Sechszehnter Auftritt


[207] Ponce geht ohne Rock und Hut rasch quer über das Theater weg, von der Rechten zur Linken; Aquilar tritt auf, er geht müde, schwer bepackt, auf seinem großen Pilgerhut hat er noch Ponces Pilgerhut sitzen; er hat zwei Pilgerstäbe, zwei Mäntel und die Laute – steht und ruft dem Ponce in die Kulisse.


AQUILAR. Der Verliebte läuft wie unsinnig; he, Ponce, stehe! Ich gehe keinen Schritt weiter.

PONCE in der Kulisse. Wir sind ja gleich dort, es zieht wie ein Magnetfelsen.

AQUILAR. Gleich dort? Ich spüre nichts als meine Müdigkeit und deine Bequemlichkeit – ich gehe keinen Schritt mehr – nimm deinen Mantel, und deinen Hut – du läufst wie zwei.

PONCE tritt ein. Verdammt der Schritt zurück! und folgst du nicht wie zwei, hast du nicht zwei Hüte, zwei Mäntel, zwei Röcke, könntest du nicht folgen?

AQUILAR. Du bist unerträglich bequem, seit du verliebt bist.

PONCE. Ach, fühltest du die Last, die auf mir liegt; auch dieses Kleid möchte ich abwerfen, um hinzufliegen.

AQUILAR. Oho – nackt möchtest du wohl willkommen sein.

PONCE. Noch mehr als nackt, ermorden möcht ich mich, daß meine Seele in den Himmel schwebe – in den Himmel, sage ich, denn sicher wölbet sich ein seidner Himmel voll selger Träume über ihrem Bette, – ich will nicht selig werden, Aquilar, in keinem Himmel als in diesem.

AQUILAR wirft Ponces Kleider hin. Nimm – du bist ja sehr erfahren in der Himmelskunde.

PONCE kleidet sich an. Auch das, ich will dich lehren – drei Himmel sind. Der dritte ist der schlechteste. – Der erste Himmel ist über Liebchens Bette, wo Leben, Liebe und Tod sich lösen, wo alles eins nur wird, das ist der höchste, beste Himmel. Der zweite Himmel ist der Himmelwagen oder Totenwagen, in ihm ist Liebe und Leben hin, der Tod fährt einmal noch spazieren, das ist der ganze Spaß. Der dritte Himmel aber ist ein armer Himmel, der alle seine Freude an das Leben versetzte, da ist kein Anfang und kein Ende, kein Leben und kein Tod, da sitzt die Liebe ganz allein – das ist ein[207] langweiliger Himmel – Wirft den Mantel um. Fort, mein Mantel brennt, – es ist heute meine Himmelfahrt – Ab.

AQUILAR. Stecke nur den Wald nicht an. Ab.

PONCE. Du Kalter, lösche seine grünen Flammen. Hinter der Szene.


Quelle:
Clemens Brentano: Werke. Band 4, München [1963–1968], S. 207-208.
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