Dritter Akt


[659] Diewin, der Mägdlein Siegesfeld.

Die Fahne der Dirnen steckt auf dem Siegsstein, der mit Schilden und Helmen umgeben ist; die Mägdlein liegen um ihn her, und zechen unter Trompetenklang. Im Hintergrunde sind Wachen ausgestellt. Am Siegssteine glimmt ein Opferfeuer.


STRATKA steht auf, und hebt das Trinkhorn empor.

Libussa hoch und hoch und ewig hoch![659]

DIE MÄGDLEIN springen auf, außer Wlasta und Scharka. Trompetenklang.

Libussa hoch und hoch und ewig hoch!

STRATKA.

Ihr schwieget, Wlasta, Scharka, da wir tranken?

WLASTA erhebt sich.

Der Ort hier macht mir ernsthafte Gedanken;

Als heute nacht ich zu dem Siegstein ging,

Zog durch den Wald vor mir ein kleines Licht;

Es lockte mich, es war ein glühnder Ring,

Und immer doch erreichte ich ihn nicht;

Da hieb ich zürnend nach dem Zauberding,

Und gleich zerfuhr es in ein Schreckgesicht;

Es brannte rings der Wald, das wilde Feuer

Umtobte mich, ein grimmes Ungeheuer.

Am Siegstein hier die klare Sprudelquelle,

In die Libussa fromm gelegt mein Blut,

War siedend Blut; ich schöpft die heiße Welle

Mit banger Eil in meinen Eisenhut,

Und goß ihn aus, und füllt ihn wieder schnelle,

In regem Wechsel löschend an der Glut;

Da ward erst recht der Grimm des Feuers helle,

Es stürzte prasselnd mit erneuter Wut

Bergan, bergab, zerriß die Felsenschwelle,

Und füllte alles Land mit glüher Flut;

Die Adler sausten schrei'nd aus ihrer Zelle,

Dem Felsennest entstürzt' der Drachen Brut,

Und Stribogs Sohn, der Sturm, der Angstgeselle,

Brach, schrecklich heulend, aus des Vaters Hut,

Und hetzte in des Rauches Nacht die Flammen,

Die Adler und die Drachen glüh'nd zusammen;

Und hier an unserm Siegesmal die Steine,

Sie waren Schädel, grinsten wild mich an,

Und krähend stürzte aus dem Feuerhaine

Mir in das Haar ein kühner roter Hahn;

Er schrie: Zu diesen Schädeln fehlt der deine;

Und als ich mit ihm rang, zerriß der Wahn,

Sank das Gesicht in Nacht, ich war alleine.

Ich fühlte Nässe, die zur Brust mir rann,

Doch Tränen nicht, glaubt nicht, daß Wlasta weine![660]

Warm war die Flut, und als ich mich besann,

Fühlt wankend ich, daß hier bei diesem Ringe

Der Wunde Blutstrom aufgerissen springe.

Kaum hatte ich die Wunde neu verbunden,

Sah wieder ich den bösen Feuerring,

Doch mühsam hab den Heimweg ich gefunden,

Wenngleich der Lichtkreis immer vor mir ging,

Der bis zum Tage, wie an mich gebunden,

Vor meiner Seele, meinen Augen hing

Und endlich vor der Sonne erst verschwunden,

Die überm Schlosse an zu leuchten fing.

Jetzt wie Gewitter schwer und drohend bin ich,

Und überm Feuermeer des Traumes sinn ich.

STRATKA.

Dein Nachtgesicht, erwägt von allen Seiten,

Ist nur dein Blut, das aus der Wunde rinnt.

Daß auf Libussens Ring gegründet sind

Die Siegessteine, zeigt des Rings Begleiten.

Aus unserm Blute, ernste Wlasta, spinnt

Die Schar der Männer wahrlich keine Seiden.

Fleuch hin, du Traum! wer auf Gesichte sinnt,

Verträumet die Geschichte und die Zeiten.

Verschollen ist des roten Hahnes Schrei;

Doch treten wollte er, vom Zorn erregt,

Und hat den Basilisk der Angst im Ei

In deine dunkle Locken dir gelegt.

Nicht brüt ihn aus; sein Herz brach schon entzwei,

Als sich dein spieglend Aug gen ihn bewegt,

Da sank des bösen Traumes Zauberei;

Das volle Leben jauchzt dir zu: Sei frei!

Ach, leer' das Horn!

WLASTA trinkt das Horn aus.

Wohlan, es sei vorbei!

Der Mägdlein Freiheit über alles hoch!

Und höher, als die Taube jemals flog,

Und höher, als der Schwan am Wahltag zog!

DIE MÄGDLEIN Trompetenklang.

Der Mägdlein Freiheit über alles hoch!

STRATKA.

Auf! singet nun, laßt die Trompeten blasen.[661]

Die Dirnen, die im Tale unten grasen,

Wir locken sie, und alle, die wir werben,

Wir lehren sie zu leben und zu sterben.

He, Scharka! träumst du auch? Auf, singe vor!

SCHARKA.

Ich, singen? Singe selbst, singt all im Chor,

Denn lieber als jetzt singen möcht ich weinen.

WLASTA.

So nimm dir erst von diesen Ehrensteinen

Den deinen weg, in einen Winkel schleichen

Magst du mit ihm, ihn heulend zu erweichen.

Nie weine eine Magd hier an dem Ort,

Für Tränen lebt kein Aug hier und kein Wort!

STRATKA.

Wie, weinen, Scharka? Wahrlich, fluche lieber,

Ein tüchtger Fluch heilt dir ein jedes Fieber!

WLASTA.

Hast auf der Hochzeit du zuviel getanzt?

Trankst du zuviel, hast du den Katzenjammer?

So geh, und schlafe aus in deiner Kammer.

SCHARKA.

Das ist es nicht, ich trank, ich tanzte nicht.

STRATKA.

Wie eine Hexe an die Wand gepflanzt,

Saß'st du mit stummem, starrem Angesicht.

Die Fackel träufte glüh'nd auf deine Hand,

Du fühltest nichts.

SCHARKA.

Weil andres ich empfand.

WLASTA.

Die Hochzeitsfackeln dir am Herzen brannten.

STRATKA.

Bist du gebrannt, so hast du überstanden.

Nicht falte mehr die Stirn in Liebeszorn.

Heraus mit aller Klage, zieh den Dorn

Der Löwin aus dem Fuß, stampf rüstig auf,

Laß allen deinen Wünschen freien Lauf!

Ein frischer Trunk, ein tiefer frischer Schrei

Macht dir die Brust, das ganze Leben frei;

Heihussa, freie Mägdlein der Libussa!


Sie reicht Scharka das Horn, sie trinkt unter Trompetenklang.


DIE MÄGDLEIN.

Heihussa, freie Mägdlein der Libussa!

SCHARKA.

Dank, Dank dir, Stratka! ich bin wieder frei:

Der Trunk, der Schrei war gute Arzenei.

Und ginge jetzt der Hochzeitreihen los,

Ich legte nicht die Hände in den Schoß.[662]

Wie du wollt ich die Füße kräftig heben,

Nach meinem Takte müßt der Saal erbeben;

Nun muß sie ganz vom Herzen mir, die Last.


Sie schlägt mit der Faust gegen ihren Brustharnisch.


Heraus aus meiner Brust, du trüber Gast!

Hört meine Schmach, euch Dirnen sag ich laut,

In Luft hab ich eine Liebesschloß gebaut.

Den starken Biwog liebt ich lange schon;

Da gestern mit dem Eber vor dem Thron

Er männlich widerstand des Rozhons Hohn,

Wuchs mir das Herz, es war recht zum Erbarmen!

Zum Lohn wollt vor dem Volk ich ihn umarmen.

O lachet mich nur aus, denkt meinen Stand,

Als Kascha ihm gereicht die Fürstenhand.

WLASTA.

Du hattest, arme Scharka, übles Nachsehn.

STRATKA.

Was immer besser ist als üble Nachwehn;

Den Göttern danke, so davonzukommen.

Hätt Biwog dir erst deinen Schatz genommen,

Wie Wrsch an mir hätt er an dir gehandelt,

Zum frechen Jäger sich nach kurzen Wochen,

Zum armen Eber, Scharka, dich verwandelt,

Zum Preis der andern dir den Hals gebrochen!

SCHARKA.

Du redest wahr. Nun hab ich freie Wahl.

Verachten will ich alle auf ein Mal

Und nehmen mir zur Freude eine Zahl.

Nun ist mir einer keiner, er allein

Konnt nur der eine und der einzge sein,

Den ich verlor, um alle zu gewinnen.

Ich brauche keine Schlingen mehr zu spinnen

Und auszulegen nach so bösen Hechten.

Die Lust mir wählt, macht Liebe mir zu Knechten.

Zum Narren hatte uns der alte Brauch,

Am Feuer sitzend in dem hohen Rauch

Den Mann zu sehen, der uns ist beschert:

Die Folge hat uns bitterlich belehrt.

STRATKA.

Die Augen hat der Rauch uns gut gebeizt,

Zum Weinen dich, zum Fluchen mich gereizt.

SCHARKA.

Es ist zum Lachen, all, die wir gesehen,[663]

Begegneten uns auch in jener Nacht;

Als Opferfeuer wir im Wald gemacht,

Sahn wir sie alle zu der Wahl hingehen.

STRATKA.

Du übertreibst, ich sah nicht Wrschowetz.

Doch, Wlasta, sage: Wen hast du gesehn?

WLASTA betroffen.

Ich? Meine Mutter – lasset das Geschwätz.

Denn, sah ich einen, werd ichs nie gestehn.

EINE VON DEN WACHEN.

Ich sehe Dirnen, die im Busche lauschen.

STRATKA.

So klingt und singt, und laßt die Fahne rauschen!

SCHARKA.

Es ist ein Schloß gegründet,

Ein Feuer angezündet,

Ein Fähnlein aufgestellt

Den Jungfraun in dem Feld!

CHOR.

Huihussa, huihussa!

Die Mägdlein der Libussa!

STRATKA.

Die Fahne der Jungfrauen,

Kein Mann darf nach ihr schauen,

Der beste ist uns schlecht,

Der liebste unser Knecht,

CHOR.

Huihussa, huihussa!

Die Mägdlein der Libussa!

WLASTA.

Verflucht sei Rad und Spindel

Und Feuerherd und Windel,

Der Speer tut Rockendienst,

Giebt eisernes Gespinst!

CHOR.

Huihussa, huihussa!

Die Mägdlein der Libussa!

SCHARKA.

Der Mann muß unten liegen,

Das Kind im Schilde wiegen,

Wir ziehen frank und frei

Auf neue Freierei!

CHOR.

Huihussa, huihussa!

Die Mägdlein der Libussa!

STRATKA.

Die Männer müssen singen

Den Kindern, die wir bringen,

Das Lied: Was ich nicht weiß,[664]

Macht mir die Stirne heiß.

CHOR.

Huihussa, huihussa!

Die Mägdlein der Libussa!

WLASTA.

Es nehme keine einen,

Viel lieber nehm sie keinen,

Denn einer ist Betrug

Und alle nicht genug.

CHOR.

Huihussa, huihussa!

Die Mägdlein der Libussa!

SCHARKA.

Das Weib ergreift den Zügel,

Der Mann hält ihr den Bügel,

Im Sattel sitzen wir,

Und spornen frisch das Tier.

CHOR.

Huihussa, huihussa!

Die Mägdlein der Libussa!

STRATKA.

So ziehen wir Jungfrauen,

Geschmücket wie die Pfauen,

Durchs Land in stolzem Putz,

Den Männern nur zum Trutz!

CHOR.

Huihussa, huihussa!

Die Mägdlein der Libussa!

WLASTA.

Die Ketten sind zerbrochen,

Und auf das Schild wir pochen,

Im Harnisch ist das Weib,

Der Mann seh, wo er bleib!

CHOR.

Huihussa, huihussa!

Die Mägdlein der Libussa!


Milenka und Zastawa, zwei Bäuerinnen, nahen schüchtern.


MILENKA.

Ei! bei euch Dirnen geht es lustig her!

ZASTAWA.

Hussa Libussa macht mirs Herz ganz schwer.

STRATKA.

Hast du das Lied verstanden? Nun, laß sehn.

ZASTAWA.

Da müßte ich kein Böhmisch ja verstehn:

Man nimmt so viele Männer, als man kann,

Arbeitet nichts, und niemals weiß der Mann,

Ob er der Vater von den Kindern allen,

Doch, hat das kräftge Huihussa Libussa

Am besten mir vor allem noch gefallen.[665]

STRATKA.

Und was gefällt dir so an diesem Schrei?

ZASTAWA.

So gut und wohlfeil ist die Arzenei,

Wie sag ich gleich? – Als wenn man kratzt, wo's juckt,

Als wenn zur Arbeit in die Hand man spuckt.

SCHARKA zu Milenka.

Du, sage, wie gefällt das Lied denn dir?

MILENKA.

Ihr habt gut singen, doch was hilft es mir?

Wenn auch die Männer waschen, sattlen, spinnen;

Ich habe ja nicht Roß, nicht Flachs, nicht Linnen.

Die Kuh schreit; grasen, melken muß ich doch.

Und seht, ich lieg gern lang, ich bin gar faul. –

SCHARKA.

Beruh'ge dich, da giebts ein Verslein noch,

Das melkt die Kuh, und stopfet ihr das Maul.

Wenn wir im Bett uns drehen,

Muß er das Gras schon mähen,

Wir liegen noch in Ruh,

Da melkt er schon die Kuh.

CHOR.

Huihussa, huihussa!

Die Mägdlein der Libussa!

MILENKA.

So muß ich buttern doch und Gänse hüten.

SCHARKA.

Vor beidem soll der Himmel dich behüten.

Der Mann geht mit der Sense,

Und hütet uns die Gänse,

Und buttert uns im Faß,

Das ist der Dirnen Spaß.

CHOR.

Huihussa, huihussa!

Die Mägdlein der Libussa!

MILENKA.

Ihr dürft wohl gar zu Bier und Meth auch gehn,

Im Mondschein singend vor den Hütten stehn?

SCHARKA.

Der Mann schläft unterm Pfluge,

Wir sitzen spät beim Kruge,

Und unser Lied verschont

Selbst nicht den Mann im Mond.

CHOR.

Huihussa, huihussa!

Die Mägdlein der Libussa!

MILENKA.

Da ist noch eins, ihr sangt: Der Mann muß wiegen,

Da muß ich doch noch stets die Kinder kriegen,

Das ist mir aber gar zu sehr zuwider,[666]

Von aller Arbeit bin ich keine müder.


Die andern Mägdlein lachen.


Ja, lachet nur, der Punkt ist gar zu kitzlich,

So sehr beschwerlich als erstaunlich nützlich.

SCHARKA.

Du wirfst dem Liede deine Schwäche vor,

Willst du nicht hören, so verschließ dein Ohr.

Wenn wir uns tapfer wehren,

Die Welt nicht mehr vermehren,

Sinnt Peron eine Nacht,

Sieht, wie ers besser macht.

Peron, der Welterfinder,

Läßt wachsen dann die Kinder

Den Männern an dem Horn,

Wie Röslein an dem Dorn.

CHOR.

Huihussa, huihussa!

Die Mägdlein der Libussa!

MILENKA.

Das läßt sich hören, das ist doch natürlich,

Denn es ist sehr bequem und auch gar zierlich.

Was kostet es, wenn ich gleich bei euch bleibe?

ZASTAWA.

Ich bin dabei, nehmt mir den Rock vom Leibe!

STRATKA.

Was, kosten? Ihr kriegt Geld noch oben drauf,

Und Harnisch, Mützen, Waffen in den Kauf!

MILENKA.

Ich trau der Sache kaum, das ist zu billig.

ZASTAWA wirft die Jacke ab.

Weg mit dem Zeug, den schwersten Panzer will ich.

WLASTA.

Bist du auch stark, kannst diesen Stein du heben?

ZASTAWA hebt ihn, und wirft ihn weit weg.

Hier, dieser da? Der geht mir nicht ans Leben.

STRATKA zu Milenka.

Mit einer Hand spann du mir diesen Bogen.

MILENKA bricht ihn überspannend.

Ach Himmel! seht, ich hab zu stark gezogen.

WLASTA.

Stark sind sie, legt die Waffen ihnen an;

Auf, munter, singt, dort ziehn noch mehr heran.

SCHARKA.

Im Walde wir regieren,

Den Mann die Hörner zieren;

Den Hirsch, wir hetzen ihn

Zum steilen Abgrund hin.[667]

CHOR.

Huihussa, huihussa!

Die Mägdlein der Libussa!

STRATKA.

Hat dich ein Mann geschlagen,

Du brauchst nicht drum zu klagen,

Tritt her in unsern Kreis,

Mach ihm die Hölle heiß.

CHOR.

Huihussa, huihussa!

Die Mägdlein der Libussa!

WLASTA.

Dem Buhler, der dich necket,

Mit andern Dirnen hecket,

Verschließe du dein Bett,

Und mache es ihm wett.

CHOR.

Huihussa, huihussa!

Die Mägdlein der Libussa!

DOBROWKA wirft einen ungeheuern Grasbund und Sichel und Harken an die Erde.

So trage denn das Gras nach Haus, wer mag,

Mit Rozhon leb ich länger keinen Tag!

Vier Wochen sind es nach dem Hochzeitsgang,

Mehr Prügel hab ich als auf Lebelang,

Und seit getroffen ihn Libussens Strafe,

Trifft mit der Geißel er mich selbst im Schlafe,

Und spricht: Die Hiebe zahl Libussen wieder.

STRATKA.

Der giftge Hund, und du warfst ihn nicht nieder,

Zerfleischtest nicht mit Näglein sein Gesicht?

DOBROWKA.

Hätt ichs versucht? Obs geht, das weiß ich nicht.

STRATKA.

Den Stein dort bei der Eiche trag herbei.

DOBROWKA wirft ihn auf einen andern, daß er bricht.

Eins werdet ihr nie mehr, ihr seid nun zwei.

STRATKA.

Es werde ihr der Harnisch angelegt.

DOBROWKA tritt, da sie zu den Waffen geht, auf ihren Harken; da der Stiel ihr ins Gesicht schlägt, zerbricht sie ihn.

Verdammter Stecken, der Dobrowka schlägt!

STRATKA.

O, hättest du dem Rozhon so getan!

DOBROWKA.

Ich zahl ihm alles nach, treff ich ihn an.

HODKA tritt auf.

Mich bringt das ewge Weben, Nähn und Spinnen,

Das Bohnenzählen gänzlich noch von Sinnen.[668]

Gebt grobe Arbeit her, ich bin, gottlob!

Gesund und stark, und gar zu gerne grob.

Die Mutter ist ganz toll mit sieben Sachen,

Die ich in einem Tag soll fertig machen;

Das Ärgste aber ist das Federschleißen,

Da möcht ich lieber Bäume niederreißen;

Die Linsen mag ihr Tschernobog belesen,

Der schwarze Gott hol all das feine Wesen!

Gebt Arbeit her, doch sei es von der groben,

Ich will was leisten, ihr sollt mich erproben.

STRATKA.

Den Ast brich, der zum Nachbarbaume reicht.

HODKA reißt den Ast nieder.

Herab, du Buhler, der zur andern schleicht!


Dobromila, Klimbogna, Budeslawka, drei Zauberschülerinnen der Zwratka, treten verschleiert aus der Höhle.


BUDESLAWKA.

Heraus ans Licht, wer mag im Dunkel schwitzen,

Wenn Helm und Panzer an der Sonne blitzen.

KLIMBOGNA.

Hussa Libussa tönt die Höhle wieder,

Ich halts nicht aus, ich reiß den Schleier nieder!

DOBROMILA.

Lebt wohl, ihr Salben, Kräuter, Suppen, Fratzen,

Bewacht den Herd, ihr Böcke und ihr Katzen,

Schaut durch das Sieb, und lecket euch die Bratzen,

Brummt, oder schreit die alten Zaubersprüche,

Ich überlasse euch die ganze Küche.

Ihr Dirnen, gebet Rosse uns beizeiten,

Auf einem Besen lern ich nimmer reiten.

WLASTA.

Was wird die Meistrin Zwratka dazu sagen?

DOBROMILA.

Was ihr beliebt, wir wollen sie nicht fragen.

KLIMBOGNA.

Wir trugen ihr Geräte hier hinein,

Sie will ja Schule halten hier im Hain.

BUDESLAWKA.

Das macht sie gut, sie mehrt nur euren Haufen,

Es werden alle zu euch überlaufen.

Bei Huihussa Libussa und Trompeten,

Wer kann da lange Zauberflüche beten?

Wir lauschten lange in dem Felsengang,[669]

Bis euer freier Klang und Sang uns zwang,

Ans Licht zu eurer Fahne herzutreten.


Mladka, Nabka, Swatawa, Radka, andere Bäuerinnen, nahen.


ZASTAWA prahlend.

Nun, wie gefall ich euch, ihr zahmen Schwestern?

Von heute bin ich, und ihr seid von gestern!

MLADKA.

Ei, wenn du Tölpel hier den Helm darfst tragen,

Will ich den sehn, der mir ihn ab will schlagen.

NABKA.

Du blaues Wunder, schau, des Rozhons Weib!

DOBROWKA.

Hat blauen Stahl gen's Bläuen auf dem Leib!

SWATAWA.

Die linkische Milenka trägt den Helm!

MILENKA.

Ihr Schwert trägt sie nun rechts, hüt dich, du Schelm!

RADKA.

Du Ungeduld, ei, Hodka, hier auch du?

ALLE.

Dazu, dazu, wir müssen auch dazu!

HODKA.

Nun tobt nur nicht, das geht in schönster Ruh,

Nur Steine dürft ihr kräftig niederschmeißen

Und tüchtge Äste von den Eichen reißen!

ALLE.

Ei, sowas soll man uns nicht zweimal heißen!

DIE ZAUBERSCHÜLERINNEN.

Drauf! lasset uns die Probe nicht entreißen!


Sie fallen alle über den Siegesstein, und beginnen ihn auseinanderzureißen. Wlasta, Stratka, Scharka schlagen mit den Schwertern unter sie.


STRATKA.

Halt, halt! ihr Rasenden, was fangt ihr an?

SCHARKA.

Was, Tolle, hat der Siegsstein euch getan?

WLASTA.

Ich sehe Vorbedeutung mir bereiten,

Das, was zum Haken wird, krümmt sich beizeiten!

STRATKA.

Du bist zu schnell, o Wlasta, im Verdammen;

Man muß nur eines Bessern sie bescheiden.

Ihr, legt die Steine wieder hier zusammen!


Sie stellen das Mal wieder her.


Stellt euch zum Kreis, wir wollen euch vereiden.


Sie werden mit einzelnen Rüstungsstücken versehen, und stellen sich rings um den Stein, bei welchem die drei Führerinnen stehen.


WLASTA.

Scharka, den Handschuh nimm, Stratka, die Fahne,[670]

Daß ich die Neugeworbnen nun ermahne.

Bedenket, was ihr tut, da frei ihr seid,

Erwäget, eh ihr schwört der Wlasta Eid.

Was seid ihr noch? Was waret ihr bisher?

Was werdet nach dem Schwur ihr nimmermehr?

Den Eltern und den Brüdern untertan,

Des Mannes Magd, so ihr des Mannes Weib,

Und segnet die Natur euch euern Leib,

Bricht erst die Bürde nach neun Monden los,

Ihr legt mit Schmerzen, eine lange Qual,

Ein schreiend Kind euch in den müden Schoß,

Und alle Jahre eins, wirds eine Zahl.

Kaum, daß ihr es, das in des Schoßes Raum

Ihr trugt und nährtet, seiner Haft entlaßt,

So hängt auch gleich, der noch lebendig kaum,

Wie die Schmarotzerpflanze an dem Ast,

Als wäret ihr des Lebens voller Baum,

An eurer Brust der unverschämte Gast,

Und sauget euer Leben selbst im Traum,

Und schreit, und quäkt, zum Dank für alle Last

Beißt, kneipt es euch, läßt allem freien Lauf,

Es täte Not, es fräße gar euch auf.

Dabei des Waschens, Fütterns gar kein End,

Und Murren, Schelten, Schlagen von dem Mann,

Der, will er nicht, das Kind als sein nicht kennt,

Und wärs ein Fremdes, was schiert ihn es dann?

Als sichs mit Pein von eurem Schoß getrennt,

Hat nur sein Finger ihm drum weh getan?

Kaum ist er noch zur weisen Frau gerannt.

Genug, es lebt, und schreit die Sterne an,

Ihm leuchtet Bielbog, donnert Peron auch,

Wie andern ihm den Mond Triglawa zeigt,

Und Siwa nährt, wie alle, ihm den Bauch,

Und Swantowid, eh er zu Rosse steigt,

Füllt ihm mit Meth wie anderen den Schlauch,

Die finstern Götter sind ihm auch geneigt,

Ihm auch macht Tschart den Leib mit Haaren rauch,

Auch ihn der Tod, das hagre Weib, umschleicht.[671]

Die Menschen wachsen gleich des Baumes Blättern

Und gleich des Abgrunds Erzen und Gesteinen;

Daß Kinder kommen, das gefällt den Göttern,

Ob Slawoschs, Biwogs, Chirchs, das kümmert keinen.

Der Schleier gürtet mich der hohen Magd,

Ihr Mantel hier als Fahne vor euch ragt,

Ihr Handschuh ists, auf den ihr schwörend schlagt,

Daß ihr der Männer Herrschaft nun entsagt.

SCHARKA.

Ich aber sag euch, was ihr werdet sein,

Schlagt schwörend ihr in diesen Handschuh ein.

Aus allem jenem Elend geht ihr aus,

Zu mehren dieser freien Mägde Chor,

Zu mauern hier der freien Mägde Haus,

Dem Männereingang ein verschloßnes Tor;

Und übt ihr kühnlich euch zu Kampf und Strauß,

Hebt bald Djewin der Mägde Haupt empor.

Von aller Männer Herrschaft schwört euch los,

Zu aller Waffenübung schwört euch fest,

Zu Lauf, Sprung, Wurf, zu Hieb und Stoß,

Schwert, Bogen, Beil und Speer euch nie verläßt.

Ihr gehet nie von Gurt und Panzer bloß,

Lockt zum Verrat die Männer nur ins Nest:

Denn ihre Schwachheit ist in Liebe groß,

Geheimnis wird mit Küssen leicht erpreßt.

Der Jungfrau Ehre blüh in eurem Schoß,

Der Jungfrau Fahne stehe ewig fest,

Und würfe rings um sie der Tod sein Los.

Fluch jeder, die das Siegspanier verläßt!

In Friedens Schlauheit oder Schlachtgetos

Der Dirnen Freiheit mit dem Leben meßt!

Thron, Leben, Ehr der Magd schütz euer Leben;

So ihr dies schwört, mögt ihr den Handschlag geben.

DIE MÄGDLEIN gehen an ihr vorüber, und schlagen ein.

Ich schwöre, ich schwöre,

Frei leben und sterben,

Der Fahne die Ehre,

Den Nachruhm den Erben,

Der Jungfrau den Schutz,[672]

Den Männern den Trutz,

Den Göttern die Seele,

Der Erde den Leib,

Solang als die Tage,

Die Nächte ich zähle,

Solang als ich Jungfrau,

Solang als ich Weib!

STRATKA schwenkt die Fahne über sie.

Die Fahne grüßend über euch geschwenket,

Hört an, was ihr nun seid, daß ihrs bedenket.

Frei wie die Enkel Stribogs auf der Heide,

Frei, frei von Dienst, von niedrer Arbeit frei,

Nur eure Rosse führt ihr auf die Weide;

Ihr baut kein Feld, ihr hütet keinen Herd,

Kein Feuer, das nicht Opferfeuer sei;

Statt zu dem Rocken greift ihr zu dem Schwert;

Wiegt nur das Kind, das noch im Leib ihr tragt,

Wenn ihr zu Roß die weite Flur durchjagt;

Ihr schlachtet mehr kein Tier als Männer nur,

Umarmet keinen Mann nach Pflicht und Schwur,

Ja welche und wie viele ihr euch wählt,

Fangt ihr euch aus der Herde ungezählt,

Ihr haltet sie, ihr jaget sie davon,

Nur freie Lust genügt der Last als Lohn.

Das Wild in allen Wäldern steht euch frei,

So Mann als Hirsch fällt eurer Jägerei;

Doch zahlen wir die Jungfrau nur mit Gold,

Und Silber ist den Liebenden der Sold,

Und Kupfer nur erhält, die ihren Leib

Dem Jüngling reicht; die aber, die als Weib

Dem Manne folgt und so den Eidschwur bricht,

Die zieht des Schwertes Eisen ins Gericht.

SCHARKA.

Es ist der Eid gesprochen,

Und auf das Schild wir pochen,

Im Harnisch ist das Weib,

Der Mann seh, wo er bleib!

CHOR.

Huihussa, huihussa!

Die Mägdlein der Libussa!


[673] Sie beginnen einen kriegerischen Tanz um den Siegsstein, werden aber in den ersten Takten durch das Kriegslied und das Heerhorn der Männer unterbrochen.


WLASTA.

Was ist dies?

SCHARKA.

Still, Gesang!

STRATKA.

Es ist das Heer,

Vorüber lassen wir sie nimmermehr.

Fällt vor den Hohlweg schnell den jungen Stamm,

Und hinter ihm steht wie ein Felsendamm!


Die Mägdlein umgeben den Baum mit größter Geschäftigkeit, einige klettern hinan und suchen ihn mit ihrer Last niederzuziehen, andere hauen an seinem Fuße; während dieser Arbeit hört man das Heerhorn der Männer und den Kriegsgesang immer näher.


CHOR DES HEERS.

Jagababa, Jagababa,

Die mit dem knochichten

Fuße im eisernen

Mörser hoch stehet

Und mit der erzenen

Keule ihn heulend

Treibet durchs Feld,

Jagababa, Jagababa

Zog vor uns her!


Es bricht der Baum, wo die Beile eingeschnitten, und sinkt, durch die Mägdlein beschwert, langsam, wie ein Schlagbaum nieder.


GESCHREI IM HEER.

O Wunder, Wunder! seht, ein Baum voll Dirnen!

Aufs Stroh, aufs Stroh mit diesen reifen Birnen!

WRSCHOWETZENS STIMME.

Kein Wunder, daß den Stamm man niederschlug,

Der solche bitterböse Früchte trug.

WLASTA.

Die Fahne hoch! Wer redet mich hier an?

DOMASLAUS.

Weg mit dem Baume, öffnet uns die Bahn,

Wir kehren siegreich über die Avaren.

STRATKA.

Links durch das Tal führt eure trunknen Scharen.

DOMASLAUS.

Was sollen wir um euch den Umweg nehmen?

WRSCHOWETZ.

Ein siegreich Heer soll Weibern sich bequemen?[674]

STIMMEN AUS DEM HEER.

Voran, voran, es dränget sich der Zug.

DOMASLAUS.

Siegtrunken ist das Heer, tut auf, seid klug!

SCHARKA.

Zäunt euren Wahlplatz ein, daß wir ihn meiden,

Der Mägdlein Siegsfeld soll kein Mann beschreiten.

WRSCHOWETZ.

Läg nicht Libussens Seele an euch krank,

Es würde hier der Baum im blutgem Zank

Mit allen seinen Früchten überschritten;

Doch weiser scheint es jetzt noch, euch zu bitten,

Denn, wenn die lange Schlucht zurück wir ziehn,

Gelangen wir zu spät nach Schloß Libin.

WLASTA.

So harrt; ob ohne unsrer Ehre Schaden

Ihr ziehen könnt, will ich mich erst beraten.


Sie tritt mit Stratka und Scharka am Siegsstein zusammen, indes plaudern die Dirnen mit einzelnen Kriegern über den Schlagbaum.


WASTIL.

Beim Tschart, ei, Hodka, wie kömmst du hieher?

Zum Weibe nehm ich dich nun nimmermehr,

Ich glaubte dich so fleißig und so still.

HODKA.

Zum Weibe nimmst du mich, wenn ich dich will,

Und weil ich dich nicht will, nimmst du mich nicht.

Hier werf ich deinen Ring dir ins Gesicht.

WASTIL.

Die Peitsche, treff ich dich allein, soll knallen.

HODKA.

He, hast du Lust, so prügl ich dich vor allen,

Ich bin Libussens Magd.

HOWOR.

Nun, nun, gottlob,

Libussens Magd ist aus der Weise grob.

Auch, Nabka, du ließ'st zu der Schar dich werben?

NABKA.

Als Jungfrau will ich leben nun und sterben.

HOWOR.

Dann lebst und stirbst du nie. Wo ist mein Kind?

NABKA.

Dein Kind? dein Kind? Es liegt in seiner Wiege.

HOWOR.

Mein ists so wahr nun nicht, als keins ich kriege:

Dies hätte seine Mutter nie getan.

NABKA.

Ist es nicht dein, was geht es dich dann an?

Ist es nicht dein, so ist es auch nicht mein.

Frag nicht um Kinder, die nicht mein, nicht dein.

MILICK.

Beim Svetowid, Milenka, meine Braut!

Du liefst hieher, wer kocht zu Haus mein Kraut?[675]

MILENKA.

Koch dir es selbst, denn wiß, das Sprichwort lautet:

Wer ausgebrautet, hat auch ausgekrautet.

STIMMEN AUS DEM HEER.

Hindurch, hindurch, schlagt all die Dirnen tot!

SCHARKA.

Schild vor! legt euch in Schutz und Trutz zur Not!

WRSCHOWETZ.

Ruhig, ihr Männer, laßt die Wespen summen!

STRATKA.

Ruhig, ihr Jungfraun, laßt die Käfer brummen!

WLASTA.

Um euren Sieg, und weil ihr angesucht,

Und weil noch nicht verschüttet diese Schlucht,

Sei euch der Zug ohn Sang und Klang gewährt,

Doch mit gesenktem Beil, bedecktem Schwert;

Wollt ihr dies nicht, so fließt hier euer Blut.

DOMASLAUS.

Bist du zufrieden, Wrsch, so sei es gut.

WRSCHOWETZ.

Zufrieden? wer ist mit der Schmach zufrieden?

Kann solchen Vorschlag ich dem Heere bieten?

Kaum wag ich es, wenn heilgen Grund sie nennt.

WLASTA.

Libussens Fahne weht, ein Opfer brennt!

WHSCHOWETZ.

Voran, das Schwert bedeckt, das Beil gesenkt,

Das Opfer ehrend, seid ihr ungekränkt.


Die Mägdlein bilden eine Gasse; die Männer ziehen, über den Stamm schreitend, durch.


WRSCHOWETZ wirft Stratka Moribuds Haupt vor die Füße, und zieht weiter.

Hier, Stratka, bring ich dir dein Lösegeld.

STRATKA wirft den Kopf ins Opferfeuer.

Weh! besser warst du, als der dich gefällt!

ZASTAWA reißt einen Mann aus dem Zug.

Halt, du bist mein.

POPLOPECK stößt sie zurück.

Wenn ich des Guckucks wäre!

Doch noch bis jetzt dank ich für diese Ehre.

Spräch Nabka so wie du, ich wär nicht faul.


Zieht ab.


NABKA.

Ich mag dich nicht, du hast ein schiefes Maul.


Greift nach einem andern.


Ha, du gefällst mir gut, du bleibst nun mein!

SCHRIBEN.

Bei dieser Sache müssen zweie sein.


Er reißt sich los.[676]


STIMMEN AUS DEM HEER.

Verfluchte Hexen, laßt uns.

WRSCHOWETZ tritt zurück.

Welch Geschrei?

STRATKA.

Die Mägdlein üben offne Freierei,

Sie buhlen falsch und heimlich nicht wie du.

WRSCHOWETZ.

Wählt beßre Zeit, und lasset uns in Ruh,

Sonst färben wir mit eurem Blut die Bahn.

SCHARKA.

Nicht gleich so oben aus, und nirgend an,

Den Göttern dankt, daß man noch einen will.

Ihr Dirnen, merkt sie euch, und bleibet still,

Begehrt sie morgen vor Libussens Thron!

MEHRERE DIRNEN.

Vorbei, vorbei, die Wahl gereut uns schon!

STIASON mit roten Hahnenfedern auf dem Helm; als er an den vorliegenden Baum kömmt, zieht er sein Schwert, und spricht zum Heer.

Verfluchte Schmach! hier über meine Klinge

Spring jeder, ehe er hinüberspringe.

Hinweg, ihr Männer, mit dem Weiberbaum,

Raum für der Chechen siegreich Heer!

STIMMEN sie heben den Baum weg, und dringen durch.

Raum, Raum!

WLASTA hat Stiason mit Spannung angeschaut, und bricht plötzlich mit größter Heftigkeit gegen ihn.

Auf ihn, auf ihn! er ists, der rote Hahn!

Ich kenne ihn, zurück!

STIASON.

Bahn, Bahn!

Hindurch, an meinem Helmbusch klebt ihr Blut.

Die Waffen hoch!

STRATKA.

Ha, nieder mit der Brut!


Die Männer dringen mit Gewalt durch, die Dirnen drängen sie mit den Schilden über die Bühne, und kehren zurück.


SCHARKA.

Was setzet, Wlasta, dich so sehr in Wut?

WLASTA.

Hast du gesehn an seinem Busch mein Blut?

Er wars, der nachts im Traume mich gestört,

Die blutge Feder hat mich so empört,

Ich kenn ihn, Stiason aus Heskys Stamm,[677]

Dem roten Hahn schwillt gegen mich der Kamm.

Doch eilet jetzt den kurzen Pfad durchs Holz,

Kommt ihnen vor, daß sie nicht unsren Stolz

Unvorbereitet vor Libussen klagen.

Ich gehe, Zwratka um den Traum zu fragen.


Die Mägdlein eilen schnell mit der Fahne durch den Wald ab.


WLASTA allein.

In Zorn und kühnem Weiberübermut

Wogt noch gleich stürmschen Wellen mir das Blut,

Und schlägt ans Herz mir, wie die Meerflut schlägt

Ans Schiff, das einen Ungerechten trägt.

O ruhe, Sturm, o schwelle mir, Begier,

Die Segel auf nach ihm, den ich nur suche,

Nach einem Mann, der mir ein Abgott schier,

Zu dem ich bete, und zu dem ich fluche.

Ich muß ihn wiedersehn, ich muß ihn sprechen;

Doch eher soll ihn dieses Schwert durchstechen,

Eh will am Felsen ich mein Haupt zerschlagen,

Als meines Herzens Schmach ihm deutlich klagen.

Und würde er mit strengen züchtgen Sitten

Um meine Gunst, um meine Liebe bitten,

Wie sprach ich dann? – Schaff mir Libussens Ring!

Verfluchter Ring! da seh ich ihn schon wieder,

Er tanzt am dunklen Waldrand auf und nieder,

Wie er zur Nacht auf meinen Pfaden ging.

Ist es der Geist des Rings, der mich umschwebt,

Daß schaudernd sich das Haar empor mir hebt,

Daß meine Seele wie ein Schilfrohr bebt?

Was ists, das so in meinen Füßen strebt?

Ich muß, ich muß ihm folgen, dem Gesellen,

Und führte er zur tiefsten aller Höllen.


Sie eilt durch den Wald.


Die Hütte des Primislaus


Rings schöner Acker. Der Pflug Libussens steht vor der Hütte, an deren Seite ein Grabhügel. Primislaus tritt mit Slawosch aus der Türe.


SLAWOSCH.

Du kamst zur Hochzeit nicht, nicht zum Gericht?

PRIMISLAUS.

Ich habe keinen Streit, auch tanz ich nicht.[678]

Leicht würde mir des Vaters Grab entsühnt,

Das ohne Blumen noch kaum spärlich grünt.

Nahm froh Libussa teil an Kaschas Glück?

SLAWOSCH.

Mit Tetka ernsthaft im Gespräch sie schien,

Von ihrer Wandrung kam die spät zurück.

Auf einem Berg wird sie nun bald Tetin,

Ihr Schloß, erbaun, und Kascha baut Kaschin.

Auch soll ein neuer Gott gegossen werden.

PRIMISLAUS.

Ein Gött?

SLAWOSCH.

Der Götter, Himmels und der Erden,

Der Morgen, Mittag, Abend, Mitternacht

Mit seines Leibes Stellung sichtbar macht,

Allgegenwärtig, ewig, unergründet.

Kascha hat ihn erfühlt, Tetka erdacht,

Libussa lebend bei der Wahl verkündet.

PRIMISLAUS.

Und welchem Meister wird man dies vertrauen?

SLAWOSCH.

Durch Gottes Willen, nicht von ungefähr,

Kam, unbekannt den herrlichen Jungfrauen,

Ein Mann mit einem Mägdlein zu uns her

Aus fremdem Land, wo diesem Gott sie dienen.

Zuerst sind meinen Augen sie erschienen,

Als nachts zur Wahl die Männer ich geweckt.

Ich fand bei Krokus' Eiche sie, erschreckt,

Denn Zwratka, dort in Zauberei versunken,

Verfluchte gräßlich sie, im Traume trunken.

Ich aber führte, die ein Dach begehrt,

Die Fremdlinge zu meiner Hütte Herd.

O, teuer sind die Gäste mir geworden,

Mein Geist ist ganz entflammt von ihren Worten.

Ein Bildner ist er, jenes Pachta Sohn,

Der Psary baute. Als ein Knabe schon

Ward er dem Vaterland entführt, und kehrt

Mit einer Jungfrau, schön, und tief gelehrt,

Zur Heimat, um zu bilden und zu bauen,

In Erz zu gießen und in Stein zu hauen.

Er zog auf meinen Rat der Tetka nach,

Der diese Jungfrau er wird anvertrauen.

Sie blieb bei mir, o wie sie göttlich sprach![679]

Trost, Weisheit, Lehre fließt von ihrem Munde,

Von Zucht und Schönheit strahlt ihr Angesicht.

Selig, da ich sie fand, die heilge Stunde!

Denn solche Lehre kömmt von Menschen nicht.

Ein wunderbar Geschick bewegt die Welt,

Bild, Silber, Meister, die zu gleicher Zeit

Sich hier getroffen, also unbestellt,

Verkünden, daß der ewge Gott nicht weit.

PRIMISLAUS.

Vor vielen bist du, Slawosch, wohl gesegnet,

Daß dir die Fremdlinge zuerst begegnet.

Vergönne, Freund, mir, sie bei dir zu grüßen.

SLAWOSCH.

Bei Krokus' Hütte sie sich niederließen,

Wo sie zum Guß den Ofen schon erbaut.

Unheimisch sind sie noch, und unvertraut;

Von Zwratkas bösem Blutfluch noch erschreckt,

Hält vor den Priestern er die Magd versteckt;

Auch fürchtet von den Dirnen er Gefahr.

PRIMISLAUS.

Zu sehr begünstigt ist die freche Schar.

SLAWOSCH.

Heut nacht erst sah ich ihre tollen Sitten.

Unsinnig sind im Brauttanz sie gesprungen,

Das Schloß erbebte ihren wilden Tritten,

Und wie ein Kriegsheer haben sie gesungen.

Es flog ihr Haar im Sturmgebraus der Stimmen.

Und als im Tanz die Männer schon ermüdet,

Da höhnten sie, und schienen zu ergrimmen;

Da haben sie entsetzlich erst gewütet,

Der Saal mußt in vergoßnem Methe schwimmen.

Dem lahmen Lapack nahmen sie die Bank,

Und drehen mußt er, bis er niedersank

Im Wrtack, dem Tanz, den Raserei empfangen,

Die mit dem Schwindel ehlich sich begangen.

Als nun die Schwestern schon den Saal verließen,

Da ließen sie erst alle Zügel schießen,

Sie rasten, wie das wilde Heer zur Nacht,

Die Panzer rasselten gleich einer Schlacht,

Ja selbst die Eulen von des Schlosses Türmen,

Vom Lärm und Schein der Fackeln scheu gemacht,

Begannen, gen die Fenster anzustürmen.[680]

Stratka soff aus den größten Trinkgeschirren,

Und warf gen Kaschas Kammer sie mit Klirren.

Und als kein Krug, kein Glas mehr übrig war,

Da tranken sie den Meth aus Helmen gar;

Die Fackeln warfen sie im Hof zusammen,

Und sprangen, schrecklich fluchend, durch die Flammen.

PRIMISLAUS.

Aus diesen Dirnen ohne Scheu und Zucht

Erwächst noch einst dem Lande blutge Frucht,

Denn ihre Art erkenn ich an der Blüte.

SLAWOSCH.

Vor allen laut war Stratka im Gewüte.

Wlasta war still, doch schrecklich anzusehn;

Als ob sie über finstrem Schicksal brüte,

Sah, wie ein Steinbild, ich am Herd sie stehn,

Und plötzlich dann, wie aus dem Traum erwacht,

Mit ernstem Schritte um die Mitternacht

Ohn Gruß und Lebewohl vom Saale gehn.

Auch Scharka saß allein, in sich gekehrt;

Man sagt, daß sie den Biwog selbst begehrt.

PRIMISLAUS.

Auf jeden Mann, der ihnen sorglos naht,

Schaun sie mit frechen unverschämten Stirnen.

SLAWOSCH.

Heut abend halten die Wladicken Rat

Aus Sorge um den Übermut der Dirnen.

PRIMISLAUS.

Ich komme.

SLAWOSCH.

Lebe wohl, mein Primislaus!

PRIMISLAUS.

Zur Grenze, Freund, geleit ich dich hinaus!


Beide ab.


WLASTA tritt erstaunt auf.

Hierher führt mich der Ring – wo ist er hin?

Verschwunden vor des Himmels vollem Glanz,

Als aus der Waldnacht ich getreten bin.

Umfriedet von des Zaunes blühndem Kranz,

In tiefer grader Furche liegt das Feld,

Zum Schutze sind rings Steine noch gestellt;

Wer wohnet hier? Vertraulich schmückt der Eppich

Der reinen Hütte Wand mit grünem Teppich.

Klar ist der Sinn, der so das Haus verziert,

Stark ist der Arm, der so den Pflug regiert!

Libussens Pflug! Weh mir, er selbst wohnt hier,

Und an dem Pflug Libussens Ring! Heil mir![681]

Ich folgte einem doppelt heißen Triebe,

Mich trieb zum Mann, mich trieb zum Ring die Liebe.

Er hat ihn nicht geraubt, er kennt ihn nicht,

Dann wär er nicht zu jedermanns Gesicht.

Doch nimmer lasse ich ihm diesen Ring,

Mein müßt er sein, wenn er am Himmel hing;

Hat doch der Geist des Rings mich hergeführt,

Der Ring des Glücks nicht vor den Pflug gebührt,

Und führt das Glück den Pflug hier in dem Land,

So sei vor meinen Ring es nun gespannt;

Ich hänge meinen Ring ihm vor den Pflug,

Der jenem gleicht, er merket nicht Betrug.


Sie vertauscht die Ringe.


Und wird nun Wlasta durch den Glücksring groß,

Wirft sie dir, Primislaus, ein reiches Los!

Ein Liebeszeichen ist der Ringe Tauschen.

Wer naht? Ich höre die Gebüsche rauschen.

Er ists! Wie wandelt er mit sichren Tritten,

So kömmt ein edler Löwe hergeschritten!

PRIMISLAUS tritt auf.

Ich grüße dich auf meiner stillen Flur,

Herrliche Magd, die die Avaren schlug.

WLASTA.

Ohn andres Lob ist mir dein Gruß genug,

Denn Fleiß und Zierde blüht auf deiner Spur!

PRIMISLAUS.

Bringst du Befehle in des Pflügers Haus?

WLASTA.

Mit Recht befragest du mich, Primislaus.

Nie sieht der Pflüger durch des Zaunes Grenzen

Im Sonnenstrahl die Waffen Wlastas glänzen,

Daß sie vom Thron nicht käme, ihn zu mahnen.

Doch komm ich nicht zu dir, dem Untertanen;

Heut bin ich Lapacks braune Tochter nur,

Und komm aus eigner Lust zu deiner Flur!

PRIMISLAUS.

So lege dann den schweren Helm von dir.

Heiß ist der Tag.

WLASTA legt den Helm auf den Pflug, ihre schwarzen Locken wallen nieder.

Wie ruhig ist es hier!

Aufsinnend aus des Winters Stille, liegen Friede

Und Segen, von der Grille Wiegenliede[682]

Erwecket, in der Wiesen grünen Wiegen,

Wie Kinder spielend in den Wiegen liegen

Und beim Geschrill der Silberklingeln lächeln.

Die Spinne schon der Siwa Seide webet,

Ein reges Leben überm Saatfeld schwebet,

Der Sonne heißen Feuerschleier hebet

Ein kühles Lüftlein, an der Hütte fächeln

Die Eppichblätter, winken einzukehren,

Den Meth zu trinken zu des Wirtes Ehren.

Durchs Fenster wiegt der Wind die Frühlingsträume

In süßen Blütenkeimen frischer Bäume,

Daß sie sich küssen müssen und die Lüfte

Erfrischend würzen aus dem Kelch der Düfte.

Wohin mein Auge blickt, ist es erquicket,

Mir ist hier wohl, als sei ich auch ein Kind.

PRIMISLAUS.

Die Locken spielen freudig dir im Wind,

Die unter schwülem Helmdach dich gedrücket.

WLASTA.

Vergönnst du mir, o Freund, die volle Lust?

So leg ich auch den Panzer von der Brust.

PRIMISLAUS.

Du bittest mich?

WLASTA.

Weil du mir helfen mußt.

PRIMISLAUS schnallt ihr den Panzer ab.

Ich schnall ihn auf, an meinem Pflug er liege,

Ein Friedensbild, der Pflüger, der dem Siege

Den Harnisch löst – du blutest!

WLASTA.

Von dem Kriege.

Es ist die Wunde, die Libussen galt,

Nie ruhend, strömt sie noch mein Leben aus,

Dreimal ergoß sie sich schon mit Gewalt.

Weg mit dem Schleier, hilf mir, Primislaus!

Libussens Schleier, der mich schlecht verband,

Ersetz ein Tüchlein mir aus deiner Hand.

PRIMISLAUS.

Ihr Himmlischen, o schenke mir den Schleier!

WLASTA.

Warum? was treibt dich? Brünstger greift kein Freier

Zum Schleier seiner Braut.

PRIMISLAUS.

Er ist mir teuer.

Erinnernd hänge er am Hausaltar,

Daß ich der Arzt der kühnen Wlasta war.[683]

WLASTA.

So nimm ihn hin, und denke, daß dies Blut

Bei deinem Anblick wallend sich ergoß.

Seit mich verwundet Moribuds Geschoß,

Ist eine Angst in mir, die nimmer ruht,

Ja selbst zu dir trieb mich die innre Glut.

PRIMISLAUS zerreißt ein buntes Tuch, womit er sie verbindet.

Dies bunte Tüchlein will ich mit dir teilen.

WLASTA.

Ich danke dir, du wirst die Wunde heilen,

Die nimmer ungeduldig sich ergießt,

Weil dieser edle Goldring fest sie schließt.


Sie schiebt den Ring über den Verband.


Mir ist so leicht, und schwerer doch ohn Waffen!

PRIMISLAUS.

Gepanzert trotzest du dem schönen Ziel,

Zu dem Natur dich weislich hat erschaffen;

Entwaffnet bist du heilger Triebe Spiel,

In dir regt des Geschlechts Bestimmung sich.

Der Wind, dein Haar durchspielend, mahnet dich:

Du bist ein Mägdlein, Ehre sei dein Gut

Und deine einzge Waffe fromme Zucht;

Der milde Mond regiere nur dein Blut,

Dein züchtger Leib trag züchtger Liebe Frucht.

Dein Busen, der sich frei zutage hebt,

Zeigt, wie dein Herz in milder Fülle bebt,

Und fessellos jauchzt deiner Schönheit Welle:

Ich bin des Lebens Schwelle, Lebens Quelle.

Erschreckend fühlst du, daß das Weib im Mann,

Der Mann im Weib nur ganz sich fühlen kann.

WLASTA.

Ich fühle mich als Jungfrau, rate mir!

PRIMISLAUS.

Der Quell des Rats springt in Libussa dir.

WLASTA.

Nicht trinke ich den Quell, ich hüt ihn nur.

PRIMISLAUS.

Rat wächst dir in der weisen Mutter Spur.

WLASTA.

Geheime Kunst und Ehr ist nur ihr Ziel!

PRIMISLAUS.

Der witzgen Jungfraun Schar bist du Gespiel.

WLASTA.

Der Stamm erholt sich Rats nie bei der Frucht,

Ratlos sind sie, wie ich, und selbst verlassen,

O nenne Jungfraun nicht, die Männer hassen.

Der ist kein Kind, der seinem Vater flucht

Genug, ich kenne dich, ich hab zu dir,[684]

Zu dir allein Vertraun im Volke hier.

PRIMISLAUS.

Folg deinem Trieb, so rein, er dir entspringt,

Den hör ich gern, der, weil er freudig, singt.

WLASTA.

Es singe, Primislaus, wer voll von Freude;

Ich, die voll Qual und tiefer Angst, ich leide.

PRIMISLAUS.

Dem Freunde, Wlasta, klage deinen Harm,

Dein Panzer lauschet nicht, dein Helm ist stumm.

WLASTA.

Sie schlummern tief in deines Pfluges Arm,

Ich wache, und die Scham bringt mich noch um.

O daß, ein Traum, ich auf dein Lager schwebte,

Du träumtest, was zu sagen ich erbebte.

PRIMISLAUS.

Ich lieb den Traum nicht, eines Kinds Gespenst,

Riß das Verfluchte aus der Mutter Schoß

Unreif der schwarze Gott im Zorne los.

WLASTA.

Es gleicht mein Leid dem Traum, wie du ihn kennst.

Ein Kind ists, denn vom Mann hab ichs empfangen,

Nur kurze Zeit bin ich mit ihm gegangen,

Daß ich es schon verfluchte tausendmal,

Denn es zerriß mein Herz mit bittrer Qual.

Dein Anblick aber ist der schwarze Gott,

Der unreif noch, eh ich es konnt verschmerzen,

Hervor mir es gerissen unterm Herzen;

So ward es ein Gespenst, ein Traum, ein Spott!

PRIMISLAUS.

Das Eisen, das du handhabst, aus dir spricht.

Trügst du die Spindel, also sprächst du nicht.

WLASTA.

Dann spänn ich endlos Weh am Faden nieder,

Und webte mit der Sorge Schiff, das wieder

Und ewig wieder kehrt, mein wachsend Leiden

Und bleichte es mit bittrer Tränenflut,

Um auf ein schlaflos Lager es zu breiten,

O! der Gedanke setzt mich schon in Wut!

Ein langes Spinnen, Weben meiner Schuld,

Ein Dornenlager meiner Ungeduld!

Unwürdger Trost dem Leid der kühnen Magd!

Jetzt wird in Männerwunden, in der Schlacht

Mit Schwert und Beil zu Grabe es gebracht,

Ertränkt im Blut des Bären auf der Jagd;

Doch wie ein Zauberpfennig, wie ein Alrungeist[685]

Steigt ewig mir, wälzt ich auch Berge drauf,

Das Leidgespenst in meinem Herzen auf,

Daß mir der wilde Schmerz die Wunde reißt.

Gieb mir den Helm, gieb mir den Panzer wieder,

Ich sag es nie im bloßen Haupt und Mieder!

PRIMISLAUS.

Entsetzlich Wesen eines wilden Weibs!

Triebst du mit frecher Arbeit deines Leibs

Ein unreif Kind aus deines Schoßes Hut,

Hast du geboren und in toller Wut

Die Hand getaucht in dein lebendig Blut?

So flieh und stirb, denn das wird nie mehr gut!

WLASTA.

Schweig! schweig! nie hätt ich angehört

Von einem andern, was mich so empört.


Sie waffnet sich schnell.


PRIMISLAUS.

Die Unnatur ward schon in dir Natur.

WLASTA.

Im Panzer, nennst du diesen Unnatur,

Kann sprechen ich von meiner Schwachheit nur?

Weh mir, ich ragte in der Dirnen Schar

Wie überm Wald die Eiche, der im Wipfel

Der Adler thront, der Phönix den Altar

Der Auferstehung baut, und nun im Gipfel

Girrt mir verbuhlt der Lado Taubenpaar.

Ich trieb die Feinde, bin vom Freund getrieben,

Ich haß die Männer, muß den Mann doch lieben.

Ich, fest, ein Fels, wo Pfeile es geregnet,

Beb wie ein Laub, seit mir ein Mann begegnet:

Es traf zur Wunde, die er mir gesegnet,

Des Liebesschützen Lelio giftger Bolz.

PRIMISLAUS.

Verschmähte dich ein Mann, den nennt ich stolz.

WLASTA aufbrausend.

Und ich, ich schlüg ihn tot, und nennt ihn tot.

PRIMISLAUS.

So liebst du glücklich! Klagest ohne Not?

WLASTA.

Nicht glücklich lieb ich, eh er mein begehrt.

PRIMISLAUS.

Hat ihm dein Stolz, vom Siegesruhm betört,

Was deine Liebe ihm beschert, verschwiegen,

So leide Not; Stolz muß in Nöten liegen.

WLASTA.

Ich habe Not um meinen Stolz gelitten,

Ich habe gegen mein Gefühl gestritten,[686]

Als Magd, als Kriegerin mich ihm geneigt,

Die Krieges-, Liebeswunde ihm gezeigt.

PRIMISLAUS.

Und er, was sagte er?

WLASTA.

Er fragte!

PRIMISLAUS.

Vielleicht, daß ihm, nach des Geschenkes Reichheit

Zu greifen, die Bescheidenheit versagte.

Nicht Liebe, doch Vertraun verlanget Gleichheit.

Er wagte nicht, vor deiner Augen Blitz,

In deines Stolzes, deiner Liebe Kampf,

In notgedrungener Erklärung Krampf

Sein Glück zu lesen aus des Rätsels Witz,

Worin geschämig du dein Weh verhüllt,

Deß Ahndung ihn mit Seligkeit erfüllt.

Hilf ihm empor, erhebe seinen Mut,

Lob' seinen Fleiß, so mehret sich sein Gut,

Lehr ihn erwerben deiner Fürstin Gunst,

Den Liebsten adeln ist der Liebe Kunst.

Vertraue mir, sieh, ich versteh dein Leiden.

WLASTA.

Reich' mir die Hand, o du bist zu bescheiden!

Bald sollst du sehn, was Wlastas Liebe kann.

Der fromm mich nicht beschämt, dem lieben Mann

Bereite ich ein Glück, das zu beneiden.

Bei dir geht Rat und Tat auf ebnen Wegen.

Wie grünt auf deiner Flur des Fleißes Segen,

Das Apfelstämmchen selbst, am Pfahle, schlank,

Sagt einst mit Früchten deiner Pflege Dank!

PRIMISLAUS.

Im letzten Jahr gab eine Frucht es mir,

Sie ist von schönster Art, ich zeig sie dir!


In die Hütte.


WLASTA.

O selge Stunde, da ich zu ihm ging,

Denn er verstand mich, und ich fand den Ring.

PRIMISLAUS mit einem Reinette-Apfel.

Sieh, diesen Apfel nennt man Königin,

Und einer Herzogin ist er bestimmt.

Wenngleich ich nur ein armer Pflüger bin,

Ist königlich doch meiner Gabe Sinn.

WLASTA.

Die Gabe ist, wie man sie giebt, sie nimmt,

Und keine Frucht zu hoch, die man erklimmt.[687]

PRIMISLAUS.

Liebt wohl Libussa solche edle Frucht?

WLASTA.

Warum? O wohl, ich bin von ihrer Zucht,

So fällt der Apfel von dem Stamm nicht weit.

PRIMISLAUS.

Ja, ihre Weisheit wuchert weit und breit.

Den Apfel bring ihr, doch sei sie ersucht,

Mir zu bewahren seine edlen Kerne;

Ein treuer Hauswirt denkt gern in die Ferne,

Den Stab und Pflug hat sie mir einst gegeben!

WLASTA stutzt bei der vorigen Rede; sie glaubte den Apfel für sich.

Sie muß dich zum Wladicken auch erheben.

PRIMISLAUS.

Was mir gebührt, das werde ich erleben.

WLASTA.

Leb wohl, mein Freund, es scheidet dein Gespiel.

PRIMISLAUS.

Ich geh desselben Wegs!

WLASTA.

Dann naht das Ziel!


Stiason tritt am Waldrand hervor.


Weh mir, Unseliger! hier ist es schon!

Sein Bild verfolget mich.


Sie flieht.


PRIMISLAUS.

Sie ist entflohn!

Bist du es, den sie flieht, und den sie sucht?

STIASON.

Ich suche ewig sie, sie fliehet mich.

PRIMISLAUS.

O wunderbare Sucht, verkehrte Flucht!

Sie sucht dich nur allein, und fliehet dich!

STIASON.

Daß sie mich fliehet, ist mir wohl bekannt,

Doch bin ich auf die Ferse ihr gebannt.

PRIMISLAUS.

Sie liebet dich?

STIASON.

Mich?

PRIMISLAUS.

So verstand ich sie!

STIASON.

Was so mich zu ihr reißt, versteh ich nie.

Die Liebe ist es nicht; daß sie ein Weib,

Das hab ich nie gedacht. Ihr stolzer Leib

Steht vor mir wie ein flüchtig Jägerziel;

Ich folge ihm, bis es dem Speere fiel.


Ab.


PRIMISLAUS.

Von Lel und Did sind sie zugleich getrieben,

Sie lieben sich, und können sich nicht lieben.


Er geht ab.

[688] Offene Halle auf dem Schlosse Libin. Durch die Bogen im Hintergrunde sieht man über die Moldau in das Waldgebirge. Links und rechts Türen, an den Wänden Steinbänke und Teppiche. Libussa. Tetka. Biwog. Kascha.


KASCHA zeigt durch einen Bogen.

Dort auf dem Berg, der längs dem Flusse hin

Die Aussicht schließt, erbau ich mein Kaschin.

Umstaunet von der steilen Felsenwand,

Reicht dort auf Rasenteppichen im Tal

Die Moldau, ernst, im silbernen Gewand,

Wie eine Fürstin in dem Königssaal,

Der bundgenossenen Beraun die Hand.

Der Frühling schmückt dort schon am Uferrand

Mit seidner Wimper aller Weiden Augen,

Die träumerisch ihr Haupt zum Spiegel tauchen.

So ziehn die Flüsse, eine Augenweide,

Durchs Land, in blühendem Geleite beide.

TETKA.

Den Bau sollst, Kascha, du dem Mann vertrauen,

Der mir mein Schloß Tetin auch wird erbauen,

Wohin er neulich mir gefolget ist.

Den Plan hat er gar wunderbar vollendet,

Er ist voll tiefer Kunst und weiser List,

Hat auch des Zelu Formen schon beendet.

Dein Schloß wird er dir also herrlich baun,

Daß du mit Lust hinan, hinab wirst schaun.

KASCHA.

Er sei willkommen; sag, wie heißt der Mann?

TETKA hinabschauend.

Pachta – und sieh, dort schreitet er heran.

BIWOG.

Er schreitet senkrecht, setzt den Fuß vertraut,

Als hätte er die Treppen selbst erbaut.

TETKA.

Sein Vater baute dieses Schloß. Verwandt

Ist ihm das Werk im Bild und im Verstand.

KASCHA.

Sein edles Antlitz ist voll Ernst und Ruh.

TETKA.

Nur wenig Stunden hörte ich ihm zu,

Und lernte doch von ihm unendlich viel,

Das in den dunklen Geist mir leuchtend fiel.

LIBUSSA.

Woher ist dieser Mann, ich sah ihn nie,

Wann kam er in das böhmsche Land, wo, wie?[689]

TETKA.

Er nahet, höre es aus seinem Munde;

Was bringst du, Meister, Gutes uns heran?

PACHTA tritt ein.

Ich bringe euch von Besserem die Kunde,

Das Gute selbst, ein treuer Untertan,

Der segnend seiner Fürstin Antlitz schaut.

Das ganze Land spricht deine Weisheit aus.

LIBUSSA.

Willkommen, Pachta, du bist hier zu Haus.

Es hat dein Vater dieses Schloß erbaut.

PACHTA.

Die Mauern schaun auf mich ernst und vertraut.

LIBUSSA.

Wie lange bist du hier in diesem Land?

PACHTA.

So lange Krokus' Stab in deiner Hand!

LIBUSSA.

Und wo, mein Meister, lebtest du bisher?

PACHTA.

Ich lebte zu Byzanz.

LIBUSSA.

Wo liegt Byzanz?

PACHTA.

Am Hellespont.

LIBUSSA.

Und dieses ist?

PACHTA.

Ein Meer.

TETKA.

Zu beßrer Zeit erkläre dies uns ganz;

Jetzt sage erst, was führet dich hieher?

PACHTA.

Gießt zu der Form selbst das Metall hinein,

Und schmelzt dem Bilde eure Wünsche ein.

KASCHA.

Wann wird zum Fluß es kommen?

PACHTA.

In der Nacht.

LIBUSSA.

Es wird im Dunkel mir die glühe Pracht

Das Aug ergötzen.

PACHTA.

Gott ists, und kein Götze.

Verzeih, ohn Grund ich nicht dein Wort versetze.

BIWOG.

Welch Holz trägst du, dreieckigt, im Gewand,

Und welches schiefe Eisen in der Hand?

PACHTA.

Dies ist das Winkelmaß, dies die Bleiwaage.

KASCHA.

Ich kenne beides, aber, Meister, sage,

Warum ist hier ein Auge hingemalt,

Das dreimal nach des Dreiecks Winkeln strahlt?

Erkläre dies, denn ich versteh es nicht.

PACHTA.

Auch diese drei sind eines Auges Licht,

Die Kugel aber, die im Auge schwebt,

Ist die geschaffne Welt, die in dem Stern[690]

Des Auges schweben muß, das sie belebt.

Sonst ist der Bau nicht recht, nicht in dem Herrn;

Dasselbe ist in anderem Gebrauch

Das Winkelmaß, ja alles andre auch.

BIWOG.

Hat solch Gerät dein Vater auch geführt?

PACHTA.

Das Winkelmaß, die Bleiwaage gebührt

Wohl jedem Maurer; viel und Hohes denkt

Der eine sich, der andre nichts dabei;

Wie mehr, wie weniger das Aug sich senkt,

Wird ihm die Aussicht enger oder frei.

Allgegenwärtig bleibt die eine Wahrheit,

Doch wenige begreifen sie in Klarheit.

BIWOG.

Das ist wohl herrlich, doch schwer einzusehn.

PACHTA.

O wer ist würdig, dieses zu verstehn?

LIBUSSA.

Doch du wohl selbst, da es dein Mund verkündet?

PACHTA.

Ich glaube es, ich bin davon entzündet.

Und bleibt er gleich mir ewig unergründet,

Sterb ich ihm doch.

BIWOG.

Wem?

PACHTA.

Dem Dreieinigen,

Dem einen ewgen Gott, dem meinigen,

Den ihr als euren Zelu habt genannt,

Der unter tausend Namen wird bekannt.

LIBUSSA.

Wer lehrte alles dieses, Pachta, dich?

PACHTA.

Am Haus des Herrn, am Tempel, baute ich,

Da hört ich fleißig weisen Meistern zu.

LIBUSSA.

Sprachst mit Drzewoslaus, dem Priester, du?

PACHTA.

Arm ist des Menschen Mund, und allzuschnell

Wird leicht das ausgesprochne Wort lebendig.

KASCHA.

Und was heißt dies?

PACHTA.

Der Bildner, der verständig,

Erwärme erst die Form, eh er den Quell

Des glühenden Metalles noch erschließt.

Sonst bricht sie, und die Feuerwelle schießt

Vernichtend auf den Meister und das Haus,

Es rinnt die Masse durch die Risse aus,

Des Gottes Bild erstarrt zur Mißgestalt.

TETKA.

Mißlang dir jemals so ein Werk?[691]

PACHTA.

Mir nicht;

Doch einem Meister im herzynschen Wald,

Aus einer Schule, die man Corbey nannte.

Er zog auf Arbeit aus dem Vaterlande,

Goß zu Arkona auch ein heilig Bild.

Ihm ward zu früh lebendig da das Wort;

Kalt war die Form, der Glutstrom brach sie wild,

Kaum kam er mit dem Leben von dem Ort,

Weil gegen ihn die Feuerwelle schoß.

Aus einem Sancto Vito, den er goß,

Ward ungestaltet nur ein Swantowid.

BIWOG.

Nur um ein O ist ja der erste größer;

Das scheinet doch kein großer Unterschied.

PACHTA.

Und jenen gar gefiel er noch viel besser.

Doch mit dem Tage uns das Licht erwacht,

Und andre liegen währenddem in Nacht.

So lebt dann wohl, ich rufe euch zur Zeit.

TETKA.

Auf Wiedersehn, wir halten uns bereit.


Pachta ab.


BIWOG.

Ein seltner Mann, doch unverständlich spricht

Er nur in Redensarten seiner Kunst,

Und wer kein Maurer ist, versteht ihn nicht.

Mir, der ich Jäger bin, wärs eine Gunst,

Doch das lebendge Wort einmal zu sehn.

KASCHA.

Du möchtest wie den Eber es bestehn;

Als Bildner spricht in Bildern er verhüllt,

Oft ahnd den Sinn ich, der das Bild erfüllt.

TETKA.

Sein Wort, ein Blitzstrahl, mir ins Innre fällt,

Der mir geheimer Ahndung Bild erhellt,

Sein Licht beleuchtet eine andre Welt.

LIBUSSA.

Er glaubt den Gott, deß Bild sein Werk uns schenkt.

So glaube ich ihm, wie ers meint und denkt.

BIWOG.

Nur Maurer, wie gesagt, verstehen ihn,

Ihr alle baut, Libin, Kaschin, Tetin.

LIBUSSA.

Du scherzest, doch mit Recht, denn unverständig

Hat in ihm selbst sein Meister sich entfaltet.

In ihm ward auch das Wort zu früh lebendig,

Und seiner Rede Bild ist mißgestaltet.[692]

TETKA.

Das Ganze reinigt sich von unserm Tadel,

Denn jeder Teil zeigt von des Ganzen Adel!

BIWOG.

Ich wüßte keinen, der an Ernst ihm gleicht;

Seht, wie er fest die Treppen niedersteigt.

Er sieht nicht auf, hört nicht die Waffen klingen

Der Dirnen, die am Fels dort niederspringen.

Gleich sind sie hier.

KASCHA.

Hört ihr, das Heerhorn schallt.

BIWOG.

Das Heer zieht auch heran, dort links am Wald.

LIBUSSA.

So siegten sie.

BIWOG.

Durch sie macht mit dem Schwert

Wlasta sich Bahn.

LIBUSSA.

Sie kömmt, allein, zu Pferd?

Seit ihrer Wunde lenkt sie aus der Bahn.

BIWOG.

Schon holte sie die Mägdlein ein, sie nahn!


Trompetengetön, vor den Bogen füllet sich die Durchsicht mit den Dirnen, die drei Führerinnen treten herein. Wlasta überreicht Libussen den Apfel des Primislaus auf ihrem Schilde.


WLASTA.

Den Pflüger, dem ich heute früh begegnet,

Hat Siwa mit dem Apfel hier gesegnet.

Man nennet diesen Apfel Königin,

Und einer Herzogin ist er bestimmt.

LIBUSSA.

Die Gabe ist, wie man sie giebt, sie nimmt,

Und königlich ist seiner Gabe Sinn.

WLASTA.

Doch bittet dich der Geber um die Kerne.

LIBUSSA.

Ein guter Hauswirt denkt auch in die Ferne.

WLASTA.

Libussa!

LIBUSSA.

Nun?

WLASTA.

Du machest mich erbeben.

Du sprichst wie er!

LIBUSSA.

Der dir die Frucht gegeben?

Für mich? Man kann ja wohl beim Apfelbrechen,

Beim Geben, Nehmen anderes nicht sprechen.

WLASTA.

Du solltest zum Wladicken ihn erheben.

LIBUSSA.

Was ihm gebührt, das wird er auch erleben!

WLASTA.

Auch dies sein Wort!

LIBUSSA.

So fällt vom Stamm nicht weit[693]

Die Frucht, ich lese dunkel in der Zeit.

WLASTA.

Von deinem Wesen ganz erschüttert steh ich.

LIBUSSA.

Habt ihr geworben? Viele Helme seh ich.

SCHARKA.

In Eid hat sie dein Handschuh mir genommen.

STRATKA.

Bei deiner Fahne schrieen sie Huihussa!

LIBUSSA.

Seid mir gegrüßt, ihr Dirnen, seid willkommen!

DIE DIRNEN.

Huihussa, Heil der Herzogin Libussa!


Man hört die Hörner des Heeres.


STRATKA zu Wlasta, die tiefsinnig ist.

Sie nahen schon; sprich nun, was sinnest du?

WLASTA vor Libussa tretend.

Die Männer wollten, Fürstin, durch Djewin,

Der Mägdlein Siegsfeld, ungebeten ziehn;

Nur mit gesenkten Waffen gab ichs zu.

STRATKA.

Und mir warf Wrsch, mit Hohn den Hohn zu büßen,

Das blutge Haupt des Moribud zu Füßen,

Das sühnend ich dem Feuer übergeben.

LIBUSSA.

So sterben alle, die uns feindlich leben!

Vergoßt im Zank ihr mit den Männern Blut?

SCHARKA.

Mit flachen Klingen und mit scharfen Worten

Ist nur die leere Luft verwundet worden.

LIBUSSA.

Wohlan! doch mäßigt euren Jugendmut,

Traut nicht dem Wolfe, wenn er schlafend ruht.

Ich bin durch ihre Wahl das, was ich bin,

Der freien Böhmen freie Herzogin.

Ihr seid durch meine Wahl das, was ihr seid,

Frei seid ihr, meiner Freiheit frei zu dienen;

Doch solchem Ehrendienst folgt auch der Neid.

Ihr steht mir näher, doch nicht über ihnen.

Die dient mir schlecht, die mir den Löwen rauft

Und aus dem Schlafe mir den Feind erweckt.

Neckt sie nicht mehr, als jedes Mägdlein neckt

Zum Scherz den Mann. O Freiheit, hoch erkauft!

Ein fester Panzer bleibt mir, der mich schützt,

Ein Säulenchor, das meinen Thron mir stützt,

Libussens Sicherheit, Libussens Zier,

Doch werdet nimmer ein Gefängnis mir,

Daß, mich zu sehn, mein Volk euch nicht vernichtet.[694]

So ihr zu sehr in Übermut gewichtet,

Reißt mich des Helmes Last vom Throne nieder,

Und sichrer als mein Panzer wär mein Mieder.

Nun ordnet euch, zur Seite sollt ihr stehn,

Das Heer begrüßet, laßt die Fahne wehn.


Die Führerinnen treten hinaus, die Schar der Dirnen öffnet sich, das Heerhorn der Männer wird von den Trompeten begrüßt. Domaslaus und Wrschowetz treten durch den Mittelbogen ein, und legen Libussen eroberte Fahnen zu Füßen.


DOMASLAUS.

Libussa, nimm die Beute deines Glücks,

Und würdge deine Sieger eines Blicks.

WRSCHOWETZ.

Der Feinde Wut hat unsern Kampf verkürzt,

Die nicht zerstreut, die wir zermalmet haben.

Nicht wie der Sturm sind wir auf sie gestürzt,

Nein, wie ein Fels, von Schwertern untergraben.

LIBUSSA.

Seid mir vor allen Männern hochgeehrt,

Die Waffen teilet würdgen Kriegern aus,

Die Fahnen schmücken eurer Fürstin Haus.


Sie tritt in die Halle.


Heil dir, mein Volk, das siegreich mir gekehrt,

Zieht freudig heim, ich segne euren Herd.

Ihr Mägdlein, traget ins Gemach die Wunden,

Durch Kaschas Pflege sollen sie gesunden.

DAS HEER.

Heil dir, Libussa!

GESCHREI DER VERWUNDETEN.

Weg, laßt uns, ihr Dirnen!

LIBUSSA.

Wer tobet so?

DOMASLAUS.

Die wunden Krieger zürnen!

WRSCHOWETZ.

Nicht lassen sie sich von den Weibern tragen,

Die kaum mit schnöden Worten sie geschlagen.

LIBUSSA.

So tragt sie selbst, ich kenne deine Klagen.

Doch in des Tages siegerfülltem Lauf

Gebt kleinen Streit um meinetwillen auf!


Verwundete werden durch die Seitentüren getragen; Kascha, Tetka und Biwog folgen.


WRSCHOWETZ.

Erlaube, Fürstin, daß wir dich verlassen.

DOMASLAUS.

Wir müssen unsre Krieger nun entlassen.[695]

LIBUSSA.

Verweilet noch, seid meines Mahles Zierde.

WRSCHOWETZ.

Der Meth, den du zutrinkst, mehrt die Begierde –

Nicht nach dem Honig, der den Trank versüßte,

Nein, nach der Lippe, die den Becher küßte.

DOMASLAUS.

Das Fleisch, das du uns vorlegst, mehrt den Reiz –

Nicht nach dem Fleisch, und doch –

LIBUSSA.

O schweige, Geiz!

Selbst einen Scherz gönnst du ihm nicht allein,

Grob macht der eine, was der andre fein.

Die Worte ihr so glücklich nicht verschwendet,

Als eure Schwerter siegreich ihr entblößt.

Heil hast du, Wrsch, die Zunge ausgelöst,

Die Stratka dir an Moribud verpfändet;

Doch, daß ihr nicht so nüchtern geht von dannen,

Mach ich um euren Sieg euch zu Zemannen,

Und geb euch zu dem Meth, den ihr nicht trinkt,

Und zu dem Fleische, das ihr hier nicht esset,

Als Nachtisch hier der Äpfel Königin,

Die euch zu essen niemals auch gelingt.


Sie reicht ihnen des Primislaus Apfel.


Seht, sie ist rot, damit ihr nicht vergesset,

Daß ich vor eurem Scherz errötet bin.

Teilt euch in sie, doch keiner sie zerschneide.

Lebt wohl! Zeigt euch so weis als tapfer beide.


Ab.


DOMASLAUS.

Wie scherzhaft und wie reizend war ihr Wesen!

WRSCHOWETZ.

O wäre sie zweideutiger gewesen!

DOMASLAUS.

Der Apfel wäre dann in zwei gedeutet.

WRSCHOWETZ.

Zwei Namen und ein Apfel sind erbeutet!

DOMASLAUS.

Wir brechen auf, der Apfel ruh im Schild.

WRSCHOWETZ.

Tragt ihn uns vor, ein kernhaft Siegesbild!


Sie legen den Apfel auf einen Schild, und lassen ihn vor sich hintragen; das Heer zieht mit ihnen ab. Die Dirnen gehen rechts und links in die Türen, Wlasta bleibt zuletzt allein.


WLASTA.

Den teuren Apfel gab sie hin zum Hohn,

Ich hätte ihr um dieses Apfels Lohn[696]

Den Bart geholet von des Etzels Kinn.

Ja, wärf sie diesen Apfel auf den Grund

Der Moldau, niedertaucht ich in den Schlund.

Schlecht schätzt sie königlicher Gabe Sinn,

Und besser war die Gabe, als sie gab,

Und weit vom Stamme fiel der Apfel ab.

Wie er ihn liebte, als sein Liebstes ihn

Der Stolzen sendete; warum nicht mir?

Nicht als des Spottes Preis gäb ich ihn hin.

Ich eifre mit den Lüften, die er trinkt,

Und mit dem Laub, das ihm am Fenster winkt

Erhebe deinen Freund, sprach er zu mir,

Dann wagt er in die Augen dir zu schauen;

Dem böhmschen Adler will das Nest ich bauen.

So hoch, so hoch, daß er mit Zuversicht

Mag blicken in der Sonne Augenlicht.

Ja höher, als Libussens Taube flog,

Und höher, als der Schwan am Wahltag zog,

Um Primislaus ist mir kein Preis zu hoch,

Libussa nicht, ja selbst die Götter nicht.

Sind ganz die Mägdlein erst mir zugetan,

So steige ich zum Stuhle Chechs hinan.

Sie wuchs am Herrscherstamm aus fremder Rute,

Ich bin unmittelbar aus Krokus' Blute.

Sie darf sich nimmer einem Mann ergeben,

Ihn will ich an dem Herzen mir erheben.

Mir zieht der Ring mit Macht die Hand zur Krone,

Und reißt mit goldner Fessel mich zum Throne!

LIBUSSA tritt auf.

Die lästgen Freier wichen schon, wohl mir!

Denn schwerer wird es diesen frechen Chechen,

Sich meiner als des Diebstahls zu entbrechen.

WLASTA.

Du wirst zum Diebstahl ihnen, denn mit dir

Wird ungerechtes Gut durch sie geraubt.

LIBUSSA.

Die Krone locket sie auf meinem Haupt.

WLASTA.

Elende Männer, eitel, ehrvergessen,

Durch ewigen Besitz seid ihr besessen.

Entartet der Natur, Herrn irdscher Güter,[697]

Nicht kennend göttlicher Begierde Sporn,

Sind sie erkünstelten Besitzes Hüter;

Gestachelt von des Geizes nacktem Dorn,

Erwuchert stets das fruchtlose Geschlecht,

Und wird um Geizes Sold des Reichtums Knecht.

LIBUSSA.

Sie krönten mich als ihres Zieles Säule,

Und schießen nach der Krone ihre Pfeile.

WLASTA.

Und du, was wirst du tun?

LIBUSSA.

Ich bin ein Weib,

Ich fühle, daß ichs bin; doch wird mein Leib

Es ewig diesen Elenden verschweigen,

Der Sterne Willen nur muß er sich neigen.

Sie krönten mich als Ziel, ich mein Geschlecht,

Es blühe seine Zier mir ungeschwächt.

Dem Mond folgt unsre Blüte nicht vergebens,

Wie Sonnenblumen sich zur Sonne lenken.

Es steht das Weib am Born des ewgen Lebens,

Den Staat aus Quellen der Natur zu tränken;

Die Götter geben gern mit unsern Händen.

Die linke, ruhend in des Lebens Schoß,

Spinnt, webt die rechte, Segen auszuspenden,

Und wirft die Liebe uns ein fruchtbar Los,

Gehören nimmer wir doch ganz dem Mann,

Der, allen Göttern bundesbrüchig, thront,

Der freie Knecht, der knechtische Tyrann,

Der süße Lust mit bittrer Last belohnt

Und in der selbstgeschaffnen Rechte Bahn,

Fern der Natur, im Eigensinne wohnt.

Dem Ewgen fremd, dem Zeitwahn untertan,

Füllt Streit und Neid des Widerwärtgen Bahn.

Ans Leben sind wir Darlehn der Natur,

Den Sternen nur gehört die Jungfrau an,

Und wenn ihr Schoß in Liebe hat empfangen,

Gehört die Mutter ihrem Kinde nur,

Ihr Stern ist in ihr selbst dann aufgegangen.

WLASTA.

Den äußern Sternen lasse uns verbleiben,

Verschließen vor den innren unsre Demut.

LIBUSSA.

Die Reben weinen, eh sie Blüten treiben,[698]

Es weint die Braut, die Liebe ist voll Wehmut,

Es klagt Natur um heiligen Verlust.

WLASTA heftig.

Sie klagt, sie klagt, ja sie zerreißt das Herz!

LIBUSSA.

Was ist dies, Wlasta, welcher schnelle Schmerz

Bewegt so plötzlich stürmend deine Brust?

Seit Tagen schon find ich verwandelt dich.

WLASTA faßt sich.

Die Hochzeit deiner Schwester quälte mich,

Ich fürchtete, sie könnte dich verführen.

LIBUSSA.

Was wäre ich verführt, was nennst du so?

WLASTA.

Wer wäre so viel wert, dein Herz zu rühren?

Kein Würdiger kann deine Hand erwerben.

Verführt, erniedrigt nur wirst du zum Weib.

LIBUSSA.

Beruh'ge dich, ich werd es nimmer so,

Denn meine Ehre gönn ich meinen Erben,

Und wie du selbst behüt ich meinen Leib!

Was hat dich zu dem Pflüger heut geführt?

WLASTA.

Die Ehre, die der Herzogin gebührt.

Ich bat ihn, weil ich sah, wie er dich ehre,

Daß er die Stimmen für dein Magdtum mehre!

LIBUSSA.

Und er versprachs?

WLASTA.

Mit Freuden, denn er gleicht

An stillem Fleiße und an reiner Sitte

Mehr einer Jungfrau selbst als einem Mann;

Die Gabe seiner Einfalt schon bezeugt,

Und mehr noch um die Kerne seine Bitte,

Die ihm Libussa nicht erfüllen kann,

Denn jenen Apfel –

LIBUSSA gerät in Begeisterung.

Ja, ich gab ihn hin,

Und wahrlich, ja, er muß ihn wieder haben,

Ihm wird sein Apfel, seine Königin,

Und seine Kerne, ja ein ganzer Wald

Von seiner Zucht wird späte Zukunft laben.

O er wird stark, ihn hebet die Gewalt!

WLASTA die mit Erstaunen zugehört.

Wie meinst du das?[699]

LIBUSSA unbefangen.

Wie nennst du diesen Mann?

WLASTA lauernd.

Ich weiß es nicht!

LIBUSSA ernst.

Der Nachruhm wird ihn nennen.

WLASTA.

Wie meinst du das?

LIBUSSA.

Libussa kann nicht meinen.

Ich fühle es, ich muß es so bekennen,

Ich sage es, es ist durch mich gesagt,

Man sagt es mir, ich hab nicht drum gefragt,

Den Göttern sei mein Leid darum geklagt!

Frag ihn, ob er den Apfel nicht erhielt.

WLASTA.

Die Götter haben jetzt mit dir gespielt.

LIBUSSA.

Die Jungfrau ist ein Spiclwerk seiger Götter.

WLASTA.

Unschuldges Spielwerk, selge kindsche Götter!

LIBUSSA.

O frevle nicht, sie möchten zornig werden!

WLASTA.

Und würfen dann das Spielwerk an die Erden.

LIBUSSA.

Und es zerbräche, und es wär ein Weib!

WLASTA.

Ihr Götter, zürnt Libussen nicht, zürnt mir!

LIBUSSA.

Zerbrechlich ist des Schicksals Zeitvertreib,

Es spielet so mit mir, gleich wie mit dir!

Doch schonen sie wohl mein um deinetwegen.

WLASTA.

Und mir, mir wird um dich des Himmels Segen.

LIBUSSA.

Nun laß uns zu den wunden Kriegern gehn.

WLASTA.

So liebe ich die Männer nur zu sehn.


Platz im Hain.


PRIMISLAUS.

Noch herrschet auf dem Sammelplatz der Frieden,


Man hört der Männer Heerhorn in der Ferne.


Sie kommen spät, sie nahn, ich hör das Horn.

Wem wird der Ring? O, blieb es unentschieden!

Es treibe sie des gleichen Neides Sporn!

Daß jeder wieder nach dem Ringe greife,

Dann blieb ich Hüter von dem goldnen Reife.

Seh ich ihn an, bin ich voll kühner Wonne

Der Zielstern meines Pfluges in der Sonne.

Ihr Pflug, ihr Stab, ihr Armring und ihr Schleier[700]

Schmückt mir das Haus wie einem selgen Freier.

Der gleiche Ring an Wlastas Arm allein

Verführte mich, ihr also mild zu sein.

Wie hat des Jünglings Anblick sie erschreckt,

Zu dem sie heiße Liebe mir entdeckt.

Der, den sie sucht, hat sie hinweggetrieben.

O Unnatur! sie liebt, und möcht nicht lieben.

Sie muß ein Weib sein, wäre lieber keines,

Und war sie keines, würde sie gern eines.

Wie war sie, waffenlos, ein edles Bild,

Ihr Leib geschwungen, ihre Rede mild,

Erschienen in der Schönheit Sieg begeistert;

Ja siegreich wäre sie, blieb sie jungfräulich,

Doch von des Panzers Tyrannei gemeistert,

Ihr Leib gezwungen, ihre Rede wild,

Wird sie in fremdem Eigensinn abscheulich.

Es herrscht in ihrer Brust ein steter Kampf,

Und ihre Liebe wird ein böser Krampf.

Die Mutter zaubert, und der Vater hinkt,

Unruhe ist der Tochter cingchcxt,

Die aus so widcrwärtgcm Stamme wächst

Und nun an frecher Freiheit Quelle trinkt.

Des Leibes Schönheit zaubert, doch es muß

Die Seele ihr, gleich einem lahmen Fuß,

Die Weiblichkeit nachschleppen, um zu lieben.

Vom Stolze auf den hohen Fuß getrieben,

Zwingt Liebe auf dem kurzen sie zu hinken.

Schad' um des Leibes Zier, Wlasta wird sinken!

WRSCHOWETZ hinter der Szene.

Ihr Männer, lagert friedlich euch umher!

PRIMISLAUS.

Die Stimme Wrschs! er redet mit dem Heer!

WRSCHOWETZ.

Habt redlich ihr geteilt des Tages Beute,

Entlasse ich euch noch am Abend heute.


Wrschowetz und Domaslaus treten auf, in dem Schilde den Apfel, mit Laub bedeckt, zwischen sich tragend.


PRIMISLAUS.

Heil euch, und Ruhm, ihr siegreichen Wladicken!

WRSCHOWETZ.

Wladicken? ist sonst nichts an uns zu blicken?[701]

DOMASLAUS.

Erhole dich, laß dich den Glanz nicht blenden,

Und spreche das aus, was wir jetzt abbilden.

PRIMISLAUS.

Wie das? Ich sehe Beulen in den Schilden,

Ich sehe Feindesblut in euren Händen.

Siegern gleicht ihr vom Kopf bis zu den Füßen,

Drum wollte ich als solche euch begrüßen.

WRSCHOWETZ.

Zur Stirne müssen wir den Namen schreiben.

DOMASLAUS.

Die Ehre uns in unsre Wunden reiben,

Dann kömmt sie uns ins Blut und wird zur Art.

WRSCHOWETZ.

Sie tobt in allen Adern mir, beim Tschart!

PRIMISLAUS.

Wladicken, warum seid ihr mißvergnügt?

DOMASLAUS.

Wladicken waren wir, so halb vergnügt.

WRSCHOWETZ.

Zemannen wurden wir, ganz mißvergnügt!

PRIMISLAUS.

Zemannen? saget mir, was sind Zemannen?

DOMASLAUS.

Zemannen sind, was wir im Sieg gewannen,

Zemannen werden so wie wir gemalt.

Zemannen sind, die man Zemannen nennt.

WRSCHOWETZ.

Unwissender! der nicht die Münze kennt,

Mit der Libussa unser Blut bezahlt.

DOMASLAUS.

Drum gab noch andre Münze uns ihr Spott,

Das Volk kennt sie, doch teilet sie kein Gott!

PRIMISLAUS.

Sagt lieber mir, wem wird der Ring gebühren,

Wer von euch beiden trägt des Kampfes Preis?

WRSCHOWETZ.

Du weißt noch nicht, was wir im Schilde führen,

Wir tragen beide gleich des Sieges Preis;

Weil größer ich als Domaslaus nicht bin,

Ruht er inmitten, neigt zu keinem hin.

PRIMISLAUS.

So ihr nicht sprecht, leg ich den Ring hier nieder,

Und kehre ruhig zu der Hütte wieder.

WRSCHOWETZ.

Du mußt ihn noch zu halten dich bequemen,

Denn läg er hier, wir wüßten nicht, wer nehmen.

So höre dann Libussens stolzen Hohn,

Sie nannte uns zu unsres Sieges Lohn

Zemannen.

PRIMISLAUS.

Hat sie euch dazu gemacht,

So seid ihrs, dankt den Göttern, daß ihrs seid.

Hat euch der Name Ehre nicht gebracht,[702]

So möget ihr dem Namen Ehre bringen;

So ehrbar als ihr seid, bei meinem Eid!

Wird, euch verehrend, das Zemann erklingen.

WRSCHOWETZ.

So klingt es dann so herrlich als zwei Helden,

Die eines halben Apfels Wert nicht gelten;

Den Apfel gab sie uns, mit Ruhm zu melden:

Teilt ihn, sprach sie, doch teilt ihn nicht in zwei.

DOMASLAUS.

Selbst Zwratka kann dies nicht mit Hexerei,

Mit Segensprechen und mit Geisterbannen.

PRIMISLAUS nachdem er den Apfel aufmerksam betrachtet.

Noch schwerer wird das Rätsel, ihr Zemannen,

Denn wißt, daß mir die Kerne angehören.

Sie vorbehaltend mir zu neuer Zucht,

Schenkt ich durch Wlasta heut ihr diese Frucht,

Und seht, ich will sie euch zu teilen lehren.

Des Zankes Apfel ists, gebt ihn der Erde,

Daß er in seiner Frucht euch teilbar werde.

Um Rosen pflanzt den Dorn, Zeit bringet Rosen.

Gras wächst euch überm Frieden. Lang wird gut.

Wer pflanzt, dem blüht. Weil' haben will gut Ding.

DOMASLAUS.

Wir wollen kurz und gut.

PRIMISLAUS.

Wem wird der Ring?

WRSCHOWETZ.

Behalte ihn nur noch in deiner Hut.

Wer um die Braut, wird um den Ring nicht losen,

Und wird sie mein, gieb ihn an Domaslaus.

DOMASLAUS.

Gieb ihn dem Wrsch, führ ich die Braut nach Haus.

PRIMISLAUS schiebt den Ring in den Busen.

Wie ihr es wünscht.

DOMASLAUS.

Dort kommen unsre Männer!

WRSCHOWETZ.

Nun laßt uns sehn, ob sie Zemannenkenner.


Rozhon, Chirch, Lapack, Druhan, Chobol und andere Männer des Heeres.


ROZHON.

Willkomm, Wladicken!

DOMASLAUS.

Nein, Zemannen sprich.

ROZHON.

Und spreche ich Zemann, was spreche ich?

WRSCHOWETZ.

Du sprichst, wozu nach blutersiegter Schlacht

Uns eine kecke Jungfer hat gemacht.[703]

ROZHON.

Was ist es für ein Ding?

WRSCHOWETZ.

Was ich nicht weiß,

Beim schwarzen Tschart ein rechtes Jungferding,

Und darum macht es mir gewaltig heiß.

DOMASLAUS.

O wär es das, dann wäre es doch das,

Ein Fingerhut, ein Nadelöhr, ein Ring!

Wir könnten leicht dem Namen uns bequemen,

Wir könnten uns, ohn vieles weitre Schämen,

Die Ehre geben, uns die Ehr zu nehmen.

ROZHON.

Dies Adlen, Männer, ist ein Jägerstreich,

Den hohlen Kürbis wirft sie in den Teich

Als Spiel der Ente vor, doch in dem zweiten

Ist schon der listgen Jägrin Kopf versteckt,

Um unbemerkt dem Fange nachzuschreiten.

Vom Kürbis, der sich schwimmend mit ihm neckt,

Wird leicht das unvernünftge Tier betrogen

Und, von der listgen Hand hinabgezogen,

Tot in der Jägrin Gürtel festgesteckt.

DOMASLAUS.

Sie meint wohl so, doch ich, ich mein' nicht so,

Ich kenne wohl die Falle, die sie stellt.

WRSCHOWETZ.

Giebt sie den Gürtel nicht als Lösegeld,

Wird der Zemannheit nimmermehr sie froh.

LAPACK.

Nicht klagt, Wladicken, denn des Lands Geschick

Begehrt euch zäher, männlicher als dick.

DOMASLAUS.

Sie macht mit diesem Apfel uns zu Knaben,

Den wir als Preis des Siegs erhalten haben.

ROZHON.

Mich jagt von Haus und Hof sie um die Eichel,

Die vor Jahrhunderten zur Erde fiel,

Weil Slawoschs heiligtuendes Geschmeichel

Ihr besser als mein freies Wort gefiel.

Bedenkt, ihr Männer, noch steht es bei euch,

Wollt ihr verderben in dem Weiberreich,

Laßt wurzeln länger auf dem Thron die Hexe,

Hegt ihrer Dirnen stachlichte Gewächse,

Umzäunt bricht sie vom Dornenzaun der Frauen

Den Zank, die Ruten, um euch auszuhauen.

Dem Volke seine Waffe wegzunehmen,

Sucht mit dem Klang von leeren Ehrennamen[704]

Sie sich die Starken, Mächtigen zu zähmen,

Und fälscht mit hohlem Dinkel edlen Samen.

Nichts Männliches sei mehr in Zukunft groß,

Des Vaters Ruhm wird nun kein Sohn mehr erben,

Denn in verkehrter Dirnen frechem Schoß

Trägt alle Männlichkeit sie ins Verderben.

Erkennt, ihr Blinden, euer schwächlich Los,

In euren Kindern sollt ihr fort noch sterben.

Sie läßt allein die Männer nicht entmannen,

Daß ihr zu Unzucht, Nachzucht Werkzeug bleibt.

Der Seele Mannheit will sie nur verbannen,

Indem sie alle Weiber uns entweibt.

Ertragt ihr dies, so laßt die künftgen Zeiten

Ohn ihren eignen Schaden sie verschneiden.

Riecht nur ein Weib in dieser Hexe Spur,

So ist auch gleich verwechselt die Natur.

Mit allen Schwarzen stehet sie im Bunde.

Mein Weib zu prügeln war nur schlechte Freude,

Sie schmiegte sich gleich einem feigen Hunde,

Da lief sie von der Wiesenmahd mir heute,

Und bei den Dirnen kaum erst eine Stunde,

Heult sie mich an aus dieser Betzen Meute.

Es war die Kahle sonst gar leicht gemaust,

Leicht stopfen hatt ich ein kleinmündig Maul,

Im Roßschweif mausig jetzt, zeigt sie vom Gaul

Mir dick wie einen Pferdehuf die Faust.

HOWOR.

Ihr schuldlos Kind erkennet Nabka nicht?

POPLOPECK.

Und lügt dazu, ich hab' ein schiefes Maul.

WASTIL.

Den Ring warf Hodka mir ins Angesicht.

MILICK.

Milenka ließ mein Kraut zu Haus verbrennen.

WRSCHOWETZ.

Der frechen Dirnen Hohn wir alle kennen.

ROZHON.

So höhnt den Hohn zurück, und werdet klug.

Leicht wird die junge Schlange überwunden.

Ist mit dem Priesterdrachen sie verbunden,

Ziehn wir der Weiber und der Pfaffen Pflug.

LAPACK.

Stets redest, Rozhon, mehr du als genug,

Ein ungeschickter Opfrer wirfst du ganz

Mit Haut und Haar das Tier in Zornes Feuer.[705]

Ich öffne es; das Innere des Lands

Zeigt mir im Eingeweid das Ungeheuer.

Nie wird sie mit den Priestern sich verbinden,

Denn falsche Lehre spukt ihr im Gehirne.

Die Götter lassen sie im Stolz erblinden,

Und als des Himmels einziges Gestirne

Vergöttert sich wohl selbst die tolle Dirne.

Zwratka sah jüngst in göttlichen Gesichten

Dem Jungfrausohn Altäre hier errichten,

Geflohen war das freudige Gewimmel

Der Götter, und im sternverlaßnen Himmel

Sah Zwratka eine Jungfrau traurig prangen;

Den Sohn, der rein geboren und empfangen,

Trug sie, und um des Mondes Sichel wand

Die Schlange sich, auf deren Haupt sie stand,

Handgreiflich ist der Traum; der schwarze Tschart

Hat meinem Weibe selbst ihn offenbart;

Und mit der Schlange ist er selbst gemeint,

Denn wie den Männern ist dem Tschart sie feind.

ROZHON.

Den Himmel plündert sie, sich zu erheben,

Und nicht umsonst ist sie so sehr ergeben

Dem dreigeköpften wandelbaren Mond,

Den unter allen Göttern sie verschont,

Sie läßt im letzten Viertel ihn verdunklen,

Um einstens selbst als Gott herabzufunklen.

LAPACK.

Doch wie erklärest du der Jungfrau Sohn,

Der jungfräulich empfangen und geboren?

ROZHON.

Ich glaube gar, du fragest mich zum Hohn?

Vielleicht hat heimlich sie ein Kind geboren,

Verdächtig ist mir längst die Keusche schon.

PRIMISLAUS.

Entsetzlich Wort! kaum trau ich meinen Ohren,

Schweig, Frevler!

DOMASLAUS.

Rozhon, sprich!

WRSCHOWETZ.

Schweig, Primislaus!

LAPACK.

Sag alles, was du weißt!

VOLK.

Fort, fort, heraus!

ROZHON.

Umsonst hat sie in hundert Kammern nicht

Geteilet zu Libin der Säle Licht,[706]

Verlassen stehn des Krokus' Eichenbänke:

Auf Polstern, Teppichen und Kissen pflegen

Die Mägdlein sich geharnischt nicht zu legen,

Den Teppich tritt man nicht mit Eisenschuhen.

Unzählig sind der Buhlerinnen Ränke.

Verrostet stehn des Vaters Eisentruhen:

Doch was verbergen uns die Zederschränke?

Schlupfwinkel, Fallen und geheime Türen,

Schleichwege und verborgne Wendeltreppen.

Wohin soll alles dies, ihr Männer, führen?

Was hat sie zu verstecken, zu verschleppen?

Es baut der Fuchs gar künstlich zwar sein Loch,

Ein guter Schliefer aber greift ihn doch.

Wer bürgt im Panzer für der Dirnen Art?

Vielleicht birgt manche im Visier den Bart.

Ein jedes Tier erkennt man in dem Bau,

Der Mann baut Türme, Säulen, steil und fest;

In sich versteckt, baut die verbuhlte Frau

Ein kraus verwirrtes buhlerisches Nest.

Da giebts geheime Bäder, Wasserkünste,

Und fragen wir, so heißts: für Feuersbrünste;

Doch wahrlich, jeder sei auf seiner Hut,

Es heißt im Volk, dort fließe oft auch Blut,

Libussa lasse jeden dort ermorden,

Von dessen Liebe sie gesättigt worden.

Und unterirdisch unterm Schloß durchwinden

Die ewgen Gänge sich zu Labyrinthen,

Ist man den Buhler müd, mag er verschwinden.

Wo Biwog seinen Eber hingeschmissen,

Hat mancher schon die Jungfer küssen müssen.

Man nennt dies so, wenn man aus warmem Nest

Den Buhler in den Abgrund fallen läßt.

PRIMISLAUS mit edler Erbitterung.

Betrunken bist du, des Verstands beraubt,

Denn nüchtern sprächest du dich um dein Haupt;

Der kann nicht leben, der den Unsinn glaubt.

Ich bleibe nicht, zu gehn sei mir erlaubt.

WRSCHOWETZ.

Nein, bleibe, bleibe![707]

DOMASLAUS.

Stets zu übertreiben

Pflegst, Rozhon, du.

CHIRCH.

O wolle hier noch bleiben,

Die gute Sache sollst du nicht verlassen.

LAPACK.

Man kann es so, man kann es anders fassen.

Vielleicht merkt sie auch jetzo erst die Frucht

Im Schoß, und sagt aus falscher Scham und Zucht,

Sie sei noch rein, es sei von einem Gotte,

Den Himmlischen, den Irdischen zum Spotte.

CHIRCH einfallend.

Sagst du dies selbst und deine giftge Rotte!

Wo sagte sie dies je, wo, wie und wann?

Schäm dich in deinen Bart, du falscher Mann!

LAPACK.

Ich kenne euch, ihr würdet mit Vergnügen

Selbst Götter, um mit ihrem Kalb zu pflügen.

AUS DEM VOLK.

Ja, ja, sie sind für sie so eingenommen.

Weil neue Pflüge sie von ihr bekommen.

Stört nicht den Lapack, Lapack spreche aus!

LAPACK.

So reinigt dann von ihr der Götter Haus,

Vor der Geburt sterb ihre tolle Brut,

Versühnt die Götter mit verfluchtem Blut!

DOMASLAUS.

Und dann?

LAPACK.

Kehrt wählend euch zum Stamme Kroks.

WRSCHOWETZ höhnend.

Und wählet mich, küßt mir den Saum des Rocks,

Nicht wahr? O Lapack, du begannst verdächtig,

Und schließest deine Rede niederträchtig.

DOMASLAUS.

Sein Wort schmeckt nach dem Dienst des schwarzen Bocks.

Wie bei der Wahl spricht er; es täte Not,

Daß er mit seinem bösen Weib noch droht.

LAPACK.

Weißt du! verschoben ist nicht aufgehoben!

An deinem Heil mag sich mein Fluch erproben.

ROZHON.

Nicht streitet, Männer, Eintracht will die Sache!

PRIMISLAUS.

Schlange, Drache!

ROZHON verächtlich.

Schwache Rache!

PRIMISLAUS.

Starke Wache![708]

ZIACK läuft zerstört, blutrünstig und berußet in Lapacks Arme.

O Lapack! Männer, nehmt euch meiner an!

Verstecket mich!

LAPACK.

Was hat man dir getan?

Du bebest wie ein Laub, was ist geschehn?

ROZHON.

Er hat vielleicht durchs Schlüsselloch gesehn,

Wie man die Jungfrau küßt, im Trüben fischt,

Und ward da überm Lauschen wohl erwischt.

LAPACK.

Geschwind erzähle, Ziack, sei wohlgemut,

Du stehst in aller dieser Männer Schutz.

Wie siehst du aus, voll Beulen, und voll Schmutz?

ZIACK.

Nie werd ich mehr den bösen Dirnen gut.

Sie liegen um den Herd mit Waffenputz

Beschäftigt, singen und sind gar berauscht.

Im Rauchfang steckend, habe ich gelauscht.

PRIMISLAUS.

Gelauscht? Das macht dich schwarz, denn eigne Schand

Hört überall der Lauscher an der Wand.

CHIRCH.

Ich dächte, wär er nicht mit Ruß bedeckt,

In Rozhons Labyrinth hätt er gesteckt.

Doch ists ein Winkel auch, geheim ein Gang,

Ein Schleichweg, wo der Rauch den Schinken küßt,

Wo oft die Fledermaus, vom Feuer bang,

Hat heimlich sie verbotne Lust gebüßt,

Den Speck hinab aus ihrem warmen Nest

Zum Abgrund in den Kessel fallen läßt.

Du, Schreiber, bist die Maus wohl selbst gewesen;

Was du im Rauchfang schriebst, wird niemand lesen.

ROZHON.

Unwürdge List, du unterbrichst das Kind.

CHIRCH.

Unwürdger Rauchfang, schrecklich Labyrinth!

VOLK.

Still, still, kein Streit, den Knaben lasset sprechen.

WRSCHOWETZ.

Er bleibet uns sonst gar im Schlote stecken.

VOLK.

Still, rede, Schreiber, ohne Unterbrechen.

LAPACK.

Sag an, mein Ziack, was hast du zu entdecken?

ZIACK.

Bei jeder Waffe, die sie fegten, sangen

Rings alle einen Vers; es ging reihum,

Sie wußtens alle, keine blieb da stumm.

»Wir fegen an der Zeit«, hats angefangen.[709]

Das Ärgste war Schild, Speer und Sattelzeug

Auf Eseln – nein, wart', ich besinn mich gleich:

»Mit Hörnern ziert die Schelmen.«

Beim Sattel war das nicht; nein, bei den Helmen.

»Rozhon soll drüberspringen.«

ROZHON.

Was, wo ward dies gesungen?

ZIACK.

Bei den Klingen.

Ihr macht mich irr.

WRSCHOWETZ.

Still, lasset ihn vollbringen.

ZIACK.

»Den Wrschowetz zu hetzen.«

DOMASLAUS.

Auch du?

ZIACK.

Das sangen sie beim Degenwetzen.

»Dem Domaslaus im Hirne«

Sang, als ein Sporn ihr fehlte, eine Dirne.


Die Männer lachen.


DOMASLAUS.

Ich will die Sängerin dafür schon spornen.

ZIACK.

Ihr machet mich verwirrt mit euren Worten,

Ich weiß nun nicht von hinten oder vornen.

LAPACK.

Du warst am Sporn, als du gestöret worden.

ZIACK.

»Das Heerhorn abgenutzet«

Fings an, als die Trompeten sie geputzet.

Jetzt fallen mir die schlimmen Reime ein,

Ich sage sie, doch müßt ihr stille sein.


Bald kommen unsre Zeiten,

Der Mann darf sitzlings reiten

Nur auf des Müllers Tier,

Das Roß beschreiten wir.


Den rechten Daum abhauen

Dem Knaben die Jungfrauen,

Daß nie, wächst er zum Mann,

Ein Schwert er fassen kann.


Daß sie nie zielen können,

Wird man mit Eisen brennen

Das linke Aug dem Kind,

So kömmt der Schutz uns blind.[710]

ROZHON.

Abscheulich! Männer, macht euch dies kein Grauen?

PRIMISLAUS.

Schreckt euch ein witzig Lied berauschter Frauen?

Wär schmutzig die Natur, wie Zoten sind,

Der Fuchs so listig, als die Fabel ist,

Mehr wäre dann nicht wert ein menschlich Kind

Als ekles Luder, das der Fuchs sich frißt,

Solang sie singen, singet ihnen wieder,

Doch wenn sie schweigend schleichen, schlagt sie nieder!

LAPACK.

Die Wahrheit sprechen Kinder und Berauschte.

CHIRCH.

Die Narren auch – und doch wohl auch nicht immer,

Sie lügen in den eignen Sack viel schlimmer.

Sang man nicht auch vom Schreiber, der da lauschte?


Den Schreiber, der da lauschet

Und in dem Rauchfang rauschet,

Zieh aus dem Schlot herab,

Schneid ihm die Ohren ab.

ZIACK.

Das hört ich nicht; sie machten großes Feuer,

Ich ward ganz dumm, der Qualm war ungeheuer.

CHIRCH.

Da haben wir ja Rozhons Feuersbrünste;

Gabs denn da oben keine Wasserkünste?

ZIACK.

Ich fiel herab, und mitten auf den Herd,

Sie flohen auseinander, glaubten schüchtern,

Ich sei der Tschart. Doch von dem Schreck bald nüchtern,

Schlug Stratka auf mich los mit flachem Schwert,

Da schrien ergrimmend auch die andern Frauen,

Man solle gleich den Daumen mir abhauen,

Und andre wollten mir die Augen blenden.

LAPACK.

Entriß dich Wlasta nicht der Tollen Händen?

ZIACK.

Behüt, sie brannte mich mit glühen Kohlen,

Bis ich ihr sagte, wer es mir befohlen.

Dann sangen sie:

»Mit Hexen und mit Hinken

Erzieht man solche Finken,

Und macht dem Naseweis

Erst recht die Hölle heiß.«

Sie schlugen mich, bis daß Libussa rief

Und ich, so wie ich bin, zu euch entlief.[711]

CHIRCH.

Er schwärzt die Dirnen an, die nur gescherzt,

Und, ihm was weiß zu machen, ihn geschwärzt.

LAPACK.

Ihr Männer, ohne Vorteil ist mein Zorn:

Aus meinem eignen Blute wächst ein Dorn,

Selbst Wlasta –

PRIMISLAUS.

Nein, du irrst, sie ist die Rose.

Begehrst du, daß sie etwa den liebkose,

Der als dein Laurer in den Rauchfang kriecht.

LAPACK.

Auf, auf, ihr Männer, seht, umschwirrend fliegt

Die Fledermaus.

PRIMISLAUS.

Die Schwalbe der Verräter.

Nach Haus gehn, die zu gutem Rate kamen.

LAPACK.

Nur schlechte Sache schimpfet ihren Täter.

PRIMISLAUS.

Drum nannte ich die Fledermaus beim Namen.

Mit ungewissem Flug, gleich dem Gewissen

Des neuen Diebs, ist in ihr die Natur

Zu guter und zu böser Art zerrissen.

Sie folgt der Nacht, sie folgt des Lichtes Spur,

Sie ist nicht Maus, sie ist nicht Vogel nur,

Mausvogel ist sie auch, und maust im Dunkeln,

Und stürzet blind zum Tod, wo Schätze funkeln.

So schwanket zwischen bösem Rat und Tat,

Wie ein Gespenst, gequälet, der Verrat,

Wie zwischen Licht und Nacht die Speckmaus schweift.

Wem mit den Krallen in das Haar sie greift,

Der glaube sich ermahnt auf bösem Pfad,

Und gehe heim, und lasse den Verrat.

ROZHON.

Nichts hör ich mehr, ich gehe nach Libin.

Der trete her zu mir, der mit will ziehn.

Mit seinen Reden zeigte uns das Kind,

Daß des Besuchs sie nicht gewärtig sind.

Libussa spielt mit ihrem Frosche jetzt,

Des Ebers Last mit Biwog Kascha schätzt,

Und Tetka zählt am Weberzug der Spinne,

Die in die Zahlenbüchse sie gesetzt,

In wieviel Zeit sie einen Mann gewinne;

Die Dirnen liegen prahlend um den Herd.

Wer noch den Daumen hat und noch das Schwert,[712]

Der folge mir ins stolze Frauenhaus.

Ein jeder wähle, die er mag, sich aus,

Nehm untern Daumen die, faß die im Aug,

Den Daum und Aug er nimmt zum Kriegsgebrauch.

Und geht die Sonne auf in diesem Lande,

Dann finde unsern Thron sie ohne Schande.

Wir wählen einen Fürsten, einen Mann

Und treiben Krokus' Töchter in den Bann.

DOMASLAUS.

Zu groß ist in dem Volke ihre Liebe.

ROZHON.

Die großen Häuser leeren feine Diebe.

WRSCHOWETZ.

Zu groß auch unter uns ist ihre Liebe.

ROZHON.

Gefangen schreit der Spatz im Hexensiebe;

Viel Lieb, viel Lieb! Haß! Haß! ist auch ein Schrei.

CHIRCH.

Ein Rabenschrei, ihn schreit Verräterei!

ROZHON mit tiefem Hohn.

Jetzt kenn ich euch, und jetzt kann ich euch sagen:

Mit Ehrennamen seid ihr platt geschlagen.

Was ein Zemann ist, höret in der Kürze:

Leicht fällt aus engem Rock bei weiten Schritten

Gezähmt ein Mann aus einer Jungfernschürze,

Und drischt das leere Stroh mit feinen Sitten,

Und neigt sich, schleicht sich, schmiegt sich, biegt sich, dreht sich,

Dient nie den Göttern, Menschen dann und wann,

Des Weibes Edelmann gar wohl gelitten,

Gähnt sie, spuckt sie, nießt sie; spricht er, versteht sich,

Und das gesteh ich, i da muß ich bitten:

Ein gar ein lieber Narr ist ein Zemann!

WRSCHOWETZ.

Und du, du bist ein Narr, doch nicht ein lieber.

Ein widerlicher und ein unverschämter,

Ein widerhaarichter und ungezähmter.

ROZHON.

Nicht zürn ich dir, du sprichst im Liebesfieber.

KRIEGER.

Sie wähle einen Fürsten, einen Mann,

Der sie und ihre Dirnen bändgen kann.

PRIMISLAUS.

Laßt raten euch, ihr Männer, zieht nach Haus,

Löscht nicht des Tages Ruhm am Abend aus.

Ihr habt die äußern Feinde schlecht besiegt,

Wenn ihr dem innern Feinde schlecht erliegt.[713]

Vor Perons Thron die Frösche einst erschienen

Um eine Königin; der Gott gab ihnen

Ein goldnes Fröschlein, das sie weis regierte.

Da nahten Molche, die der Glanz verführte,

Im Gold der Herrscherin sich zu vergolden.

Es hob sich Neid und Streit, denn alle wollten

Und konnten nicht. Zum Donnrer sie nun schrien:

Vor einem Weib ist schimpflich uns zu knien.

Er sendete den ernsten Storch zum Sumpfe;

Die Frösche, angelockt vom roten Strumpfe,

Fraß schnell der neue König; unbeleidigt

Verblieb die Königin, vom Gold verteidigt.

ROZHON.

Sagt, wie gefällt euch diese Fabelwäsche?

So hört dann die Moral für euch, ihr Frösche.

Ein Frosch regiert euch: wollt ihr Frösche bleiben,

Laßt von dem Frosche euch Gesetze schreiben.

Es lüstet nach dem Frosche nur dem Storche,

Ein Storch ist, der der Fürstin Hand begehrt.

Ist euer Herr ihr Mann, dann traget Sorge

Vor einem roten Strumpf, der euch verzehrt.

Drum rate ich, seid lieber keine Frösche,

Werft den Regierungsfrosch von eurem Stuhl.

Wie er als Hexe auch das Wasser dresche,

Bald zieht das Gold hinab ihn in den Pfuhl.

PRIMISLAUS.

Du deutest schlecht. Sind Frösche wir, so ist

Auch deine Zunge nur ein roter Lappen,

Dem armen Volk mit schlechter Jägerlist

Des bösen Rates Angel zu Verkappen.

Ich sag nochmals: verdienet ihre Huld,

Ihr habet selbst zum Throne sie gesetzt,

Nun haltet ihre Zucht auch unverletzt.

Neigt sie sich keinem Mann, ists Männerschuld.

O Götter! hütet uns vor einem Leid,

Das also schwer und drückend auf uns liegt,

Das also tief, daß der, der es besiegt,

Libussens Hand verdient. Lebt wohl für heut!


Ab.


DOMASLAUS.

Ein kluger, stiller Mann.[714]

LAPACK.

Zemannen, wißt,

Ein Stillmann wird er, wenn Libussa will.

WRSCHOWETZ.

Still, klug, beredet, immer doch gelind.

ROZHON.

Ja, grad so klug, als er beredet ist,

Und so beredt als still, und grad so still,

Als Frösche es bei trübem Wetter sind,

Und so beredet, wie bei lauem Wetter

Die Frösche sind, und endlich grad so klug,

Wie Frösche es bei jedem Wetter sind.

O strafet nicht, ihr unterirdschen Götter,

Der Chechen Einfalt, denn sie sind stockblind;

Was sie verstehn, ist ihnen klug genug!

Lebt wohl, ich schieße heut mit gutem Pfeil

Dem Frosch die Krone ab, und mach sie feil.

ZIACK.

Schlecht wird dir deine Mühe heut belohnt!

ROZHON.

Warum, du Knabe?

ZIACK.

Harr' zum Sichelmond,

Dann wirft den Bocksschlauch Zwratka in den Teich,

Um ihn versammelt sich der Frösche Reich,

Und oben drauf sitzt, wie auf einem Throne,

Die Königin mit schwarz und weißer Krone,

Den schießt sie dann mit einem Schneckenpfeil;

So wird die Krone ihr gar leicht zuteil.

Man setzt sie auf, wenn man in Stürmen schifft,

Nach Schätzen gräbt, auch dient sie gegen Gift,

Als Brautkrönlein dient sie den weisen Frauen,

Wenn sie sich mit dem schwarzen Gotte trauen.

LAPACK.

Du schwatzest dummes Zeug. Komm, komm nach Haus.


Ziack geht mit Lapack.


WRSCHOWETZ.

Er schwatzte seine Krönungsfeier aus.

KRIEGER.

Fort, fort! Sie wähle selbst, seis wer es sei;

Ein Mann nur mach uns von den Dirnen frei.

WRSCHOWETZ.

Folgt mir, ich bin ein Mann.

DOMASLAUS.

Mir, mir steht bei!

ROZHON.

Ihr! Männer? O Zemannen! ihr Befreier?

Sie tanzt auf euch, ihr spielt die Freierleier.

O Honig, den man um das Giftglas streicht![715]

Die dumme Fliege ist bereits vergiftet.

O Schande, die ein Ehrenname stiftet,

Der jedem Unding, dem man ihn vergleicht,

So ähnlich ist und dennoch unvergleichlich.

Mit euch ists aus; das Ziel euch unerreichlich.

Die Listige warf in den Heldenlauf

Euch Äpfel, Rätsel und die leeren Namen.

Nun rast, und gafft, und löst die Rätsel auf.

Gefangen seid ihr in dem goldnen Rahmen,

Man kriegt bei Fürstinnen ihn in den Kauf!

Mehr tut bis morgen eines Mannes Sinn,

Als jemals zwei Zemannen heut vollenden,

Ich trenne mich von euch.


Ab.


WRSCHOWETZ.

Das ist Gewinn.

Mit schlechter Farbe wollt das Werk er schänden.

KRIEGER.

Wir sind bereit, nun führt uns nach Libin.

WRSCHOWETZ.

Wir müssen ruhig und geräuschlos ziehn.

DOMASLAUS.

Die Sonne sinkt, es weicht der Glanz vom Throne.

WRSCHOWETZ.

Im Abend blinkt ein Stern wie eine Krone.


Sie ziehen mit dem Heer ab.


Vor dem Schloss Libin. Abendhimmel


Die Mägdlein umhängen auf der Terrasse Krokus' Gruft gegenüber dem Eingang von Libussens Badgrotte mit einem Teppichzelt, und breiten Teppiche umher und Kissen.


SCHARKA.

Des Frühlings Duft ist süß, die Lüfte labend.

STRATKA.

Libussens erstes Bad, ein schöner Abend!

ZASTAWA.

Hier sind die Linnen.

HODKA.

Und hier sind die Schwämme.

SCHARKA.

Tragt sie hinein.

DOBROWKA.

Hier sind die goldnen Kämme.

MILENKA.

Ich bringe Balsam.

NABKA.

Ich den Salbenkrug.

STRATKA.

Wem hat die Kräuter Kascha anvertraut?

DOBROMILA.

Uns Schülerinnen, sieh da Krauts genug.[716]

ZASTAWA.

Ist krank Libussa?

SCHARKA.

Nein, doch ist von Schwermut

Der Himmel ihrer Seele schwarz bedecket.

DOBROMILA.

Hier hab ich Himmelskehr, der Jungfraun Wermut,

Der stärkend in dem Bade Mut erwecket.

Liebstöckel, Herzenstrost und Immenblatt

Zum Trost der teuren Immenkönigin.

STRATKA.

Sieh, was Klimbogna in dem Strauße hat.

DOBROMILA.

Das weiß sie selbst, die Kräuterkennerin.

STRATKA.

So sage sie es, daß auch ich es wisse.

KLIMBOGNA.

Sibyllenwurz und Herzkraut, die Melisse,

Dann hier noch Thymian, die edle Demut.

BUDESLAWKA.

Und rings ums Bad streu ich den Farrensamen.

STRATKA.

Und gegen was?

BUDESLAWKA.

Gen ihrer Seele Wehmut.

STRATKA.

Hilft er dafür?

BUDESLAWKA.

Kennst du nicht seine Namen?

Helmwurz und Donnerwurz und Frauenschuh

Heißt auch das Kraut, und viel gehört dazu,

Den geisterhaften Samen zu erringen;

Denn augenblicklich in geheimen Zeiten

Sieht man wie Feuer aus dem Kraut ihn springen,

Und mit den schwarzen Göttern muß man streiten,

Die ihn heißhungrig in den Abgrund schlingen,

Weil sie dem Menschen diesen Schatz beneiden.

Der stehet gut, der sich auf ihn verläßt.

In Kampf, in Glück und Liebe macht er fest.

SCHARKA.

O seltne Kunst! geschwind streu ihn ums Bad.

Die Kräuter werft hinein, Libussa naht.


Libussa, Wlasta treten auf.


LIBUSSA.

Bielbog, der lichte Sonnenführer, senket

Am Berg hinab das schimmernde Gefieder.

Zur Bahn Triglawa schon das Nachtroß lenket,

Die Schattenmähne wallt zum Tal hernieder.

Still ruhn die Herden, die der Fluß getränket,

Kein Roßgewieher hallt am Felsen wider,[717]

Es schweigt der Hain. Am Quell die Linde denket

Und träumt, die sie gehört, die Frühlingslieder.

Der Strom in einsamer Begeistrung rauscht,

Entschlummernd sinnt der Widerhall und lauscht.

Der Himmel an das Herz der Erde sinkt,

Ein Bräutigam, der küssend Tränen trinkt.

WLASTA.

Die Göttliche, die nur den Göttern gleicht,

Mit Bielbog nun zugleich zum Bade steigt.

Den lichten Sonnenhelm nimmt ihr die Dirne,

Die Abendröte, Wlasta, von der Stirne,

Und wie des dunklen Rosses Mähnen wallen,

Die schwarzen Locken dir zum Nacken fallen.


Sie nimmt ihr den Helm ab.


LIBUSSA monoton warnend.

Erröte, Wlasta, nur, du Abendröte,

Ganz anders als dein Herz spricht deine Rede.

WLASTA.

Solange ich dir traue, trau auch mir!

Entwaffnend nehm den Panzer ich von dir,

Und gleich dem Monde, der dem keuschen Weib

Aufs Lager sinket, leuchtet nur dein Leib.

Des Tages blanker Harnisch ist versunken,

In deinem spiegeln noch die Sternenfunken.


Sie schnallt ihr den Panzer ab.


LIBUSSA zärtlich flehend.

Ihr seid die Sterne, Mägdlein, bleibt mir treu!

DIE MÄGDLEIN.

Treu, treu, solang dein Harnisch spiegelt, treu!

WLASTA.

Nun gehe ein ins Bad, du schöner Abend,

Von deines Tages Mühe dich erlabend.

Und gehe also leuchtend draus hervor,

Daß Triglawa, trägt sie den Mond empor,

Erstaunend anzieht ihres Rosses Zügel,

Als sähe sie ihr Bild im Moldauspiegel.

LIBUSSA.

Erröte, Wlasta, nur, du Abendröte,

Ganz anders als dein Herz spricht deine Rede!

WLASTA.

Noch einmal sprich dies nicht, du sprachst es zweimal,

Es würde wahr sein, sprächest du es dreimal.

Ich liebe dich, ich möchte sein wie du

Und schau, ohnmächtig, dir bewundernd zu.[718]

LIBUSSA auffahrend, als habe sie etwas gehört.

Horch! was war dies?

WLASTA.

Es seufzt der Wind im Rohr.

LIBUSSA.

Ein banger Schrei aus meines Vaters Gruft.

SCHARKA.

Der brünstige Fasan im Walde ruft.

LIBUSSA.

Nein, aus der Gruft Hrobka schrie's hervor,

In allen Adern starret mir das Blut!

Still, horcht, hört ihr, es ist der Div!

STRATKA.

In der vom Abendwind bewegten Flut

Seufzt so das Ruder an des Fährmanns Schiff.

WLASTA.

Schau auf, es war des böhmschen Adlers Schrei,

Er ziehet nach dem Schlachtfeld dort vorbei.

LIBUSSA.

Schwermütig ist mein Herz; ich muß mich schämen.

Wie jetzt betret ich nie mehr dieses Bad.

Mir ist, als sollte ich hier Abschied nehmen

Von mir, von euch, als drohe mir Verrat!

STRATKA.

Verzeih, Libussa, mir die freie Rede,

Wenn ich dein Weh zu deuten mich entblöde.

Nicht stieg der Schrei aus deines Vaters Gruft,

Aus deinem Innern dein Geschick dir ruft.

Folgt erst geheimnisvoll, wie Meeresflut,

Dem Kahn des bleichen Monds der Jungfrau Blut,

Dann schmilzt in Tränen vor dem Zauberspiegel

Der Dämmerung des tiefsten Lebens Siegel

Und in dem Innern sehen schnelle Blicke,

Wie gute Geister, wogen die Geschicke.

Es steht der Spiegel auf des Lebens Höhe,

O daß ich nicht mehr selig vor ihm stehe!

Denn eine Lüge nur, ein Trug –

LIBUSSA plötzlich gestört.

Es schwirren

Hier Fledermäuse, sie sind mir zuwider;

Verjaget sie, ihr Mägdlein, schlagt sie nieder.


Die Mägdlein wehen mit Tüchern, sie faßt ruhig Stratkas unterbrochene Rede auf.


Nur eine Lüge?

STRATKA.

Eine Fledermaus,

Die gen den Spiegel fliegt, bricht ihn mit Klirren,[719]

Mit Scherben schmückt sich dann das Leben aus.

Sein ganzer Himmel brach vor ihm entzwei,

Und kälter, rauher wirds, doch frei, frei, frei!

LIBUSSA.

So schreit aus dir die trunkne Tyrannei!

Ihr Mägdlein, schlagt die Harfen mir, und singt,

Daß mir die öde Grotte widerklingt!


Sie geht ins Bad, und läßt den Teppich fallen.


WLASTA.

Die Harfen und die Flöten holt herbei,

Ich bleibe hier, daß sie nicht einsam sei.


Die Mägdlein gehen hinauf; sie sitzt vor dem Bade, und spricht vor sich.


Weh dir, Libussa, Jungfrau, Seherin,

Es neiget sich dein Stern zum Untergange.

Dein Blick wird finster, traurig wird dein Sinn,

Seit ich des Kampfs gen dich mich unterfange.

Es zehrt mein Licht gleich jenen Zauberkerzen,

Die gegen Feindesleben Fluch bereitet,

An deinem stolzen, nie besiegten Herzen;

Zu mir ist deines Glückes Strom geleitet,

Wie zieht ihr Ring an meinem Arme heftig,

Wie wird die ganze Seele mir geschäftig!

Du machst mich grausam, machst mich selig, Liebe!

Es trägt ihr Helm geflügelt eine Krone,

Ich setz ihn auf, daß ich zum Flug mich übe;

O tragt, ihr Flügel, mich hinan zum Throne!


Sie legt ihren Helm ab, und setzt den Libussens auf.


LIBUSSA aus der Grotte redend.

Wlasta, bist du allein?

WLASTA.

Ja, Herzogin!

LIBUSSA.

O komm zu mir, weil ich so traurig bin.

WLASTA.

Vergönne mir, Libussa, hier die Wache.

Wie vor der Götter Haus ein Riese steht,

Der, hundertäugig, sie zu schützen späht.

LIBUSSA.

Nein, wie zweizüngig vor dem Schatz ein Drache.

WLASTA.

Was sagtest du?

LIBUSSA.

Erröte, Abendröte,

Denn anders als dein Herz spricht deine Rede.[720]

WLASTA.

Libussa, du vernichtest meine Seele,

Zum drittenmal sprichst du dies Wort.

LIBUSSA.

Nicht zähle!

WLASTA vor sich.

Was ist es, das sie quält, merkt sie Verrat?

Regt dunkel sich die Weissagung in ihr?

Nicht lang mehr, Wlasta, frommet Zaudern dir.

Am neuen Morgen schreite ich zur Tat.

Die Mägdlein nehme ich in engem Eid.

Es reifet die Vollendung an der Zeit.

DIE MÄGDLEIN kehren mit Huslien und Flöten, und sitzen, auf den Felsen zerstreut, singend und spielend.

Heilge Nacht, heilge Nacht!

Sterngeschloßner Himmelsfrieden!

Alles, was das Licht geschieden,

Ist verbunden,

Alle Wunden

Bluten süß im Abendrot!


Bielbogs Speer, Bielbogs Speer

Sinkt ins Herz der trunknen Erde,

Die mit seliger Gebärde,

Eine Rose,

In dem Schoße

Dunkler Lüste niedertaucht


Züchtge Braut, züchtge Braut!

Deine süße Schmach verhülle,

Wenn des Hochzeitbechers Fülle

Sich ergießet.

Also fließet

In die brünstge Nacht der Tag!


Nachspiel der Instrumente; während dem Gesang zeigt sich Rozhon mit seinen Knechten schon links im Gebüsch. Unter dem Nachspiel spricht er.


ROZHON.

Berauschet sind sie ganz in Buhlerei.

Gut ist die Jagd, es falzt der Auerhahn:

Er hört und sieht nicht. Folgt mir leis hinan!


[721] Sie ziehen sich zurück, und erscheinen am Ende des folgenden Liedes über den Mägdlein.


LIBUSSA im Bade.

Könnt ihr das Lied nicht von Triglawas Bad?

SCHARKA.

Wie ihr die Leschien, die Waldgötter, genaht,

Um in dem Bad die Keusche zu ermorden?

Und wie der Hirte Kotar sie befreit,

Der dann ihr Freund, der stille Mond, geworden.

LIBUSSA.

Ja, dieses singet, es ist an der Zeit.

CHOR.

Mond, Mond!

Wie die Wellen kühlen,

Wie die Winde wühlen

In den dunklen Mähnen der Nacht!

SCHARKA.

In dem Bade spielt die Keusche,

Und die Woge wühlt berauschet,

Ringsum schweigt das Waldgeräusche,

Weil es lüstern niederlauschet.

CHOR.

Mond, Mond!

Wie die Wellen kühlen,

Wie die Winde wühlen

In den dunklen Mähnen der Nacht!

SCHARKA.

Und die schlauen Leschien schleichen

Klein wie Gräser durch die Wiesen,

Durch die Haine hoher Eichen

Hoch wie ungeheure Riesen.

CHOR.

Mond, Mond!

Wie die Wellen kühlen,

Wie die Winde wühlen

In den dunklen Mähnen der Nacht!

SCHARKA.

Mit Geläut der Herdenglocken,

Mit der Turteltaube Lachen

Müde Wandrer sie verlocken,

Kitzlen dann zu Tod die schwachen.

CHOR.

Mond, Mond!

Wie die Wellen kühlen,

Wie die Winde wühlen

In den dunklen Mähnen der Nacht.

SCHARKA.

Und schon nahen sie dem Bade[722]

Auf den Wald- und Wiesenpfaden,

Doch ein Hirte am Gestade

Ruft –

PRIMISLAUS tritt mit dem Schwerte, rechts aus dem Vorgrund.

Triglawa ist verraten!


Man sieht Rozhon und seine Knechte die Dirnen ergreifen, und sie mit Geschrei vom Fels reißen; sie verteidigen sich aber so tapfer, daß sie die Knechte aus der Szene treiben.


WLASTA.

Verrat, Verrat!

ROZHON.

Hinab mit dir, du Dirne!


Er springt mit ihr nieder.


LIBUSSA springt aus dem Bade, setzt Wlastas Helm auf.

O Waffen, Waffen! kämpfe, mein Gestirne!

BIWOG mit einer Fackel durchs Fenster, zieht sich zurück und kömmt herab.

Verräterei! Libussa ficht umringt.

WLASTA ihr Schwert sinkt.

Verfluchte Wunde, die den Arm mir zwingt.

ROZHON ringt mit ihr, und will sie fortreißen.

Ins Wasser mit dem Frosch, es ist schlecht Wetter;

Laß sehn, ob, wer das Ruder führt, auch schwimme!

PRIMISLAUS ersticht ihn.

Nur einen guten Schwertstreich mir, ihr Götter!

WLASTA sinkt verblutend.

Ihr Himmlischen, ich hörte seine Stimme!

ROZOHN sinkt.

Weh mir, mich reißen dunkle Hände nieder!

LIBUSSA springt, halb bewaffnet, herab.

Ein Schwert! ein Schwert! ganz Böheim für ein Schwert!

PRIMISLAUS giebt ihr das seine, und zieht sich zurück.

Ich nähme dich beim Wort, wär Böheim dein!

Libussa sinkt!

LIBUSSA erstaunt.

Wer ists? Das Nachtgefieder

Bedeckt ihn. Wessen Schwert ist Böheim wert?

Er halte mich beim Wort, Böheim ist mein,

Ich habe es verkauft um Schwertes Dank.[723]

DIE DIRNEN kehren zurück.

Sieg! Sieg! Die wilde Moldau trank

Das Leben und das Blut der feigen Knechte.


Tetka, Kascha, Biwog, bewaffnet mit einer Fackel.


TETKA.

Libussa, o Libussa!

KASCHA.

Bist du heil?

LIBUSSA.

Es deckte unser Heer mich im Gefechte.

Kotar gab mir sein Schwert!

STRATKA sieht Wlasta.

Weh! weh!

Wlasta erschlagen, von des Rozhons Beil!

BIWOG.

Und Rozhon hier in seinem Blute tot!

LIBUSSA.

O Wlasta, hebt sie auf, daß ich sie sehe;

Die Fackel her!


Stratka und Scharka nehmen sie in den Arm, und beleuchten sie.


WLASTA erwacht.

Weh mir, weh mir!

LIBUSSA.

Sie lebt!

Bringt sie hinauf, zu ruhn.

WLASTA.

Laßt mich, es schwebt

Ein Ring vor mir!

KASCHA.

Es reizet sie das Licht.

WLASTA erholt sich.

Bringt mich hinan, die Wunde brach im Streit.

LIBUSSA.

Du hast mit meinem Helme mich befreit,

Zum zweitenmal floß so dein Blut für mich;

Wie dank ich, Wlasta, dir?

WLASTA wankt.

Weh! fürchterlich

Dreht sich die Welt um mich, ich kann nicht stehn!

KASCHA.

Sie schwindelt, führet sie.

TETKA.

Auch uns laßt gehn.

LIBUSSA.

Wer rief von euch: Triglawa ist verraten?

KLIMBOGNA.

Es war ein Wunder.

STRATKA.

Ja, wir hörtens alle.

DOBROMILA.

Es war, als ob es aus dem Himmel schalle.

SCHARKA.

Dich rettete Kotar.[724]

TETKA.

Auf deinen Pfaden

Gehn gute Geister.

BUDESLAWKA.

Sieh, den Farrensamen

Streut ich ums Bad. Auf Helmwurz standest du,

Und tratest auf den mächtgen Frauenschuh,

Die starken Geister dir zu Hülfe kamen.

LIBUSSA.

Dem Monde dank ich lieber. Scharka, singe

Des Liedes End, daß ihm mein Dank erklinge.


Sie gehen hinan, am Ende des folgenden Verses tritt der Mond über dem Schlosse hervor, und sie hinein.


SCHARKA.

Und den Hirten, der sie rettet,

Nun Triglawa hoch belohnt,

Treu in ihren Arm gebettet,

Trägt sie ihn, den keuschen Mond.

CHOR.

Mond, Mond!

Wie die Wellen kühlen,

Wie die Winde wühlen

In den dunklen Mähnen der Nacht!


Alle ab.


PRIMISLAUS tritt mit einer Fackel zu Rozhons Leiche.

Wahrhafter als dein Leben ist dein Tod,

Er straft dich Lügen. Wohl war dir vonnöten

Um deine schnöde Rede blutig Rot.

Erbleichen mußtest du, um zu erröten;

Du, Lügner, wolltest auch die Jungfrau küssen,

Du hast statt ihr die Erde küssen müssen;

Und aus dem Labyrinth, das du erlogen,

Wirst du von keinem Gott ans Licht gezogen.

Ich opfre dir, Marzana, seinen Bart,


Er schneidet ihm eine Locke aus dem Bart, und verbrennt sie.


Halt', dunkle Göttin, fest ihn dran, und wehre,

Wie ihn zurück auch treibt der schwarze Tschart,

Daß nicht sein finstrer Geist zur Erde kehre.

Schwebt, eh sein Leib der Glut gegeben ward,

Sein Geist noch wachend um sein Haus, er höre:

Vom Schwerte keines Weibes sankst du nieder,

Doch war jungfräulich deines Todes Schwert,

Die trage auch dein Blut, die es begehrt![725]

Du warst der erste, keinen töt ich wieder;

Ein doppelt Antlitz hast du, grimmer Tod,

Du schauest den auch an, der dich gesendet.

Zur Überfahrt sei dir der Sold gespendet,


Er wirft Geld auf ihn.


Was willst du noch? Nichts tut dir nun mehr not!

ROZHON bewegt sich.

Weh mir!

PRIMISLAUS kniet zu ihm nieder.

Er lebt! O Rozhon, zu beklagen!

ROZHON.

Bist du's, Dobrowka? Ehre meinen Leib.

PRIMISLAUS.

O Unnatur, sein Weib sah ihn erschlagen!

ROZHON.

Beklage mich, nicht bei den Dirnen bleib!

PRIMISLAUS.

Die bin ich nicht, die deine Lippe nennt.

ROZHON.

Wer bist du, der die böse Zeit erkennt?

PRIMISLAUS.

Primislaus, dessen Schwert dich rächend traf.

ROZHON.

Den Göttern Dank! Rozhon fiel keinem Weib,

Und riß Libussen in den ewgen Schlaf.

PRIMISLAUS.

Libussa lebt, kein Mord drückt deinen Geist.

ROZHON.

O weh mir dann! So sterbe ich vergebens!

Stumpf ist das Schwert, das boshaft mir zerreißt

Den Eisenfaden meines starken Lebens. –

Den Hügel gönn bei Slawoschs Eiche mir!

PRIMISLAUS.

Dort feire ich die Totenfeier dir.

ROZHON.

Die Wurzeln mich umflechten, o ihr Schmerzen!

Sie senken sich in meine Wunde ein,

Wie Schlangen dringen sie nach meinem Herzen.

O Slawosch, Slawosch soll versöhnet sein!

PRIMISLAUS.

Der Eiche Nagel, Armer, trifft dich wieder.

ROZHON.

Vom Räuber Katzei spreche mir die Lieder,

Auf ihren dunklen Sprossen steig ich nieder.

Katzei! Katzei!

O wem sollen die Myrten reifen

An des Mondes goldnem Bronnen?

Knöcherne Hände nach mir greifen.

Was gesponnen, kömmt zur Sonnen.

Weh! es rufet mir Div aus dem Baum,

Drinnen nistet Kikimora, der schreckliche Traum.[726]

PRIMISLAUS.

Katzei, Katzei!

O du nie sterbender,

Mägdlein verderbender

Räuber, wohin?

ROZHON.

Ach, wem sollen die Myrten reifen?

PRIMISLAUS.

Mägdlein, Mägdlein!

Traut nicht der kühlenden,

Sorgenaufwühlenden

Woge des Lichts.

ROZHON.

An des Mondes goldnem Bronnen!

PRIMISLAUS.

Hirte, Hirte!

Führer der flockigten

Silberweißlockigten

Herde, schau auf!

ROZHON.

Knöcherne Hände nach mir greifen!

PRIMISLAUS.

Mägdlein, Mägdlein!

Flechtet dem Wagenden,

Räubererschlagenden

Myrten ums Schwert!

ROZHON.

Was gesponnen, kömmt zur Sonnen!

PRIMISLAUS.

Katzei, Katzei!

Fürchtet den Hirten nicht,

Unter den Myrten sticht

Tödlich der Stahl,

ROZHON.

Weh! es rufet mir Div aus dem Baum.

PRIMISLAUS.

Katzei, Katzei!

Nimmer verschließest du,

Nimmer genießest du

Bräute im Schloß.

ROZHON.

Da nistet Kikimora, der schreckliche Traum.

PRIMISLAUS.

Mägdlein, Mägdlein!

Singet des Hirten Preis,

Krönet mit Myrtenreis

Kotar, den Freund!

ROZHON.

Weh mir, sie krönen ihn, das Lied ist aus,

Weh mir!

PRIMISLAUS hebt ihn auf.

Er stirbt, ich trage ihn nach Haus.[727]

Die letzte Schande hab ich ihm gestört,

Die letzte Ehre gebe ich ihm nu.

DOBROWKA mit einer Fackel und bloßem Schwert. Man sieht Domaslaus, Wrsch und Chirch an der Spitze des Volks aus der Szene treten.

Zurück von diesem Leib, der mir gehört!

PRIMISLAUS.

Entsetzlich Weib, drück ihm die Augen zu;

Sie flehn zu dir, du mögst ihn nicht beleidgen,

Und mit dem Schwerte trittst du ihm entgegen.

DOBROWKA faßt nach dem Leichnam.

Ich will sein Haupt hin vor Libussa legen.

PRIMISLAUS ausrufend.

Ein Schwert, ein Schwert, die Toten zu verteidgen!

DOMASLAUS durchbohrt sie rücklings.

Ich mahne dich zur Pflicht, folg deinem Manne!

DOBROWKA sinkt.

Fluch dir! du fallest durch der Jungfrau Schwert!

WRSCHOWETZ.

Die Leichen tragt nun aus dem Friedensbanne.

Du hast dich herrlich, Primislaus, bewährt.

Die Knechte Rozhons, die geflüchtet sind,

Erzählten uns, wie kühn du ihn erschlagen.

PRIMISLAUS.

Entlasset aus dem Heer mir mein Gesind,

Nach Haus die Ewigschweigenden zu tragen!


Sechs Knechte treten aus der Menge, zwei nehmen Rozhon, zwei Dobrowka auf Lanzen, zwei gehn mit Fackeln vorher.


Lebt wohl, ihr Männer, haltet euch bescheiden,

Ich sühne jetzt das Blut, das mich befleckt.


Ab.


CHIRCH.

Die Götter mögen, Frommer, dich geleiten.

DOMASLAUS.

Wir kommen recht; von Rozhon noch erschreckt,

Giebt sie uns nach.

WRSCHOWETZ.

Still, sehet, Lichter ziehn

Noch in dem Schloß. Stellt euch zur Mauer hin,

Und lasset eure Hörner sanft ertönen,

Daß wir die Ungebühr der Zeit versöhnen.


Sie treten vor den Turm, und spielen eine Melodie.


BIWOG mit einer Fackel aus dem Schloß.

Was wollt ihr, Männer, von der Mitternacht?

WRSCHOWETZ.

Wir wollen unsers Himmels Mond jetzt sehen


[728] Libussa, Tetka, Kascha, Biwog, von den fackeltragenden Dirnen begleitet, treten, alle bewaffnet, zum Schlosse heraus, ziehen die Treppen nieder, erscheinen dann auf dem Turm, dessen Tor verschlossen bleibt.


DOMASLAUS.

O sieh den Mond in glanzumsternter Pracht!

WRSCHOWETZ.

Die Sterne mögen immer untergehen!

LIBUSSA.

Wer bricht den Bann der Nacht, der Friedensbraut,

Wer wecket jetzt Libussen also laut?

DOMASLAUS.

Wir wissen, du entkamest der Gefahr,

Und bringen unsre Segenswünsche dar.

WRSCHOWETZ.

Es drang zu uns, was kaum dir noch geschehn,

Da wollte dich dein Heer gerettet sehn,

Es sieht dich so, und –

LIBUSSA heftig unterbrechend.

Und? und was denn und?

Und Lüge spricht dein gleisnerischer Mund!

Der Dirnen Schwert half mir gen Männer Spott.

DOMASLAUS.

Dir half ein Mann!

LIBUSSA mit tiefem Ernste.

So war ein Mann ein Gott.

Ihr seid nicht Götter, trotzige Zemannen.

WRSCHOWETZ.

Ja, trotzig sind wir, doch was sind Zemannen?

LIBUSSA.

Es sind die edlen Männer in dem Land.

Die Männer, die Zemannen ich genannt,

Und die ich schimpfe, die sind nicht Zemannen.

WRSCHOWETZ.

So schimpfe uns, denn wir ziehn nicht von dannen,

Bis einen Mann du für das Land erwählt.

DAS HEER.

Wähl einen Herrn, ein Herr sei dir vermählt!

LIBUSSA.

Mir einen Herrn, Libussen einen Herrn?

Er fiele nieder, spräche dies ein Stern!


Eine Sternschnuppe fällt.


VOLK.

Libussa, beuge dich, o Wunder! Wunder!

Ein Stern sprach es, es fiel ein Stern herunter!

LIBUSSA.

Und weil ers sagte, mußt er niederfallen.

Ihr Meisterlosen könnt zu stehen wagen!

O jubelt nicht, die Nachreu kommt euch allen;

Der Himmel warf ihn weg, ihr müßt ihn tragen.[729]

Bedenkt, als eure Krone ich erlanget,

Sprach ich, ich nehme, die ich nicht verlanget;

Doch geb ich sie den Göttern nur zurück!

Was klaget ihr, genügt zu eurem Glück

Die Jungfrau nicht, die eure Krone trug?

DOMASLAUS.

Zuviel die Jungfrau!

WRSCHOWETZ.

Nur genug zum Weibe!

LIBUSSA.

Zuviel für alle, einem doch genug,

Doch ewig ich für zwei zu wenig bleibe!

Weil ich euch nicht mit Eisenruten schlug,

Glaubt ihr, ich sei ein Weib und wisse wenig,

Und weil ihr furchtlos lebt, ehrt ihr mich nicht,

Denn wo die Furcht, ist Ehrfurcht im Gericht.

Den Tauben gleichet ihr, die sich zum König

Den Taubenfreund, den Rüttelweih, gesetzt

Und dann, der Ruhe satt und sonst verhetzt,

Ob seiner Kraft den Geier sich erwählet.

Doch alle unverurteilt, ungezählet

Zerriß er sie in seines Grimmes Wut,

Und trinket noch bis heut der Tauben Blut.

Verzeiht, ihr Götter, daß ich Tauben nannte

Die, die als böse Raben ich erkannte!

CHIRCH

O schmäh uns nicht, weil einen Herrn wir wollen;

Befehle deinen Dienern, was sie sollen.

LIBUSSA in schmerzlicher Leidenschaft.

Geht, opfert, schlafet, tuet, was ihr wollt,

Libussa wacht. O schwere, bange Nacht!

Verderben mußt du, klar jungfräulich Gold!

Das schnöde Kupfer hat dich angelacht.

O Ehrendienst! dir wird ein niedrer Sold,

Ein Sklavenrock wird freie Jugendpracht.

Die Toren kennen sich, ja, sie verdienen,

Was ihnen ähnlich ist, ich geb es ihnen!

Sink hin, sink hin, du jungfräuliche Eiche,

Und spreng das erzne Tor von Krokus' Gruft.

Die Elenden, sie fällen deine Zweige,

Doch deine Wurzeln schießen in die Luft,

Wie wilde Schlangen aus des Abgrunds Reiche,[730]

Aus der Tesani dunkler Rächerkluft.

Tesani, Furien, woher, wohin?

Wie raset ihr, was peitschet euren Sinn?

Weh dir! weh dir! mein Volk, dein Haar entflammet,

Die Brände schwingen Dirnen in den Händen;

Ich war unschuldig, ihr habt mich verdammet.

Der Rache Feuerstrom kann ich nicht wenden.

Die Götter, deren Schoß ich rein entstammet,

Sie wollen so, was ihr beginnt, vollenden.

Entwurzelnd mich, bracht ihr des Abgrunds Tor,

Entsetzlich steigt die Zukunft draus hervor!


Sie sinkt in den Arm ihrer Schwestern.


KASCHA.

Ihr Himmlischen, Libussa!

TETKA.

Komm zu dir!

LIBUSSA sammelt sich, nach einer Pause.

Was wollen diese Männer hier von mir?

WRSCHOWETZ.

Nur Heil und Segen auf dich niederflehn!

DOMASLAUS.

Hab, Gut, Blut, Ehre dir zu Füßen legen!

LIBUSSA.

Heißt Hab, Gut, Blut und Ehr und Heil und Segen

Gemahl, o dann laßt lieber arm mich gehn!

Wohlan, kehrt morgen, daß der, den ihr wählet,

Als solch ein reicher Mann mir sei vermählet!

Quelle:
Clemens Brentano: Werke. Band 4, München [1963–1968], S. 659-731.
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