Dritter Auftritt.

[172] Klerdon. Granville.


KLERDON für sich. Ja er ists; beherrsche dich, aufwallendes Herz!

GRANVILLE. Ich suchte Sie, Klerdon. Ich bin voll Ungeduld, unser unterbrochnes Gespräch zu erneuern. Sie schienen überwunden zu seyn; darf ich mir mit diesem glorreichen Triumphe noch schmeicheln.

KLERDON. Ihre Gründe, Granville, sind bey mir nicht fruchtlos gewesen.[172]

GRANVILLE. So bin ich der Glücklichste der Menschen! Ein Ueberfluß unaussprechlicher Freuden drängt sich in mich. Itzt umarme ich in Ihnen den nicht mehr verdunkelten Klerdon, – den Verehrer der Tugend und der Religion. O Klerdon, seyn Sie stolz auf diesen Namen! Wenn einst der Glanz aller übrigen wird dahin seyn, so wird dessen Schimmer noch unsterbliche Stralen von sich werfen. – Was sehe ich; Sie wenden Sich von mir? – Sie scheinen meine Umarmungen zu fliehn? Wider Ihren Willen dringen Seufzer hervor? was verkündigt mir dieses ungewöhnliche Bezeigen?

KLERDON. Bey meinen itzigen Umständen befremden Sie die Spuren der Traurigkeit, die Sie an mir bemerken?

GRANVILLE. Umsonst suchen Sie mir auszuweichen. Ihr Gesicht verräth einen geheimen Schmerz, es verräth Abscheu, Mißtrauen; – Ihre Blicke weigern sich, den meinigen zu begegnen. – Klerdon, ists möglich? – war ich fähig, Sie zu beleidigen?

KLERDON. Sie sind mein Freund, Granville?

GRANVILLE. Sie fragen mich das, und eine Thräne zittert in Ihrem Auge, da Sie es thun? Womit[173] verdiente ich dieses quälende Mißtrauen? Fände ich doch gleich itzt Gelegenheit, Ihr Glück mit meinem Leben zu erkaufen! dieß sollte meine Antwort seyn.

KLERDON für sich. Der Treulose! wie unterwiesen er in der Verstellung ist!

GRANVILLE. Sie antworten nichts, Klerdon? Ein schrecklicher Argwohn muß sich Ihrer bemächtigt haben. Eröffnen Sie mir ihn; fürchten Sie nicht, mich zu beleidigen; so schimpflich er auch seyn mag, so werde ich nichts thun, als mich vertheidigen, und es denen verzeihen, die ihn vielleicht erweckten. Sie kennen mich: mein Herz erniedrigte sich nie zu dem, was man Rache nennt.

KLERDON. Sie werden zu leicht unruhig. Ich setze kein Mißtrauen in Ihre Freundschaft.

GRANVILLE. Die Verwirrung Ihrer Blicke und der Kaltsinn Ihrer Versichrungen widerlegen Sie. – Doch vielleicht wollen Sie nicht, daß ich diesem Geheimnisse weiter nachforschen soll; ich gehorche Ihnen, so marternd mir auch diese Ungewißheit ist. – Welcher Qual wollte ich mich nicht unterwerfen, Ihnen gefällig zu seyn! – Nur um dieses einzige beschwöre ich Sie, versichern Sie mich, daß Sie[174] mich noch lieben. Schlagen sie mir diese Bitte nicht ab; sie ist meinem Herzen von unschätzbarem Werthe. Lieben Sie mich noch, Klerdon?

KLERDON. Ob ich Sie liebe?

GRANVILLE. Sie seufzen, Sie stocken – mein Unglück ist gewiß!

KLERDON kaltsinnig. Nein doch – ich liebe Sie.

GRANVILLE. Ich danke Ihnen unendlich für diese Versichrung, ob gleich eine Zeit war, da Sie vielleicht weniger Kaltsinn würde begleitet haben.

KLERDON nach einigem Stillschweigen. Sie urtheilen stets gerecht, Granville. Was würden Sie wohl von einem Freunde halten, dessen Herz zu der Zeit, da seine Lippen von Zärtlichkeit überflossen, von dem Vorhaben voll wäre, einen bedrängten Freund gänzlich zu verderben, seine Liebe, seine Ehre, alles, was ihm das Kostbarste ist, anzugreifen, und zur Beschönigung –

GRANVILLE. Halten sie ein mit diesem schrecklichen Abrisse. Ein Ungeheuer wäre er, würdig, zu der niedrigsten Klasse der Bösewichter verstoßen zu werden. – Ich erstaune über diese Frage von Ihnen.[175]

KLERDON. Sie scheinen heute besonders fruchtbar an Erstaunungen zu seyn. – Wir wollen einen angenehmern Stoff zu unsrer Unterredung wählen. – Man hat mir gesagt, Miß Amalia, Ihre Schwester habe Sie hieher begleitet. Ich habe diesem Gerüchte nicht trauen können. Granville sollte mir aus etwas ein Geheimniß gemacht haben von dem er weiß, wie zärtlich es mich angeht? Für sich. Er ist schuldig, seine Verwirrung ist sein Verräther.

GRANVILLE. Ich bin verdrüßlich, daß man Ihnen etwas zeitiger eröffnet hat – – –

KLERDON erhitzt. Wie? so ist es denn an dem? Ein so feindselig Mißtrauen von dem, der sich meinen Freund nennt! – in einer Sache, die mir die theuerste ist! – ja, mein Argwohn ist gewiß. Umsonst suchen Ihre einnehmenden Liebkosungen ihn einzuschläfern: ich bin hintergangen; Treulosigkeit und Rachsucht – – –

GRANVILLE. Sie reden von Treulosigkeit, von Rachsucht, und das mit mir?

KLERDON für sich. Meine Hitze verräth mich. Zum Granville. Verzeihen Sie diesen jählinchen Aufwallungen[176] einer beleidigten Ehre und Freundschaft. Dieser Schein des Mißtrauens, ich leugne es nicht, schmerzet mich.

GRANVILLE. Ein geheimes Gift, das unsrer Freundschaft den Tod droht, muß Ihr Innerstes durchdrungen haben. Ihr ganzes Bezeigen sagt mir etwas, dessen genauere Bestimmung Ihre Lippen mir so unerbittlich verweigern. Ich sehe zum Voraus – – nein, ich kann diese traurige Ahndung nicht aussprechen. Könnte ich doch dieses unglückliche Geheimniß so leicht entwickeln, als es mir leicht seyn wird, mein Verhalten gegen alle Vorwürfe des Mißtrauens zu rechtfertigen. Vergönnen Sie mir, daß ich mich entferne; ich werde bald wieder bey Ihnen seyn, und allen Ihren Argwohn zerstreuen. Geht ab.


Quelle:
Joachim Wilhelm von Brawe: Der Freygeist, in: Trauerspiele des_–, Berlin 1763, S. 172-177.
Lizenz:
Kategorien: