Vierte Scene.

[71] CRABE der schon früher Mephistopheles in's Auge gefaßt hatte, tritt ihn an.

Ihr seid wol fremd in unsrer guten Stadt,

Die, wie es scheint, euch zum Bewundrer hat?

MEPHISTOPHELES für sich ins Gewölbefenster hinein.

Ein Abenteurer, der von falschem Spiel[71]

Und Sonst'gem lebt; ei was mir der nur will!


Sich wendend.


Ich bin zum ersten Male in Paris.

CRABE.

Ihr amüsirt euch doch recht sehr?

MEPHISTOPHELES.

Gewiß.

CRABE.

O ja, 'sist nicht der schlechtste Ort der Welt!

Man unterhält sich überall, hat man Geld, –

MEPHISTOPHELES eine Börse ziehend.

Wenn diese Börse reicht für einen Tag,

So viel hab' ich für jeden Tag fixirt;

Sagt, ob ich da mich unterhalten mag?


Steckt die Börse wieder ein.


CRABE gierig.

Kein Fürst, der eine beßre Klinge führt!

O Herr, wie seid ihr zu beneiden!

Mit solchem goldnen Schlüssel öffnet ihr

Euch Thür und Thor zu allen Freuden,

Zu allen Wunderherrlichkeiten hier.

Doch scheint ihr unbekannt?

MEPHISTOPHELES.

Bin's ganz und gar.

CRABE.

Nun, wollt ihr meiner Führung euch vertrauen?[72]

MEPHISTOPHELES.

Warum denn nicht?

CRABE.

Topp!


Die Hand ausstreckend.


MEPHISTOPHELES einschlagend.

Es ist sonnenklar;

Mir winkt das Glück, mir winken holde Frauen

Und sonstige Zerstreuungen durch euch?

Nicht so?

CRABE seine Hand zurückziehend.

Hu, welche eisigkalte Hand!

Ihr habt wol ein recht frost'ges Vaterland?

MEPHISTOPHELES.

Just nicht; doch komm' ich aus dem deutschen Reich.

CRABE ihn zum Gewölbe ziehend.

Sagt, was gefiel zumeist euch hier

Von Schmuck bei diesem Juwelier?

MEPHISTOPHELES emsig musternd.

Ich wünsche Alles, was ich sehe,

Indem ich fast vor Lust vergehe;

Es schweift mein Auge hin und her,

Will immer höher, immer mehr.

O seht nur den Karfunkel da,

Den blutigrothen; den Diamant,[73]

In zauberhaftem Wasserbrand.

Ob je ein Mensch was Schön'res sah!

Hier diese Perlen, diese Spangen,

Wie hüben sie nicht Hals und Wangen;

Das Stirnband dort, das Haargeschmeid,

Nicht unwerth einer Königsmaid,

Und all die lieben putz'gen Sachen,

Sie müßten Jede stutzig machen!

CRABE hat sich an ihn gedrängt, mit ihm in den Kasten geguckt und versucht, ihm die Börse zu entwenden; kaum aber hat er danach gegriffen, als er mit einem Schmerzensschrei zurückfährt. Er eilt hervor, beide Hände mit scharf gekrümmten Fingern emporhaltend.

CRABE heulend.

Weh mir, bin ein verlorner Mann!

Die Finger sind gelähmt und krumm!

Was soll ich jetzt, was fang' ich an?

MEPHISTOPHELES sich wendend.

O laßt doch seh'n! Ei, das ist dumm!

Ach die zehn armen kleinen Dinger!

Sagt, Freund, was macht ihr krumme Finger?

CRABE zu seinen Füßen.

Wer ihr auch sein mögt, Gnade, Gnade!

Macht meine Finger wieder grade!

MEPHISTOPHELES ihn aufhebend.

So steht nur auf, die Leute gaffen;[74]

Ich will da wol noch Rathes schaffen;

Eure Hände!


Er faßt sie.


Anfang, Ende!

Wille! That!

Krumm ist grad!

CRABE sich jubelnd die gestreckten Finger reibend.

O Dank, o Dank!

Die Finger sind mir wieder frank.

MEPHISTOPHELES lachend.

Nur hüte dich bei einem nächsten Kampf,

Mein rascher Freund, vor Krampf!

War wol dein erster Beutelschneiderstreich?

CRABE.

Es war mein erster, ich gesteh' es euch,

Ich wußte mich nicht recht noch zu geriren,

Beim zweiten soll kein Krampf mich mehr geniren;

Ihr aber seid in eurer Kunst zu Haus,

Respect vor euch, da sieht etwas heraus.

Ihr seht, ich jammre nicht bei meinem Elend;

Seit Jahren leb' ich so als sans-façon.

Bald den Erwerb, bald jenen wählend,

Schlägt Alles fehl, geh' ich davon.

Was soll ich machen?

Soll weinen ich, wo Andre lachen?[75]

Mit nichten!

Da weiß ich mir bequemere Geschichten.

Sie haben Geld, ich zahl' aus ihren Taschen;

Sie haben Wein, ich trink' aus ihren Flaschen;

Ein Hahn im Korb' bei ihren Frauen,

Was soll mir da viel grauen!?

Ihr aber macht mir etwas bange,

Es sträubt vor euch beinahe sich mein Haar;

Herr, euer Kunststück, mehr als wunderbar,

Treibt alles Blut mir aus der Wange,

Es geht doch zu mit rechten Dingen?

MEPHISTOPHELES.

Die Kunst soll immer überraschen,

Doch ohne nach Effect zu haschen.

CRABE.

Wie aber mocht' euch dies gelingen?

MEPHISTOPHELES.

War nur

Natur.

CRABE.

Ich zitterte jedoch an allen Gliedern.

MEPHISTOPHELES.

Das spürt man so bei allen neuen Liedern.

Nun aber Eins. Ich kann euch brauchen, Freund.[76]

Ihr seid vertrauter mit Paris als ich,

Und dient wol gerne, wie es scheint,


Ihm die Börse reichend.


Den Wünschen eines Bruders Liederlich?

CRABE lächelnd.

Um blankes Gold?

Was thut man nicht um solchen Sold!

MEPHISTOPHELES.

Ihr seid demnach bereit?

CRABE.

Zu jeder Zeit.

MEPHISTOPHELES.

So eilt denn in den Gasthof dort zur Sonne,

Ihr trefft da einen reichen Deutschen an;

Zwar schwimmt er noch in junger Liebeswonne,

Doch ködert ihr durch neue mir den Mann.

Mir liegt daran, ihn aus den weichen Armen

Zu zieh'n der Dame, der er huldigt jetzt;

Ich bin sein Mentor, bin ihm vorgesetzt,

Doch er gehorcht mir nicht, 'sist zum Erbarmen!

Umstrickt ihn, zieht ihn ab von ihr;

Die Mittel werdet ihr schon finden;

Sucht ihn aufs reizendste hier zu verbinden

Und zählt auf vollen Dank von mir;

Jedoch erwähnen dürft ihr meiner nicht,

Sonst ists um euch, um mich und ihn geschehen;[77]

Ich will nichts mehr, als daß sein Lebenslicht,

Nicht länger möge unterm Scheffel stehen.

Was hab ich nicht geweint bereits um ihn!

Ich bin in mancher Kunst zu Haus,

Jedoch zu bänd'gen seinen Sinn,

Das Mittel fand ich noch nicht aus.

Was mir, dem wahren Freunde, vorenthalten,

Vielleicht gelingt es euch, der ihm ein Feind;

Das Leben liebt geheimnißvoll zu walten,

Und oft geschieht, was ganz unmöglich scheint.

Auch zählt auf mich, ich werd euch still umkreisen,

Und seid ihr erst so weit an ihm,

Will ich euch treulich unterweisen,

Das wäre ja des Teufels, ging es schlimm!

CRABE.

Ein herrlich Abenteuer das,

So reich an Gold, als reich an Spaß!

Ich lock' ihn, Herr, nur in ein einz'ges Haus,

Und glaubt, mit aller seiner Lieb' ist's aus.

MEPHISTOPHELES.

Dann muß das Haus ein seltnes sein,

Das bis ins Herz ihm dringet ein,

Denn dieser Mann, hört, ist ein Mann,

Der dies und das gewinnen kann,

Auch ohne zu verlieren, was

Er wahrhaft liebt, versteht ihr das?[78]

CRABE.

Nicht ganz; doch ich verstehe wol,

Was ob mir liegt in diesem Sinne:

Ihr wollt ihn nicht in dieser Minne,

Und seht ihn lieber noch frivol?

MEPHISTOPHELES nimmt seinen Arm.

So ist's, ihr habt mich schon begriffen;

Ihr seid ein Mann, so zugeschliffen,

Wie ich ihn brauche; kommet nun,

Ich sag' euch mehr noch auf dem Wege

Zum Gasthof, was ihr habt zu thun:

Ach, wär' er nur vertraut nicht meiner Pflege!


Beide ab.

Das Volk entfernt sich.


Quelle:
Braun von Braunthal, [Karl Johann]: Faust. Eine Tragödie, Leipzig 1835, S. 71-79.
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