Neunter Auftritt


[223] Vorige, Valeria mit einer Pastete.


AQUILAR auf sie zulaufend. Willkommen, tausendmal willkommen, und wärst du auch ein Teufelchen, so bringst du doch Pasteten! Setzt sich und ißt.

VALERIA. Ihr seid ja schnell genesen.

AQUILAR. Sogleich, sogleich.

PONCE. Du Kleine, bist du lange hier im Hause?

VALERIA. Seit gestern nur, und doch geliebt, als wär ich Jahre hier, die Fräulein sind so freundlich gegen mich.

PONCE. O glückliches Mädchen, wie beneide ich dich!

VALERIA. Ihr wißt nicht, was Ihr beneidet, ich bin sehr arm.

PONCE. Arm? – Du bist um sie und darfst mit deiner schwarzen Farbe den Glanz von Isidoren erheben; sie giebt dir freundliche Worte? Ach, ich wäre gern wie du ein Diener hier im Hause, ich wäre dann wohl auch geliebt.

AQUILAR aufspringend. Au, au, o weh – was Teufels ist das – au!

PONCE. Was schreist du?

AQUILAR. Ich habe mir beinahe einen Zahn ausgebissen – ein Goldstück stak in der Pastete.

PONCE. Leg es beiseite, der Koch hat es verloren.

AQUILAR. O weh, noch eins, es ist, als wäre ich zum Midas geworden. Ißt behutsamer fort.

VALERIA. Liebt ihr dann Isidoren?

PONCE. Kannst du schweigen, bist du treu?

VALERIA. Ich schweige gern, und bin auch treu – wäre ich ein weißes Mädchen und Ihr liebtet mich, Ihr dürftet dann nicht fragen.

PONCE. Ich glaube dir; doch weißt du, ob Isidora liebt?

AQUILAR. Und wieder eins! Höre, Mädchen, wenn du weißt, ob Melanie liebt, so erlaube ich dir mitzuessen, und alle das Gold soll auf dein Teil kommen.

VALERIA. Ich will kein Gold, doch helf ich gerne, wenn Ihr liebt.

PONCE. Du gutes Mädchen – ach, liebte sie nur keinen andern!

VALERIA. Wißt Ihr es dann gewiß? Ich weiß es nicht.[223]

AQUILAR steht auf. Wohlan, ich bin gesund – aber das Gold in der Pastete begreife ich nicht.

PONCE. Fernand, ist es nicht besser, wenn wir schriftlich unsere Liebe bekennen?

AQUILAR. Wir müssen dann sehr gescheit schreiben, weil man uns vor kurzen noch für unklug hielt, und das ist schwer bei der Liebe.

PONCE. Es ist kein andrer Weg, die Mädchen fürchten uns seit jener Szene.

VALERIA. Ich will die Briefe abholen, schreibt nur.

PONCE. Um deinen Hals leg ich die schönste Perlenschnur, in deine Ohren häng ich goldne Ringe, und Diamanten soll dein dunkler Busen tragen, lieb Mädchen, wenn du hilfst!

AQUILAR. Hilf! Mädchen, hilf! Sieh, alles Liebesfeuer, was uns armen Jungen im Herzen brennt, soll sich zu strahlenden Geschenken dir verwandeln.

VALERIA zu Ponce. Ihr seid ein Jüngling und ein Sänger, Freund; ich kenne eine Gabe nur, mit der Ihr mich belohnen könnt.

PONCE. Begehre!

VALERIA. Habt Ihr wohl früher schon geliebt, hat jemals ein gutes Mädchen so von ganzer Seele Euch umfaßt?

PONCE. Wie fragst du?

AQUILAR. Wie kann dich das belohnen?

VALERIA. Habt Ihr ein treues Herz vergessen, hat diese Liebe einer andern Glück verschlungen, so sollt Ihr, ehe Ihr sie beginnt, der guten abgeschiedenen Liebe einen Kuß opfern, und ein frommes Lied singen, wie man die Seele abgeschiedner Freunde ehrt, ehe man in ein neues Leben tritt. Es ist dies eine Sitte meiner Heimat, und soll ich Euch von Herzen dienen und Eure Freundin sein, so müßt Ihr mir an Eurer vorgen Liebe Statt dies Opfer bringen – dann rechnet, daß ich Euer sei.

AQUILAR. Ich zähle hin und her – die Sitte gefällt mir, und du auch – denn ich küßte dich gern – nu, Ponce –

PONCE gerührt. Schön ist die Sitte deines Landes, Mädchen. Nur eine Liebe soll das Leben sein, und wie das Leben eins nur ist, wenngleich die Freunde still hinüberschreiten, so[224] reiche stets die rührende Erinnerung die Hand auch zu den Lieben hin, die nicht mehr sind, und freundlich schlingen tausend Reihen sich mit Ernst und Freud und Schmerz durchs Leben hin – kein Tod ist dann, wir leben alle, all und lieben doch schmerzlich, schmerzlich ist mir dieses Opfer, die neue Liebe reißt so ganz mich in das Leben!

VALERIA. Wenn du die Vorzeit ehrst, so wird die Gegenwart dich lieben.

PONCE.

So sei es dann –


Er nimmt die Laute.


Hier, wo neue Liebe mich gefangen,

Der ich nimmer, nimmermehr entgehe,

Denk ich gerne deiner, die vergangen,

Süße Liebe voller Lust und Wehe!

VALERIA.

Zürnet seiner nicht, ihr roten Lippen,

Wollet Trost aus andern Küssen saugen,

Denn er scheiterte an fremden Klippen,

Wendet nimmer heimwärts seine Augen.

PONCE.

Wenn das Leben nicht hinaus mich triebe,

Nicht nach Ferne Sehnsucht mich verzehrte,

Blieb ich dir, du Heimat meiner Liebe,

Die mich scherzen, tändeln, küssen lehrte.


Er küßt sie.


VALERIA.

So sei dann feierlich entbunden;

Wie dieses Kusses Feuer leicht verglühet,

So schließen sich der frühen Liebe Wunden

Und neue, schönre Liebe bald erblühet.

PONCE. Herzlichen Dank! Mädchen, es ist mir beinahe besser ums Herz; willst du mir nun treu dienen?

VALERIA. So treu als Euer Liebchen Euch einst liebte – und Ihr, mein Herr? Zu Aquilar.

AQUILAR. Liebes Kind, ich bin so verliebt, daß ich das Summieren vergessen habe, und ich könnte nichts singen als das Lied aus dem Don Juan, der mein Almherr war:

»Und in Hispanien tausend und drei.«

VALERIA. Das sind zu viele! Lebet wohl, ich hole die Briefe ab. Ab.[225]


Quelle:
Clemens Brentano: Werke. Band 4, München [1963–1968], S. 223-226.
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