Achter Auftritt


[221] Ponce, Aquilar.


PONCE bindet ihn los. O wären meine Fesseln so gelöst!

AQUILAR. Isidora läßt sich wohl nichts einprägen?

PONCE. Ich bin so ohne Hoffnung, so erbärmlich!

AQUILAR. Wenn wir nur nicht so schlechte Musikanten vorstellten!

PONCE. Was kann dir dran liegen?

AQUILAR. Glaubst du, mir liege so wenig dran, mit dir verwandt zu werden?

PONCE. Als Musikant bist du es mehr denn als Edelmann.

AQUILAR. Nein, lieber Gabriel, wie es jetzt steht, haben wir wenig Hoffnung zum Quartett; die Mädchen spielen aus Dur, und wir aus Moll, und du sollst wissen, daß ich verliebt bin.

PONCE. In ein honettes Weib?

AQUILAR. Wenn sie das einmal ist, wird sich die Liebe schon mehr gelegt haben – nein; in eine schöne Jungfrau, Melanie de Sarmiento.

PONCE. Wie ist dir dabei zumute?

AQUILAR. Das wollte ich von dir hören – und lernen.

PONCE. O guter Fernand! wenn du noch etwas lernen willst, so liebst du nicht. Wenn du nicht alles weißt und alles vergessen hast, nicht ewig deine Gedanken zu ihr hinziehen, so liebst du nicht. Ist dir nicht, als hättest du in die Sonne geschaut, seit du sie sahst, ist vor deinem Auge nicht ein schimmernder Fleck, wie du es wendest, flieht er mit ihm, und überall ihr Bild, das du nur ansehen kannst – und alles weißt du, was du mit ihr sprachst, die nie mit dir geredet und immer bangt es dir, sie zu verlieren, die du nie besaßest –[221] ein ganzes Leben in schönen, sonnenreichen Tagen und liebestillen Abenden hast du mit ihr gelebt, die nimmer mit dir war – wie sie an deinen Lippen hing, in deinen Armen lag, nur wenige Minuten aus tiefen Lebensnächten, wie sie geflüstert, wie du scherzend ihren Puls gezählt, und dein Aug, ihrem Auge genaht, ihre Blicke fühlte, weil euch die Nacht verhüllt, daß alle Seligkeit nur euch gehöre – ach! in diesem schönen Leben lebst du nur, die Welt versank, es ist nichts gut mehr, nichts mehr bös – alles nur aus dem Herzen ruhiger Erguß in wohltätigen Strömen, alles nur ewiges Empfangen mit süßem, tiefem Durste. – Ist es nicht so, so liebst du nicht.

AQUILAR. Und wenn sie vor dich tritt?

PONCE. Und wenn sie vor dich tritt, so bricht der ganze schöne Traum zusammen, du warst im Traum ein Held, und nun, da du sie siehst, bist du so arm, und wünschest, ein Bettler nur zu sein, damit sie gerührt sich zu dir wende und dir einen Pfennig gebe, und dieser Pfennig wird dein höchstes Gut, du wirst ein Geizhals, bettelst immer fort, und hat sie vieles schon gegeben, so schön, so ohne Anspruch, wie der Engel giebt, so hast du einen Schatz gesammelt, und bauest einen Tempel auf, gehst still vor ihr hinein, und betest, denn auf dem Altar steht ihr Bild, und bist du dann recht fromm, so recht ergeben, so steigt sie vom Altare zu dir nieder, und hat dir alles hingegeben – in ihren Armen liegst du, der Tempel, den du dir aus ihren Reizen aufgebaut, erscheint dir wie [die] Welt – die Welt ist schön, Fernand, wenn sie die Liebe neu erschafft.

AQUILAR. Die Welt ist schön, unstreitig – und mein Hunger ärgert mich nun doppelt; er könnte mich hindern, die schönen Pfennige zu nehmen, die die Liebe, wie du sagst, zu geben pflegt, denn ich hätte große Lust, sie um ein Stückchen Brot zu bitten.

PONCE. Es kömmt jemand, vielleicht erhältst du Speise.[222]


Quelle:
Clemens Brentano: Werke. Band 4, München [1963–1968], S. 221-223.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Ponce de Leon
Ponce de Leon
Valeria: Oder Vaterlist, Ein Lustspiel in Fünf Aufzügen (Die Bühnenbearbeitung Des