Siebenter Auftritt.

[52] Die Vorigen. Vasco. Pedro. Ambrosio.

Die drei Hirten eilen erzürnt herbei.

Nr. 8. Quintett.


VASCO den Jäger brutal anfassend.

Hinweg!

JÄGER sich losreißend.

Verwegner, kannst du dich erfrechen?

VASCO höhnisch.

Erfrechen? Ha!

PEDRO UND AMBROSIO auf Gabriele zeigend.

Wißt, das ist seine Braut!

DIE DREI HIRTEN.

So was weiß man in Spanien zu rächen!

JÄGER leise und zart zu Gabriele.

Ist das der Rechte?

Gabriele verneint es kopfschüttelnd.


VASCO.

Was! Schon so vertraut?

PEDRO zu Vasco.

Leid's nicht!

VASCO tritt etwas zurück; zum Jäger.

Ihr wollt vor mir durch Zeichen sprechen?

AMBROSIO tritt zwischen Vasco und Pedro; zu Gabriele, etwas vortretend.

Hinein mit dir![52]

VASCO zum Jäger.

Und du – gleich pack' dich fort!


Er geht drohend auf den Jäger zu.


JÄGER eilt nach der Hütte rechts, ergreift seine Büchse und kehrt in seine Stellung zurück.

Es kostet mich ein Wort

Und ihr – doch nein!

Wer wagt's, mich anzufechten?

VASCO.

Du denkst doch nicht, wir fürchten

Solch ein Rohr?

DIE DREI HIRTEN stark und höhnisch.

Drei gegen einen!


Sie heben ihre Stäbe.


AMBROSIO.

Pfeif' ich meinen Knechten,

Bricht aus dem Wald ein Dutzend noch hervor.

VASCO zu Gabriele.

Fort, fort! Fort, fort!


Er will auf Gabriele los.


JÄGER energisch.

Rühr' sie nicht an! Rühr' sie nicht an!


Er stößt Vasco zurück und hebt seine Büchse.


GABRIELE hält den Jäger zurück und stellt sich zwischen ihn und Vasco; sehr ängstlich.

Vergebt den Hirten.

Ihr wünschet ja, sie sollen Euch bewirten.


Sie geht zu Vasco und sucht ihn zu beschwichtigen.


JÄGER milder.

Ja so! Schon gut! Schon gut! Die Sach' sei abgemacht.


Bittend.


Ich bin verirrt, gebt Herberg' mir zur Nacht

VASCO höhnisch.

Ei sieh!

GABRIELE zu Vasco.

Seid gut!

AMBROSIO brutal.

Wir brauchen keine Gäste!

GABRIELE.

Bedenkt, er steht in des Regenten Sold.

VASCO ebenso wie Ambrosio.

Und wär' er's selbst!

Des Kuckucks Ei im Neste

Steht mir nicht an!

JÄGER tritt zwischen Gabriele und Vasco.

Ich zahl' die Streu, ich zahl' die Streu mit Gold!


Er wirft den drei Hirten eine gefüllte Börse zu.


Gabriele dankt ihm mit unauffälliger Gebärde.
[53]

DIE DREI HIRTEN haben aufgefangen, treten zusammen und sehen sich und den Jäger bedeutungsvoll an; leise für sich.

Die volle Börse und die goldne Kette,

Sie hemmen mein / sein zu rasches Wort.

Bereiten mag sie ihm die Lagerstätte –

VASCO leise für sich.

Doch nimmer zieht er morgen fort,

Doch nimmer zieht er morgen fort!

AMBROSIO UND PEDRO wie vorher.

Dann zieh' er morgen weiter fort.

GABRIELE UND JÄGER leise unter sich.

Die volle Börse und die goldne Kette,

Sie hemmen ihr / sein zu rasches Wort.

Bereiten werd' ich Euch / wirst du mir die Lagerstätte,

Dann zieht Ihr / zieh' ich morgen wieder fort.

VASCO leise für sich.

Die volle Börse und die goldne Kette,

Sie hemmen mein zu rasches Wort.

Bereiten mag sie ihm die Lagerstätte,

Doch nimmer zieht er morgen fort!

AMBROSIO UND PEDRO ebenso.

Die volle Börse und die goldne Kette,

Sie hemmen sein zu rasches Wort.

Bezahlen mag er seine Lagerstätte,

Dann zieh' er morgen wieder fort!

JÄGER die Büchse in der linken Hand.

Den Lohn zahl' ich Euch gern voraus,

Find' ich bei Euch ein gastlich Haus.

VASCO geschmeidig, heuchlerisch sein Betragen entschuldigend.

Den Wandersmann

Nicht von der Thür zu weisen,

Ist Hirtenbrauch; man hat kein Herz von Eisen.[54]

GABRIELE für sich.

Nicht trau' ich ihrem falschen Wort;

Wär' er doch glücklich wieder fort.

VASCO.

Ei, wackrer Herr, welch schön Gewehr!

Ist wohl geladen? Weist doch her!


Er langt nach der Büchse des Jägers.


JÄGER.

Es giebt ein Jäger von Verstand

Nie seine Büchse aus der Hand.


Er nimmt die Büchse in die rechte Hand und geht an Gabriele vorüber nach rechts.


VASCO.

Je nun, es sei.

Laßt uns darob nicht streiten.

GABRIELE zu Ambrosio.

So darf ich ihm die Lagerstatt bereiten?

AMBROSIO.

Sie ist bezahlt, sie ist bezahlt.

VASCO.

Viel Ehr' für uns, viel Ehr' für uns!

GABRIELE.

Kommt, lieber Herr, kommt herein, kommt herein!


Sie zeigt nach links.


JÄGER für sich.

Wie glühen ihre Wangen,

Seh' ich sie freundlich an;

Das stürmische Verlangen

Ich kaum bezwingen kann.

Die Hirtin zu begehren,

Geziemt dem Edlen nicht;

Der Unschuld Schutz gewähren,

Heischt schon die Ritterpflicht.

GABRIELE für sich.

Wie glühen meine Wangen,

Sieht er mich freundlich an;

Ein unruhvolles Bangen

Ich kaum bezwingen kann.

Erfüllt wird mein Begehren,

Wenn er den Fürsten spricht;

Er wird mir Trost gewähren,

Dies zeigt sein Angesicht.

VASCO für sich.

Wie glühen ihre Wangen,

Sieht er sie freundlich an,[55]

Das stürmische Verlangen

Er kaum bezwingen kann.

Ja, klar ist sein Begehren,

Ich übe nur die Pflicht;

Mein Dolch mag ihn belehren,

Er kennt die Spanier nicht!

AMBROSIO UND PEDRO für sich.

Wie glühen ihre Wangen,

Sieht er sie freundlich an;

Das stürmische Verlangen

Er kaum bezwingen kann.

Ja, klar ist sein Begehren,

Doch über seine Pflicht

Wird Vasco ihn belehren,

Er kennt die Spanier nicht.

Gabriele nimmt dem Jäger die Büchse ab, geleitet ihn zum Steintisch rechts, lehnt die Waffe an die Hütte, setzt sich rechts vom Steintisch und schenkt dem Gaste ein.

Jäger nimmt auf der Bank hinter dem Steintisch Platz.

Die Wolken säumen sich mit dem Abendgold.

Nr. 9. Quintett und Chor pastorale.


GABRIELE.

Macht's Euch bequem nun, lieber Herr,

Setzt Euch zu mir und zürnt nicht mehr.

JÄGER.

Seh' ich dein Aug' im Abendstrahl, im Abendstrahl erglänzen,

Scheint eine Fee den Becher zu kredenzen;

Doch, holdes Mädchen, nippen mußt du auch,

Bei Rosenlippen ist's ein alter Brauch.

VASCO leise zu Ambrosio und Pedro.

Seht nur, wie kirr' er jetzt geworden!

AMBROSIO UND PEDRO leise und ängstlich erwidernd.

Nicht dürfen wir den Gast ermorden,

Ruht er in unsrer Hütte Schoß.


Leise unter sich, nach Vasco hin.


Er stürzet uns noch ins Verderben,

Die Hölle glüht in seinem Blick.[56]

Wohl möcht' ich gerne Gold erwerben,

Doch beb' ich vor dem Mord zurück.

VASCO wie vorher leise zu Ambrosio und Pedro.

Geworfen ist sein dunkles Los!

Bedenkt ihr euch, nehm' ich die That auf mich.

Er küßte sie, den Kuß bezahlt ein Stich.

GABRIELE für sich.

Nicht trau' ich Vascos wilden Blicken,

Schon übt' er manche Frevelthat;

Ich kann die Angst nicht unterdrücken,

Dem Fremden drohet hier Verrat.

JÄGER.

Wie sich mit Gold die Wolken säumen!

Wie schön ist's hier in diesem Thal!


Zu Gabriele.


An deiner Seite laß mich träumen,

Ich sei ein Hirt beim Hirtenmahl.

Es wird Abend.

Hirten und Hirtinnen kommen langsam von allen Seiten, nur nicht von rechts vorn, herbei.


Quelle:
Conradin Kreutzer: Das Nachtlager von Granada. Leipzig [o. J.], S. 52-57.
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