Sechster und letzter Auftritt.

[244] Klerdon. Henley.


KLERDON der wütend auf ihn los geht. Ha, Treuloser! wo ist Granville? Von deinen Händen, Ungeheuer, fodre ich sein Blut.

HENLEY. Seyn Sie ruhig, Klerdon, nur einige Augenblicke seyn sie es. Ich komme nicht hieher, Ihre Wut zu besänftigen, ich komme, sie noch stärker zu entflammen; nur so lange, bis Sie mich angehört haben, gebieten Sie ihr zu ruhen.[244] Itzt sollen sie Ihr Geschick und die geheime Ursache Ihrer Unfälle kennen lernen. – – Sie wissen, wie ich mit Ihnen zu London bey der Rückkehr von meiner Reise bekannt wurde. Sie waren damals in dem Schooße eines blühenden Glücks. Ueberall ertönte das Lob Ihrer Tugenden; überall folgte Ihnen Glanz und Bewundrung nach. Sie wissen die Vortheile, die Ihnen diese Vorzüge über mich gewannen. – Unselige Vortheile für Sie! – Ich ward Ihr Todfeind, der letzte und wichtigste Triumph, den Sie bey unsrer Bewerbung um Miß Granville davon trugen, machte meinen Haß unversöhnlich, und Ihren Untergang gewiß. Ich beschloß, Sie auf der Seite anzufallen, auf der Sie meinem Glück so nachtheilig geworden waren. Ich beschloß, diese stolzen Tugenden zu bekriegen, den erhabnen ruhmvollen Klerdon in die verworfne Klasse der Wollüstlinge, Lasterhaften, und Religionsspötter zu verweisen, seine schönsten Hoffnungen, so wohl des itzigen Lebens, als jener Zukunft, zu verwüsten – – – ja, beben Sie nur! – – – ihn selbst in der Ewigkeit die Folgen meines Hasses fühlen zu lassen.[245]

KLERDON. Ists möglich? – Was höre ich! –

HENLEY. Dieses war das große Vorhaben, das ich bey jedem Schritte vor Augen hatte. Sie wissen, ob es mir gelungen ist – Itzt will ich Ihnen alles entdecken, zu Ihrer Pein will ich es. Granville war unschuldig, alles, dessen ich ihn anklagte, war Erdichtung. Ihr frevelnder Arm – verfluchen Sie Sich selbst! – hat dem edelgesinntesten, dem zärtlichsten Freunde das Leben geraubt. – Nun ist meine Rache vollendet. Nun sind Sie in dem tiefsten Abgrunde der Verzweiflung. Alle Frevel sind für Sie erschöpft. Hier können Sie nun nichts mehr verlieren, und jenseit des Grabes drohn Ihnen unerbittliche Gerichte – Wie triumphiere ich! wie genieße ich Ihr Unglück? Unaussprechliche Wollust bemächtigt sich meiner, da ich Ihrer Verzweiflung Hohn sprechen kann. Dies ist der schönste Tag meines Lebens. – Stoßen Sie nun die bittersten Schmähungen wider mich aus; überhäufen Sie mich mit Flüchen. Je mehr Sie toben, je mehr triumphiere ich. Ihre Thränen, Ihre Qual, sind das ergetzendste Schauspiel für[246] mich, Ihre Seufzer sind Harmonien in meinen Ohren! – Wo sind nun diese erhabnen und blendenden Verdienste, die Ihre Lobredner so zu erheben wußten? wie ohnmächtig sie vor mir dahin fielen! wie entstellt sie in Ihren Ruinen liegen! Unsträflicher, edelmüthiger Klerdon, Freund der Tugend und Religion, wie war es Ihnen möglich, sich zu so schändlichen Verbrechen zu erniedrigen? – Auf! entreißen Sie Sich dieser fühllosen Erstarrung. Empfinden Sie meinen Spott, meinen Triumph! er ist hin, wo sie ihn nicht empfinden. – O! könnte ich Sie für Ihr Elend ganz zu Gefühl machen!

KLERDON. Rede ich mit einem Menschen? Nein, die Hölle redet aus dir, Ungeheuer, ihrer sind diese Gesinnungen werth. – Ja, frohlocke nur, frohlocke! ich fühle den ganzen Grimm, und die niederschmetternden Gerichte des Himmels, sie strafen mich, weil ich deinen unseligen Eingebungen folgte, und ein Ungeheuer wie du ward. Zittre vor diesem Richter! Ein noch entsetzlichers Verderben wird dich ergreifen, erzüntere Donner werden auf dieß stolze Haupt herabstürzen, und jene Zukunft wird den Verführer von dem Verführten[247] unterscheiden. – Noch einmal rufe die ganze Freude der Hölle in deiner Brust zusammen: – ja, deine treulosen Rathschläge haben mich in dieß gränzenlose Elend hinabgestoßen. Frohlocke! und nimm den Lohn dafür! Er zieht jählings einen Dolch hervor, und ersticht ihn. Und dieß sey der meinige, daß ich dir Gehör gab.


Er tödtet sich.


HENLEY. Ich sterbe! – doch mein Feind stirbt mir zur Seiten – ich bin gerächt – o Triumph! o Rache!


Ende des Freygeists.
[248]

Quelle:
Joachim Wilhelm von Brawe: Der Freygeist, in: Trauerspiele des_–, Berlin 1763, S. 244-249.
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