XCVI.

[182] Ein Narr betrauert alle Tag'

Das, was er nicht mehr ändern mag;

Ihn reuet, daß von ihm geschehn

Dem Gutes, der's nicht kann verstehn.


Ein Narr gibt mit der Rechten einen vollen Beutel hin und kratzt sich verlegen den Kopf mit der Linken.


Schenken und Bereuen.

Der ist ein Narr, der schenket Gut

Und es nicht gibt mit frohem Muth

Und dazu sauer und übel sieht,[182]

Daß ihm nichts Liebes dafür geschieht,

Denn der verliert wol Lohn und Gabe,

Wer so bedauert verschenkte Habe.

So ist auch der, wer etwas schenkt,

Dabei an Gottes Willen denkt,

Und doch hat Reu' und Leid davon,

Wenn Gott ihm nicht gleich gibt den Lohn.

Wer will mit Ehren Geschenke machen,

Der thu's als guter Geselle mit Lachen

Und sprech nicht: »Zwar, ich thu's nicht gern!«

Will er nicht Dank und Lohn entbehrn.

Denn Gott sieht dessen Gab' nicht an,

Der nicht mit Freuden schenken kann;

Das Seine mag jeder behalten wol,

Zu Geschenk man Niemand zwingen soll;

Allein aus freiem Herzen kommt

Geschenk, das einem Jeden frommt.

Der Dank gar selten verloren geht;

Wenn er zuweilen auch kommt spät,

So pflegt sich Alles doch zu schlichten

Und nach der Ordnung einzurichten.

Ist einer undankbar dabei,

So findet man doch ehrenfrei

Einen dankbaren und weisen Mann,

Der alles wohl vergelten kann.

Doch wer vorhält verschenktes Gut,

Dem scheint der Dank wol selbst nicht gut,

Der will nicht auf Vergeltung harren;

Geschenk aufrücken zeigt den Narren.

Den sieht man über die Achseln an,

Wer sein Geschenk vorhalten kann:

Ein solcher wenig Dank gewann.

Quelle:
Brant, Sebastian: Das Narrenschiff. Leipzig [1877], S. 182-183.
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