzschnitten des Drucks Basel 1494
Das Narrenschiff
Das Narrenschiff: Nach der Erstausgabe (Basel 1494) mit den Zusätzen der Ausgaben von 1495 und 1499 sowie den Holzschnitten der deutschen Originalausgaben (Neudrucke Deutscher Literaturwerke)
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