Dreizehnter Auftritt

[151] PORPORINO als Grazioso maskiert, oder als Harlekin – er spielt im Anfang der Szene die Rolle seiner Maske, er tritt neben Sarmiento, hat seinen Hut in der Hand und weint hinein – mit spöttisch- kläglichem Ton. Oh! Ach! Oh! wie ist das menschliche Geschlecht mit Übeln behaftet, wie mancherlei sind die Plagen, die über den Menschen verhängt sind, mit verhängtem Zügel reitet man dem Tode entgegen; – ja, alles ist Verhängnis einer höheren Hand, denn erhängt sich einer, so muß seine Hand den Strick höher hängen als seinen Kopf; ja, es ist ein verhenkertes Leben, und selbst die Gerechtigkeit verhenkt sich, wenn sie einen Unschuldigen aufhängen läßt. So tröstet Euch dann mit diesem allgemeinen Elend über Euer Kopfweh.

SARMIENTO. Kopfweh werde ich haben, wenn du lange fortfährst.

PORPORINO. Alles wissen macht Kopfweh, und Ihr wißt alles; der Kopf muß Euch brummen wie ein Brummkreisel.

SARMIENTO. Nimm dich in acht, daß er dir nicht an die Schienbeine fährt.[151]

PORPORINO. Anfahren könnt Ihr einen wohl, aber ich bin kein Schienbein.

SARMIENTO. Ja, dein Schienbein mag wohl nur ein Scheinbein sein, und deine Waden falsch. Aber du mußt besser haushalten, Junge, als ich dir die Ohrfeige gab, habe ich dir ja erst Beine gemacht.

PORPORINO. O weh, Ihr wiederholt Euch – ich bitte, sage mir, ist das Wiederholen Herkommen bei Euch? Dann geht nur fort, ich will Euch nicht wieder holen.

SARMIENTO. Du solltest mein Herkommen besser kennen, denn ich gab dir die Ohrfeige, als ich im Begriffe war herzukommen.

PORPORINO. Hört, Ihr wißt viel, aber ich will Euch doch beweisen, daß Ihr ein schlechter Schulmeister seid.

SARMIENTO. Wie das, fauler Schüler?

PORPORINO. Ihr gabt mir die Ohrfeige, ehe Ihr mir Euren Unterricht eintrichtertet.

SARMIENTO. Das tat ich, weil ich vermutete, daß du vertrauten Umgang mit Weinküpern habest, welche, ehe sie den Trichter brauchen, das Faß aufschlagen.

PORPORINO. Brav! Aber nun will ich Euch selbst entwickeln; laßt sehen, wer Ihr seid; komme, mein Kind, aus der Wickelschnur, Er nimmt ihm den Mantel ab. gieb mir deinen Lütscher, du Engel! Nimmt ihm Maske und Trichter. Ei, du Wechselbalg, du Findelkind! O, welche mütterliche Gefühle in mir!

SARMIENTO. Hier bin ich, lieber Porporino, aber du irrtest dich, du wolltest sagen, kindliche Gefühle, da du sagtest, Findelkind; bist du nicht ein Findelkind?

PORPORINO. Das habt Ihr so richtig gefunden, als ich unrichtig gefunden ward; aber woher wißt Ihr das?

SARMIENTO. Ich bin ein alter Freund Valerios, ich brachte dich zu ihm.

PORPORINO. Seid Ihr Sarmiento?

SARMIENTO umarmt ihn. Ja, ich bins; aber schweige, ich bins jetzt nur für dich.

PORPORINO. O lieber, lieber Findelvater, nehmt Euer Findelkind![152]

SARMIENTO. Still, da kömmt dein Liebchen, nimm dich zusammen, sie braucht nicht zu wissen, daß du da bist; geh mit auf den Ball, da kannst du sie und Ponce beobachten.

PORPORINO. Ach, wißt Ihr die Geschichte? Nu, ich will mich zusammennehmen. Er hängt den Mantel Sarmientos an die Wand und stellt sich dahinter.


Quelle:
Clemens Brentano: Werke. Band 4, München [1963–1968], S. 151-153.
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