Zweiter Akt


[613] Ein Waldplatz, von hohen Eichen umgeben; links vom Vorgrunde zieht sich eine Felsenwand am Hintergrunde herum, bildet dort rechts Höhlen, und öffnet links eine wildverwachsene Schlucht; mitten durch den Plan ergießt sich eine Quelle. Libussa tritt mit ihren Jungfrauen, bewaffnet, auf.


LIBUSSA.

Hier, wo ich von den Schwestern bin geschieden,

Will ich, zu ruhen, mich ins Grüne setzen.

WLASTA.

Was störet, Fürstin, deiner Seele Frieden?

LIBUSSA.

Entbehrung nur lehrt uns das Werte schätzen.

WLASTA.

Sie kehren bald, denn Fürstentöchter finden

Die Höhen leicht, wo, in die Ferne schauend,

Sie, ihrem Namen stolze Hallen bauend,

Den ewgen Widerhall des Nachruhms gründen.

LIBUSSA.

Doch fühle ich, der Mensch bricht jeden Stein

Der Selbsterbauung aus des Freundes Herzen.

WLASTA.

Am Haus der Eigentümlichkeit baun Schmerzen.

LIBUSSA.

Und mit den Herren zieht die Sorge ein!

Sonst wandelte ich harmlos, und nun rag ich

Als Doppelziel der eifernden Begier;

Der Jungfrau und der Fürstin Krone trag ich,

Und Sorge nistet in der Ehre Zier.[613]

STRATKA.

Doch wer erkeckte sich, nach dir zu schauen,

Du Seherin, du herrlichste der Frauen!

LIBUSSA.

Nicht möcht ich über Männer herrschend ragen,

Die meiner niemals zu begehren wagen;

Die Adler sind sie, die in Kronen bauen,

Und lichtbegierig nach der Sonne steigen.

STRATKA.

Die Sonne bist du, die sie nie erreichen.

LIBUSSA.

Hat mich geheiligt gleich der Götter Gunst,

Tönt gleich von Weissagung mein irdscher Mund,

Bin ich doch Erbin nur so hoher Kunst,

Der Götter Weisheit tue ich nur kund.

Das Meinige ist sterblich, Schaum und Dunst,

Ich bin ein Werkzeug, göttlich ist der Grund.

Ein goldnes Heft hat manchen schon verführt,

Zum Schwert zu greifen, das ihm nicht gebührt.

Saht ihr nicht Domaslaus, den reichsten Mann,

Mit ekler Schmeichelei die Wahl mir stimmen,

Und nicht den kühnen Wrsch im Friedensbann

Sein Schwert mit eitler Hast, mich wählend, schwingen?

Zur Wette sah ich Geiz und Kühnheit klimmen,

Im regen Eifer schienen sie zu ringen.

WLASTA.

Zum Hohne Lapacks!

LIBUSSA bedeutend.

Wlasta, liebst du mich?

WLASTA.

Mehr als mich selbst, wie meine Ehre dich.

Lapack ist Bazacks Sohn, der deinem Vater

Der ältre Bruder war; aus reiner Ader

Sproßt Zwratka, aus dem ältsten Stamm der Chechen;

In mir fließt Krokus' Blut, das an den Frechen

Sich Rache nimmt nach heiligem Gesetz.

STRATKA.

Nicht nenne frech den kühnen Wrschowetz,

Der höher stammt als du, ein Sohn der Lechen.

Ein freudger Schütze schießt auch ohn zu zielen;

Berauscht schon, wo nur bunte Fahnen wehn,

Läßt er den Helmbusch gern im Winde spielen;

Erfreut war er, Libussens Glanz zu sehn

Im Spiegel seines Schwertes. Sag, wer meistert

Ein edles Herz, von Festlichkeit begeistert?

Sein Schwert hat er zur Sonne nur erhoben.[614]

LIBUSSA.

Laut wirst du, stille Stratka, ihn zu loben.

STRATKA.

Ihn nicht zu loben, war ich still allein.

LIBUSSA.

Und was wirst du einst sein, um ihn zu schmähen?

STRATKA.

Um aller Götter willen, halte ein,

Weil deine Worte die Geschicke säen.

Ich liebe ihn, o gieb ihm deine Huld!

LIBUSSA.

Die Huld, die du verschwendest, wird dir Schuld!

STRATKA.

Nach Ehren strebt er, denkt sich mein nicht würdig.

LIBUSSA.

Durch seiner Demut Stolz wirst du erniedert.

STRATKA.

O mach an Ehren ihn mir ebenbürtig!


Sie kniet vor Libussen.


LIBUSSA.

Bedenke, was du Wlasta kaum erwidert;

Steh auf, und schone dein, entreiße nicht

Die finstre Prophezeihung meinem Munde,

Die, wahr geworden, bald zu Tage bricht.

Vom Stamm des Lechs ist der bescheidne Kunde,

Der, dir nicht ebenbürtig, Ehr begehrt?

Wer so mit Demut eignen Ruhm versehrt,

Ist nur ein stolzer Wolf, als Schaf verkleidet,

Der dir, du schuldlos Lamm, Verrat bereitet.

Ein Gürtel von Jungfräulichkeit dem Thron,

Nicht für die Männer Mittler, Lockung, Schlingen,

Ließ ich von euch den Stuhl des Chechs umringen.

Die Zunge, die ihn lobte, wird zum Lohn

Der Buhler dich hinabzuschlingen zwingen.

Wer Männer liebet, soll es mir verschweigen,

Wer mich liebt, werden treue Waffen zeigen.

STRATKA.

Libussa!

LIBUSSA.

Rede nicht, ich bin ohn Zorn!

Laßt mir ertönen nun das ernste Horn,

Die Töne machen alles wieder gut,

Zerrißne Herzen füllet ihre Flut.


Schwermütige Hornmelodie. Libussa sitzt an einem Felsen, Stratka und Scharka stehen ihr zur Seite, Wlasta hinter ihr. Stratka scheint im Nachdenken begriffen, und schwingt zugleich ihr Beil im Takte der Musik. Es fliegt ein Pfeil nach Libussa. Wlasta fängt ihn mit ihrem Schilde auf.


WLASTA.

Ihr Mägdlein, Schilde vor, es droht Gefahr!


[615] Die Mägdlein decken Libussa mit Schilden. Ziack klettert auf eine Eiche.


LIBUSSA.

Verrat! Verrat! o fechte, meine Schar!


In diesem Augenblick springen mehrere Avaren hinten hervor, und reißen Libussen ins Gebüsch, Wlasta schlägt mit dem Beile wütend drein, Moribud trifft sie mit einem Pfeil in den Arm. Von allen Seiten dringt der Feind ein und wird kühn zurückgedrängt, sie verlassen alle fechtend die Bühne. Das volle Orchester fällt bei dem ersten Pfeilschuß in die Waldhornmelodie ein und begleitet das Getümmel des Streites diminuendo bis in einige Entfernung; man sieht Ziack, schreibend auf der Eiche beschäftigt. Wrschowetz und Domaslaus treten von entgegengesetzten Seiten auf, sie messen sich mit eifernden Blicken, die Musik verstummt in leisester Ferne.


WRSCHOWETZ.

Was treibt dich, Domaslaus, hieher zum Wald?

DOMASLAUS.

Was treibt dich, Wrschowetz, hieher zum Wald?

WRSCHOWETZ.

Du suchst wohl fette Weide, satter Hirt?

DOMASLAUS.

Du suchst wohl zahmes Wild, mein brünstger Jäger?

WRSCHOWETZ.

Du suchst wohl zahmes Vieh, das sich verirrt?

DOMASLAUS.

Wer stellte dich in diesen Wald als Häger?

WRSCHOWETZ.

Ich stehe, daß man zahmes Vieh nicht raube.

DOMASLAUS.

Schimpfst du ein zahmes Vieh die reine Taube,

Libussens Vogel auf des Glückes Bahn?

WRSCHOWETZ.

Schimpfst du ein zahmes Wild den edlen Schwan,

Deß Flug der Götter Wille ausgesagt?

DOMASLAUS.

Ich nenne zahmes Wild des Schwanes Magd,

Die Gans; um Stratka, denk ich, gehst du aus?

WRSCHOWETZ.

Ich nenne zahmes Vieh des Stieres Weib,

Um Kühe nur, denk ich, buhlt Domaslaus.

DOMASLAUS.

Vor ihren Hörnern hüte deinen Leib,

Sie stößt dich nieder, wird sie mir zuteil.

WRSCHOWETZ.

Und Stiers genug erschlägt an dir mein Beil!


Sie stehen in einer drohenden Stellung.


ZIACK liest, was er geschrieben.

»Am Tag nach ihrer Krönung fiel Libussa« –

WRSCHOWETZ.

Wer spricht hier, Schreiber, du?[616]

DOMASLAUS.

Wo ist Libussa?

ZIACK fortfahrend im Lesen.

»In Feindes Hand, und ihr prophetscher Schrei

Rief aus, sie falle durch Verräterei.

Wie Männer fochten Dirnen für ihr Glück,

Und Männer eiferten um sie wie Dirnen.«

DOMASLAUS.

Ich rette sie, jetzt ist der Augenblick!


Will ihr zu Hülfe eilen.


WRSCHOWETZ.

Kein reicher Bauer glänzt in den Gestirnen!


Vertritt ihm den Weg.


DOMASLAUS.

Du willst mich halten, armer Degenschelm!

WRSCHOWETZ.

Schlag Gold dir, armes Schwert, vom Schelmenhelm!


Erhebt sein Schwert gegen ihn, Domaslaus legt sich in Schutz, sie beginnen zu fechten. Libussa tritt mit einigen Mägden auf, die Streitenden fahren auseinander. Ziack steigt vom Baume nieder.


LIBUSSA.

Ha, Feinde! weh mir, Schlimmres muß ich sehn!

Der junge Sieg, kaum unserm Schwert entsprungen,

Muß innerm bösen Streit entgegengehn!

Entweihst du so, o Wrschowetz, das Schwert,

Das du, mich wählend, gestern kühn geschwungen?

Wird so, o Domaslaus, dein Beil entehrt,

Das mir zur Ehre gestern du erhoben?

Ist leer der Stuhl des Chech, daß jene Waffen,

Die gestern feste Treue mir geloben,

Sich heute eigenmächtig Recht verschaffen?

Mein Schreiber Ziack, du ehrest das Gesetz,

Sprich, wie brach hier der Streit der Männer aus?

ZIACK.

Du buhlst um eine Kuh, sprach Wrschowetz;

Du buhlst um eine Gans, sprach Domaslaus.

LIBUSSA.

Mit dieser Kuh, sprich Wrsch, was meintest du?

WRSCHOWETZ.

Beim Peron, andres nicht als eine Kuh,

Des Stieres milchreich Weib, das fromme Wesen,

Am Haupt der Gabel gleich, am Schweif dem Besen!

DOMASLAUS.

Er lügt, ich suchte dich, o freche Stirne!

LIBUSSA.

Was meintest, Domaslaus, du mit der Gans?[617]

DOMASLAUS.

Beim Peron, keine Gans, nein, eine Dirne,

Des Menschen Weib, die ins Gesicht des Manns

Liebkost und hinterm Rücken grimmig haßt.

WRSCHOWETZ.

Ich suchte dich, er lügt, der freche Gast!


Wlasta, Stratka, Scharka und die Mägdlein kommen zurück, sie führen Moribud gebunden.


WLASTA.

Sieg! Sieg! durch Stratkas Hand gebunden,

Sieh hier den Sohn des Königs der Avaren,

Den Moribud.

STRATKA.

Durch Wlasta überwunden,

Sind ihm gesunken seine stolzen Scharen.

LIBUSSA.

Euch werde hoher Lohn vor aller Welt!

Dir, Stratka, schenk ich den Gefangnen hier,

Erschlage ihn, mach ihn zum Sklaven dir,

Laß frei ihn gegen reiches Lösegeld;

Mit kühner Tat getilgt ist deine Schuld,

Den preis ich selig, der in deiner Huld.

STRATKA zu Wrschowetz.

Dich preist Libussa, nimm den Königssohn,

Den ersten Mann, den ich gefangen habe.

WRSCHOWETZ.

Nicht hütet mich ihr Lob vor seinem Hohn;

Nähm ich von einer Dirne solche Gabe,

Er dächte, selbst läg ich in ihren Banden;

Gebrauch ich einen, fange ich mir einen.

STRATKA.

Nimm ihn von mir, es ist zum Tausch verstanden,

Den ersten, den du fängst, mach du zum meinen.

WRSCHOWETZ.

Ein jeder sei des eignen Sklaven Wächter,

Ich nehm ihn nicht von dir, und geb dir keinen.

Für Königssöhne nähmst du Königstöchter,

Nicht zahl ich einer Magd so hohen Preis.

STRATKA.

Halt ein, o Wrschowetz, Libussa weiß –

WRSCHOWETZ einfallend.

Daß herrlich sie, das weiß sie nicht von dir.

STRATKA.

Weh mir, daß du mich liebest, sagt ich ihr!

WRSCHOWETZ.

Verfluchte Zunge, die sie so belog,

Unselger Mund, der, Stratka, dich betrog,[618]

Armselig Herz, das jedem Kusse glaubt,

Den um die Herrin man der Magd geraubt.

So werf vom Harnisch ich das bunte Fell

Des trügerischen Liebesgotts, des Lel,

Für einen Krieger ist er kein Gesell;

Fahr wohl, o Stratka, und verstehe Scherz!

STRATKA.

Weh mir! weh mir! der Zorn bricht mir das Herz!

MORIBUD.

Lös meine Bande, Magd, den Lügenheld

Erschlag ich dir, er sei mein Lösegeld!

LIBUSSA.

Schweig, Sklave, denke deiner eignen Schmach!

STRATKA.

So groß ist fremde, ohn sich zu vermessen,

Durft er vor ihr die eigne Schmach vergessen.

LIBUSSA.

Gedenke, Stratka, wie ich zu dir sprach:

Dich wird des Buhlers frecher Undank zwingen,

Die Zunge, die ihm diente, zu verschlingen!

Wer Königssöhne fängt, verzweifle nicht,

So ihm gemeines Wild das Netz durchbricht.

WRSCHOWETZ.

Du höhnst zu hart mich, der die Magd betrog,

Denn jeder Adler, der zur Sonne flog,

Wählt erst die Zeder sich zum hohen Sitze,

Eh er den Flug zur Sonne wagt zu richten;

Von dort, gewöhnt an Strahlen und an Blitze,

Mag kühner er zum Licht die Flügel lichten.

Sich so nicht nähernd erst mit listgem Witze,

Dürft leicht des Lichtes Fülle ihn vernichten.

Nur um die Sonne diente ich dem Strahl,

Ich schwang mein Schwert, und brach die träge Wahl.

DOMASLAUS auffahrend.

Nicht du allein, ich brach mit diesem Beil

Der Wähler Zweifel zu Libussens Heil!

WLASTA.

Rast ihr, ihr wollt wohl gar mit Schwert und Beilen

Euch hier in unsre hohe Fürstin teilen?

LIBUSSA.

Nie dank ich euch, ich hab es nie begehrt,

Ein Reich, das ihr mir gabt, ist nichts mir wert.

WRSCHOWETZ zieht das Schwert.

Sei nochmals Zunge mir, heraus, mein Schwert,

Daß ich Libussen liebe, sage laut![619]

DOMASLAUS hebt sein Beil.

Dies Beil dir deine Vorhand niederhaut.


Sie dringen gegeneinander.


STRATKA.

Erschlage ihn, denn ich war seine Braut!

LIBUSSA tritt zwischen sie.

Recht, Frevler, so gering war euch mein Wert,

Daß ihr aus niedrer Selbstsucht mich erwählt.

O schlechte Liebe, die erst mein begehrt,

Sieht mit dem Stab des Chech sie mich vermählt.

Doch schlecht ist schlechte List euch hier geglückt,

Ihr habt mich der Begierde selbst entrückt.

Mich lieben durftet ihr; vor manchem Weib

Hat Lado herrlich mir geschmückt den Leib.

Doch nicht nach meinem Kranz, nein, nach der Krone

Streckt ruhestörend ihr die freche Hand.

Eh ihr gedient, wollt herrschen ihr im Land,

Deß klage ich euch an vor meinem Throne!

Welch Zeichen führst du, Wrschowetz, im Schild?

WRSCHOWETZ.

Die Säge, Fürstin, Krokus gab dies Bild

Dem alten Wrsch, weil er ohn Widerstand

Kroks heilge Eiche ungefällt verließ,

Als er ihm, was er nicht gewußt, verwies.

LIBUSSA.

Wie kömmt ins Schild dir, Domaslaus, das Beil?

DOMASLAUS.

Mein Vater nahm an jenem Holzschlag teil.

LIBUSSA feierlich.

Wen du berührst, Geschick, der muß verderben,

Die Sünde sah von Kind zu Kind ich erben,

Die Väter legten Hand an Krokus' Eiche,

Die Söhne legen Hand an ihre Zweige –

Und ineinander leg ich eure Hände;

Auf daß ich wie der milde Krok vollende,

Verzeih ich euch, vertraget euch in Güte!

Der finstre Tschart, der alle Flüche höret,

Die Bilder eurer Schilde euch behüte!

DOMASLAUS.

So höre, Fürstin! Domaslaus hier schwöret: –

LIBUSSA.

Nicht sprich den Eid aus bei so kleiner Sache;

Wer oft die Götter ruft, reizt ihre Rache.[620]

Der Männer Handschlag sei ein fest Gesetz,

Wer treulos ist, wird auch meineidig sein.

DOMASLAUS reicht ihm die Rechte.

Um unsrer Väter Freundschaft, Wrschowetz!

WRSCHOWETZ.

Wir stehn in gleichem Weh, ich schlage ein.

LIBUSSA.

Nun zeige, Wrsch, um mich dich als ein Held,

Die Feinde, deren Vortrab Wlasta schlug,

Vernichte gänzlich auf dem böhmschen Feld.

Nun zeige, Domaslaus, daß nur dein Pflug

Um mich allein so vieles Gold erpflügt;

All deine Macht, der seinen beigefügt,

Vertilgt der Feinde Spur in diesem Land;

Zu Führern meines Heers seid ihr ernannt.

Versammelt eurer Knechte starke Scharen,

Und ziehet morgen schon gen die Avaren.

Seid reich und stark zum Schutze meines Throns,

Tilgt eurer Schilde Schuld in Feindes Blut,

Siegreich gewärtiget euch hohen Lohns,

Ein kühner Arm erringet hohes Gut!


Sie beugen sich vor ihr.


STRATKA.

Vergönne nun das Wort, Libussa, mir!

Ich löse, Moribud, die Fesseln dir;

Zieh hin zu deinem Vater, sprich: Die Magd,

Die einen Mann geliebet, warf mich nieder,

Die Magd, die keinen liebt, befreit mich wieder,

Und aus dem Lande unterm Thron der Magd

Zieht nun der Magd Verräter, dich zu treiben!

Doch mußt du noch der Magd verpflichtet bleiben,

Bis du den Wrsch erschlagen in dem Feld;

Denn seine Zunge ist dein Lösegeld.


Sie löst Moribuds Fesseln.


LIBUSSA.

Genug, zieh, Moribud, befiehl den Deinen,

Den böhmschen Grund und Boden zu verlassen,

Sonst wird das Schwert der Jungfrau sie erfassen;

Und stünden dicht sie, wie in diesen Hainen

An Zahl und Kraft die Stämme sind gescharet,

Soll Domaslaus, der seines Beiles Schläge

Mit Wrschowetzens scharfgezahnter Säge[621]

Zu meines Willens Diensten nun gepaaret,

Sie lichten, daß die Geister der Avaren

Wie Rabenschwärme zu dem Abgrund fahren!

MORIBUD.

Zu gut gehalten deiner Drohung Wert,

Sag, hohe Jungfrau, was du Böhmen nennst?

LIBUSSA.

So weit als Rauch von einem böhmschen Herd

Zum Himmel steigt und in der Sonne glänzt,

So weit als mein jungfräulich Ehrenschwert

Dem Feinde Trutz, dem Freunde Schutz gebietet,

So weit und weiter ist dies Land begrenzt.

Böheim nenn ich der milden Täler Schoß,

Von goldgeherzter Berge Kranz umfriedet,

So weit die Chechen nach der Götter Los

Mit Pflug und Herde wandernd ihn durchzogen,

So weit sie fortan ihn durchziehen mögen;

Ich nenne Böheim, wo auf Ährenwogen

Im goldnen Scheffel schwimmt der Siwa Segen,

Der europäischen Jungfrau Brustgeschmeid,

Das Schmuckkästlein zu ihrem Ehrenkleid,

Voll Perlen, Edelsteinen und Granaten,

Den reichen Schatz voll aller Götter Gnaden,

Hier vor dem Thron Libussens aufgestellt,

Der Schmuck, das Kleinod, ja das Herz der Welt.

MORIBUD.

Da dieses Herz an dich verloren ging,

Schäm ich mich nicht, daß mich ein Mädchen fing,

Nenn' Böheim, wo die herrlichen Jungfrauen

Auf falsche lügenhafte Männer schauen,

Wo Fremden, die die Jungfrau konnt besiegen,

Die Männer endlich werden unterliegen.

Libussa, voller Mond, gleich den Gestirnen

Umglänzen dich die auserwählten Dirnen,

Wer möchte unter solchem Himmelsschein,

Gediehen Männer hier, ein Mann nicht sein!

LIBUSSA.

Schweig, Übermut, denn Böheim heißt das Land,

Soweit dich schlagend trifft der Böhmen Hand.

MORIBUD.

Leb wohl, Libussa; Stratka, ich bin dein,

Bis daß dein Lösegeld gezahlt wird sein;

Lebt wohl, ihr Männer, bis auf Wiedersehen![622]

DOMASLAUS.

Auf Niederschlagen!

WRSCHOWETZ.

Und auf Niedermähen!

MORIBUD.

Schon' deine Zunge mir, mein Lösegeld,

Du falsche Ader in dem Herz der Welt!


Ab.


WRSCHOWETZ.

Mich treffe deines Hohnes ganze Schärfe,

Bis ich der Magd dein Haupt zu Füßen werfe.


Mit Domaslaus ab.


LIBUSSA.

Ich atme frei, wie lohn ich deinen Mut?

Wlasta, mein treues Schild, komm an dies Herz.


Sie umarmt Wlasta, ihr Schleier wird blutig.


Gieb, Stratka, mir zur Hälfte deinen Schmerz.


Sie umarmt Stratka; als sie Scharka umarmen will, ruft Ziack aus.


ZIACK.

Libussa, weh! dein Schleier ist voll Blut!

LIBUSSA.

Wer ist verwundet, und verhehlt es mir?

WLASTA.

Es ist mein treues Blut, ich schenk es dir;

Den zweiten Pfeil, der dir gegolten, fing

Mein Arm hier auf, es hat der goldne Ring

Mir schwach die neue Wunde nur geschlossen,

Die, dich umarmend, freudig sich ergossen!

LIBUSSA.

Dich zu verbinden, muß den Ring ich nehmen.


Sie nimmt Wlastas Armring von der Wunde, und steckt ihn sich an den eignen Arm, zerreißt dann ihren Schleier, und verbindet sie.


WLASTA.

Wär diese Wunde groß wie deine Huld,

Sie wär ein Tor, die Seele auszuströmen,

Die mir zur Riesin wächst an Dank und Schuld.

LIBUSSA zieht nun ihren eigenen und Wlastas Ring vom Arm, vertauschet beide, ohne daß Wlasta es bemerkt, und schiebt Wlasta ihren eigenen, nämlich Libussens Ring, über den Verband; den Ring Wlastas aber wickelt sie in den mit Blut befleckten Zipfel des Schleiers, den sie vorher abgerissen hat, als sie Wlasta verband.

Leg diesen Ring nie ab, er bringt dir Heil!

Ich hüll den meinen in den blutgen Teil

Des Schleiers, leg' ihn in die frische Quelle,

So kann die Wunde sich nicht bös entzünden.

Verlosch das Licht erst in der kühlen Welle,

Dann wirst du auch den Arm geheilet finden.[623]

Den Stein werf ich darauf. An dieser Stelle

Will eurer Tugend ich ein Denkmal gründen.

Dir, Wlasta, Stratka, Scharka, sei verliehn

Die Waldhöh hier, ihr Name sei Djewin.

Von hier geh böhmscher Mägdlein Ehre aus,

Hier bauet euch ein festes Waffenhaus.

Geh hin, mein Ziack, du sollst mir Blumen pflücken,

Ich will die Siegerinnen festlich schmücken.


Ziack bricht im Hintergrunde Kräuter.


Mit Streitgetös und gräßlichem Geheule

Zog vor euch her des Krieges Angstgebild,

Die Schlachtenriesin Jagababa wild

Trieb rasselnd vor euch her mit erzner Keule

Den Eisenmörser, ihren Siegeswagen,

In dem sie steht auf starken Knochenfüßen.

Wo sie erschien, da war der Feind geschlagen

Und mußte seinen tollen Frevel büßen.

Ein glühnder Besen, Wlasta, war dein Schwert,

Der ihre Bahn von Feinden rein gekehrt.

Füg einen Stein dem Ehrenmale zu.

WLASTA legt einen großen Stein auf den Libussens.

Auf ihrem Ringe, meinem Blute, ruh!

LIBUSSA.

Gleich einer Löwin sprangest, Scharka, du,

Die Schilde reißend von der Feinde Brust,

Daß sie geworden unsrer Pfeile Lust;

Gieb deinen Stein!

SCHARKA.

Hier sei der Männer Grenze!


Wirft ihren Stein darauf.


LIBUSSA.

Stratka!

STRATKA.

Das Mal vollendet, daß ichs kränze.


Die ganze Schar wirft Steine darauf, bis sich eine Pyramide bildet.


LIBUSSA zu Stratka.

Der Lieb, des Kampfs, des Siegs, der Rache Kranz,

Setz du ihm auf, du warst heut herrlich ganz!

STRATKA mit steigendem Schmerz.

So weint um Herrlichkeit, mich hat erschlagen,[624]

Der mir der Liebste war, ein giftger Drache.

Der armen Lieb, dem armen Sieg zur Rache

Muß ich Elende dem Geschlecht entsagen.

Kein Weib mehr bin ich, jene war ein Weib,

Die schwach vertraute eines Mannes Schwur.

Versteine, Herz, verwilde, zarter Leib,

Zerrissen ist mein Band mit der Natur!

LIBUSSA.

Halt ein, o Jungfrau, reiz den Himmel nicht!

STRATKA heftiger.

Verflucht sei jeder, dem ein Bart entspringt!

Der dir, der mir, der einer andern Magd

Mit Schmeichelreden böse Fesseln schlingt,

Und fleht, und drängt, und schlingt, und schwört, und klagt,

Bis er ihr löst den Gürtel ihrer Zucht,

Daß sie, gebunden mit [des] Schoßes Frucht

An seinen Herd, die Sklavin ekler Lust,

Des Elends Lasttier, seines Hofes Besen,

Dem Kind verzweifelnd flucht an müder Brust,

Die herrlich, frei und selig sonst gewesen.


Es hebt sich ein Sturm.


LIBUSSA.

Die Götter zürnen, Stratka, halte ein!

STRATKA in höchster Leidenschaft.

O rase, Sturm, ich kenn dich, Angstgeselle!

Der gepeitscht des Blutes ruh'ge Welle,

Bis der Elende seinen Zweck erzielt;

Du bist es, der mit schwüler Angst mich drängte,

Daß ich mich an des Mannes Hals erhängte,

Du bist es, der mit den Erhängten spielt!

Den Männern Fluch! o rase, Sturm, und schwelle

Der Zeit die Segel, daß an dieser Stelle,

An diesem Steine das treulos bemannte

Weltschiff in rettungslose Trümmer strande.

Stürz in die Flügel, Sturm, den bösen Drachen,

Und treib sie in der Rache offnen Rachen;

Fluch ihnen, rase, Sturm, ich rase nicht –

Es wächst die Zeit, die unsre Fesseln bricht,

Die Zügel legt sie in der Frauen Hand,[625]

Die jetzt so schmählich in den Pflug gespannt!

Der schwarze Stein, der meinem Herzen gleicht,

Das fortan keine Träne mehr erweicht,

In dem die durstge Rache, hart und kalt,

Die dunklen Riesenfäuste zitternd ballt,

Er gebe meinem Fluch Gewicht, Gewalt!


Sie legt einen schwarzen Felsblock auf das Denkmal, es donnert in der Ferne, Ziack legt einen Haufen Kräuter zu Libussens Füßen.


LIBUSSA mit frommem Ernste.

Weh dir! die Götter murren deinem Fluche!

O reißt, ihr Stürme, die im Haine rauschen,

Der Dirne Notwort aus dem finstern Buche

Der Unterirdschen, die den Flüchen lauschen!

Der Goldring, der hier ruht im blutgen Tuche,

Mög ihren Fluch mit gutem Segen tauschen.

Die Götter hüten, Stratka, deine Stärke,

Ich werde richten über deine Werke;

Wie du erziehst die Seele, wird sie bleiben

Dein Hausgenoß, du kannst sie nicht vertreiben.

Reicht mir den Meth, trink ab, unschuldger Mund,


Ziack, der ihr das Trinkhorn reichte, trinkt ab.


Seid uns versöhnt, ihr in der Tiefe Grund.


Sie trinkt, und gießt den Rest auf den Siegstein.

Die Mägdlein nehmen die Blumen, welche Ziack zu Libussens Füßen geworfen, und schmücken ihre Mützen und Helme mit ihnen.


LIBUSSA.

O haltet ein, was ist dies, Unglücksknabe?

Weh mir! daß ich dir anbefohlen habe,

Die Sträußer zu der Mägde Schmuck zu brechen!

Hinweg mit ihnen, wißt ihr, was sie sprechen?

Dies hier ist Frauenkrieg, dies Mägdekrieg,

Dies Weiberkrieg!

WLASTA.

Es wollen unsern Sieg

Die Götter durch dies Zeichen anerkennen,

Gönn uns den Schmuck!

LIBUSSA.

Ich seh den Ginster brennen;

Es ist, als trügt ihr Flammen in dem Haar.

STRATKA.

Du bist der Stern, wir die Kometenrute.[626]

SCHARKA.

Erleucht' die Nacht, wir geißlen die Gefahr,

Es sprosset dieser Strauß aus unsrem Mute.

LIBUSSA.

Nicht zwing ich dich, du freudig kühne Schar!

Doch wißt, ihr tragt die Rache auf dem Hute.

Ihr dürstet, mäßigt euch, trinkt nicht so schnell,

Es schwimmt ein Schlangenei im kühlen Quell;

Es wächst in euch, und würgend von euch ringet

Sich einst das Tier, das ihr jetzt leicht verschlinget,

Und stellt sich gegen euch, und zischt euch an,

Und tötet euch einst selbst mit giftgem Zahn!

O hütet euch, die Unterirdschen lauschen,

Den neugebornen Sieg euch zu vertauschen

Mit einem Wechselbalg; den Übermut

Säugt ihr an eurer Brust mit giftgem Blut!

Das Kindlein, das aus unsern Augen blicket,

Es wächst empor, und schaut in unsre Augen,

So mild, so wild, als wir es ausgeschicket.

Soviel wir taugen, wird die Welt uns taugen.

Folgt mir, laßt uns die Blicke senken, denken

Auf unsre Bahn, die Götter werden lenken.


Sie geht mit den Dirnen ab.


WRSCHOWETZ tritt auf.

Die Winde toben, und die Donner rollen,

Und ihrer bösen Flüche Wetterkeile,

Die mich der Weiberrache opfern sollen,

Umsausen noch mein Ohr wie glühnde Pfeile!

Zerbrechen muß der Siegstein dieser Tollen,

Der fluchgeweihte, daß zu meinem Heile

Der Fluch nicht Wurzel in dem Abgrund schlage

Und böse Früchte zu der Nachwelt trage.

Für alle Männer war ihr Fluch bestimmt,

Ich bin allein als Feind ihr nicht genug.

Welch Riesenweib ist gegen mich ergrimmt!

Den ungeheuren Stein, den leicht sie trug,

Erheb ich schwer!

DOMASLAUS.

Halt ein, ich helfe dir!

Was dich im Walde hielt, hielt mich auch hier;

Die Eiche fällten einig Säg und Beil.[627]

WRSCHOWETZ.

Sie sprach: Die Sünde geht von Kind zu Kind –

Doch fiel die Eiche durch des Donnrers Keil,

Daß also wir der Schuld entnommen sind.

DOMASLAUS.

So sündhaft, als Libussa redet, legen

Wir nicht die Hände an den Zweig der Eiche;

Schon unsrer Väter Schild muß uns bewegen,

Vereinet diesem jungen Weiberreiche

In seinen bösen Früchten vorzugreifen,

Die jenen Winteräpfeln ich vergleiche,

Die, grün gebrochen, auf dem Strohe reifen.

Es wird das Reich, das spröd als Mägdlein lacht,

Wird es nicht mild als Weib zu Bett gebracht,

Als eine alte Jungfrau sauer keifen.

Die Männer sollen ewig dem lobsingen,

Dem es gelingt, Libussen zu erringen.

WRSCHOWETZ.

So gleichnisweise wärst du auf der Spur,

Wie Kronen man gleich sauren Äpfeln rafft.

Galläpfel aber bringt die Eiche nur,

Der Fliege Stachel nährt die herbe Kraft,

Libussa nährt der Dirnen Unnatur.

Mir wächst zum bittern Ernst die Leidenschaft;

Die wie ein junges Roß ich leicht getragen,

Fühl treibend ich mit Sporn und Geißel schlagen.

Dreifacher Sporn treibt mich nach diesem Weib,

Der Liebe Sporn nach ihrem stolzen Leib,

Der Ehre Sporn nach dieses Landes Krone,

Des Heiles Sporn, daß hier kein Weib mehr throne.

Wer sie erringt, der sei dem andern wert.


Reicht ihm die Hand.


DOMASLAUS schlägt ein.

Wer sie erringt, den hat das Glück geehrt.

WRSCHOWETZ.

Daß Säg und Beil nicht voneinander weiche,

Laß, was der Väter dunkler Trieb versucht,

Uns sehend nun vollenden. Bei der Eiche

Ward ihnen, uns bei diesem Stein geflucht.

DOMASLAUS.

Weg mit dem Denkmal aus dem Weiberreiche!


Sie werfen die Steine auseinander.


Die Steine sind von ungeheurer Wucht,[628]

Wer glaubte, daß die Mägdlein sie gehoben;

Ein jeder wäre Last für einen Wagen.

WRSCHOWETZ.

Bestimmt, das Joch, den Mann, das Kind zu tragen,

Ist solche Kraft in ihnen nur zu loben.

Wer von uns soll Libussens Stein bewegen?

DOMASLAUS.

Laß uns vereint die Hände an ihn legen.


Sie erheben den Stein, lassen ihn fallen, und greifen zugleich nach dem Ringe in dem Tüchlein.


Nun sage, Wrschowetz, was soll dies sein?

WRSCHOWETZ.

Libussens Ring und Schleier, Wlastas Blut!

DOMASLAUS.

Ich frage, was dies ist, daß wir den Stein

Zugleich hinwarfen und mit gleicher Wut

Den Ring ergriffen, den so fest wir halten.

WRSCHOWETZ.

Ein Ringen ists, du willst ihn mir entreißen.

DOMASLAUS.

Eh ich ihn lasse, mußt du mich zerspalten.

WRSCHOWETZ.

Es schließt sich meine Faust wie Stahl und Eisen.

PRIMISLAUS bewaffnet, mit einigen Knechten.

Wo treffe ich Libussens Feinde an?

Weh, welches Blut befleckt dies weiße Tuch?

WRSCHOWETZ.

Das Blut der Wlasta, die die Feinde schlug.

PRIMISLAUS.

Heil ihr und Ruhm! Und was habt ihr getan?

DOMASLAUS.

Den Fluch, den hier ein Mägdlein ausgesprochen

Gen alle Männer, haben wir zerbrochen.

WRSCHOWETZ.

Den Siegstein ihres Übermuts zerstört.

PRIMISLAUS.

Weh euch, wenn diese Tat Libussa hört!

Was fasset ihr an diesem Ring so fest?

DOMASLAUS.

Weil jeder ungern ihn sich nehmen läßt.

WRSCHOWETZ.

Wir wissen wohl, daß du ein Ringer bist,

Und hüten ihn vor deiner Finger List.

PRIMISLAUS.

Ihr spottet mein, der ehrlich euch begrüßet;

Damit ihr diesen Frevel hier nur büßet,

Biet ich um diesen Ring den Kampf euch an.

WRSCHOWETZ.

Die Sache sei in Frieden abgetan.

Ich sprech im Scherz, und wirklich wir ihn fassen,

Als wollten wir ihn uns nicht nehmen lassen.[629]

PRIMISLAUS legt die Hand an den Ring.

So leg ich friedlich an den Ring die Hand.

DOMASLAUS.

Laß ihn, o Wrschowetz, den Ring bewahren:

Dem sei von ihm der Ring einst zuerkannt,

Der siegreich kehret über die Avaren.

WRSCHOWETZ.

So halt in treuer Hut dies teure Pfand,

Und wisse, daß wir offen hier verfahren:

Es ist Libussens Ring; beim Siegesstein

Warf sie als Grundstein ihn zum Bach hinein,

Und über ihn sprach Stratka ihren Fluch.

PRIMISLAUS.

Was aber sollt im Quell dies blutge Tuch?

WRSCHOWETZ.

Der Wlasta Ehrenwunde sollt es heilen.

PRIMISLAUS.

Wohlan, ich weiß genug, nehmt meine Knechte

In euer Heer, und ziehet ohn Verweilen

Nach Kuchel hin, dort werdet im Gefechte

Ihr Slawosch mit dem wilden Rozhon finden.

Brecht ihren Streit, sucht sie euch zu verbinden;

So mehren die, die selbst sich Feinde waren,

Gen die Avaren eure kühnen Scharen.

WRSCHOWETZ.

So wollen wir, leb wohl, bewahr den Ring!


Beide ab.


PRIMISLAUS.

O! treu, als ob er an dem Himmel hing!

Selig die Stunde, die zum Ort mich führte,

Wo solch ein Kleinod mir ward anvertraut,

Selig der Arm, den dieser Ring berührte,

Selig ihr Pflug, der jetzt mein Feld mir baut,

Es werde dieser Goldreif seine Zierde;

Dann muß er sicher mir des Glückes Braut,

Der Güterfülle mäßiges Genügen,

Den irdschen Schatz aus meinem Acker pflügen;

Dies blutge Tüchlein leg ich in die Quelle,

Die durch den Garten meiner Hütte fließt,

Daß, ausgeströmet von der reinen Welle,

Sich heilend auch des Mägdleins Wunde schließt;

Denn Ruhe hat es nicht an dieser Stelle,

Wo durch verflucht Gestein der Bach sich gießt,

Und diesem Fluch will opfernd ich begegnen,

Nicht schaden Flüche mir, ich kann noch segnen.


Ab.[630]


ZWRATKA tritt, um sich schauend, auf.

Hier ist der Ort, ich maß zehntausend Schritte:

Acht mächtge Eichen um des Planes Rand,

Ein offner Hain, ein Quell in dessen Mitte,

Links eine labyrinthsche Felsenwand,

Durch die zum Tal in waldbewachsner Schlucht

Der Quell hinlenket seiner Wellen Flucht,

Rings stehet Besemkraut und Katzenspeer,

Auch Natterkopf, Hauhechel wächst umher.

Ich irre nicht, hier ists, wie Ziack mir sagte,

Wo Moribud das falsche Glück versagte;

He, Lapack, zähle recht, und eile dich!

LAPACK tritt auf.

Zehntausend sinds, ich schlepptezählend mich

Hieher, die Ewigkeit der langen Zahl

Maß wohl mein lahmer Fuß zu seiner Qual;

Nun gieb mir auch den Wunderring zum Lohne,

Der mich in Ruhe setzt zum böhmschen Throne.

ZWRATKA.

Weh uns, die Blöcke sind umhergestreut,

Zerstöret ist der Mägde Siegesstein,

Hier mußte er, wie Ziack gesprochen, sein.

Beim Tschart, wir haben uns umsonst gefreut,

Gestohlen ist der Ring; Fluch! Fluch ihm Tschart!

LAPACK.

Unselig Weib, das ist so deine Art,

Nur Flüche deiner armen Kunst gelingen,

Die Schätze riechst du, und wenn sie versinken,

Willst du mit Flüchen gern zurück sie bringen,

Mich läßt du für die Langeweile hinken.

ZWRATKA.

Was schimpfst du mich, faß selbst dich bei den Ohren,

Nur prahlen kannst du, und mit Prahlerei

Hast du am Wahltag nur dein Recht verloren.

Ich leg das Ei, du gackst, und dein Geschrei

Ruft schnell den Dieb herzu, der es uns stiehlt.

Kann ich davor, daß Moribud schlecht zielt,

Die Pfeile hatt ich ihm in Gift gelegt,

Das in den Wunden wilde Brunst erregt.

Kroks Töchtern gab die Zauberäpfel ich,

Die an den Dienst des schwarzen Tscharts sie binden.[631]

LAPACK.

Und alle deine Flüche treffen dich,

Die Pfeile wußten Wlastas Herz zu finden;

Es wütet nun dein Gift im eignen Blut.

ZWRATKA.

Elender Mann, ist sie nicht deine Brut?

O daß ich je mit dir mein Bett geteilt!

Du brachtest in ihr Blut des Krokus' Art,

Sonst wäre bei der Mutter sie verweilt,

Dir fluche ich in deinen roten Bart:

Du hast sie in der Fürstin Dienst gehetzt;

Den klugen Ziack ich auch durch dich verlor.

LAPACK.

Wie toll das hier im Zorne mich umschwätzt!

Ja, deinen armen Künsten beugt ich vor:

Du hättest ihn mit Hexenzwirn umsponnen,

Nun hast du einen Kundschafter gewonnen,

Er trägt dir zu, du darfst um ihn nicht sorgen,

Du lehrtest ihn an allen Wänden horchen.

Doch was der Zauberäpfel Kraft verspricht,

Das dient dir schlecht, denn nimmt der schlaue Tschart

Die schönen Töchter Kroks sich erst in Pflicht,

Dann hüte du dein Recht; er hat des Kuckucks Art,

Und brütet gern in einem fremden Nest;

Gieb acht auf deinen Freund, und halt ihn fest!

ZWRATKA.

Fluch dir! Fluch dir! Was schwätzest du von Pflicht,

Was meinst du, kahler Prahler, mit dem Nest,

Was sprichst vom Kuckuck du? Ins Angesicht

Sag deinen Frevel mir, du giftge Pest!

LAPACK.

Still, still, mein Weib, es rauscht hier in dem Laube.

ZWRATKA.

In deine Zunge dir die kalte Gicht!

Sag her, sag her, ich stehe dir hier fest.

Zerreiß mich, Geier!

LAPACK.

Schweige, meine Taube;

Sieh, Wlasta naht.

ZWRATKA.

Nein, sprich, beim schwarzen Tschart,

Ich raufe dich, ich will, ich muß es hören!

LAPACK.

Halt, weise Frau! O schone meinen Bart,

Laß unsren Streit nicht ihre Achtung stören.

Drei Nächte seien dein zur Maienfahrt!

ZWRATKA.

Die kannst du, Hinkender, mir doch nicht wehren.[632]

LAPACK.

Ein Pferdefuß ist freilich schönrer Art;

Mehr als den Augapfel liebst du die Hufe,

Denn dieser mußte vor dem Pferdezeichen

Aus deinem linken Aug ins rechte weichen,

Worin du zweie wälzest im Berufe.

ZWRATKA.

Ich lobte wahrlich jedes Hufs Natur,

Fänd ich auf deiner Stirne seine Spur!

WLASTA tritt erstaunend auf.

Was muß ich sehn, weh! das ist unerhört!

Wer hat der Mägdlein Siegesstein zerstört,

Wo ist Libussens Ring, wo ist mein Blut,

Die unter Steinen hier im Quell geruht?

ZWRATKA.

Wir gingen selbst hieher, den Ring zu suchen,

Und können nichts hier als dem Diebe fluchen.

WLASTA.

Dies Mal zerstörte nur der Männer Spott,

Es strafe sie dafür der finstre Gott!

ZWRATKA.

Weh um den Ring, an ihm hängt hohes Los,

Wer ihn besitzt, der wird vor allen groß,

Und weh Libussen, die ihn so verlor!

WLASTA.

Der ihn besitzt, er steige nie empor,

Fluch allen, die den Siegstein frech zerschlagen,

Ich eile, vor Gericht darum zu klagen.

Ich habe schon die Männer rings gerufen,

Sie sammeln heut sich an des Thrones Stufen;

Zu Primislaus allein wollt ich noch gehen,

Und traf ihn in dem Walde. Oft gesehen

Hart ich ihn früher schon, doch ganz verwirret

Hat mich sein Anblick heut; es brannte

Die Wunde mich am Arm, daß ich verirret

Hieher zu diesem bösen Schauspiel rannte!

Jetzt lasset mich, ich eile vor Gericht.

LAPACK.

Das lasse sein, mein Kind, es hilft uns nicht!

Denn findet sich auch, wer den Ring genommen,

Wird doch der Ring nur an Libussen kommen.

Zu unserm Heil ging ihr der Schatz verloren,

Wir suchen ihn, und du sollst sein genießen.

So herrlich als sie selbst bist du geboren,

Ja herrlicher, wie ich zur Wahl bewiesen.[633]

WLASTA.

Was du gesprochen, Vater, bleibet mir,

Es fiel dein Wort in eine gute Erde,

Ich sinne, was ich bin, und was ich werde,

Und räche deiner Spötter Hohn an dir;

Doch sage, Mutter, wie ich glauben soll,

Daß jener Ring so hoher Kräfte voll!

ZWRATKA.

Niva, Libussens Mutter, war ein Wesen,

So unbegreiflich stark, so leicht und zart,

So kunstreich und geheimnisvoller Art,

Daß keiner je erfuhr, wer sie gewesen.

Mit Chech kam nicht ihr Stamm in dieses Land,

Und niemand war auch hier, der ihr verwandt.

Auf ihrer Herkunft ruhet Finsternis,

Doch daß ich sie gehaßt, weiß ich gewiß.

Als Krok mit ihr gelebt, stieg er empor,

Da hab ich seines Bruders Sohn genommen,

Den Vater Lapack. Ich kann nicht davor,

Daß wir im Glück gen Krok zurückgekommen.

Doch quälte mich, sie, die doch unsersgleichen,

An Glück und Habe nimmer zu erreichen.

Mit Niva saß ich einst im Mondenschein,

Und als wir so von unsrer Frucht gesprochen,

– Eh ihr geboren, war es zwanzig Wochen –

Da klagte ich ihr meines Herzens Pein

Und bin vor ihr in Tränen ausgebrochen,

Sie ward gerühret, und gestand mir ein:

Des Krokus' Glück hängt an dem goldnen Ring,

Den er von mir am Hochzeitstag empfing.

Nun ward mein Sehnen nach dem Ringe groß,

Ich klagte ihr des Mutterherzens Sucht,

Und mächtig rührtest du dich mir im Schoß.

Sie war besorgt um mich und meine Frucht,

Ich riß ihr flehend ein Versprechen los,

Das ich mit aller Liebe nur gesucht.

Sie sprach zu mir: Es nahen sich die Zeiten,

Daß ich auch solchen Ring dir kann bereiten,

Der alle tausend Jahre nur gelingt,

Das Werk ist wunderbar, und schwer bedingt.[634]

Ich trieb sie an, sie sammelte das Gold,

Das in dem tiefen Bett der Moldau rollt,

Sie schmolz, sie goß, ich mußt den Blasbalg treten;

So fertigte den Ring sie mit Gebeten;

Es ist derselbe, den am Arm du trägst,

Und wenn du ihn zu jenem Ringe legst,

Kann selbst ich nicht die Ringe unterscheiden,

Doch ist die Form nur ähnlich in den beiden.

Den glühnden Ring nahm sie mit heiler Hand,

Und sprach zu mir; Laß sehn, ob auch dies Pfand

Des ewgen Glückes dir mit Recht gebührt,

Sonst ist er nur ein Ring wie andre auch;

Ich griff nach ihm, und warf ihn, bös verbrannt,

Zur Erde fluchend hin; ein dichter Rauch

Umwölkte mich; da nahm sie meine Hand,

Und heilte sie mit einfachem Berühren,

Und sprach: Dir will kein solcher Ring gebühren,

Doch darf ich dir ihn wohl zur Zierde lassen.

Ich nahm den Ring, und ging, und mußt sie hassen.

WLASTA.

O, hätte früher ich den Ring gekannt!

Oft hielt ich ihn schon spielend in der Hand,

Libussen hätte ich im Schlaf belauscht,

Und leicht des Glückes Ring ihr abgetauscht.

Doch sagt, kennt nicht Libussa diesen Ring?

LAPACK.

Mein hohes Kind, ihr Kennen ist gering,

Sie liest nicht, schreibt nicht, wie sie selbst gestand,

Ihr goldner Frosch hat mehr als sie Verstand;

Verschlossen ist ihr die Vergangenheit,

Wie andre tappt sie dunkel in der Zeit.

Zukunft so viel, als wohl ein Gänsehirn

Vom Wetter merkt, liest sie aus dem Gestirn;

Die andern Tiere findens im Geruch,

Wenn sich die Katze leckt, dann kommt Besuch.

O Kunst des Federviehs! den Hals gestreckt,

Den leeren Gänseblick in blaue Ferne,

Sieht sie das Buch der Zukunft aufgedeckt,

Und hält die Sterne wohl für Haberkerne,

Bis mit Geräusch ein Hofhund sie erschreckt.[635]

Sie weiß kaum mehr, als mir zur Nacht die Sterne

Noch auch wohl sagen, wollt auf übermorgen

Ich gern für ungelegte Eier sorgen.

WLASTA.

Doch weissagt sie, und was sie weissagt, trifft.

Nicht mindert ihre Kunst des Neides Gift,

Ihr machet sie nicht kleiner, als sie ist.

ZWRATKA.

O Wlasta, willst du ewig blind denn sein?

Daß du nie größer werdest, als du bist,

Weil du es kannst, hat dich dies Weib allein

So ganz betört mit ihrer armen List,

Zu spät siehst du einst deine Torheit ein;

Denn in der andern Schwestern klugen Reihen

Ist sie die schwächste gar von allen dreien.

War jemals in dem Chor der weisen Frauen

Zur Maiennacht sie einmal nur zu schauen?

Laß ich sie mit dem Zauberfrosch gleich spielen,

Wird nie sie doch der Frösche Kron erzielen;

Den Stein des Raben, der unsichtbar macht,

Sie kennt ihn nicht; wie klein ist ihre Macht!

Nicht keilt sie in den Eichenpfahl die Pest,

Sucht nicht die Springwurz durch des Spechtes Nest,

Nicht kann sie Mörder, Lügner, Hehler, Dieb

Mit scharfem Blick erkennen durch das Sieb.

Was kann sie dann? Kann sie Verlornes finden,

Kann sie den Räuber durch ein Sprüchlein binden,

Ward jemals sie zum Trutze aller Geister

Des wunderbaren Farrensamens Meister,

Kann Feuer sie, kann Wasser sie besprechen,

Mit ihrer Faust den heißen Himmel brechen,

Und, Wolken führend an den Fingerspitzen,

Die durstge Erde laben mit dem Regen,

Kann sie, die Stirne faltend, donnern, blitzen

Und, ihre Locken schüttelnd, Sturm erregen,

Weiß in das Feld Korallen sie zu stecken,

Um es gen bösen Hagelschlag zu decken?

Weibliche Arbeit selbst ist ihr entfernt,

Was jedes Mägdlein von der Mutter lernt,

Von ihrer Schwester, von sich selbst begreift,[636]

Sie weiß nicht, wie man näht, wäscht, steift.

Ja, alle Frauenkünste sind ihr fremd,

Sie kennt die Kraft nicht von dem Jungfernhemd;

Nicht Nestelknüpfen, nicht Zerrißnes flicken,

Nicht zu beschreien mit allmächtgen Blicken,

Sie kann kein Flechtwerk, kann kein Haarnetz stricken.

Und welche Kocherei! kein Liebestrank,

Kein Schlaftrunk, und kein weckend Wecksüpplein;

Was sie erzeugt, das macht nicht dick, nicht schlank,

Nicht Kleines groß, und Großes auch nicht klein.

Sie mißt kein Kind, und kann kein Licht bereiten,

Daß der, für den es brennt, den Tod muß leiden.

Vermögen, und Empfangen, und Gebären

Kann sie befördern nicht und nicht verwehren,

Als schadlos, hülflos Mensch und Vieh sie kennt –

Und, alle Kunst verschmähend, liefst auch du

Dem Trosse dieser Übergläubgen zu,

Die deine Mutter abergläubig nennt.

WLASTA.

Wir wandten lange, wie wir wandlen sollen,

Bis wir gelernet, wie wir wandlen wollen.

Der blinde leichte Pfeil, der Winde Spiel,

Hat statt des Schützen Ziel sein eignes Ziel,

So hat mich, der Libussen galt, getroffen,

Und sie verband mich, ich will Heilung hoffen;

Doch dieser Ring, der, wo mein Blut geflossen,

Die tiefe Wunde engend mir geschlossen,

Er drückt mich nun, ich denk an seinesgleichen.

Den Ring, den Ring, wir müssen ihn erreichen!

Zu milde ist Libussa meinem Sinn,

Und lange wird der Frauen Reich nicht grünen;

Ich fühle, was ich sein kann, was ich bin,

Ich werde keinem Manne jemals dienen;

Doch diene ich auch keinem glatten Kinn.

Hier gelte nur das Regiment der Bienen:

Die übrig bleibt, die sei die Königin.

Lebt wohl, geht zum Gericht, laßt mich hier sinnen,

Wie hier der Mägde Burg ich soll beginnen.

ZWRATKA.

Zur Nacht mußt du den Siegstein wieder bauen,[637]

Daß keiner mag des Rings Verlust erschauen.

Ist er gefunden, Wlasta, wird er dir,

Der deine liege dann als Grundstein hier.

Ich weihe dir den Ort mit allen Segen,

Des Zaubers Schule will hieher ich legen,

Der dichte Hain und dort die Felsengrotte

Sind mir bequem und meinem starken Gotte.

Hier sei sein Tempel, und hier sei mein Haus,

Hier gehe Kraft, hier gehe Weisheit aus,

Hier wollen, so den Glücksring wir erst finden,

Die Menschen und die Götter wir uns binden.

LAPACK.

Geduld, mein Weib, denk, allzu scharf macht schartig!

ZWRATKA.

Fluch dir, höhnst du den Tschart, nennst du mich Tschartig?

Nennst du mich schartig? Zupf am eignen Bart dich!

LAPACK.

Es wäre Spott, mein Weib, denn Tschart behaart mich,

Sei artig, Tschartig, schartig, Tschart bewahrt dich.

Doch weil der Scharten und des Tschartes Art ich

Nun einmal hasse, so bleib mir zu Liebe

Bei deinem rußgen Kessel, deinem Siebe.

Folg zum Gericht, und schiele nach dem Diebe.

ZWRATKA.

Du Wortverspieler, wenn ein Wort doch bliebe,

Das er nicht schimpfend durch die Kehle triebe,

Das er nicht auf der Zunge Würfel setzte,

Das er verletzend gen den Gott nicht hetzte!

LAPACK.

Als Heckpfennig bleibt eins dir stets,

ZWRATKA.

Das letzte.


Beide ab.


WLASTA allein.

Der Ring, der Ring, und immer nur der Ring!

Ich habe in der Sonne Glut geschauet,

Bis daß mein Aug in Tränen überging;

Wo Erde grünet, wo der Himmel blauet,

Folgt meinem Blick der Ring, den er empfing.

Ein Sonnenfleck wird Sonne dem, der trauet.

Du Ring des Glücks, werd ich dich an mich bringen,

Mußt mir den Mann, der mich errang, beringen.

Weh! Wlasta, dieses Herz von Kieselstein,

Aus dem nur Feindesschwerter Feuer hieben,[638]

Zu dem die Jagababa nur allein

Des Krieges ernste Pfeile sonst getrieben,

Zerschmolz vor einem Mann in süßer Glut,

Mein freies Aug sank vor des Ruh'gen Blick,

Der alle Ruh, seit er auf mir geruht,

In Angst verkehrt; o nimm aus meinem Blut,

Verbuhlter Lel, das Gift des Pfeils zurück!

Ich fühle wohl, der Pfeil, der mich getroffen,

Kam nur von dir, und ist kein Heil zu hoffen,

So beiß ich, ewgen Schmerz in meiner Brust,

Die Zähne ob geheimem Weh zusammen,

Und sterbe gern, wenn keiner nur gewußt,

Daß Wlasta lag in grimmen Liebesflammen.

Weh mir! ich blieb, hier, wo Verräterei

An Stratka ich gesehen, selbst nicht frei.

Hier, wo nicht sicher vor der Männer Hand

Der Siegsstein meines kühnen Magdtums stand.

O all die andern wünscht ich auszurotten,

So könnte keiner meiner Schwachheit spotten!

Entsetzlich ist mir bang, in meiner Brust

Kocht wilder Haß und ringet weiche Lust;

Vor meinen Augen schwebt der böse Ring.

Verfluchter Räuber! der den Ring empfing,

Der groß mich machen soll in diesem Land –

Und wär ich groß, ihn zöge diese Hand

Zu mir empor; ich hätte ihn erschaffen,

Ich zog zur Schlacht, er trüge mir die Waffen.

Mein, mein wär er! Ich hätt mich sein erbarmet,

Und wäre von dem Dankbaren umarmet.

Schweig, Wlasta, schweig! die Blätter alle lauschen,

Wie Wlasta, Stratka Lieb und Fluch hier tauschen;

Laß deinen Mut um deine Liebe rauschen,

Denn hier soll morgen eine Burg beginnen,

Wo Mägdlein fechten, bis die Männer spinnen.

Er wohnt nicht weit von hier, ich werd ihn sehn!

Durch Stratkas Haß und Wlastas Lieb entstehn

Soll hier der Männer Trutz, die Burg Djewin;

Ihr Eichen, wißt, was Wlasta hier wird blühn![639]


Szene vor Libin


Libussens Schloß auf einem Felsenlager in einfacher Bauart, ein hohes Geschoß mit hohen Fenstern, in der Mitte ein halbrunder Vorsprung mit offenen Bogentoren, aus denen Felsentreppen herablaufen und in der Ebene in einem viereckigen Torturme, auf dessen Zinnen man gehen kann, zusammentreffen. Zu beiden Seiten dieses Turmes bildet der Fels eine Terrasse mit mäßiger Höhe, auf welcher man rechts den Eingang zu Kroks Gruft und links Libussens Badegrotte sieht, von welcher ein Quell über die Felsen herabfließt. Der Vorgrund ist ein offener Eichenhain, der sich an den Seiten zum Schlosse hinanzieht.

Wrschowetz, Domaslaus, mit bewaffneten Knechten, und viele andere slavische Männer treten von verschiedenen Seiten ein, und begrüßen sich.


DOMASLAUS.

Eh noch Libussa zu Gericht wird schreiten,

Mehrt jetzt, ihr Männer, unsres Heeres Scharen,

Um, gut gerüstet, eilig die Avaren,

Die Feinde unsrer Grenzen, zu bestreiten,

Die, also frevelnd, drangen in dies Land,

Daß heut zum Raube sie die freche Hand

Nach unsrer hohen Fürstin ausgestreckt,

Doch furchtbar nicht, sie flohn vor ihren Frauen.


Murren und Lachen unter der Menge.


WRSCHOWETZ.

Gen sie, die ihre Dirnen schon erschreckt,

Will uns Libussa nun den Kampf vertrauen,

Den lieber ich nur einen Jagdzug heiße;

Drum schmückt die Mützen euch mit grünem Reise

Hier im Gebüsch. Hornruf zieh vor uns her,

Die Weiberflüchtgen stehn nicht unserm Speer.


Die Menge eilt unter dem Geschrei Hussach! ins Gebüsch, und kehrt nach und nach mit grünen Feldzeichen zurück.


WRSCHOWETZ.

Das Glück soll sich in unserm Mute sonnen,

Die Schlacht gewonnen, und das Heer gewonnen,

Sehn kühn wir unsrer Wünsche Braut entgegen.

DOMASLAUS.

Den Stolz der Krieger müssen wir erregen,

Daß Weiberherrschaft ihnen schimpflich sei.[640]

Drängt sie um einen Herzog ihr Geschrei,

Wen kann sie wählen aus der Schar als –

WRSCHOWETZ.

Einen

Von uns, mich oder dich, meinst du, sonst keinen!

Kömmt Rozhon heut mit Slawosch vor die Schranken,

Die wir zu Küchel sahn so heftig streiten,

Dann wird der Stuhl der Jungfrau heut schon wanken.

Ich kenne Rozhons Art seit langen Zeiten.

Spricht ihm Libussa hier zu Gunsten nicht,

So schmäht er ihr Geschlecht und ihr Gericht.

DOMASLAUS.

Vor Unbild sie zu schützen wird uns frommen.

WRSCHOWETZ.

Das Unsre tun wir: still, die Männer kommen!


Drzewoslaus, Lapack, Chirch, Slawosch, Druhan, Chobol, Stiason und andere treten auf, sie begrüßen sich mit Händedruck; es ertönt ein Hornruf von dem Schlosse, sie ordnen sich in einen Halbkreis.


STRATKA von dem Turme.

Ihr! ordnet euch, hört ihr das Horn nicht klingen?

Libussa richtet euch, sie naht!

ERSTER SLAVE.

Ihr? Ihr?

Wer ist so schlechtweg Ihr?

STRATKA.

Ich bin nicht hier,

Mit Worten euch zu Ehren jetzt zu bringen.

ZWEITER SLAVE.

Doch so es Not, mach ich zuschanden dich!

WRSCHOWETZ.

O schonet sie, sie ist von heut im Schwunge,

Versucht in ihrem Siegsgefieder sich.

STRATKA.

Du sprichst, Verräter, mit versetzter Zunge.

DRITTER SLAVE.

Befiehl, o Herr! willst du die Dirne preis?

WRSCHOWETZ.

Preiswürdig ist sie nicht, trägt sie am Hut,

Gleich wie ein käuflich Pferd, das gelbe Reis;

Berauscht ist sie.

STRATKA.

O trink dir einen Mut.

Doch nie an Stratka wirst du ihn mehr kühlen.

Wie Ruten sollst du meinen Strauß einst fühlen,

Denn wisse, Weiberkrieg heißt dieses Kraut.

STIASON.

O schweige, andre Namen mach ich laut,

Hauhechel, Pflugsterz, Wetzstein, Katzenspeer.

Den schlechtsten sag ich nicht, doch schau hieher:[641]

Mannsschild, Mannsharnisch bricht auf meiner Mütze

Dem Katzenspeer des Weiberkriegs die Spitze.

Und hier mit Mannsbart, mit dem Teufelszwirne,

Dem Hexenstrange binde ich dich Dirne.


Er hält ihr seine Mütze entgegen, und zeigt ihr seinen Strauß.


STRATKA.

Den Bart trägst du, Unbärtiger, am Hut,

Der mit den Gänsen noch im Streite liegt.

DOMASLAUS.

So wächst er ihm, hat er dich erst besiegt,

Zum Trinken ist zu giftig jetzt dein Blut!

STRATKA.

Doch wäre Meth mein Blut, das Wrsch vergiftet,

Den Becher riss'st du neidend ihm vom Munde,

Und söffst den Tod, und Friede wär gestiftet.


Ab.


WRSCHOWETZ.

Wie frech wird doch ein Weib in einer Stunde!

Libussa richtet euch!

DRZEWOSLAUS.

Sie wollte sagen:

Wird über Recht und Unrecht Recht hier sprechen;

LAPACK.

Auch über sich, wenn wir sie hier verklagen;

STIASON.

Den Stab vor allen diesen Dirnen brechen;

LAPACK.

Die beißt sie nicht, da gilt das Recht der Krähen.

DRZEWOSLAUS.

Nicht frevelt jetzt, das Rechte muß geschehen.


Libussens Zug geht aus dem mittelsten Bogen des Schlosses die Treppen herab. Voran spielen Hornbläserinnen einen ernsten Marsch; ihnen folgen Jungfrauen mit Teppichen und Polstern, sodann Wlasta mit der gelben Fahne Chechs, ein schwarzer Adler im roten Schilde, vor ihm ein großes kelchförmiges Becken; weiter Stratka und Scharka als Führerinnen der weiblichen Leibwache, in deren Mitte Libussa. Die Hornbläserinnen erscheinen auf dem Torturme, worauf Wlasta die Fahne steckt. Dieses öffnet sich nun; man sieht die Mägdlein beschäftigt, das Innere des Tores mit Teppichen zu behängen und mit den Polstern einen orientalischen Sitz zu bereiten. Die Wache tritt zu beiden Seiten die Stufen herab, und Libussa im herzoglichen Schmuck durch den hintern Teppich herein vor ihren Sitz. In diesem Augenblicke schweigen die Hörner auf dem Turme, und man hört in der Ferne den Schluß einer ähnlichen Musik, wie einen Widerhall.


LIBUSSA.

Begrüßet mich der Widerhall des Waldes?

Nochmals ertönt, ihr Hörner!


[642] Die Hornbläserinnen geben einen Akkord an, eine modulierte Erwiderung ertönt in der Nähe.


Diesseits schallt es.

Der Kascha Lied! Schau, flüchtge Scharka, eile!

Ihr guten Männer, gönnt mir eine Weile,

Daß ich sie zärtlich schließ an diese Brust;

Sie ists, sie ists, o teilet meine Lust.

ROZHON mit bedecktem Haupte und fliegendem Haar, den Stock in der Hand, tritt von der andern Seite ungestüm vor Libussa.

Libussa, hieher schau, gieb mir mein Recht

Gen Slawosch, gen den Schleicher, und bezeige

An mir zuerst, daß würdig dein Geschlecht

Den Richtstuhl über Männer hier besteige.

LIBUSSA befremdet.

Wer tritt ohn Gruß und Anred frech vor mich,

Wer bist du, wer dein Gegner, wer bin ich?

Noch nicht eröffnet ist hier das Gericht.

ROZHON.

So öffne es, und tue deine Pflicht,

Und gieb mir Recht: denn wisse, Colos Sohn,

Rozhon bin ich, befleckt mit grimmem Hohn,

Gewohnet bin ich nicht, Schmach zu ertragen,

Ins Antlitz hat ein Bube mich geschlagen;

Weißt du auch wohl, was eine Schande ist?

LIBUSSA.

Ich weiß es, seh es, weil du schändlich bist:

Libussa, Krokus' Tochter, Fürstin bin ich,

Es trifft mich nicht dein niedriges Betragen,

Ich schone dein, du zeigest dich unsinnig.

Warum man dich ins Angesicht geschlagen,

Das werd ich hören, weich', bis wir dich rufen,

Daß Recht dir werde vor des Thrones Stufen.

Hinweg mit ihm, trennt von des Zornes Bilde,

Ihr Jungfraun, mich!


Die Mägdlein bilden einen Kreis vor dem Throne.


ROZHON.

O widerliche Milde,

O eingelernte Kälte!


Wrschowetz und Domaslaus ziehen ihn zurück.


DOMASLAUS.

Bist du toll?[643]

ROZHON.

Ein Mann bin ich, und weiß wohl, was ich will!

WRSCHOWETZ.

O schweige, halt dich ruhig jetzt.

VOLK.

Still! still!

Hinweg mit ihm, er ist des Methes voll.


Wrsch und Domaslaus drängen ihn zurück, und suchen leise ihn zu beschwichtigen; indes tritt Kascha unter dem Vortritt von Flötenspielerinnen auf. Jungfrauen folgen ihr, die Hörner Libussas begrüßen sie und konzertieren mit den Flöten, die Schwestern umarmen sich. Libussa setzt Kascha zu ihrer Linken auf den Thron. Die Mägdlein ordnen sich, die Musik schweigt, und die Wache öffnet den Zutritt des Thrones.


DRZEWOSLAUS.

Glück wünschen diese Männer dir durch mich,

Daß du entkamst der List des Hinterhalts,

Doch alle bitten wir vereinet dich:

Vertrau nicht mehr dem Labyrinth des Walds

So kühn das Kleinod dieses Landes an;

Erwähl aus edlen Männern dir zur Seite

Die Wache nun. Es führe ihr Geleite

Dein Heil auf unwirtbarer Reise Bahn.

LIBUSSA.

Ich danke eurem Wunsch und Anerbieten,

Es wollen nicht die Götter mein Verderben,

Seid treu und einig, haltet meinen Frieden,

So kann ich festre Wache nie erwerben.

Doch nähm ich Männerwache, mir, dem Weib,

Unziemlich wär es, ja selbst undankbar,

Weil heute meinem jungfräulichen Leib

Der Jungfraun Mut ein starker Gürtel war.

Und diesen Gürtel ziere Gold der Ehre:

Euch Mägdlein dank ich Freiheit, Ehre, Leben,

Und ich will eurem Leben Freiheit geben,

Und eurer Freiheit Ehre, daß sich mehre

Die Freiheit euch, die Ehre und das Leben.

Du Wlasta, die den Pfeil statt mir empfing,

Des Schleiers Hälfte, der dir heut verbunden

Die Wunde unter deines Armes Ring,

Sei dir als Ehrenschärpe umgewunden.

Sie schmücke dich, die stets mir teuer war,

Als Führerin der freien kühnen Schar![644]

WLASTA tritt, wankend und verlegen, vor sie, und empfängt den Schleier.

Libussa, Herrin, denke, weil ich wanke,

O denke nicht, daß ich gerührt nicht danke.

LIBUSSA.

Daß du verlegen, daß du eine Kranke,

Ist, arme Wlasta, jetzt noch mein Gedanke.

Dir, Stratka, die den stärksten Feind gefangen,

Heft ich den Mantel als der Mägdlein Fahne

An deinen Speer, laß stets ihn siegreich prangen,

Daß sich zu höh'rem Ruhm der Weg uns bahne;

Die einen Mann in Fesseln hat geschlagen,

Wird gen den Sturm selbst stark den Mantel tragen.

STRATKA indem Libussa ihr den Mantel an den Speer heftet.

Häng jemals ich den Mantel nach dem Winde,

Dann, Fähnlein, meine Schmach mir überwinde.

LIBUSSA.

Du, Scharka, die dem Feind mit wildem Mute

Die Schilde von der feigen Brust gerissen,

Trag diesen Ehrenhandschuh an dem Hute:

Daß alle Mägdlein deine Kühnheit wissen,

Soll jede, die der Ehre Schar will mehren,

Die Hand gelegt auf diesen Handschuh, schwören.

SCHARKA da ihr Libussa den Handschuh auf den Hut heftet.

Wird falsch dein Glück, so werf ich, daß es büße,

Ausfordernd ihm den Handschuh vor die Füße.

LIBUSSA.

Ihr Dirnen stehet all in meinem Sold,

Von allem Eisen nehmt den zehnten Teil,

Den zwanzigsten von Silber und von Gold

Zu Gürtel, Spange, Ring, Speer, Schwert und Beil;

Die Rosse wählt und nehmet, wo ihr wollt,

Wer sie auch hat, ich mache sie euch feil.

Vor euch nur schmettre der Trompeten Schall,

Der Kraft gehört das Roß und das Metall.


Sie nimmt vier silberne Trompeten aus einem Tuche, und giebt sie Scharka, die sie den Hornbläserinnen auf dem Turme reicht.


In allen Forsten steht die Jagd euch frei.

Euch richten die drei Führerinnen nur,

Entscheidend trete dem Gericht ich bei;

Doch regt in euch sich also die Natur,[645]

Daß Jungfernstand euch nicht mehr schicklich sei,

So werbt im Wald, im Feld und auf der Flur

Die Männer euch in offner Freierei;

Jed andres Mägdlein weiche eurer Spur.

Folgt ihr dem Mann in edle Sklaverei,

So lös ich, euch beschenkend, euren Schwur,

Den Thron, den Leib, die Ehre mir zu schützen;

Gebärend und erhaltend, mögt ihr nützen.


Trompetenschall vom Turme, Stratka schwenkt die Fahne, die Mägdlein nehmen eine kriegerische Stellung an, und rufen.


DIE DIRNEN.

Heihussa, heihussa, die freie Wache der Libussa!

LIBUSSA.

Wer nun zu klagen hat, ihr Männer, klage,

Doch Rozhon eher nicht, als ich ihn frage.

ERSTER SLAVE.

Am Fluß hab ich den Garten mir erlesen,

Ich schützt und schirmte ihn mit Zaun und Rain,

Doch trüglich ist der Fluß mein Freund gewesen,

Er reißet feindlich meine Brustwehr ein

Und wälzet mir mit ungestümem Wesen

Die wilde Woge in die Saat hinein;

Libussa, sag dem übermütgen Fluß,

Daß er zu seinem Bette kehren muß.

LIBUSSA.

Dein Garten, Landmann, ist mir wohl bekannt,

Weislich hast deinen Feind du nicht genannt,

Nur bändgen willst du ihn und nicht beleidgen;

Wer unter euch will nun den Fluß verteidgen?


Alle schweigen; man erblickt eine Verlegenheit an Domaslaus.


Dich fesselt, Fluß, mein Spruch mit einem Damme,

Den nimmermehr dein Übermut verletze;

Dich, der den Armen drängte, ich verdamme;

Mit Fischen siebenfach du ihm ersetze

Die Saat, die du zerstört mit deinem Schlamme,

Ein Feldverständiger den Schaden schätze;

Den Armen drücken ist des Reichen Schande,

Und dieses werde kundgetan im Lande.

ZWEITER SLAVE.

Bei dir, Kroks weise Tochter, such ich Rat;

Ich frage: Wem gehört die Frucht der Saat,

Dem Sämann, der die Körner mühsam sät,

Dem Sturmwind, der mutwillig sie verweht?[646]

LIBUSSA.

Den Sämann lohnt nur Siwa mit den Ähren.

ZWEITER SLAVE.

So wolle, Fürstin, mir den Sturm beschwören,

Daß er austobe auf dem eignen Pfade

Und ferner nicht dem frommen Sämann schade.

LIBUSSA.

Wer will, ihr Männer, hier den Sturm vertreten?


Allgemeine Stille. Wrschowetz scheint betroffen.


Ihr schweiget rings, so muß Libussa reden:

Wenn alle Enkel Stribogs auch vom Hügel

Zur Hülfe dir herstürmten mit Gebraus,

Fall ich dir doch, o Sturm, in deine Zügel

Und pfände dich um deinen Mantel aus,

Reiß nieder dich aus deines Rosses Bügel,

Und führ es dem Beschädigten ins Haus.

Im Feld der Ehre, nicht im Ährenfeld

Tummle dein Roß, und zeige dich als Held,

Im Drachenhaus, im Sumpfhaus an Gewürmen,

Nicht an des Segens Halmen werd zum Ritter;

Die mitternächtgen Wolken, die sich türmen,

Die dunkle Wagenburg der Ungewitter,

Sollst du durchbrechen, sollst du niederstürmen,

Ich mache sonst die Lanze dir zum Splitter.

Daß so Libussa Sturmesflügel band,

Das werde kundgemacht in diesem Land!

CHIRCH.

Schenk einen Pflug mir, Fürstin weis und klug.

LIBUSSA.

Fehlt dir der Pflug? wer raubte dir den Pflug?

CHIRCH.

Es ruht ein schwerer Fluch auf meinem Pflug,

Und segenlos furcht er in meinem Lande;

Mein Vater Mann mein Söhnlein mir erschlug,

Als er vor Jahren wild im Zorn entbrannte,

Und Krok befahl, als ich drum Klage trug,

Daß ich zum Stiere in den Pflug ihn spannte;

Er zog, bis des Erschlagnen Hügel grünte

Und sterbend er sich mit dem Enkel sühnte!

LIBUSSA.

O grimmer Fall! o Rache ungeheuer!

Elender Mann! kein Segen ruht auf dir,

Verzehr auf deines Vaters Grab im Feuer

Den bösen Pflug und den verfluchten Stier

Den Unterirdischen als Söhnungssteuer![647]

Nimm neu den Stier, und neu den Pflug von mir,

Der alte dürfte dir mit scharfem Eisen

Das Feld nicht, nur das harte Herz zerreißen.

Doch weis nenn ich des Vater Krokus' Spruch,

Das Urteil mußte auch der Sohn mit tragen,

Denn wißt, es spricht der Rache heilges Buch:

Du Hand, die ihren Vater hat geschlagen,

Du Haupt, getroffen von des Vaters Fluch,

Sollst, warnend aus dem Grabe wachsend, ragen!

Es ist ein Recht der Ewigen gegründet,

Kein irdscher Richter hat es je ergründet.

Aus Tugend gehet auf ein ewges Leben,

Die Sünde trägt des ewgen Todes Blüte,

Dem Tode wird der Sünder nur gegeben,

Daß nicht der Tod erwachsend um uns wüte.

Den Tod nur töten, nur das Leben heben

Will des Gesetzes ewig strenge Güte.

Der weise Gott, am Thron des Lohns die Wache,

Wird an dem Haus der Rache schwarz ein Drache!

Wer ist der Mann, den Rozhon angeklaget?

Es werde dieser Streit nun abgetaget.

SLAWOSCH.

Ich will nicht klagend ins Gericht hier gehn,

Mir ziemet nur, ihm Rede hier zu stehn.

ROZHON tritt heftig vor.

Er klaget nicht, er hütet sich zu klagen,

Der mir, mir Rozhon, ins Gesicht geschlagen.

LIBUSSA.

Wer rief dich, Rozhon, vor des Thrones Stufen?

ROZHON.

Was brauch ich Rufs? Der Zorn hat mich gerufen,

Der mir, wenn ich den Schmeichelhund erblicke,

Die schwarze Galle hebt, daß ich ersticke.

LIBUSSA.

Eh du erstickst, sag an, was ich verschuldet,

Was Kascha, was der Jungfraun Ehrenschar,

Die lang dein niedres Toben schon erduldet,

Was dieser edlen Greise Silberhaar,

Was dieser Friedensort, der Streit nicht duldet,

Was diese Männer, diese Frauen alle?

Die du besudeln willst mit deiner Galle.

ROZHON.

So schnür ich denn mein Herz, gleich einer Magd;[648]

Doch sei es, Jungfrau, dir vorausgesagt,

Löst nicht dein Urteil gut den Nestel mir,

Zerschmettre wie ein Wetter ich vor dir.

LIBUSSA.

Ich stehe in des Volks, der Götter Schutz,

Dem Rechte biet ich Recht, dem Unrecht Trutz.

ROZHON.

Verzeih, nicht fabelweis werd ich hier klagen,

Denn ausgefabelt hat, den man geschlagen.

Mein und des Slawoschs Feld trennt eine Eiche,

Sie wirft unfruchtbarn Schatten mir aufs Land,

Und wie ich ihr auch stutz die frechen Zweige,

Tut doch ihr geiler Wuchs mir Widerstand,

Und will ich mir den bösen Nachbar fällen,

Wehrt Slawosch mir mit Knechten und Gesellen.

Sein Knecht nahm heut dem meinigen das Beil:

Da ich es höre und zum Orte eil,

Bringt Slawosch selbst das Beil zurückgetragen,

Nicht Antwort steht er mir auf meine Klagen,

Schwätzt lang und breit von treuer Nachbarschaft

Und von des Baums geheimer Eigenschaft,

Und bietet für den Fleck mir andres Land,

Sein Vater schwätzte mit, der bei ihm stand.

Doch bin ich nicht die Jungfer, die gleich tanzt

Für jeden Geiger, der sich vor sie pflanzt.

Ich nahm mein Beil, ich mußt es ihm entringen,

Und da ich es nun von mir wollte schwingen,

Traf seines Vaters Haupt des Beiles Stiel,

Der, sich verstellend, an die Erde fiel.

Da schlug ins Angesicht der Bube mir,

Ich griff ihm in den Bart, so rauften wir;

Nun mischten sich, teilnehmend am Gefechte,

In unsern Streit herzugelaufne Knechte,

Uns trennten Wrschowetz und Domaslaus,

Wlasta erschien, und rief den Richttag aus,

Vor dem ich, Rozhon, klagend hier erschien;

Nun gebe mir mein Recht, und strafe ihn.

LIBUSSA.

Was kannst du, Slawosch, zur Verteidgung sagen?

SLAWOSCH.

Daß ich nur zur Verteidgung ihn geschlagen.

Traf ungern mit dem Beil den Vater er,[649]

Nur den wilden Eber mästen;

Und wenn auch die Stürme schweigen,

Will sich doch kein Vogel zeigen

Als nur finstre Rabenschwärme,

Die mit heiserem Gelärme

Um die Eiche kämpfend krächzen

Und gleich Leichenfeldern ächzen.

Aus der wildgeborstnen Rinde

Blickt ein Bild gleich einem Kinde;

In die Augen, die nicht schauen,

Wilde Bienenschwärme bauen,

Und es ist ihm nicht zu trauen,

Denn es hörten weise Frauen,

Die da nächtlich Kräuter suchen,

Bald es beten, bald es fluchen.

Baum voll Wunder, Baum voll Schrecken!

Wer darf sich gen dich erkecken?

Nistet doch in deinem Raume

Kikimora, der im Traume,

Als die Sonne blutig neigte,

Jüngst in ernstem Nachtgesichte

Schreckenvolle Weltgerichte

Mir und meinem Vater zeigte!

Ja, wir sahn von allen Seiten

Männer mit dem Stiere streiten,

Und der Stier stieß alle nieder,

Streckte dann die Riesenglieder

Auf das blutge Leichenfeld,

Starb im Schatten wie ein Held.

Auch sahn wir zur Eiche gehen

Stark ein Weib in Kindeswehen,

Und aus ihrem Schoß erstehen

Sahn wir einen blinden Jungen,

Einen Kelch in seiner Hand.

Hat er wild ein Lied gesungen,

Daß es rings ertönt' im Land.

Als er sich emporgerungen,

Einen Hammer hochgeschwungen,[650]

Sahn wir furchtbare Gesellen

Rings sich um den Blinden stellen,

Die vom Baume sich mit Krachen

Beil- und Hammerstiele brachen.

Und nun ging es an ein Schmieden.

Wie die Funken also sprühten,

Wie die Felder rings erglühten,

Zog das Kind gleich einem Riesen

Durch die aschenvollen Wiesen;

Wälder, ganz von Eisenspießen,

Sah ich, wo es zog, entsprießen.

Hinter ihm ein Heergewimmel,

Vor ihm her ein Schlachtgetümmel,

Über ihm ein Feuerhimmel,

Bis es an des Waldes Rand

Meinem Traumgesicht entschwand.

Und mir ward der Traum gedeutet,

Daß ein spät Geschick hier liege,

Daß hier liege späte Not,

Daß an diesem Baum bereitet

Einem Helden sei die Wiege,

Einem Helden sei der Tod!

LIBUSSA.

Den Kelch trägt auch der Adler in Chechs Fahne,

Geboren bin auch ich bei einer Eiche,

Doch solchen Pfad der Himmel mir nicht bahne,

Und solchen Hammer nie der Zorn mir reiche!

Zur Eintracht ich euch, starke Männer, mahne,

Daß keines Sohn dem Kind des Zornes gleiche!

Den Baum nehm ich als Gut des Throns zurück,

Denn an die Gipfel knüpft sich das Geschick.

Ich will den Stamm dir siebenfach vergüten;

Dein Vater unter ihm begraben liege:

Bis über ihm die Streiter einstens wüten,

Bewahre er des Helden Grab und Wiege.

Du, Slawosch, aber sollst die Eiche hüten,

Daß nie ein Frevler mehr den Baum bekriege;

Auf hundert Schritte rings herrsch heilger Frieden,

Der Geister Tummelplatz sei abgeschieden![651]

So traf mein Faustschlag auch von ungefähr;

Verzeih ich ihm, hat er mich nicht beleidigt,

Verzeih er mir, daß ich mich nur verteidigt.

ROZHON.

Verzeihen, dir? ich dir? dem räudgen Hunde,

Eh schlüge ich euch beide tot zur Stunde.

LIBUSSA.

Sinnloser Mann, du mehrest deine Schuld,

Ich höre dich, er hört dich mit Geduld,

Du rasest, schmähest ihn, und schmähest mich,

Nun sag ich, schweig! sonst tret ich selbst gen dich.

Bei deiner Treue gen die Götter sage

Mir, Slawosch, was ist wahr in Rozhons Klage?

SLAWOSCH.

Den er gefährdet, heilig ist der Baum,

Mein Vater, Feld sich ebnend, ließ ihn stehen,

Aß, schlief und betete in seinem Raum,

Und will auch einst bei ihm zu Grabe gehen;

Denn aus der Eiche stieg zu ihm ein Traum,

Ein Weltgesicht, auch ich hab es gesehen,

Ja heilig, wundervoll ist diese Eiche,

Die Nachwelt lauscht und rauscht in ihrem Reiche.

Geschwätzig, da sie nachbarlich einst pflügen,

Erzählt mein Vater Rozhon sein Gesicht,

Und welche Früchte diese Zweige trügen;

Doch dieser frevelt, ehrt die Götter nicht,

Lacht meines Vaters, straft ihn schimpfend Lügen,

Der als ein Greis zu ihm ermahnend spricht,

Und er, auf daß er seine Bosheit zeige,

Treibt nächtlich einen Nagel in die Eiche.

Seit jener Untat ist der Streit entstanden.

LIBUSSA.

Rozhon, wirst du noch immer nicht zuschanden?

Triebst du den Nagel in des Slawoschs Eiche?

ROZHON.

Ich trieb den Nagel in des Niemands Eiche!

LIBUSSA heftig.

Du triebst den Nagel in Libussens Eiche,

In Slawoschs Eiche, ja in Perons Eiche.

Nun sprich, warum triebst du ihn in die Eiche?

ROZHON.

Was frägst du mich gleich einen Buben aus?

LIBUSSA.

Ich frag dich nicht gleich einen Buben aus,

Du aber sprichst, wie nur ein Bube kann,[652]

Doch werde dir dein Recht wie einem Mann.

Verkünde, Slawosch, laut der Eiche Wesen,

Und was im Traume ihr bei ihr gelesen.

SLAWOSCH.

Auf dem Hügel steht die Eiche,

Sie ist wunderbar gestaltet,

Und in ihrem Schatten waltet

Schauer wie im Geisterreiche;

Ihre Wurzeln seltsam greifen,

Seltsam, aber klar und helle

In den Abgrund, oder schweifen

Durch die wildgerißne Welle

Ewig grau bemooster Felsen,

Die sich wie ein Schlachtfeld wälzen.

Die verzerrten Wurzeln scheinen

Wild Gewürme, hagre Drachen,

Die mit aufgesperrten Rachen,

An erschlagner Riesen Beinen

Nagend, über Schätzen wachen;

Denn die mondgebleichten Klippen,

Schimmern weiß, gleich den Gerippen

Starker Helden, die, im Kampfe

Sinkend, mit dem letzten Krampfe

Noch das Herz der Erde fassen,

Zu umarmen, was sie lassen.

Alle Zweige schrecklich starren,

Schrecklich, aber herrlich, kräftig

In die Lüfte, und geschäftig

Kämpfen mit dem Astgewürme

Stribogs Enkel, wilde Stürme,

Daß die harten Schlangen knarren

Und des Laubs erwühlte Meere

Sausen wie die wilden Heere,

Daß es raset, rasselt, stöhnet,

Wie ein Schlachtgetöse tönet.

In den sturmgepeitschten Ästen

Kann kein lustges Eichhorn klettern;

Eicheln, die gleich Hagelwettern

In die Felsen niederschmettern,[653]

Du, Rozhon, der das Schicksal nicht geehrt

Und nicht des Greises Liebe zu dem Baum,

Ja selbst des Baumes Leben frech gestört,

Du, der des frommen Mannes ernsten Traum

Mit Hohn erwidert, du hast mich empört;

Dich, Frevler, treib ich aus dem heilgen Raum,

Ich nehme dir so Feld als Wiesenplan,

Gen Mitternacht bau andres Land dir an,

Wo einsam du den Nachbar nicht kannst plagen:

So spricht das Recht, zieh ab in sieben Tagen!

ROZHON bricht wütend aus.

In sieben Tagen, ja in sieben Tagen

Die siebentausend Teufel, ihn zu schlagen,

Und in dein Jungfernreich die sieben Plagen.

Warum in sieben grad, und nicht in sechsen?

Mit Sieben richten nur allein die Hexen –


Er schlägt sich in das Angesicht.


Unselig Antlitz, das den Faustschlag trug!


Er zerschlägt seinen Stab.


Verfluchter Stab, der nicht den Hund erschlug!

Elendes Volk! so spricht die Jungfrau Recht

Dem freien Mann, und lohnt dem Jungfernknecht.


Er will gegen Slawosch.


LIBUSSA.

Auf, haltet ihn, er rast!

WLASTA und Scharka halten ihn.

Ich schlag dich nieder,

Sprichst so tolle Worte du hier wieder!

ROZHON wehrt sich.

Wollt ihr mit Hindinnen den Eber hetzen?

Ich würge euch, laßt mich, laßt los, ihr Metzen!

BIWOG tritt durch die Menge; er trägt einen lebendigen Eber, wie Hirten die Lämmer, über dem Nacken.

Wer bricht der Götter Fried, Libussens Zucht?

ROZHON.

Verfluchte Zucht, die so die Männer zieht,

Notzucht, Unzucht, die auf den Männern kniet.

Laßt, laßt mich los, ihr männertollen Metzen. –

BIWOG.

Noch so ein Wort, ich reiße dich in Fetzen,

Ich schlag den Eber hier auf dir zu Tod!

LIBUSSA.

Laßt ihn, laßt ihn, klag, Rozhon, deine Not![654]

ROZHON immer noch von den Dirnen gehalten.

Ihr slavschen Männer, seht mein Elend hier,

Mich halten Dirnen, es gestattet mir

Die übermütge Dirne hier die Rede

Die anders nicht beschaffen ist als jede

Ins Bad, ihr Männer, mit dem Weiberkönig!

Beim Peron! steht ein Weib, so weiß sie wenig,

Und liegt, wie diese hier, sie gar auf Kissen,

So mag sie gar nichts als nur eines wissen,

Ihr Recht zu fordern, eh, als Recht zu geben.

Kein Weib gab Recht dem Manne je im Leben.

Ja all ihr Wesen ist ein Widersprechen,

Denn sie zu stärken, darf man sie nur schwächen.

Lang Weiberhaar, und kurzer Frauensinn,

Ins Haar, ins Kraut schoß ihnen der Verstand,

Die Spule geben sie dem Manne hin,

Und nehmen selbst den Zepter in die Hand.

Nein, würdger ist der Tod als dieses Dulden,

Verkehrt allein in uns ist die Natur,

Vor allen Völkern kömmt die Schmach zu Schulden

Nur diesem Volke, diesen Slaven nur;

Uns fehlt ein Richter, und ein männlich Recht,

Mein Volk ward einer Weiberzunge Knecht.

BIWOG.

Libussa, länger halte ich mich nicht,

Kannst du ihn hören, so kann ichs doch nicht.

Fing ich den Eber hier mit meiner Hand

Und trug ihn lebend weither durch das Land,

Zu Ehren dir, o Kascha hohe Frau

Und soll nun wüten sehn die wilde Sau?

Den Eber schmettre ich vom Felsen nieder,

Und kehre, Rozhon, dich zu bändgen, wieder.


Er läuft einige Stufen den Felsen hinan, schwingt den Eber hoch in die Höhe, und schleudert ihn hinten hinab.


So werde aller Frevler Hals gebrochen!

WRSCHOWETZ.

Rozhon, zurück, du hast zu viel gesprochen!

DOMASLAUS.

Wir sehn uns wieder, geh, es hebt sich Streit.


Sie fassen ihn, und führen ihn weg.[655]


ROZHON im Abgehen.

Bewahre, Dirne, deine Herrlichkeit.

BIWOG von dem Fels kehrend.

Ihn hat zu gehn sein guter Geist gelehrt,

Lebendig wär er nie zurückgekehrt.

LIBUSSA.

Nimm unsern Dank, du wunderstarker Mann;

Sag, wie du heißest, daß ich lohnen kann

Den Helden, der den Eber fing und trug.

BIWOG.

Biwog heiß ich, dein Lob ist Lohns genug.

Seit Kascha mir geschenkt den eignen Speer,

Irrt in den Wäldern jagend ich umher,

Begierig, ihr ein solches Wild zu fangen,

Womit ich könnt vor ihrer Güte prangen.

Ermüdet lauscht ich an umbuschter Stelle,

Und sah den Eber, in dem Grunde wühlend,

Da sprang zutag vor ihm heiß eine Quelle,

Er wälzte grunzend sich, die Wärme fühlend,

Und übertretend rann die Wunderwelle

Zu meinem Stand, den Fuß mir lau umspülend:

Nun wuchs mein Mut, der Arm erstarkte mir,

Mit niegefühlter Kraft faßt ich das Tier

Im Überschritte bei den borstgen Ohren,

Brach ihm die Hauer, und es gab verloren;

Ich konnte seine Füße sicher packen

Und wie ein Lamm es tragen auf dem Nacken.

SCHARKA bricht plötzlich aus.

O welch ein Riesenmann an Mut und Stärke!


Die andern Dirnen schaun sie höhnend an, sie zieht sich beschämt zurück.


LIBUSSA.

Sieh, selbst die Jungfraun preisen deine Werke;

Als Gabe nimm den Gürtel an von mir,

Ich setze in das Schild den Schweinskopf dir,

Und wo die heiße Quelle sich ergoß,

Erbaue deinen Kindern stolz ein Schloß.

BIWOG.

Ein Schloß? Für dich, ich habe keine Frau. –

KASCHA.

Biwog, du Stärkster, deinem Glück vertrau:

Dir habe ich den Speer, den Ring gegeben,

Nimm diese Hand, so du mit mir magst leben![656]

BIWOG.

O Herrin, allzu hoch ist dieser Preis!

KASCHA.

Dir, Biwog, nicht, der so zu ringen weiß;

Du wähltest mich, du bist mir auserwählt,

Der heiße Quell, der dir den Mut gestählt,

Ist nächtlich auch im Traum zu mir geflossen,

Die Götter haben diesen Bund geschlossen!

BIWOG.

Dein Diener bleibe ewig der Gemahl!

LIBUSSA.

Heil, Kascha, dir, ich ehre deine Wahl!

VOLK.

Heil, Kascha, dir! Heil, Biwog, starker Mann!

KASCHA sich erhebend.

Das eigne Heil preis ich, euch dankend, an.

Wer solcher Jungfrau Reich sich schimpflich glaubt,

Der wirft von sich ein goldnes leichtes Los:

Legt doch gezähmt sein nie besiegtes Haupt

Das Einhorn gern in reiner Jungfraun Schoß;

Die Götter und die Helden, die ihr glaubt,

Sie wurden all in einer Mutter groß;

Die heilige Natur, der Dinge Leib,

Empfängt, gebärt, ist jungfräulich, ein Weib!

Und wie mich Biwogs Stärke konnte binden,

Mag auch ein Weiser diesen Thron einst finden.

DOMASLAUS.

Den Eber fing er, Feinde will ich fangen!

WRSCHOWETZ.

Den Feind und dich fang ich, sie zu erlangen!

STRATKA.

Wollt beide ihr euch bei den Ohren packen,

Und beide her euch tragen auf dem Nacken?

VOLK.

Wir wollen einen Herrn, sei er ein Held,

Sei er ein Weiser, wie es ihr gefällt!

LIBUSSA.

Den Himmelsgöttern sei es heimgestellt,

Dem Mann im Monde bin ich untertan,

Und geben sie mir ihn, ich nehm ihn an.

Jetzt, schmerzlich fühlend dieses Tages Schmach,

Des Volks verführten Sinn, Rozhons Geschrei,

Der mir den Frieden meines Richtstuhls brach,

Geselle ich mir kluge Richter bei.

Biwog, Drzewoslaus und Wrschowetz,

Slawosch und Domaslaus, stützt mein Gesetz,

Des Thrones Nächste nenn ich euch Wladicken.


Sie neigen sich vor Libussa.[657]


DRZEWOSLAUS.

Lies frohen Dank in deiner Diener Blicken!

LIBUSSA.

Des Thrones Nächste sollt den Spruch ihr üben:

So wie dich selbst sollst du den Nächsten lieben!

Sag, Domaslaus, sprach ich dem Flusse Recht?

DOMASLAUS betroffen.

Recht gingst du ins Gericht mit deinem Knecht!

LIBUSSA.

Wrsch, durfte andres Recht dem Sturm ich sprechen?

WRSCHOWETZ entschuldigend.

Er eilt der Feinde Wolken zu zerbrechen!

LIBUSSA.

Drzewoslaus, wie gab ich Chirch den Pflug?

DRZEWOSLAUS.

Mild war ihm deine Hand, die hart ihn schlug.

LIBUSSA.

Sagt alle, war gen Rozhon ich gerecht?

VIELE STIMMEN.

Mild, mild, er schmähte dein Geschlecht, dein Recht.

LIBUSSA.

Wladicken, hört, ich lehr euch eure Pflicht,

Daß recht von euch das Recht gesprochen werde.

Aufgeht im göttlichen Gesetz das Licht,

In ewger Ordnung Himmels und der Erde

Geht auf gerecht das einzige Gericht,

Der Menschen Recht sei ahmende Gebärde!

So lebet fromm, schaut auf der Götter Wesen,

Dann werdet ihr im Buch des Rechtes lesen.

Den Göttern gebet, was den Göttern ist,

Den Menschen, was den Menschen angehört,

Das Recht sei treu und wahr und ohne List.

Schlecht ist der Richter, der sich selbst nicht ehrt,

Wie der, der nicht sein eignes Wohl vergißt;

Denn Richtern ist ein göttlich Amt gewährt.

Nun, Richter, lasset jedem Recht ergehn,

Wie ihr gewünscht, daß euch es mög geschehn!

Ihr Krieger, zieht gen die Avaren aus,

Ihr Mägdlein, schmücket festlich mir das Haus,

Ich pflücke meiner Kascha Hochzeitsstrauß!


Die Heerhörner der Männer beginnen einen Marsch, die Trompeten der Dirnen fallen variierend ein, alles kommt in Bewegung zum Abzug. Libussa erhebt sich, mit Kascha und Biwog zum Schlosse zu ziehen; plötzlich bleibt sie ernst stehen, blickt starr in die Ferne, und erhebt ihren Stab.[658]


BIWOG.

Halt, steht, verlasset lärmend nicht den Plan!

Libussa sieht, die Götter schaun sie an!

LIBUSSA.

Ja wahrlich, wahrlich, sieh, es kommt die Zeit,

Die Eiche Slawoschs rauschet über mir,

Die Nachwelt tobt, im Zorne wild entzweit,

Es kämpft wie Swantowid der starke Stier,

Er trägt allein der grimmen Feinde Streit,

Die Eiche deckt ihn, er sinkt unter ihr!

O liebe dich, mein Volk, die Kämpfer sterben,

Ein redend Grab dem Nachruhm zu vererben!

Ich sehe mit dem Kelch das blinde Kind

Bei dieser Eiche von der Mutter gehn,

Es schießt empor gleich einem Wirbelwind,

Und alle Türme seh ich niederwehn;

Ist gleich der Zorn blind, und das Schicksal blind,

Kann doch kein Hälmlein vor ihm sicher stehn!

O liebe dich, mein Volk, und halte Frieden,

Der Nachwelt ist ein hartes Los beschieden!

Doch nieder wend ich die erschreckten Augen,

Denn milder als die Menschen ist die Erde,

Sie tut sich auf, die heißen Quellen rauchen,

Ein ewges Heil der kränkenden Beschwerde;

Wer wird zuerst, zuletzt ins Heil sich tauchen,

Daß er geheilet und geheiligt werde?

O liebe dich, mein Volk, dich liebt der Grund,

Betritt ihn fromm, so macht er dich gesund.


Die unterbrochenen Märsche fallen ein, der Vorhang fällt.


Quelle:
Clemens Brentano: Werke. Band 4, München [1963–1968], S. 613-659.
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