Zweite Scene.

[68] Paris.

Hellerleuchtete Straße. Gedränge von Spaziergängern im Hintergrunde. Ab und zu Musik.


MEPHISTOPHELES in reicher Kleidung, vorne links herein.

Er hat mich, wie ich's nehmen mag, betrogen,

Mich dummen Teufel, der ich war und bin!

Der Kreis, den er um sich und sie gezogen,

Drängt nachgerade vor die Thür mich hin,

Und zwingt mich zu des Horchers läst'ger Rolle.

Es soll ihn reu'n! – Wie aber fang' ich's an?

Wie zwing' ich mich in dem gerechten Grolle?

Und wie umgeh' am schnellsten ich den Bann?

Fürwahr, er macht genugsam mir zu schaffen;

Auch hielt ich für so schwer das Dienen nicht![68]

Wie ich sie tausche, wechselt er die Waffen,

Für jeden Winkelzug hat er ein Licht.

Zwar ist er mein, er kann mir nicht entgehen,

Er war's ja selbst, der sich den Würfel warf,

Doch mich beleidigt's, muß es schon gestehen,

Daß er mich so gering erachten darf.

Was hab' ich denn für alle meine Mühe,

Wenn er nur wie ein Stein im Wasser sinkt;

Wenn er nicht theilt den Zorn, worin ich glühe,

Er nicht mit mir aus einem Becher trinkt?

Wenn ich ein Menschenalter hin mich quäle,

Bis aus der Welt er sich hinausgequält;

Was hilft's, wenn eine halbverdorbne Seele,

Der Höll' ich bringe, mühsam ausgeschält?

Erbärmlich wär' es! – Also Überlegung!

Was fang' ich jetzo mit dem Doctor an?

Pack' ich ihn bei der neuen Liebesregung?

Sein heißes Blut ist's, was mir nützen kann.

Das er sich baldigst von Bianca trenne,

Scheint mir das Beste, weil's das Nächste mir.

Ich fürchte sie, daß ich es nur bekenne;

Zu viel gesunden Sinnes steckt in ihr.

Betschwestern schaden nicht so sehr dem Teufel

Als solch ein unverkünstelt grades Weib,

An solcher Brust zermalmen sich die Zweifel,

Der Geist erstarkt an solchem starken Leib.

Ihr Werk ist's, daß er mich von sich entfernte;[69]

O könnt' ich drum an sie! Doch geht es kaum,

Genug, daß ich von einem Weibe lernte,

Daß Liebe doch im Grund' kein leerer Traum.

Er aber soll's nicht lernen, das ist's eben,

Worin ich meine Kraft bewähren mag,

Drum lockt' ich her ihn; dieses bunte Leben

Versetze seiner Lieb' den Todesschlag!

Ihm widersteht er nicht; o seine Säfte

Sind viel zu reich für eines Weibes Form!

Das Herz ist der Gebieter nicht der Kräfte,

Das Blut hat seine ganz abnorme Norm.

Und für dergleichen ist Paris ein Plätzchen,

Da setzt sich so was leichtlich, spielend um,

Da wechselt man wie Kleider seine Schätzchen

Und sucht am End' darin noch seinen Ruhm.

Hier sollst du, Faust, an Seufzern und an Küssen

Erlahmen mir für alle beßre Kraft,

Zerstören wirst du dich und sie mir müssen

In zügelloser toller Leidenschaft!

Zum Ekel soll dir diese Blume werden,

Die du so früh in deinen Kreis gepflanzt,

Bis du nach mir dich sehnest, dem Gefährten,

Vor dem du, Übermüth'ger, dich verschanzt,

Nicht eher rast' ich, und du sollst's erfahren,

Er reift in mir heran der Hölle Plan;

Die Zeit geht um, bald wird sich offenbaren,

Was kann ein Mensch und was der Teufel kann! –


[70] Er besieht sich eine glänzende Bude.


Welcher Luxus, welche Pracht!

Was sich doch die Weltgesellen

Müh'n, die lange Erdennacht

Sich ein wenig zu erhellen!

Da ein Kettlein, dort ein Ring:

Für die Hand, die so gebunden,

Hier ein Gemmchen, aufgefunden

In 'ner Stadt, die unterging.

Wie das glitzert, wie das gleißt,

Ha, und in den Beutel reißt!

Ist's ein Wunder, wenn auf Erden

Viele drum des Teufels werden?


Quelle:
Braun von Braunthal, [Karl Johann]: Faust. Eine Tragödie, Leipzig 1835, S. 68-71.
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