[86.]

[226] Wer meynt gott well jnn stroffen nyt

Dar vmb / das er beyt lange zyt

Den schlecht der tunder dyck noch hüt


86. von verachtung gottes

von verachtung gottes

Der ist eyn narr / der gott veracht

Vnd wider jn vieht / tag vnd nacht

Vnd meynt / er sy den menschen glich

Das er schwig / vnd loß fattzen sich

Dann mancher sich dar vff verlosßt

So im der tunder nit anstoßt

Sin huß so bald / vnd schlecht jnn dott

So er syn boßheit hatt volbrocht[227]

Oder nit styrbet gähelich

Das er nit me důrff vörhten sich

Dann got hab syn vergessen doch

Das er so lang jor beittet noch

Er werd jm dar zů lonen ouch

Do mit versündt sich mancher gouch

Der erst jnn synen sünden verhart

Dar vmb / das jm gott ettwan spart

Meynt er jm griffen an den bart

Als ob er mit jm schimpfen wolt

Vnd gott vertragen sollches solt /

Hör zů o dor / würd witzig narr

Verloß dich nit vff solche harr

Es ist worlich eyn grusam bandt

Welcher gott fallet jn syn handt

Dann ob er joch lang zyt din schont

Dir würt des beittens wol gelont

Manchen loßt sünden gott der herr

Das er jn dar noch stroff dest mer

Vnd jm bezal das / vnd das eyn

Man spricht es mach den seckel reyn /

Mancher der styrbt jnn sünden kleyn

Dem důt gott sollche gnad dar an

Das er jnn zyttlich nymbt von dan

Do mit er nit vil sünd vff lad /

Vnd grösser werd der selen schad

Gott hat all ruwern zů geseitt

Ablaß / vnd syn barmhertzikeit

Keym sünder er doch ye verhyeß

Das er jnn so lang leben ließ

Biß er rüwt / vnd näm besserung an

Oder das er rüw würd entpfan /

Gott geb eym dyck syn gnad noch hüt

Vnd will jm doch morn geben nüt /

Ezechias von gott erwarb

Das vff syn gsatzt zyel er nit starb

Sunder lebt noch dann funfzehen jor /

Balthesar durch sünd sym ziel kam vor[228]

Die handt / von aller freüd jnn treib

Die Mane / Phares / Thetel schreib

Er was zů lycht an dem gewyecht

Dar vmb wart jm entzuckt syn lyecht

Vnd merckt nit das syn vatter vor

Durch gott gstrofft / vor manchem jor

Zů besserung vnd bůß sich kert

Dar vmb wart er von gott erhört

Das er jn vyehes gstalt nit starb

Durch rüw / er gnad vnd zyel erwarb

Eym yeden ist gesetzt syn zit

Vnd zal der sünd / dar über nüt

Dar vmb zů sünden nyeman yl

Wer vil sündt der / ist bald zům zil

Vil syndt / dott yetz jn disem jor

Hetten sie sich gebessert vor

Vnd jr stundglaß vmb kört by zyt

Der santt wer vß geloffen nitt

Sie lebten noch on zwifel hüt


Quelle:
Sebastian Brant: Das Narrenschiff, Basel 1494, S. 226-229.
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